Kapitel 3

Jasons Sicht

Die unbekannte Halbgöttin, die ich zuvor gerettet hatte, hatte sich mir als Oriana vorgestellt. Nun, sie entsprach ganz und gar nicht dem, was ich wirklich erwartet hatte...eigentlich war ich mir nicht einmal ganz sicher, was ich erwartet hatte, doch nicht das, was ich geliefert bekam. Oriana hatte auf mich gewirkt wie jemand, der lediglich auf sein Aussehen bedacht ist, jemand ohne Einsicht. Ich konnte euch sagen, dass sie alles andere als eine solche Person war. Mit langen und eleganten Schritten lief sie vor mir weg die Straße entlang. Weder in der U-Bahn noch hier sprach sie mit mir, ich musste wie ein Stalker aussehen, denn ich lief einige Meter hinter ihr, mein Blick auf ihren Rücken geheftet.

"Du solltest neben mir laufen, Jason. So wirkst du wie ein Stalker, nicht wie den Mann, für den ich dich ausgeben will", sie blieb stehen und drehte sich zu mir um. Dunkel traf auf hell, was mich erschaudern ließ. Sie war wirklich hübsch, hübscher als die meisten Töchter der Aphrodite.

"Wie meinst du das?", ich räusperte mich und wich ihrem durchdringenden Blick aus, woraufhin ihr Lachen durch die leere Straße hallte.

"Mein Vater wird seine Erbin wohl kaum mit einem Fremden von dannen ziehen lassen, weil er sie beschützen will. Du wirst für einige Stunden mein Freund sein, so dass mein Vater davon überzeugt ist, dass ich in Gefahr bin und du mich schützen willst", sie nahm meine Hand und verschränkte ihre langen Finger mit den meinen. Verwundert starrte ich auf unsere Hände, jedoch hatte ich keine Sekunde Zeit, noch weiter über das Geschehen nachzudenken, denn Oriana zog mich bereits weiter, bis wir vor einer Villa standen, die die anderen weit überragte. Sie war riesig und ihre weiße Fassade strahlte im Sonnenlicht. Der Fensterputzer tat mir leid, denn die vielen Fenster waren porentiefrein. Vor der großen, geöffneten Haustür ganz in Weiß stand ein Mann mit schwarzgrauem Haar und besorgtem Blick, an seiner Seite stand eine junge Frau mit langem, goldblonden Haar und befriedigtem Gesichtsausdruck. Auf den ersten Blick konnte ich erkennen, dass sie Oriana verabscheute.

"Da bist du ja endlich! Wer ist dein Begleiter?", der Mann sah sie besorgt an, bevor er mich misstrauisch musterte. Die Schwarz-/Weißhaarige lehnte sich gegen mich und lächelte mich strahlend an. Sie war eine beeindruckende Lügnerin.

"Das, Daddy, ist der, den ich liebe, Jason! Ich wollte ihn dir erst jetzt vorstellen, denn....es ist etwas passiert Daddy...", ihre Stimme klang traurig und belegt, sie wirkte, als hätte sie schreckliche Angst vor irgendetwas. Ihr Vater sah noch besorgter aus als zuvor und winkte uns ins Haus. Etwas zögerlich folgte ich den dreien ins Haus, wobei die Frau uns immer wieder wütende Blicke zuwarf.

"Was ist passiert, mein Liebling?", nachdem wir durch den langen Flur mit sehr teuer aussehendem Mamorboden gegangen waren, traten wir durch eine weiße Holztür in einen großen, hellen Raum, dessen Weiß durch das Licht von draußen noch verstärkt wurde. Die Möbel waren crèmeweiß und ein riesiger Flachbildschirm hing gegenüber der Sitzgelegenheiten. Der Mann setzte sich auf das lange Sofa, seine Frau nahm neben ihm Platz. Oriana ließ sich auf einem Sessel nieder und ich stellte mich neben sie, eine Hand legte ich auf ihre Schulter.

"Ich wurde bedroht, Vater", sie faltete die Hände in ihrem Schoß und blickte darauf, als wäre sie ängstlich und traurig. Automatisch lehnte ich mich näher zu ihr, obwohl ich eigentlich wusste, dass es eine Lüge war, ein Schauspiel. Sie war...überzeugend.

"DU wurdest bedroht?", schaltete sich die Frau an der Seite mit schrecklich hoher Stimme ein. Sie hat die Nasenspitze gen Himmel gerichtet, was mich zunächst an Oriana erinnerte, doch dann fiel mir auf, dass Oriana nicht derart arrogant auf mich herabgeblickt hatte, sie war eher überlegen, aber auch misstrauisch gewesen.

"Ja, Cendrine, es ist grausam", die Schauspielerin nahm meine Hand und vergrub ihr Gesicht in meiner Schulter. Ein ziemlich echt klingendes Schluchzen entfuhr ihr. Die Blonde zögerte eine Sekunde, bevor sie einen 'Ts'-Laut ausstieß und den Raum verließ. Ihr offenbar Ehemann blickte mich kurz entschuldigend an, doch ich versuchte, mich völlig auf das Mädchen an meiner anderen Seute zu konzentrieren, die so beeindruckend spielte. Unwillkürlich kam die Frage in mir auf, ob sie das wohl oft tat. Spielte sie ihren Eltern oft etwas vor? Meine blauen Augen lagen auf ihren ungewöhnlichen Haaren, warum hatte sie sich diese wohl so gefärbt? Es waren sinnlose und zusammenhanglose Fragen, doch sie wirkten wie das Einzige, das ich mich in so einer Situation fragen konnte.

"Was hat dein Freund damit zu tun?", fragte der Geschäftsmann weiter, sein Blick war plötzlich mitfühlend und traurig.

"Jason will mich beschützen, Daddy, er will mich in Sicherheit bringen", flüsterte sie, woraufhin ihr Vater wieder zu mir sah. Er wirkte...dankbar.

"Ich möchte sie gerne von der Stadt wegbringen, Sir, damit sie bei meinen Großeltern mit mir leben kann. Ich werde sie keine Sekunde aus den Augen lassen", die Lüge kam nir spielend leicht über die Lippen. Mir war, als hätte ich mich lange darauf vorbereitet, obwohl ich nicht einmal im Traum daran gedacht hatte, überhaupt etwas zu sagen.

"Zu deinen Großeltern? Aber, wenn ihr doch zusammen seid...dann werden sie euch finden...", stellte der ältere Mann Bedenken an. Glücklicherweise rettete Oriana die Situation schneller, als ich überhaupt über die Worte hatte nachdenken können.

"Jason ist speziell, Daddy...wir dürfen nicht darüber reden, aber du kannst mir glauben, dass ich bei ihm wirklich sicher bin", sie drückte meine Hand fest und lächelte mich an. In ihren Augen standen gefälschte Tränen, was sie unschuldig und niedlich wirken ließ.

"In Ordnung...", ihr Vater stand auf, so taten wir es auch. Mir gab er mit einem akzeptierenden Nicken die Hand und sie umarmte er schnell, dann verließ auch er den Raum.

"Du hast es nie gelernt", innerhalb einer Millisekunde verschwand das Wasser und Oriana schaute mich prüfend an.

"Entschuldige?", ich erwiderte den Blick ohne jegliches Verständnis. Ein Lächeln schlich sich auf die blutroten Lippen.

"Mach dir keine Sorgen, Jason, es bleibt noch Zeit, um dir das Spiel zu lehren", sie legte mir eine Hand auf die Schulter, das Lächeln war grausam.

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