Kapitel 1
Kids forever, kids forever. Baby soft skin turns into leather, don't be dramatic! It's only some plastic
Das Lied 'Mrs. Potato Head' von Melanie Martinez dröhnte aus meinen Kopfhörern, während die U-Bahn auf ihren Schienen unter der Stadt herumwackelte. Ich konnte die Blick der Leute auf mir spüren, ich zog die Blicke beinahe schon an, immerhin war ich nicht gerade das Bild der Normale. Meine Haare waren auf einer Seite rabenschwarz mit weißen Spitzen und auf der anderen Seite genau umgekehrt. Meine dunklen Augen waren von schwarzem Eyeliner und Kayal umrahmt, so dass sie noch größer wirkten, als sie es ohnehin schon taten. Natürlich rundete ich mein Aussehen noch durch grellroten Lippenstift ab. Auf keinen Fall konnte man sagen, dass ich hässlich war, nein, ich war in Wirklichkeit sehr hübsch, doch ich stand sehr zu meinem eigenen Style, der nun einmal nicht der Norm entsprach. Deswegen hatte ich wohl auch keine Freunde, die Leute mieden etwas, das nicht der Norm entsprach. Es hatte mich nie gestört, ich hatte niemals Freunde gebraucht. Die beste Schülerin an unserer Schule, bereits Jobs als ein Model in Aussicht und ein wundervolles Zuhause, wenn man von der Familie absah. Mein Vater war ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, der niemals von meiner leiblichen Mutter sprach, in die er sich als junger Mann verliebt hatte. Vielleicht lag sein Schweigen daran, dass meine Mutter ihn verlassen hatte, nachdem ich geboren worden war, vielleicht aber auch daran, dass seine neue Frau nichts von der Frau hören wollte, die er zuvor geliebt hatte. Cendrine Grey hatte meinen Vater geheiratet, als sie gerade einmal zwanzig Jahre alt war, was man auf seinen enormen Reichtum zurückführen konnte. Letzten Endes nutzte sie ihn aber wirklich nur aus, um das luxuriöseste Leben zu leben, das man leben konnte.
"Entschuldigen Sie, Miss...", eine junge Frau sah mich unsicher an. Langsam wandte ich meinen Kopf zu ihr und lächelte sie strahlend an. Ja, ich war wohl die geborene Schauspielerin. Im Inneren verachtete ich all diese Menschen, die einen verurteilten, sie war nicht anders als diese Menschen, sie war einer von ihnen, doch von Außen würde man mir niemals ansehen, wie sehr ich alle diese Menschen hasse, wie sehr ich sie umbringen wollte.
"Wie kann ich helfen?", fragte ich sie mit zuckersüßer Stimme, eine zuckersüße Stimme für eine zuckersüße Lügnerin. Das war ich, eine Lügnerin, jemand, der sich hinter warmen Worten und einen freundlichen Lächeln versteckte.
"Konnten Sie mir die Zeitung, die dort liegt geben?", sie deutete auf eine zerknitterte Zeitung neben mir, die ich ihr lächelnd gab. Die Titelseite fing meinen Blick auf: Sieben Teenagerleichen gefunden. In letzter Zeit passierte es oft, es wurden immer mehr Jugendliche in meinem Alter kaltblütig ermordet, sie waren Straßenkinder, Waisen. Sicherlich war der Täter jemand, der solche Kinder als Abschaum ansah. Nicht, dass es mich interessierte, diese Gören wussten einfach nicht, wie sie sich zu verteidigen hatten, sie waren schwach und nieder.
"Bitte sehr", ich übergab der Frau die gewünschte Zeitung, die sie mit einem angespannten Lächeln annahm, um zu beginnen, darin zu lesen. Ich beobachtete sie, während ihre blassen, leblosen Augen Zeile um Zeile lasen, wie sie sacht den Kopf schüttelte, ungläubig, schockiert. Wie konnten Menschen ein derartiges Verbrechen an der Menschheit begehen? Es war leicht, einen Schuldigen zu verurteilen, doch niemand machte sich die Mühe, ihn verstehen zu wollen. Nicht, dass ich interessiert wäre.
"Grausam, oder?", fragte ich sanft mit starren Blick nach vorne, die junge Frau erschrak und starrte mich aus großen Augen an. Langsam nickte sie dann, sie stimmte mir zu. "Hassen sie die Person, die das getan hat?"
"...ja", sie zögerte, doch ich hatte ihre Antwort bereits gekannt, mir war klar, dass ihr Urteil schon gefällt war, bevor ich sie überhaupt gefragt hatte. Zwar kannte sie weder die Person und ihre Gründe noch die Kinder, die umgebracht worden waren, sie kannte die Geschichte dahinter nicht, doch sie verabscheute den Täter, weil er nicht der Norm entsprach
"Danke, auf Wiedersehen", die U-Bahn hielt und ich stand auf, meine Tasche in meiner Hand fühlte sich furchtbar leicht an, obwohl ich mir sicher war, dass niemand etwas gestohlen hatte. Das traute sich niemand.
"A-auf Wiedersehen", murmelte sie verwundert, eine Verwunderung, die sich auch nicht verflüchtigte, nachdem ich die U-Bahn schon längst verlassen hatte. Ich liebte diese Verwirrung, diese ungläubigen Blicke, sie zeigten mir immer aufs Neue, dass die Menschen dumm waren. Überall, auch auf offener Straße, starrten die Leute mich an, starrten mir hinter, obwohl es ganz andere Gestalten in New York gab. Ich hörte Jungen über mich flüstern, hörte Männer mir nachpfeifen und ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, sie waren so schwach. Für jemanden wie mich, der in einer Familie, in einer Umgebung voller Lügen und Intrigen augewachsen ist, waren ihre dummen Gesichter, ihre Durchsichtigkeit, wundervoll amüsant. Ihre Ratlosigkeit, ihre Reaktionen, alles an ihnen war berechenbar, weshalb ich es liebte, mit ihnen zu spielen, wenn ich die Gelegenheit dazu hatte, ich testete mein Verständnis dieser Gesellschaft und korrigierte eventuelle Fehler dieser Ansichten. Ich stellte eine These auf und überprüfte diese auf ihre Richtigkeit, weshalb man mich wohl eine Wissenschaftlerin nennen könnte. Ja, diese Bezeichnung fand ich gut, eine Wissenschaftlerin, die sich zu gerne einmal an heikle Experimente wagte. Und die Versuchsobjekte waren Menschen selbst. In diesem Moment begann mein Handy zu klingeln. Ohne auf den Display zu sehen, wusste ich, dass es meine geschätzte Stiefmutter höchstpersönlich war.
"Ein wunderschöner Tag, oder, Cendrine?", eröffnete ich das Gespräch mit Fröhlichkeit und Lüge. Von allen abscheulichen Menschen auf diesem Planeten war sie die abscheulichste Person.
"Wo bist du? Seit Tagen verschwindest du immer wieder! Komm sofort nach Hause", diese schrecklich hohe Stimme zerriss beinahe mein Trommelfell, weswegen ich das Handy ein Stück von mir weg hielt.
"Ich komme...", doch nicht zu meinem Zuhause, denn das, was ich einst ein Zuhause genannt hatte, es existierte nicht mehr. Ich war die Heimatlose.
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