4. NOW WE GOT PROBLEMS
KUBA
„Es sind zwanzig Minuten vor Anpfiff und wir haben eine Menge zu besprechen, vor diesem besonderen Trainerduell...", startete die Moderation durch den Mann im zu engen schwarzen Anzug neben mir. Ich spickte auf seine Hand und entdeckte den schimmernden Ehering. Vermutlich war das auch der Grund, dass ihm der Anzug nicht mehr so wirklich passte. Nicht, dass es mich störte, aber der Raum war abgesehen von der Bildschirmwand relativ kahl und ich brauchte wirklich etwas, um mich abzulenken. Der sporadische Kontakt mit Nuri, war sporadisch genug, damit er mir erzählt hatte, dass das Interview gestern kläglich misslungen war und ganz ehrlich, ich wusste nicht, was ich an den Seitenlinien dieses Spiel zu erwarten kannte. Ich kannte sowohl Lukasz, als auch Nuri viel zu gut, als, dass ich nicht wüsste, dass sie beide aussprechen könnten, wie der Ätna Vulkan auf Sizilien. Und ich war mir auch ziemlich sicher, dass ich solchen Ausbruch nicht moderieren wollte, denn mehr als die Wahrheit hatte ich nicht als Erklärung und die Wahrheit war nun wirklich keine Option.
"Kuba, Sie haben mit beiden Männern zusammengespielt. Sie kennen vor allen Dingen Lukasz Piszczek besonders gut, immerhin haben sie schon in den Juniorenmannschaften zusammengespielt"
"Ich kenn Nuri genauso gut, wie ich Lukasz kenne!", funkte ich dazwischen, wusste aber kurz darauf selbst nicht so recht, warum ich es unbedingt betonen musste. Früher hatte es mich immer gestört, wenn man unsere Gruppe aufgeteilt hatte. Lukasz und ich. Nuri und Marcel. Marcel und Mats. Lukasz und Marcel. Wenn die anderen nicht so gut unter einander befreundet wären, hätten wir wohl kaum ständig aufeinander gehockt.
Der Mann lachte verlegen und ein roter Schimmer huschte über sein Gesicht.
"Okay, ja, Sie kennen beide ziemlich gut. Uhm... war es abzusehen, dass sie Trainer werden?"
"Ja", antwortete ich knapp. Der Mann sah mich verzweifelt an. Die Unlust war mir wohl anzumerken. Ich tat das hier einzig aus Freundlichkeit heraus, weil mir viel zu viele E-Mails den Spam Ordner gefüllt hatten, als, dass ich hätte absagen können. Persönlich hätte ich mir das Spiel lieber bei mir auf der Couch angeschaut.
"Okay, was sind das denn für Charaktere?"
Oh Junge, wenn ich das bloß wüsste...
Ich seufzte und sah ihn an. Er schien ja eigentlich ein ganz netter Kerl zu sein, wohl auch neu im Beruf, so wie seine Stirn vor Schweiß glänzte. Ich fühlte mich schuldig für die knappe Antwort von gerade eben und beschloss mir etwas mehr Mühe zu geben.
"Relativ ähnlich, aber auf ihre Art und Weise dann doch auch verschieden, was vermutlich auch teilweise an den Positionen liegt, die sie als Spieler eingenommen haben. Jürgen Klopp hat sie beide...", und dann verfiel ich mich in der Philosophie ihrer Spieltaktiken, die ich beide schon oft mit Begeisterung verfolgt hatte. Nuri und Lukasz waren schon immer die geborenen Trainer gewesen und das hatte jeder immer gewusst. Viel zu oft hatte man Lukasz und Nuri mit ihren jeweiligen Heimvereinen aufgezogen, die sie auch aus ihrer Profikarriere heraus ständig unterstützten. Mats, Marcel und ich waren, was unsere Zukunft anging immer ein unbeschriebenes Blatt Papier gewesen, unsicher wohin wir uns danach verirren würden. Aber Nuri und Lukasz, das waren Trainer vom Haaransatz bis in die Fußspitze. Wenn sie heute nicht Trainer wären, würde ich am Verständnis für meine Welt zweifeln. Das war immer klar gewesen, so wie es klar war, dass eins plus eins zwei ergab. Und dementsprechend freute sich ein nicht unwesentlicher Teil von mir auch, dass sie beide ihren Weg eingeschlagen hatten. Nuri mit Anatlyaspor und bei Lukasz konnte ich mir nur allzu gut denken, was für eine Ehre es für ihn war den Verein zu trainieren, den er seit seinem ersten Atemzug eigentlich schon supportet hatte. Dann wiederum war ich unfassbar traurig, weil ich nicht Teil dieser Reise war, denn ich würde gerne der Mensch sein, der ihnen vor jedem Spiel viel Glück wünschte, aber wir hatten uns 2022 für einen anderen Weg entschieden und den musste ich akzeptieren.
Kurz vor Spielbeginn durfte ich mich dann bis zur Pause ins Stadion verziehen und tat auch genau das. Ich hatte mich mit Marcel und Mats verabredet und auch, wenn es sich verdammt komisch anfühlte sie jetzt aufzusuchen, nachdem ich sie fast fünf Jahre nicht mehr live gesehen hatte, freute ich mich auch irgendwie. Ich hörte mir regelmäßig das Netradio an und hatte dadurch das Gefühl sie nie wirklich verloren zu haben.
"Kuba!", brüllte Mats dann auch aus der dritten Reihe der VIP Lounge, wo unsere Plätze lagen. Er winkte und ich winkte zurück, kletterte dann die Treppen hoch und lächelte ihnen etwas verloren zu, weil ich nicht so recht wusste, wie unsere Begrüßung aussehen sollte. Ich entschied mich für einen Handschlag, vielleicht auch aus eigenem Selbstschutz heraus. Dann zwängte ich mich an ihnen vorbei und nahm auf dem gepolsterten Sessel neben Marcel Platz.
"Hast du uhm mit Lukasz gesprochen?", war Marcels erste Frage, die abzusehen war. Ich wusste von Nuri, Mats und Marcel, dass Lukasz auf keine ihrer Nachrichten geantwortet hat und musste mich leider Gottes bei ihnen anschließen. Also schüttelte ich meinen Kopf. Dan ertönte tosender Applaus und, als man auf den Bildschirm vor uns schaute, konnte man sehen, wie sich die Mannschaften im Tunnel einfanden. Bis heute fand ich es komisch mich daran zu erinnern, dass ich einst auch jemand in diesem Tunnel gewesen war. Es fühlte sich an, wie in einem anderen Leben. Der Applaus wurde noch lauter, als dann zu erst Nuri die Treppen zum Platz emporstieg, gefolgt von seinem Trainerstab und dann anschließend folgten einige ManU Mitarbeiter, dass klar war, dass Lukasz nicht lange auf sich warten lassen würde.
"Wie geil wäre es denn, wenn sie sich zerfetzen!", hörte ich eine schadenfrohe Bemerkung von den Tribünen weiter unten und sah nur angewidert in die Richtung.
"Hoffen wir nicht", flüsterte Marcel, der den Kommentar wohl auch gehört hatte und sank tiefer in seinen Sitz, versteckte sein halbes Gesicht im Kragen seiner Jacke. Tatsächlich tauchte dann Lukasz aus dem Schatten auf und kletterte die Treppen hoch. Man konnte zwar nur mäßig fiel erkennen aus der Entfernung, aber genug, um zu sehen, dass er nach links bog, wo die Gäste ihren Platz hatten. Eigentlich war ich nicht überrascht, ich schrieb Lukasz genügend Anstand zu, dass er sich benahm und den Gegner grüßte. Trotzdem atmete ich erleichtert auf.
Die beiden gaben sich die Hand, vermutlich ernüchternd für alle, die so unfassbar viel in diese Partie hineininterpretierten. Keine Umarmung, vermutlich auch kein Lächeln, aber auch kein Augen auskratzen. Alles im grünen Bereich.
"Ist ein Vergehen, wenn ich mir wünschen würde, dass sie sich umarmen?", flüsterte Mats. Ich rieb mir am Kinn und murmelte: "Vielleicht!"
Sowohl Marcel, als auch Mats sahen zu mir, also fügte ich hinzu: "Aber ich wünsche es mir auch!"
Wenig später wurde das Team auch schon angepfiffen. Es war aufregend auf seine fußballerische Art und Weise, was mir gefiel, da ich den Eindruck hatte, als seien die fußballerischen Qualitäten von beiden Mannschaften etwas aus den Augen verloren worden. Alles hatte sich nur um Lukasz und Nuri gedreht und obwohl ich verstand, dass es aufregend war, gefiel es mir nicht. Meine Aufmerksamkeit schwenkte während der ersten 45 Minuten zwischen Nuri und Lukasz hin und her, die nur kleine schwarze und graue Pünktchen am anderen Spielfeldrand waren, aber es schauderte mir, wie gut sie auch mit Mitte 40 aussahen. Sie sahen so seriös aus und das war irgendwie... ach, es war heiß, man konnte es nicht anders formulieren. Niemand von uns hatte sich wirklich verändert, wenn es ums Äußerliche ging. Nuri hatte seine bartfreie Phase relativ schnell wieder überwunden, Mats hatte wieder zu seinen kurzen Haaren zurückgefunden und Marcel und ich waren die ganze Zeit gleich geblieben. Lukasz hatte Muskelmasse verloren und war dadurch zwangsweise dünner, aber es sah gut an ihm aus. Die viele Arbeit im Kraftraum war für ihn sowieso immer nur ein Schutzschild gewesen, er war jemand, der sich in viel Arbeit stürzte, wenn sein Leben ihm zu viel wurde, genauso, wie Mats sich in sinnloses Geplapper stürzte, wenn er Stress hatte. Schon verrückt, dass so viele Jahre vergangen waren und sich dann eigentlich kaum etwas verändert hatte.
In der Pause musste ich wieder zu der Besprechung, aber der Hype um den angeblichen Konkurrenzkampf zwischen Lukasz und Nuri war verflogen, nachdem sie sich an der Seitenlinie nicht angezickt hatten und dementsprechend würde ich sogar fast sagen, dass die Besprechung Spaß machte. Pünktlich zur zweiten Hälfte fand ich mich dann wieder bei Marcel und Mats ein, Mats hatte, typisch für ihn, sich zwei Hot-Dogs besorgt, bot mir sogar einen an, aber ich winkte ab. Aus unbekannten Gründen beschlich mich irgendwie ein böses Gefühl. Gedanklich hörte ich den Vulkan immer lauter brodeln und ich wusste zum Teufel nicht auf welcher Grundlage mein Körper so fühlte, aber es war ein Bauchgefühl und mein Bauchgefühl belog mich nur selten.
Es würde was passieren, dachte ich mir, es würde eskalieren, dachte ich mir.
Und ich hatte Recht.
>> chapter 4, diesmal aus Kubas Sicht und das Spiel ist auch mal endlich dran, ich hoffe euch gefällt das Kapitel. Wie immer würde ich mich mega über Feedback freuen
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