3. LOOK WHAT YOU'VE DONE
NURI
„Vielleicht nimmt er den Kommentar ja ganz gelassen!", hatte ich gemeint, aber meinen Worten selbst nicht geglaubt. Eigentlich hatte ich Marcel nur etwas Aufmuntern wollen, um ihm zumindest einen Teil des Stresses zu nehmen, der sich in Form von einem ständigen Wippen mit dem Knie äußerte, was mich unheimlich nervte, wenn man bedachte, dass ich gleich ein ungewiss langes Interview vor mir hatte, wo ich neben ihm sitzen müsste. Aber meine Worte zeigten auch wenig Wirkung, wenn Lukasz in den Raum stolziert kam, mit der Sonnenbrille auf der Nase, einem schwarzen Anzug und strammer Körperhaltung, die auf alles schließen ließ, aber mit Sicherheit nicht darauf, dass er Marcels Kommentar auf die leichte Schulter nahm.
„Man kann nicht behaupten, dass England seinem Aussehen geschadet hat!", meinte Mats, der halb über die Sofalehne gelehnt war und beobachtete, wie Lukasz in den großen Raum stolzierte. Morgen stand das große Spiel an und aus irgendwelchen Gründen (und ich war mir sicher, dass der Grund nicht Lukaszs plötzliche Lust war) hatte sich Manchester United doch dazu bereit erklärt, dass der BVB ein Interview mit uns führen durfte. Ich hatte mich von Anfang an bereit erklärt, aber hatte von Marcel erfahren, dass Mats nicht nur einmal eine deutliche Absage vom englischen Club erhalten hatte. Was jetzt im Endeffekt dazu geführt hatte, dass wir uns doch zu viert zusammenfanden, wusste ich nicht, aber ich war auf eine kranke Weise auch aufgeregt und voller Vorfreude Lukasz wiederzusehen. Mit Marcel, Kuba und Mats stand ich in unregelmäßigem Kontakt. Aber Lukasz war 2022 wie von der Bildfläche verschwunden, was ich einerseits nachvollziehen konnte, ihm anderseits auch übelnahm, da für mich der Plan Freunde bleiben nicht so aussah, dass einer aufhörte auf die Nachrichten zu antworten und wie ein trotziges Schulkind die WhatsApp Gruppe verließ. Ich wusste, dass Neven noch mit ihm in Kontakt stand, also war der Kontaktabbruch ein deutlicher Seitenhieb gegen Marcel, Mats, Kuba und mich und ich wusste zum Teufel nicht, warum er sich dazu entschieden hatte.
„Sag's ihm genau so und dann wird das Interview der Renner. Ich bin mir sicher, dass er auf ein paar Flirtereien von deiner Seite anspringt!", antwortete Marcel nur trocken und sah leidend zu Lukasz. Ich wusste genau, dass er jetzt am liebsten im Erdboden versinken würde und wollte nach seiner Hand greifen, aber das war etwas, was wir nicht mehr taten, also hielt ich meine Hände auf meinem Schoss.
Wir beobachteten Lukasz, wie er die anderen Mitarbeiter des Teams begrüßte, die er kannte, immerhin fand das Interview hier in Manchester statt. Ein kleines Zugeständnis, was Mats und Marcel machen mussten, aber irgendwie war es auch naheliegend, immerhin wurde das morgige Spiel auch hier ausgetragen und die Rückrunde fand erst in der Türkei statt.
„Achtung, er kommt! Wirkt beschäftigt!", zischte Mats und schelte wieder nach vorne, stupste Marcel an, als ob seine Worte nicht deutlich genug waren. Ich fing wahllos an in der Zeitschrift zu blättern, ohne etwas Konkretes zu lesen.
„Die erste Seite wirft die Frage auf, ob ich eine männliche Nutte bin!"
Lukaszs Stimme erkannte ich, es war irgendwie beruhigend, dass er wenigstens noch Deutsch mit uns sprach, denn nach den ganzen Kommentaren, die seine Lippen in den vergangenen Jahren verlassen hatten, würde es mich nicht einmal wundern, wenn er jetzt mit Englisch um die Ecke gedackelt käme. Ich hob meinen Blick und sah, wie Lukasz sich gerade die Sonnenbrille von der Nase nahm und sie zusammenfaltete, dann in seine Brusttasche schob. Die Frage, ob es ein Witz war, beantwortete sich dann auch selbst, so ernst, wie er schaute.
„Also eine Nutte ist eine Prostituierte, die also Sex für Geld hat und nicht für Arbeitspositionen. Strenggenommen passt dieser Titel dann also nicht, denn Marcels Kommentar meinte, dass du dir mit Sex Positionen ergattert haben solltest!", warf Mats dann in die Runde und ich wusste wirklich nicht, was er mit dieser dämlichen und auch noch völlig Sinnlosen Klarstellung erreichen wollte, aber das Ergebnis war nur ein noch finsterer Blick von Lukasz und Marcels leises Singen in meine Richtung: „Bring mich bitte um!"
Eine unerträgliche Stille weilte, ehe Lukasz dann schnaubte und meinte: „Lasst dieses verdammte Interview hinter uns bringen!"
Oh ja, er hatte eindeutig mega Lust da drauf...
„Okay, prüfen wir mal euer übrig gebliebenes Wissen zur Borussia. Irgendwas müssen ja die paar Jahre Dortmund mit euch getan haben", meinte Marcel und versuchte die angespannte Stimmung abermals zu lockern, die zwischen uns brodelte, wie ein aktiver Vulkan, aber Lukaszs leises oh man war nicht sonderlich förderlich. Ich bemerkte Mats der sich zu ihm vorbeugte und zuflüsterte: „Es wäre hilfreich, wenn du uns etwas unter die Arme greifst, du machst es uns nicht gerade leicht"
„Tut mir leid, hab vergessen, dass ihr mir vorgestern so unter die Arme gegriffen habt!", grunzte er. Ich schützte die Lippen und sah zu Marcel, der sich die Schläfen rieb.
„Können wir das später klären? Wir sind gerade im Interview, das passt nicht"
„Kann man schneiden, denn anders, als das Ding vor zwei Tagen ist der Mist nicht live"
„Lukasz, guck mal, hier ist ehrlich nicht der richtige Ort...", versuchte ich als Außenstehender einzugreifen, aber Lukasz stillte mich mit so einem distanzierten Blick, dass es mir das Herz brach.
„Warum? Die ganze Welt denkt doch eh schon, dass ich mir den Weg zum ManU Trainer hochgefickt hab, da können wir ja jetzt offen drüber reden"
Lukaszs vulgäre Wortwahl überraschte mich. Lukasz war grundsätzlich kein Mensch, der vulgär sprach, er fluchte eigentlich nicht einmal wirklich. Vielleicht mal hier und da, aber definitiv nicht regelmäßig.
Er war so lieb - eigentlich.
Aber jetzt war er so kalt und fremd und unzugänglich.
„Kommt, jetzt lasst uns weiterreden, ihr habt nicht viel zum Zusammenschneiden!"
Streng genommen hatten Mats und Marcel eigentlich so gar nichts, was von der Theorie her hätte zusammengeschnitten werden können, denn eigentlich platzten aus und die ganze Zeit nur passiv aggressive Sprüche raus, die uns unser Leben schwer machten. Die Vorfreude war auch bei mir mittlerweile flöten gegangen.
Mats und Marcel begannen ihr kleines Quiz mit Begriffen aus dem Ruhrpott, die wir verstehen sollten und ich erinnerte mich an das selbe Quiz, dass wir vor knapp 15 Jahren gemacht hatten, nur dass es damals so etwas wie Spaß gemacht hatte, jetzt war es ein Trauerspiel, weil Mats versuchte etwas zu retten, was nicht da war, Marcel es schon längst aufgegeben hatte, ich zu sehr in Gedanken war, um auf die vorgelegten Witze anzuspringen und Lukasz besaß einfach kein Interesse dies zu tun. Dass dieses Interview auch wirklich ein so großes Desaster war, als, dass ich es empfand, wurde mir erst recht deutlich, als ich bemerkte, wie sich Mats verkrampfte, bevor er murmelte, kommen wird dazu, wie viel ihr noch über uns wisst. Das uns entflammte die brenzlige Stimmung zwischen uns endgültig, denn Lukasz meinte: „Welches uns?"
Ohne ein Gedankenleser zu sein, wusste ich, dass jeder an ein anderes uns dachte. Aber Mats meinte: „Der BVB Kader von 2011"
Und das war nicht das uns woran Lukasz, ich, Marcel, ja selbst Mats persönlich gedacht hatten.
„Stimmt, ein anderes uns gab's ja nie", flüsterte Lukasz. Ein Seitenhieb, das würde jeder verstehen, würde dieser Teil ausgestrahlt werden. Nur würde niemand verstehen, warum dieser Seitenhieb so schmerzte und dafür sorgte, dass Mats von seinem Blatt aufsah. Er überblickte die Gruppe, als würde er nach dem freiwilligen Suchen, der auf Lukaszs Worte anspringen wollte, aber es gab keinen. Ich würde mich eher lebendig begraben lassen, anstelle auf Lukaszs Kommentar einzugehen. Also weilte wieder die Stille, die gefüllt von nervösen Schielen zwischen allen Beteiligten geprägt wurde. Es war ätzend.
Schließlich legte Lukasz das Mikrofon auf den Tisch und meinte dann: „Das war eine dämliche Idee, führt das Interview alleine mit ihm!"
Ihm, damit war wohl ich gemeint. Er sprach nicht einmal meinen Namen aus. Stattdessen stand er auf und wollte sein Sofa an dem Sofa auf dem Mats und Marcel gemeinsam saßen, verlassen, da packte ihn Mats am Handgelenk.
„Ey, wie haben es nicht so gemeint", stellte er klar. Lukasz Blick schwenkte kurz zu Marcel, setzte sich dann wieder an Mats ab. Hatte man kurz die Hoffnung, dass Mats irgendetwas erreich würde, so zerschlug Lukasz diese Hoffnung, der meinte mir trocken: „Ich wünschte, dass Worte von jemandem, der so oft gelogen hat, noch etwas bedeuten würden!"
Mit diesen Worten entzog Lukasz seine Hand und Mats blieb auch etwas verdattert sitzen. Zugegeben ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass Lukasz auch noch das Thema aufwerfen würde, aber das Leben war bekanntlich voller Überraschungen.
Auch der unschönen.
„Du hattest Recht, den Kommentar nimmt er super gelassen", grunzte mir Marcel dann entgegen und warf sein Mikrofon auch etwas zu aggressiv auf den Tisch, dass es piepte, sodass auch einige andere Mitarbeiter aufsahen, die uns zwar nicht verstanden, aber wenn einer fehlte und der anderen das Mikrofon hinschmiss, musste man auch nicht der deutschen Sprache mächtig sein, um zu verstehen, dass hier einiges schief lief. Hier lief seit zehn Jahren etwas schief.
>> hier Kapitel 3, ich hab vor jeden 2. Tag zu updaten und dafür meine Os etwas zurückzustellen, da mir die Geschichte gerade einfach mehr Spaß macht. Ich hoffe, dass es euch beim Lesen genauso geht 😅
Ich würde mich extrem über Feedback freuen, wen mögt ihr eigentlich am liebsten aus der Gruppe?
Ich meine bei mir ist es obviously Lu - guess that's no secret here 😅 aber danach verschwimmt es wen ich am zweitmeisten mag, die sind alle toll 🥲 miss them, die Neuen sind nicht so cooooool (sorry)
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