17. toska

toska: ein dumpfer Schmerz der Seele; ein Verlangen, das krank macht; seelische Qual

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Samstag, Mai

Sebastians Blick fiel nicht zuerst auf Harper, was irgendwie ein kleiner Fortschritt war. Dann fiel Sebastian jedoch ein, dass er sowieso alle Fortschritte gerade in den Wind pfiff und so erlaubte er es sich, doch in Richtung Harper zu sehen.

Harper hatte ihn in ihr altes Lieblingscafé eingeladen und saß nun an ihrem ehemaligen Stammtisch und das ließ Sebastians Kopf schwirren, weil er sich plötzlich wie in die Vergangenheit zurückgeschleudert fühlte.

Sein Exfreund trug ein verwaschenes Band-T-Shirt und löchrige Jeans und er lehnte entspannt an der Sitzecke und sah cool und lässig aus, was Sebastian erneut irritierte, weil alles an die Anfangszeiten erinnerte, als noch alles gut zwischen ihnen gewesen war. Als Harper ihn sah, lächelte er und winkte. Bevor Sebastian recht wusste, was er tat, erwiderte er beide Gesten und drängte sich dann durch die Menge an Gästen - das Café war am Wochenende gut besucht, weshalb es umso erstaunlicher war, dass Harper gerade diesen Platz in der hinteren Ecke, ein wenig abgeschottet, erwischt hatte.

Das Summen von Gesprächen drang aus allen Ecken und eigentlich hatte Sebastian gerade überhaupt keine Nerven für so viele Menschen, aber er ignorierte die Laute wie von einem wütenden Bienenschwarm und ignorierte auch das Stechen in seinem Hirn, das die Phantombienen verursachten.

Als Sebastian vor Harpers Tisch stehenblieb, sprang der auf und zog ihn in eine Umarmung. „Hey, Sebby!"

Sebastian regte keinen Muskel und murmelte unverständliche Worte in Harpers Schulter. Ebenjener löste sich von ihm und strahlte ihn an - wieder dieses Harper-Lächeln, das Sebastian so hasste und zugleich liebte, weil es jedes Mal wie ein kleines Wunder schien, weil sein ganzes Gesicht zu erstrahlen schien und er ein Lächeln wie ein Kunstwerk wirken lassen konnte.

Harper zog Sebastian einen Stuhl vor und deutete darauf und dann drückte er Sebastian schon beinahe hinein, ehe er sich ihm gegenüber setzte. „Ich find's klasse, dass du dich doch noch entschieden hast, mir eine Chance zu geben."

Das hier war keine Chance. Jedenfalls hoffte Sebastian es. Es war einfach... eine Maßnahme der Verzweiflung. Das Ergebnis eines Moments der Schwäche. Etwas Einmaliges, das er bereits jetzt bereute und gleichzeitig auch irgendwie brauchte.

„Es ist so viel passiert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben." Harper winkte einen genervt wirkenden Angestellten herbei und sah Sebastian fragend an, woraufhin der sich einen schwarzen Kaffee bestellte. Als der Kellner wieder verschwunden war, beugte Harper sich leicht über den Tisch zu Sebastian. „Ich hab einen neuen Job. Einen richtigen diesmal. In dem Hotel meines Onkels. Du kennst ihn noch, oder?"

Sebastian nickte knapp. Harpers Onkel hatte ihn groß gezogen, und er war kein sonderlich angenehmer Geselle, genauso wie sein Neffe. Er war nicht unbedingt aggressiv, aber schmierig und nicht unbedingt vertrauenserweckend und er sagte andauernd „Hä?", als könnte er irgendwen so lang damit nerven bis er die Geheimnisse des Universums auf diese Weise erfragte.

„Jedenfalls arbeite ich an der Rezeption, um mein Studium zu finanzieren. Mittlerweile studiere ich nämlich endlich richtig."

Sebastian nickte mehr oder minder interessiert. Harper hatte sich immer vor dem Studieren gedrückt; er hatte in seinem ersten Semester vielleicht viermal seine Studiengänge besucht und war dann am Ende durch all seine Prüfungen gefallen - was ihn erstaunlich wenig gekümmert hatte. Ihn hatte nur interessiert, wer die Nummer war, die Sebastian angerufen hatte und wieso dieser ihm diese Anrufe verschwieg und was er zu verheimlichen hatte (es war sein Mobilfunkanbieter gewesen, der mit Sebastian einen neuen Vertrag ausgehandelt hatte).

„Ich hab mich fürs Ingenieurwesen entschieden", verkündete Harper und brach ein Stück seiner Scones ab, die Sebastian erst jetzt bemerke. Mit vollem Mund deutete er auf das Gebäck und legte den Kopf schief, aber Sebastian schüttelte den Kopf - obwohl er seit gestern im Restaurant nichts gegessen hatte, hatte er keinen Hunger und außerdem wollte er lieber nichts von Harper annehmen, weil er ihm wirklich nicht mehr vertraute.

Obwohl es auffallend war, wie freundlich Harper bisher zu ihm gewesen war. Vielleicht hatte er sich geändert.

Vielleicht sollte Sebastian nicht zu viel in einfache Scones hineininterpretieren.

Schulterzuckend kaute Harper auf und lehnte sich dann zurück. „Ich glaube, mein Professor steht auf mich. Er gibt mir auf meine Aufsätze immer gute Noten, obwohl ich mir überhaupt keine Mühe gebe und außerdem zwinkert er mir immer zu. Aber ich würde nie etwas mit ihm anfangen. Lehrer bleibt Lehrer." Er blickte zu Sebastian, als würde er ein Lob für diese moralische Entscheidung erwarten, aber Sebastian war viel mehr genervt, dass Harper so etwas überhaupt gegenüber ihm erwähnte, weil er gelernt hatte, hinter Harpers Worte zu sehen und ihre eigentliche Bedeutung zu entschlüsseln - und es wirkte ziemlich, als würde Harper ihn eifersüchtig machen wollen oder zumindest daran erinnern, dass er noch keinen neuen Partner hatte.

Was abscheulich war, nachdem, was er Sebastian angetan hatte. Plötzlich fragte Sebastian sich, wieso er überhaupt hier war und Harper zuhörte, der doch nur über sich selbst reden wollte, und das hier als normales Treffen verkaufte, aber vergaß, dass zwischen ihnen nichts mehr normal sein konnte.

Sebastian wollte gehen. Doch er blieb sitzen und sein Zwiespalt blieb Harper verborgen. Er redete noch immer über sein Studium, seinen Job und er sah Sebastian dabei an, als würde er sich selbst nicht zuhören und würde nur die Reaktionen seines Gegenübers studieren. Sebastian gab sich alle Mühe, ihm nicht zu viele Informationen, mit denen er arbeiten konnte, zu geben.

Der Kellner brachte ihm seinen Kaffee und Sebastian führte ihn an die Lippen, noch bevor sich der Kellner einen Meter von ihrem Tisch entfernt hatte. Er war viel zu heiß und Sebastian verbrannte sich die Zunge.

„Du trinkst doch gar keinen Kaffee", bemerkte Harper. „Du trinkst immer nur Tee."

„Und woher willst du das wissen, wo du doch immer nur auf dich selbst achtest?", fragte Sebastian schneidend. Er setzte die Tasse erneut an und murmelte hinein: „Außerdem muss ich ja irgendwie wachbleiben." Die schlaflose Nacht forderte ihren Tribut. Und mithilfe von Koffein hoffte er, dass Harper ihm dies nicht allzu sehr ansah - was wohl sowieso ein hoffnungsloses Unterfangen war.

Harper schien seine letzte Bemerkung nicht mitbekommen zu haben. Er verschränkte die Arme vor der Brust und entgegnete patzig, die Nettigkeit vergessen: „Du bekommst ja nicht einmal den Mund auf; ich bin es, der Gespräche immer am Laufen halten muss. Irgendwer muss es ja immerhin tun und du-" Er unterbrach sich, schien zu versuchen, seinen Zorn, der sich deutlich auf seinem Gesicht abbildete und - so musste er zugeben - Sebastian noch immer zu ängstigen vermochte, hinter einer lächelnden Maske zu verstecken. „Egal."

Sebastian gab sich alle Mühe, nicht darauf hineinzufallen. „Wieso wolltest du dich überhaupt mit mir treffen?", verlangte er zu wissen. „Wieso hast du mich nicht einfach in Ruhe gelassen?"

Harpers linkes Auge zuckte, aber er lächelte weiter - ein Lächeln, das seinem Harper-Lächeln ähnelte, aber wie das eines Hais wirkte, der seine Zähne zu verstecken versuchte. „Ich habe dich vermisst, Sebastian. Und ich wollte dich deshalb unbedingt treffen."

„Ich habe dich nicht vermisst." Es war befreiend, diese Worte auszusprechen und noch erleichterter war Sebastian, als Harper keine Anstalten machte, auf ihn loszugehen.

Harper legte nur den Kopf leicht schief; seine dunklen Haare fielen ihm dabei in die Augen. „Und doch bist du hier", bemerkte er mit einer Stimme so weich wie Samt. „Du bist hier und du redest mit mir, obwohl du mich nicht vermisst hast."

Sebastian schwieg. Weil Harper recht hatte - weil er gegen alle Grundsätze verstieß, die er nach der Trennung von Harper festgelegt hatte.

„Du wärst nicht hier, würde dir nicht noch etwas an mir liegen", fuhr Harper fort und hielt Sebastian in seinem Blick gefangen, sodass der sich vorkam, als würde er ersticken und sich der Strick um seinen Hals gleichzeitig so vertraut anfühlte, dass er bemerkte, dass es sich ohne dieses Scheuern und diese Atemnot tatsächlich irgendwie seltsam gelebt hatte. Weil er es schon so lang von anderen Menschen kannte - angefangen bei seinem Vater bis hin zu seinem Bruder und dann zu Harper.

„Und ich meine, du musst doch erkennen, dass du dich immer in alles so hineingesteigert hast." Harper lehnte sich wieder über den Tisch zu Sebastian, brach keine einzige Sekunde den Blickkontakt. „Ich wette, du erinnerst dich kaum noch daran, wie viel Spaß wir miteinander hatten." Er schien einen Moment nachzudenken und grinste dann, als hätte er eine besonders lustige Erinnerung hervorgekramt. „Weißt du noch, wie wir diesen Wochenendsausflug nach Liverpool gemacht haben und du so betrunken warst, dass du unser Hotelzimmer mit dem eines anderen Paars verwechselt hast und einfach in deren Bett eingeschlafen bist? Oder als wir hundert Pfund gefunden haben und alles für Pizza ausgegeben haben, von der wir uns noch die ganze Woche ernähren konnten?"

Sebastian senkte den Blick auf die Tischplatte. Das war ja das Problem. Harper hatte recht. Manchmal war er so glücklich gewesen, dass er Harpers schlechte Seiten mit gutem Gewissen hatte ignorieren können; manchmal war ihm entfallen, dass es da dunkle Zeiten gab, die ihn starr vor Angst zurückließen oder dafür sorgten, dass Sebastian sich wertlos und überflüssig vorkam.

Harper musterte ihn, schien jeden seiner Gedanken direkt aus Sebastians Gehirn zu fischen und ihn zu drehen und zu wenden und sich darüber zu freuen, dass er sich endlich wieder Zutritt in Sebastians Kopf verschafft hatte.

Er wollte nach Sebastians Hand greifen, aber der zog sie blitzartig an seine Brust.

Und da zerfiel Harpers Maske und seine Wut kam wieder zum Vorschein. „Ich weiß wirklich nicht, was du hast", knurrte er. Sebastian saß wie eingefroren auf seinem Stuhl, die Schlinge zog sich immer fester um seinen Hals und es tat weh und er hasste es, dass sich das so vertraut anfühlte. „Stell dich nicht immer so an, Sebastian. Du kannst glücklich sein, dass ich mich noch immer so um dich bemühe! Es ist doch so, Sebby, nicht ich brauche dich, sondern du mich."

Sebastian drehte den Kopf zur Seite. „Nein, das ist nicht wahr", protestierte er halbherzig und viel zu leise, als dass diese Worte überhaupt als Einwand galten.

„Achja?" Harpers tannengrüne Augen funkelten - ein Inferno schien in ihnen zu tanzen, doch es verschlang niemanden außer Sebastian. „Sieh dich doch an. Du kannst kaum deine Augen offen halten; mittlerweile bist du wahrscheinlich so müde, dass du es kaum noch bemerkst. Weil du ständig nicht schläfst. Weil du es nicht kannst. Ich sehe, dass du meine Nachrichten mitten in der Nacht liest, ich sehe, dass du dich vor Erschöpfung kaum auf den Beinen halten kannst. Ich weiß, dass du dich sicher noch immer in den Nächten herausschleichst, um zu sprayen, und dass du das nur tust, weil du keine Ruhe findest und du dieses Gefühl nicht ganz so erdrückend in der Nacht empfindest. Ich weiß, dass es dir, je mehr du sprüht, umso schlechter geht. Ich wette, dass deine Noten im Keller sind und dass du einsam bist." Harper hielt inne, während Sebastian innerlich nach Atem und nach einer Pause verlangte und äußerlich gegen die Tränen ankämpfte, weil das alles stimmte und weil er nicht glauben konnte, dass gerade Harper es erkannte. Weil diese Flut an Gefühlen von gestern wieder hochkam und ihm vor Augen führte, dass er wirklich einsam war und dass er es für kaum eine Woche nicht gewesen war - mit Jim zusammen - und dass nun alles sofort wieder beim Alten schien.

„Es wird nie etwas aus dir werden, Sebastian." Harpers Stimme war so sanft, dass Sebastian ein Schauder über den Rücken fuhr und der Strick um seinen Hals ihn nicht mehr atmen ließ. „Du brauchst mich, um dir ein richtiges Leben aufzubauen. Ich bin der einzige, der dir helfen kann. Weil ich dich verstehe."

Sebastian zögerte. Sein Instinkt riet ihm, zu widersprechen, also wagte er einen schwachen Versuch: „Das stimmt nicht." Wie ein Mantra wiederholte er diese Worte in seinen Gedanken, aber Harpers Stimme schaffte es, sie zu übertönen. „Hast du etwa vergessen, was du mir angetan hast? Du hast mich beinahe zerstört und jetzt willst du einfach deine Arbeit beenden!"

Harper schüttelte den Kopf, als wäre Sebastian ein kleiner Junge, der überhaupt nichts verstand. „Ich sagte es ja; du hast dich jedesmal in alles hineingesteigert, Sebby. Und du warst schon immer so dramatisch." Er griff erneut nach seinen Scones und spülte den Bissen, den er nahm, dann mit seinem eigenen Kaffee herunter. Während Sebastian kurz vor einer Panikattacke stand und einen inneren Bürgerkrieg ausfocht, schien Harper völlig entspannt und gleichgültig zu sein. „Weißt du, wieso ich uns die ganze Zeit über noch eine Chance geben wollte? Wieso ich dir das auch jetzt anbiete?"

Er machte ein Kunstpause. Sebastians Hände begannen zu zittern, aber er schaffte es nicht, sie zu Fäusten zu ballen, also legte er sie um seine Kaffeetasse und versuchte deren Wärme als tröstend zu empfinden. Aber auch sie schaffte es nicht, Harpers Stimme aus seinem Verstand zu jagen.

„Ich möchte uns eine Chance geben, weil du hübsch bist." Harper musterte ihn wie den ersten Preis beim Dosenwerfen - er brauchte ihn nicht, aber haben wollte er ihn trotzdem. Sebastian schrumpfte innerlich immer weiter zusammen. „Und du bist einfach gestrickt. Unkompliziert."

Wie etwas Unkompliziertes kam Sebastian sich ganz sicher nicht vor - jedenfalls im Inneren. Seine Gedanken liefen Amok in seinem Hirn und Harper führte sie an.

„Du solltest es dir gut überlegen." Der ganze Lärm des Cafés schien zu verschwimmen und einzig und allein Harper und Sebastian standen im Auge des Sturmes, obwohl der nur Letzteren bedrohte. „Glaub mir, jemanden wie dich will niemand sonst haben. Also entscheide dich für das Richtige."

Sebastian wünschte sich, er könnte Harpers Worte einfach abschütteln, könnte sich davon überzeugen, dass sie nicht wahr waren. Aber es wollte nicht klappen. Weil Jim ihn wirklich nicht wollte. Weil er das verstehen konnte. Weil er durch eine Strömung ins offene Meer getragen wurde und einen Rettungsanker brauchte, selbst, wenn dieser rostig war und ihm die Hände aufschlitzte - wenigstens versprach er Rettung vor dem Ertrinken.

Ein winziges Lächeln umspielte Harpers Lippen - er wusste, dass Sebastian ihm Glauben schenkte. Sebastian reagierte kaum, als Harper ihm eine Hand auf sein Knie legte, als wollte er ihn daran erinnern, dass er da war, selbst, nachdem Sebastian auf die Tischplatte starrte.

Er fragte sich, ob es wirklich so schlimm gewesen war. Natürlich, am Ende war die Situation außer Kontrolle geraten, aber Harper hatte recht; es war nicht alles schlimm gewesen. Eigentlich war sogar viel Gutes geschehen. Was Sebastian verdrängt hatte, weil er sich, wie jedes Mal, nur auf das Schlechte konzentriert hatte. Und dieses Schlechte... Sebastian dachte nach und ihm fiel auf, dass er möglicherweise wirklich zu heftig reagiert hatte. Dass er es dramatisiert hatte - wie immer.

Er schluckte und sah wieder auf. Harper lächelte ihn an, wusste um Sebastians inneren Zwist und was er bedeutete. „Wollen wir noch spazieren gehen?", fragte er sanft, schnurrte schon beinahe. „Oder wir könnten auch noch zu mir."

Sebastian wusste nicht mehr, ob das eine schlechte Idee oder einfach eine Idee war. Was er antworten sollte. Was er davon halten sollte, dass Harpers Hand noch immer auf seinem Knie lag und seine Berührung sich durch den Stoff seiner Jeans brannte bis auf seine Knochen. Ein winziger Teil seines Verstandes riet ihm, sich zu widersetzen, zu erkennen, dass das alles eine schlechte Idee war. Aber er konnte sich nicht dazu bringen, dieser leisen Stimme im Hintergrund Glauben zu schenken.

Er wusste nicht mehr, ob er irgendwem trauen konnte - allen voran sich selbst. Immer wieder traf er Entscheidungen, die falsch waren, immer wieder schuf er neue Probleme für sich und andere; immer wieder rannte er vor den Konsequenzen davon. Wer also konnte ihm sagen, wie er sich in dieser Situation entscheiden sollte, wenn er selbst nicht vertrauenswürdig war? Wie sollte er sich in dieser Welt zurechtfinden, wenn diese nur aus Licht bestand und er selbst blind war? Er wusste ja nicht einmal, wohin er gehörte und er brauchte wirklich jemanden, der ihn führte, und vielleicht sollte er Harpers gegebene Chance einfach ergreifen. Vielleicht war das seine einzige Möglichkeit.

„Lass uns gehen, Sebby." Harper rutschte an den Rand der Sitzecke, bereit, aufzustehen, blickte Sebastian nun auffordernd an.

Sebastian wollte ihm folgen, aber sein Handy vibrierte in seiner Jackentasche und lenkte ihn für einen Augenblick ab. Er griff danach - Harper runzelte die Stirn und wirkte ganz und gar nicht zufrieden damit, dass Sebastians Aufmerksamkeit plötzlich einer anderen Sache galt.

Sebastian ignorierte ihn, denn sein Herz war zu sehr mit stolpern und dann mit rasen beschäftigt, als dass er sich auf etwas anderes als den Namen auf seinem Bildschirm hätte konzentrieren können.

Jim hatte ihm geschrieben. Er hatte ihm tatsächlich doch noch eine Nachricht geschrieben.

Bevor Sebastian Zeit bekam, sich über den Inhalt der Nachricht zu sorgen, öffnete er sie.

Es tut mir leid, stand dort schlicht. Können wir noch einmal reden? Bitte?

Obwohl es nur ein kurzer Text war, riss er Sebastian aus der Taubheit und die Stimmen im Hintergrund schwollen wieder zu einem Summen und Brummen an - diesmal klang es allerdings angenehmer. Er nahm die Wärme an seiner linken Hand, die noch immer die Kaffeetasse umschloss, wahr und die Stelle, an der er sich die Zunge verbrannt hatte. Er spürte Harpers Berührung, wusste diesmal, was er tun sollte - er stand auf, sodass jeglicher Kontakt zwischen ihnen unterbrochen wurde, außer der ihrer Blicke.

Harpers tannengrünen Augen glühten - er schien zu wissen, dass etwas nicht so lief, wie er sich das vorgestellt hatte und es schien ihn wütend zu machen.

Doch Sebastian war ebenfalls wütend. Auf Harper, weil der ihn erneut manipuliert hatte und an seine eigenen Vorstellungen hatte anpassen wollen, und weil er ihn einmal mehr angelogen hatte. Auf sich selbst, weil er Harper für einen viel zu langen Moment geglaubt hatte.

„Lass mich in Ruhe!", schleuderte Sebastian Harper entgegen, der ihn ausdruckslos ansah - obwohl Sebastian meinte, so etwas wie Überraschung in der Art, wie er zu langsam blinzelte, wahrzunehmen. „Ich bin nicht der von uns beiden, der nicht allein klarkommt. Ich bin nicht der, der einsam ist. Du bist es! Und niemand wird dir helfen wollen - ich erst recht nicht!"

Noch bevor Harper etwas entgegnen konnte, war Sebastian bereits aus dem Café gestürmt. Ein warmer Frühlingswind begleitete jeden seiner Schritte, sein Puls raste und er fühlte sich, als würde er jeden Moment zusammenbrechen, doch zugleich fühlte sich sein Kopf ganz leicht an und ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln, wenn auch nur federleicht.

Er hatte es endlich geschafft. Er hatte sich von Harper losgesagt. Diesmal richtig. Entschlossen. Diesmal hoffentlich für immer.

Und er machte sich auf den Weg zu der Person, der er das zu verdanken hatte, obwohl sie gar nichts davon wusste. Obwohl vermutlich noch immer viel zwischen ihnen nicht in Ordnung war, trotz der Entschuldigung, und selbst, wenn sie sich wieder vertrugen, würden viele Hürden auf sie warten.

Aber Sebastian war fest entschlossen, das mit Jim wieder hinzubekommen. Er wusste, dass er das schaffen konnte. Und dass er es wollte.

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Wörter: 3117

Lied: Smile ~ Mikky Ekko

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Hallo :)

Wisst ihr, irgendwie mag ich dieses Kapitel. Es ist ziemlich wichtig, wie ihr hoffentlich bemerkt habt. Sebastian kann endlich Harpers Einfluss brechen, kann frei atmen. Ich hoffe, ich habe das gut herübergebracht.

Eure Meinungen und Verbesserungshinweise sind immer gern gesehen - immerhin will ich mich ja weiterhin steigern und dabei könnt ihr mir wohl am besten helfen.

Ich hoffe, es hat euch gefallen. Wir lesen uns ❤

Eure
         TatzeTintenklecks.

PS: Das, was für Sebastian gilt, gilt auch für euch: Ihr seid wichtig und bedeutend und ihr braucht niemanden, der euch kontrolliert, um glücklich zu sein. Ihr seid perfekt, so wie ihr seid. ❤❤
Wollt ich mal gesagt haben :)

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