Kapitel 17

Logan saß schweigend auf seinem Platz zwischen Marje und Liz. Mrs. Blyth erklärte ihnen an der Tafel gerade irgendwas von irgendwelchen Gleichungen, doch schon von der ersten Sekunde an hatte er ihr nicht richtig zuhören können. Schon seit Grace Entführung vor drei Tagen dachte Logan nur daran und war schon gar nicht mehr in der Lage irgendwas anders zu tun. Er hatte in der ganzen Zeit kaum gegessen, hatte aber auch keinen Hunger und an Schlafen war auch nicht mehr zu denken. Er verbrachte jede Pause mit Matt, um von Vance per Telefon über die Sachen informiert zu werden, welche sie bisher herausfinden konnten. Bisher war jede Pause leider eine riesige Enttäuschung für sie Beide gewesen. Es gab keine Beweise und niemand hatte irgendwas gesehen. Zumindest nichts, was sie noch nicht wussten.
Lewis hatte gleich am Dienstagmorgen in der Schule angerufen und Grace krankgemeldet. Es war ihm unglaublich schwer gefallen dies zu sagen, aber da die Entführung seiner Tochter von Leuten durchgeführt wurde, gegen welche die Polizei keine Macht hatte, konnte er schlecht die Wahrheit sagen. Er hatte beschlossen, dass es am besten wäre, wenn niemand von der Entführung wissen würde, weshalb außer Matt und Logan auch niemand eingeweiht war. Aber dennoch machte es Logan immer wieder aufs Neue wütend, wenn er jemanden sagen hörte, dass Grace 'nur eine Erkältung' hatte. Er wusste, dass sie es nicht so meinten, aber in seinen Ohren klang das gegenüber der Wahrheit so unglaublich herablassend. Doch wenn er wieder an seine Freunde dachte beruhigte es ihn auch, dass diese nichts von der Entführung wussten. Sie würden sich nur Sorgen machen, was Logan absolut nicht wollte.
Kaum dass es zur Pause klingelte, sprang er auf und verließ das Klassenzimmer. Er hatte sich im Unterricht Gedanken darüber gemacht, was sie noch tun konnten und er glaubte, dass ihm etwas eingefallen war. Etwas, an das er schon viel früher hätte denken können.
Auf dem Schulhof hinter dem Fahrradunterstand hatten sie mittlerweile eine Art Treffpunkt. Logan wusste, dass es Matt nicht gefiel wie er versuchte sich in alles mit einzubringen, doch es störte ihn nicht. Schon von weitem sah er Matt, der mit einer Person zu diskutieren schien, die Logan noch nicht erkennen konnte. Erst als er näher kam konnte er die Person als eine Mitschülerin aus der Parallelklasse ausmachen. Wenn er sich richtig erinnerte, müsste sie in der Klasse von Tyson sein, doch er war sich dabei nicht ganz sicher. Ihren Namen kannte er auch nicht und war sich sicher, dass sie noch nie miteinander geredet hatten.
Als er dann noch ein gutes Stück näher getreten war erkannte er auch, dass die Beiden gar nicht diskutierten. Das Mädchen hörte einfach nur aufmerksam den aufgebrachten Worten von Matt zu. Sie versuchte gar nicht irgendwas zu sagen, also schloss Logan daraus, dass sie über Grace‘ Verschwinden Bescheid wusste. Vielleicht war sie eine von den übernatürlichen Schülern, von welchen Matt ihm erzählt hatte.
„Ich mach diesen Typen kalt! Niemand legt sich mit mir an und wenn ich herausfinde, wer es gewagt hat, die kleine Schwester von meinem besten Freund zu entführen, werde ich ihn dafür so dermaßen leiden lassen, dass er sich wünschen würde, er hätte Grace nie auch nur angesehen!“
„Also wissen wir noch immer nicht wer es war?“ klinkte Logan sich elegant in das Gespräch mit ein und Matt sah ihn überrascht an.
„Ich hab gar nicht gemerkt, dass du gekommen bist.“ gestand er, beantwortete daraufhin aber auch gleich Logans Frage mit einem Kopfschütteln. „Wir haben nicht einmal einen Ansatz. Wir wissen, dass es ein Vampir war, aber auch, dass er wohl für jemand anderen gehandelt hat, was wir aber auch nicht mit Sicherheit sagen können. Wir wissen also nicht einmal, wo wir anfangen sollen.“
Das Mädchen sah Matt bei seinen Worten überrascht an. Sie schien erschrocken über das, was er gesagt hatte.
Logan überlegte kurz und kam zu dem Entschluss, dass sie wohl nicht damit gerechnet hatte, dass er von irgendwas wusste. Zumindest ließ ihre Reaktion sehr stark darauf schließen.
Matt hatte ihre Reaktion auch gesehen, schnaubte aber nur kurz belustigt. Zu lachen war ihm nach allem was passiert war nicht zu Mute. „Logan weiß alles.“ offenbarte er ihr kurz und sah dann diesen an. „Das ist Abigail, sie ist eine Dämonin.“ Logan grüßte sie knapp, während Abigail ihn nur überrascht ansah.
„Abi hat auch etwas von dem Vampir spüren können der Grace entführt hat. Wir wollen heute nach der Schule zu Ivan und fragen ob er irgendwas raus finden kann.“ erklärte Matt weiter und lehnte sich an die kalte Wand.
„Das wollte ich sowieso noch mal fragen. Wer ist dieser Ivan? Letztens hast du mit Grace Vater doch auch schon über ihn gesprochen.“
Matt schloss kurz die Augen. Er würde sich jetzt viel lieber auf die Suche nach Grace konzentrieren und hatte eigentlich keine Lust, Logan jetzt wieder alles erklären zu müssen.
„Ivan ist ein Magier und wohl der Einzige, der Grace eventuell aufspüren könnte. Außerdem ist er der Ladenbesitzer von einem kleinen Geschäft für lauter magischer oder mystischer Dinge.“ erklärte Abigail, für welche es zwar ungewohnt war über so was mit einem Menschen zu reden, es aber gleichzeitig auch unglaublich aufregend fand.
„Da er den einzigen Laden, zumindest hier in Kanada, für all die Sachen besitzt, die wir für ein Leben unter den Menschen brauchen, kennt er natürlich auch entsprechend viele von uns. Man könnte ihn sicherlich schon als so was wie einen Informanten bezeichnen, zumindest wenn man das nötige Kleingeld hat.“
Logan nickte verstehend. „Da fällt mir auch noch was ein!“ rief er dann aus und Matt sah ihn erwartend an. Jede noch so kleine Idee war ein riesiger Hoffnungsschimmer. Denn mehr als das hatten sie nicht.
„Grace wurde doch mit all ihren Sachen entführt. Wieso sind wir noch nicht darauf gekommen, einfach ihr Handy zu orten?“
Matt's Blick fiel enttäuscht in sich zusammen. „Das haben Vance und ich letzte Nacht getan.“ gestand er und legte den Kopf dann in den Nacken. „Wir finden nichts. Kein Signal oder sonst irgendwas. Grace letzter bekannter Standort war vor der Schule.“
Auch Logan sah enttäuscht auf den Boden und er fühlte sich, als wäre nun wirklich alle Hoffnung verloren. War es zu viel verlangt sich einfach zu wünschen, dass Grace wenigstens noch leben würde? Würden sie irgendwann in der Lage sein sie zu finden?

Matt hatte Logan auch nach der Schule nicht abschütteln können. Viel lieber hätte er den Menschen bei Vance geparkt und wäre mit Abigail alleine zu Ivan gegangen, aber Logan war ihm einfach ungefragt gefolgt und so standen sie nun zu dritt in der Innenstadt vor dem alten und heruntergekommenen Geschäft.
„Logan, du hältst dich an mich, verstanden? Du wirst dich nicht alleine umsehen und schön in meiner Nähe bleiben.“ wies Matt an doch Logan schnaubte nur.
„Du hast mir gar nichts zu sagen.“ murrte er leise, auch wenn beide wussten, dass Logan gar keine andere Möglichkeit hatte, als auf Matts Worte zu hören. Somit folgte er ihm dann auch in den Laden und sah sich um, während er darauf achtete, sich an den Vampir zu halten.
„Matthiew Wilson, welch eine Ehre.“ wurde Matt direkt vom Tresen aus begrüßt und lächelte den alten Mann freundlich an. Der Fremde hatte einen starken, russischen Akzent und Logan musste all seine Konzentration auf die Worte legen, um ihn verstehen zu können.
„Ivan, schön dich wiederzusehen.“ grüßte Matt ihn auch und deutete dann auf Abigail. „Darf ich dir jemanden vorstellen? Das ist Abigail Tremblay-Nelson. Sie und ihr Bruder gehen an dieselbe Schule wie ich.“ Matt achtete genauestens darauf, dass Logan nicht von seiner Seite wich, während er Abigail vorstellte. Er beobachtete jede kleinste Regung in dem Gesicht des Mannes, als dieser erst Abigail musterte, um ihr anschließend die Hand zu geben, und dann Logan ansah.
„Oho!“ rief Ivan direkt überrascht aus und lehnte sich vor, um Logan besser ansehen zu können. Logan zuckte unter seiner lauten Stimme erschrocken zusammen und sah unsicher zu Matt, um von ihm zu erfahren, ob er nun irgendwas tun sollte.
Matt machte sich derweil sichtbar bereit jederzeit einzugreifen. Sollte Ivan versuchten Logan anzugreifen, da er diesen als Sohn von Jägern erkennen würde, wäre Matt direkt bereit ihn zu verteidigen.
„Wenn das nicht der Sohn von Helene und Bryan Wood ist.“ stellte Ivan jedoch einfach nur amüsiert fest und grinste breit.
Logan erkannte, dass auch Matt nicht sicher war, wie sie beide jetzt reagieren sollten. Alle drei sahen Ivan erwartend an. Was würde er jetzt sagen, würde er generell noch weiter darauf eingehen oder würde er es einfach so hinnehmen, dass Logan hier war.
„Den Sohn von zwei so bekannten Jägern einmal hier in meinem Laden stehen zu haben. Soll ich mich geehrt fühlen oder nervös werden?“ fragte er und lachte laut auf.
Die Reaktionen von den drei Gästen waren alle unterschiedlich. Abigail sah geschockt zu Logan, da ihr nie gesagt wurde, dass Logan der Sohn von Jägern war. Matt war unglaublich erleichtert, dass Ivan die ganze Situation nicht falsch aufgefasst hatte und Logan als keine Bedrohung ansah. Und Logan selbst sah überrascht zu Ivan. Woher wusste dieser, was seine Eltern machten? Er wusste ja sogar deren Namen. Und Logan schien er auch zu kennen, auch wenn dieser, anders als Abigail, gar nicht vorgestellt worden war.
„Woher weißt du wer ich bin? Und sogar den Namen meiner Eltern-“ sprudelten seine Fragen aus ihm heraus, doch unterbrach Logan sich selbst wieder, als Matt ihn mit einem eindeutigen, strafenden Blick zum Schweigen ermahnte.
Ivan lachte auf, sagte aber nichts weiter. Logan war sich schon jetzt sicher, dass seine Fragen wohl unbeantwortet bleiben würden, was ihn nicht unbedingt beruhigte, während er neben Matt stand und mit halben Ohr zuhörte, wie dieser die Geschichte von Grace‘ Entführung schilderte.
Ivan bat Abigail als Zeugin mit ihm nach hinten zu kommen um ihm ein paar Fragen zu den Personen zu beantworten, welche sie gesehen hatte. Matt und Logan warteten draußen, wobei Logan die Zeit nutzte um sich ein wenig umzusehen.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Abigail und Ivan wieder nach vorne in den Laden kamen, und Ivan die Drei daraufhin direkt nach Hause schickte.
„Wenn ich etwas finden sollte werde ich mich direkt melden. Soll ich direkt Lewis Bescheid geben, oder doch dir?“ Matt winkte nur ab und sagte Ivan, er könnte sich gerne bei Lewis melden.
Sie verließen den Laden und liefen zusammen zu der U-Bahnstation. Ein paar Stationen fuhren sie zusammen, doch auch wenn sie gemeinsam da standen, war jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Sie alle hatten die Hoffnung gehabt, dass Ivan ihnen direkt weiterhelfen könnte. Je länger sie warteten, umso geringer wurde die Wahrscheinlichkeit, dass sie Grace lebend finden würden. Man konnte ihn allen ihre Enttäuschung ansehen.
Logan und Matt stiegen als erstes aus, verabschiedeten sich von Abigail und gingen nach oben, um dort den nächsten Bus zu nehmen. Sie machten sich auf den direkten Weg zu Familie Lycras. Der Bus kam wenig später und brachte sie bis an das kleine Wohnviertel mit den großen Stadtvillen und riesigen Grundstücken, wo sich auch Familie Lycras niedergelassen hatte.
Schweigend liefen Matt und Logan nebeneinander her. Eigentlich hatte Matt nicht gewollt, dass Logan mitkam, da dieser auch nicht viel helfen konnte, aber wie schon die letzten Tage ließ sich der Mensch nicht abwimmeln.
Die beiden Jungs hatten noch kein Wort miteinander gewechselt. Sie hatten sich nichts zu sagen. Keiner von ihnen würde den anderen als einen Freund, oder ähnliches bezeichnen. Wäre keine gemeinsame Freundin von ihnen entführt worden, würden sie wahrscheinlich gar nicht miteinander reden und sich einfach aus dem Weg gehen, so wie sie es zuvor auch immer getan hatten.
Stumm liefen sie nun aber zusammen die dunkle Straße zum Haus von Grace Familie herunter. Während sie auf die hohe Veranda vor dem Haus traten, konnten sie schon laute Stimmen von drinnen hören. Es polterte etwas und gleich im Anschluss hörte man jemanden laut fluchen.
Noch bevor sie klingeln konnte, wurde ihnen die Tür geöffnet und Ethan sah sie überrascht an. „Wieso seid ihr schon wieder hier?“ fragte er, während er die Beiden nach drinnen ließ, wo sie sich ihrer Jacken entledigten.
„Wir wollten die Updates von dem Gespräch mit Ivan überbringen.“ erzählte Logan, während er seine Jacke an die Garderobe hing.
„Ich habe ihm die Nummer von Lewis gegeben. Er wollte sich melden, sobald er etwas gefunden hat, was wir auch nur irgendwie als Anhaltspunkt ansehen können.“ ergänzte Matt. Ethan schmunzelte und nickte in Richtung Esszimmer, aus welchem deutlich die aufgebrachte Stimme Lewis' zu hören war.
„Ivan hat sich eben gerade gemeldet.“ offenbarte er und Matt sah ihn erwartend an.
„Schon? Was hat er gesagt?“ riefen die Beiden aus, doch Ethan zuckte nur mit den Schultern.
„Er hat einen Namen genannt, ich bin mir nicht mehr sicher wie er war. Alle sind in Rage, also hält niemand es für nötig mir zu sagen, von wem die Rede ist. Aber es scheint als wäre er ein Verdächtiger, kein weiterer Zeuge.“
Matt stürmte ins Esszimmer. Logan und Ethan folgten ihm, waren aber deutlich ruhiger und abwartender. Logan wusste, dass wenn Ethan die Person nicht kannte, er sie erst recht nicht kennen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass Matt wusste von wem die Rede war, war um einiges höher, weshalb die beiden Menschen einfach abwarten wollten, was Matt ihnen gleich sagen würde. Außerdem war da auch noch immer das ungute Gefühl, auf einem falschen Weg zu sein. Verdächtig hieß immerhin nicht direkt schuldig.
Logan schluckte, als er Lewis erblickte. Zwar wusste er, dass der Vater von Grace ein Dämon war, aber er hatte immer einen so netten, ruhigen Eindruck auf ihn gemacht.
Doch jetzt, mit diesem wütenden Blick erkannte Logan ohne Zweifel, welche andere Seite Lewis noch haben musste. Die Wut von Lewis würde Logan niemals auf sich ziehen wollen.
„Wer ist es? Was hat Ivan gesagt?“ fragte Matt.
Lewis knallte seine Faust auf den Tisch, welcher dabei eine tiefe Delle bekam, bevor er dann aus dunklen Augen zu den dreien in der Tür sah. „Wenn ich dieses Monster in die Finger bekomme, dann kann er was erleben! Dass ich nicht selber darauf gekommen bin, er war schon damals so merkwürdig drauf.“ Lewis drehte sich weg und fuhr sich verzweifelt durch die Haare. Sie würden ihn niemals finden können, der Entführer war zu gut. Er hatte Erfahrung mit so was.
„Verdammt nochmal! Sag uns was Ivan gesagt hat!“ schrie Matt und zog Lewis am Oberarm herum, sodass er ihn wieder ansah.
„Ich weiß nicht ob du ihn kennst. Sagt dir der Name Caleb Wilkinson etwas?“

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