Kapitel 16
Grace hatte keine Ahnung, wie lange sie nun schon hier auf dem Boden des kalten Kellerraumes saß. Caleb war, ohne ihr zu sagen was genau er von ihr wollte, einfach wieder verschwunden und so war Grace wieder alleine und mit lauter Fragen zurückgeblieben.
Ihr tat alles weh, während sie versuchte sich irgendwie anders hinzusetzen. Ihre Hände waren noch immer auf ihrem Rücken und ihre Beine aneinander gefesselt, während eine Kette sie eng an der Wand hielt. Doch da Grace Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnen konnten, war es ihr nun wenigstens möglich, den Raum etwas genauer ansehen zu können. Und was sie sah machte ihr nicht unbedingt weniger Angst.
Der Tisch in der Mitte des Raumes ließ sie zwar nicht unbedingt viel sehen, aber wenn Grace sich etwas duckte konnte sie unter dem Tisch hindurch und somit an die gegenüberliegende Wand sehen.
Das erste, was ihr aufgefallen war, war dass auch wenn an jeder Wand Ketten befestigt waren, diese in keinster Weise gleichmäßig befestigt wurden. Während an drei der Wänden jeweils zwei Ketten befestigt wurden, war an der Wand an welcher Grace saß nur eine und alle waren in unterschiedlichen Höhen. Es wirkte fast so, als wären sie kurzfristig und vielleicht auch unter Zeitdruck angebracht worden.
Auf jedes kleinste Geräusch reagierte Grace mit einer regelrechten Panikattacke. Sie zitterte, wusste aber bald schon selber nicht mehr ob das nun auf Grund der Kälte oder doch aus Angst heraus war. Immer wieder hörte sie Schritte oder Stimmen von dort, wo sie sich einen Flur dachte und schloss dann immer ängstlich die Augen, so als könnte sie vor der Situation in welcher sie sich befand flüchten, wenn sie nichts sehen würde.
Doch wenn sie die Augen wieder öffnete, war sie noch immer in dem Raum und musste jede Sekunde um ihr Leben bangen. Sie wollte einfach nur nach Hause und zu ihrer Familie. Oder zumindest weg von diesem Ort.
Irgendwann hatte Grace einfach nur noch die Augen geschlossen und versuchte sich selber etwas zu beruhigen. Die panischen Reaktionen auf jede Kleinigkeit würden ihr hier auch nicht weiterhelfen und ihre Entführer vielleicht sogar noch amüsieren.
Erneut konnte Grace Schritte auf dem Flur hören, versuchte jedoch ruhig zu bleiben und redete sich ein, dass ihre Entführer sie vergessen hatten und sie hier einfach ohne weitere Zwischenfälle liegenbleiben konnte. Es würde für sie alleine keinen Ausweg geben, aber lieber würde sie langsam und erbärmlich verhungern, als noch länger an diesem Ort zu bleiben.
Doch all ihre düsteren Gedanken waren wie weggeblasen, als Grace hörte, wie das Schloss der Tür geöffnet wurde. All ihre Panik kam direkt zurück und sie versuchte so gut es ging und unter schmerzenden Gelenken irgendwie von der Tür weg zu kommen. Sie wusste, es würde nichts bringen. Aber wenigstens dieser kleine Hoffnungsschimmer wollte sich in ihr festsetzen.
Nervös sah sie auf die Tür, als zwei Männer in den Raum traten. Sie kannte die Beiden nicht. Grace konnte sich nicht erinnern, einen von ihnen irgendwann schon mal gesehen zu haben. Wo war Caleb? Wollten die beiden Typen ihr etwa helfen?
Erneut versuchte sie sich zu bewegen. Sie wünschte sich ihre Fesseln etwas lockerer, so dass es vielleicht möglich wäre, sich wenigstens ein bisschen zu bewegen ohne diese Schmerzen zu haben, die von den Ketten ausgingen, die sich schon schmerzhaft in ihre Haut bohrten. Bei dem Versuch sich zu drehen verlor Grace jedoch das Gleichgewicht und fiel mit einem kurzen Aufschrei nach vorne.
Sie landete auf dem Bauch, noch immer unfähig größere Bewegungen zu machen und nun direkt vor den Füßen ihrer Entführer.
Der Typ, welcher als erstes in den Raum getreten war, sah breit grinsend auf Grace herunter und entblößte dabei seine langen Fangzähne. Tränen stiegen Grace in die Augen, als sie versuchte zurück an die Wand zu rutschen. Natürlich wollten sie ihr nicht helfen. Wie hätte sie so was auch nur denken können? Am liebsten wäre sie einfach mit der Wand verschmolzen, so eng robbte sie an diese. Doch dies war nicht möglich, und so sah sie einfach nur voller Panik hoch in das Gesicht ihres Entführers.
Jetzt erinnerte sie sich auch zumindest wieder an den Typen, der sie angrinste. Das war derselbe, der sie auch in den Wagen gezogen und sich direkt an ihrem Blut bedient hatte. Grace erinnerte sich nicht mehr an viel, sie war noch während er von ihr getrunken hatte ohnmächtig geworden, aber sie war sich trotzdem sicher, dass es sich bi ihm um denselben Vampir handelte. Er hatte breite Schultern und kräftige Oberarme. Doch durch seine Größe erschien er doch etwas schlaksig. Er musste sich sogar leicht bücken, um durch den Türbogen zu kommen.
Es war ihr unglaublich unangenehm so ausgeliefert vor den beiden fremden Männern zu liegen, unfähig sich zu bewegen und zu ängstlich um irgendwas zu sagen. Grace versuchte panisch die Tränen zurückzuhalten, welche sich erneut in ihren Augen sammelten und dann langsam und verräterisch über ihre Wangen liefen.
Erst als sich die Tür erneut öffnete sah Grace vorsichtig wieder auf. Es war Caleb, der nun den Raum betrat. Wieder trug er dieses breite Grinsen auf dem Gesicht und wirkte damit genauso furchteinflößend, wie der andere.
„Tut mir Leid, dass ich dich habe warten lassen.“ sprach Caleb und zuerst dachte Grace er hatte mit ihr gesprochen, doch dann antwortete der Andere und sie war unglaublich froh ihm nicht geantwortet zu haben. Die ganze Situation war ihr so schon peinlich genug.
„Kein Problem. Es war ziemlich unterhaltsam, die Kleine nur ein wenig anzusehen.“ Langsam löste er seinen Blick wieder von Grace und sah dann zu Caleb. „Am Anfang haben sie alle noch so viel Hoffnung, hier irgendwann weg zu kommen.“
Die Beiden lachten auf und Grace schluckte schwer.
„Was wollt ihr von mir?“ wagte Grace es mit kratziger, rauer Stimme zu fragen. Ihr Hals tat weh und sie war sich sicher, dass sie sich in Kürze eine Erkältung eingefangen haben würde. Doch keiner der Männer sah sie an. Sie ignorierten Grace einfach und unterhielten sich weiter.
„Caleb! Bitte, sag mir wieso-“
„Sei gefälligst still!“ schrie er sie plötzlich an und trat auf ihren Rücken. „Wenn wir nicht direkt zu dir sprechen, hast du kein Recht zu reden, verstanden!“
Die Sohle seines Schuhs drückte sich schmerzhaft zwischen ihre Schulterblätter und als er den Druck etwas verstärkte tat es so sehr weh, dass Grace das Gefühl bekam, sein Schuh würde sich nun in ihre Haut bohren. Sie flehte ihn an, dass er von ihr runter gehen solle, doch mit jedem Laut, der über ihre Lippen kam, verstärkte Caleb den Druck nur weiter. Solange, bis Grace verstand, was er damit bezwecken wollte.
Sie schloss den Mund und versuchte brav keinen Laut mehr von sich zu geben, was ihr durch die Schmerzen nicht unbedingt leicht fiel. Doch sie schaffte es und nachdem sie einen Moment lang still geblieben war, ließ der Druck auf ihrem Rücken dann langsam nach.
Grace starrte auf den kalten Boden. Ihre Augen hatten sich schon wieder mit Tränen gefüllt, aber sie versuchte diese mit aller Kraft zurückzuhalten. Das Letzte was sie jetzt wollte war zu weinen.
Als Caleb dann wieder die Stimme erhob, zuckte sie direkt zusammen und traute sich gar nicht, ihn auch nur anzusehen.
„Sie ist es, hab‘ ich nicht Recht?“ Grace war sich sicher, dass er mit einem der Anderen gesprochen hatte, was sich bestätigte, als der Mann neben Caleb antwortete.
„Ja, sie ist definitiv das Mädchen das wir gesucht haben. Ich habe es genau gespürt.“
Grace hatte keine Ahnung, wovon die Beiden sprachen, traute sich aber auch nicht aufzusehen, um vielleicht an ihrer Mimik irgendwas erkennen zu können. Sie starrte einfach weiterhin auf den Boden und alles was sie sehen konnte waren die dunkeln Umrisse der Schuhe ihrer Entführer. Grace verstand nichts an der Situation, in welcher sie sich befand. Weder wusste sie wo sie war, noch wieso sie überhaupt hier war. Sie wusste nicht was mit Caleb los war und wieso er so anders zu sein schien, als damals. Grace hatte Angst. Schreckliche Angst.
Wie in Trance lag sie da und versuchte sich irgendwelche Antworten auf all die Fragen zusammenzureimen, welche sie an Caleb hatte. Sie bekam das Gespräch ihrer Entführer nicht mit, konnte sich gar nicht auf deren Worte konzentrieren und bekam so auch nicht mit, wie Caleb sie dann ansprach.
Erneut zeigte er sein Missfallen an Grace mit Gewalt.
Grace schrie voller Schmerz auf, als er erneut seine Hacke in ihren Rücken drückte. Sie versuchte weg zu rutschen, ihn von sich zu drücken und flehte ihn an aufzuhören. Ihren Fehler realisierte sie viel zu spät. Caleb war schon so unglaublich wütend, dass der fremde Vampir ihn beruhigen musste, damit Caleb Grace nicht noch schlimme Verletzungen zufügen würde.
Grace atmete schwer und konnte nun auch ihre Tränen nicht mehr zurückhalten, als sie von dem Vampir aufgesetzt und gegen die Wand gelehnt wurde. Als ihr schmerzender Rücken gegen die unebene Wand kam, zuckte sie unter Schmerzen zusammen und versuchte sich wegzudrehen, wobei sie wieder nach vorne fiel.
Der Vampir seufzte nur enttäuscht auf und beließ es dabei. Voller Angst sah Grace aus verweinten Augen zu Caleb und dem Vampir hoch, die beide mit ziemlich genervten Blick zu ihr herunter blickten. Doch als der Vampir dann vortrat und sich zu Grace herunter beugte, fing er breit zu grinsen an.
„Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, habe ich recht?“ er drehte sich um und machte einer heran winkende Handbewegung zu dem anderen Mann, der sich die ganze Zeit im Hintergrund aufgehalten hatte. „Komm her. Wäre doch schade, wenn wir uns nicht vernünftig vorstellen.“
Ohne ein Wort zu sagen oder seine ausdruckslose Mimik zu verändern trat der Fremde neben den Vampir, der ihn mit einem glücklichen Grinsen ansah.
Erst jetzt, wo Grace auch den zweiten besser sehen konnte, erkannte sie, dass dieser ein gutes Stück älter zu sein schien als der Andere. Sein Gesicht zeigte einige Falten und der Ansatz seiner braunen Haare war bereits gräulich.
„Mein Name ist Edward, aber du kannst mich und meinen Bruder auch gerne Meister nennen.“ sprach der Vampir und Grace sah ihn irritiert an. Hatte sie ihn gerade richtig verstanden? Edward lachte irre auf und legte einen Arm um den weitaus älteren.
„Willst du gar nichts sagen? Du bist in letzter Zeit so schlecht drauf.“ Der ältere Mann löste sich aus dem Griff seines Bruders und verließ den Raum, ohne noch einen Blick auf einen der Anwesenden zu werfen.
Edward seufzte enttäuscht auf, zuckte dann aber die Schultern und wandte sich dann wieder seiner Gefangenen zu. Er beobachtete ganz genau, wie Grace sich unter seinem Blick hin und her wandte und versuchte sich irgendwie zu befreien. Es amüsierte ihn, denn er wusste, dass sie als Mensch nie die Möglichkeit haben würde, hier alleine raus zu kommen. Sie würde hier so lange bleiben, wie er und Caleb es wollten. Und bis sie freiwillig bereit dazu wären, Grace wieder gehen zu lassen, würde es noch ewig dauern.
„Weißt du, “ fing er erneut zu sprechen an und Grace sah ihn aus wässrigen Augen an „ich finde den Gedanken daran, dass jemand mit blindem Gehorsam alles tut was ich will unglaublich erregend.“ sprach er aus und grinste breit.
„Ich denke, dass das bei ihr nicht lange dauern wird.“ Edward und Grace sahen beide in die Mitte des Raumes, in welchem Caleb mit verschränkten Armen an den Tisch gelehnt stand und alles voller Genugtuung beobachtet hatte. „Wenn sie so ist wie ihre Eltern, wird sie wohl nicht länger als einen Monat aushalten.“
Edward lachte auf doch Grace stockte, ungläubig ob sie ihn richtig verstanden hatte.
Ihre Eltern? Wieso redete Caleb über ihre Eltern? „Wieso redest du über meine Eltern? Was ist mit ihnen?“ fragte Grace, doch Edward drückte sie voller Gewalt gegen den Boden.
„Wann lernst du es endlich! Du hast nichts zu sagen, solange wir es dir nicht erlauben!“
Grace hatte Schwierigkeiten zu atmen, während sie gewaltvoll gegen den Boden gedrückt wurde. Sie hatte nicht einmal die nötige Luft um zu weinen, weshalb sie nur wimmernd da lag und hoffte, dass es bald vorbei sein würde.
„Hey, hey.“ Grace spürte wie sich der Druck langsam lockerte und sich der Griff um ihren Hals dann letztendlich entfernte. Als sie aufsah, erkannte sie, wie Caleb das Handgelenk von Edward hielt und diesen davon abhielt, Grace weiter zu strangulieren.
„Wir brauchen sie noch. Außerdem spricht doch nichts dagegen, sie über ihre Eltern aufzuklären.“ Edward schnaubte nur. Er schien nicht wirklich glücklich mit Calebs Entscheidung zu sein, aber ließ ihm seinen Willen.
„Was ist mit meinen Eltern? Geht es ihnen gut? Wo-“ Grace wurde durch das laute Lachen ihrer beiden Entführer unterbrochen
„Da fragt sie, ob es ihnen gut geht.“ Edward schüttelte den Kopf und sah dann zu seiner linken, als Caleb sich neben ihn hockte, um die Reaktion von Grace besser sehen zu können.
„Wir reden doch nicht von Lewis und Olivia. Du bist nicht deren Tochter, das ist dir doch wohl klar.“ Grace sah ihn irritiert an. Aber Lewis und Olivia waren doch ihre Eltern? Von wem sollten sie den ansonsten reden? Grace wurde adoptiert, das war ihr klar, aber sie war schon ihr ganzes Leben Teil ihrer Familie. Ihre echten Eltern waren unbekannt und wahrscheinlich schon lange tot. Niemand hatte es je in Frage gestellt, dass sie die Tochter von Lewis und Olivia war.
„Was meinst du?“ fragte sie vorsichtig nach. Bei jedem Wort, welches ihre Lippen verließ hatte sie Angst, dass gleich einer von den Beiden ihr wieder Schmerzen zufügen würde.
„Wir reden natürlich von deinen leiblichen Eltern. Die, die dich damals im Wald haben liegen lassen, in der Hoffnung du würdest einfach sterben. Schön blöd von diesem Werwolf, dich einfach mitzunehmen. Hätte er gewusst, was er damals gerettet hat, hätte er wahrscheinlich nicht gezögert, dich wieder auszusetzen. Ein Mensch wie du ist selbst für einen ach so tollen Reinblüter wie Lewis zu viel Verantwortung.“ antwortete Caleb. Seine Stimme war voller Verachtung, als er anfing von Lewis zu reden. Man sah ihm direkt an, wie sehr er den Reinblüter hasste.
Doch Grace wurde bei seinen Worten neugierig. „Menschen wie ich?“ Was meinte er damit? Wo war sie anders als andere Menschen? Abgesehen von ihrer Familie selbstverständlich.
„Ja, Menschen wie du.“ sprach jetzt Edward und grinste sie dann erneut breit an. „Blaublütige Menschen!“
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