Kapitel 15

Fassungslos und wütend saßen Matt und Logan auf dem Sofa im Wohnzimmer von Familie Lycras. Vance hielt die weinende Olivia im Arm und versuchte sie zu beruhigen, während Lewis wütend auf dem Flur auf und ab ging und vor sich her fluchte. Florence stand in einer Ecke und starrte in Gedanken versunken in die Flammen des im Kamin brennenden Feuers während Ethan versuchte Maddi abzulenken, auch wenn man selbst ihm ansehen konnte, dass die Entführung von Grace ihm zu schaffen machte. Und sogar die kleine Maddi merkte, dass etwas nicht stimmte.
Niemand sagte ein Wort, alles was man hören konnte, waren die Schritte und Fluche vom Flur und das Schluchzen von Olivia.
Gleich nachdem sie die Entführung beobachtet hatten, waren Matt und Logan zu Grace nach Hause gefahren und hatten ihrer Familie Bericht erstattet. Vance konnten sie unterwegs abfangen. Er machte sich die ganze Zeit über schon Vorwürfe, dass er nicht früher dagewesen war. All das wäre nie passiert, wenn er nur etwas früher los gefahren wäre.
Doch immer wenn er damit anfing wurde er direkt unterbrochen und sein bester Freund machte ihm klar, dass es definitiv nicht seine Schuld war. Er selber hatte alles sehen können, aber es ging zu schnell um zu reagieren. Weder Logan noch er hätten etwas tun können.
Erst als Lewis den Raum betrat erwachten alle aus ihren düsteren und besorgten Gedanken. Alle erwarteten, dass Lewis wusste was sie jetzt tun sollten. Konnten sie die Polizei einschalten? Oder war der Entführer außerhalb der Liga, in welcher die Polizei ihre Macht hatte? Sie wussten nicht, ob Grace von einem Menschen entführt wurde.
Niemand hoffte es, aber alle wussten, dass es in manchen Gegenden normal war, dass Ghule Menschen entführten, um sich von ihnen zu ernähren. Es könnte einfach nur ein Zufall sein, dass gerade Grace zum Opfer wurde. Dass sie in einer Gegend, in welcher keine Ghule lebten, von eben solchen entführt wurde und wahrscheinlich schon tot war. Niemand wusste etwas. Es gab keine Beweise, keine Hinweise und keine Zeugen.
„Matthiew, hast du einen Moment?“ Ohne lange zu warten erhob Angesprochener sich und folgte Lewis ohne etwas zu sagen die Treppe nach oben in das Arbeitszimmer. In diesem angekommen schloss Lewis sorgfältig die Tür und ließ sich dann erschöpft auf dem großen Sessel an der Wand nieder. Matt's Blick lag auf ihm, während dieser unschlüssig stehen blieb und sich dann, auf Lewis Aufforderung hin, in einen weiteren Stuhl fallen ließ.
„Ich denke, wir sollten uns mal aussprechen.“ fing Lewis dann an, aber Matt konnte ihm ansehen, dass es ihm schwer fiel einen klaren Gedanken zu fassen.
„Vielleicht sollte ich mit einer Entschuldigung anfangen. Was ich damals getan habe war falsch. Ich war dumm und habe-“ Lewis hob die Hand und Matt schloss direkt wieder den Mund.
„Ganz ehrlich. Ich denke, ich sollte dir eher danken.“
Ungläubig sah Matt ihn an und ging in Gedanken seine Worte noch ein paar Mal durch. Hatte er sich verhört? Nach allem was er damals getan hatte, wollte Lewis ihm jetzt einfach so verzeihen?
„Warum? Ich dachte du-“ Matt schluckte seine Worte lieber runter. Er sollte ihn jetzt wohl lieber nicht daran erinnern, was damals passiert war. „Wofür das denn?“ fragte er stattdessen und Lewis lächelte leicht. Man sah ihm an, dass es ihm schwer fiel und das ihm gar nicht zum Lächeln zu Mute war. Aber er versuchte mit aller Kraft es zu verdecken.
„Vance konnte von dir viele nützliche Dinge lernen. Manche davon waren sogar für mich neu. Du scheinst dich wirklich auszukennen.“
Matt erwiderte das Lächeln. „Danke.“ Es freute ihn, endlich mit Lewis Frieden schließen zu können. Viel zu lange war ihm bloß bei dem Gedanken an den Dämon schlecht geworden.
Wieder schwiegen die Beiden einen Moment lang, bevor Matt dann wieder zum Sprechen ansetzte. „Aber dennoch möchte ich mich entschuldigen. Ich habe damals wirklich ein paar Sachen getan, auf die ich selber heute nicht mehr Stolz bin. Mir wäre es wirklich lieb, wenn wir das einfach vergessen könnten. Sagen wir, es war eine kleine Jugendsünde.“
Lewis lachte rau auf und schüttelte über die Worte von Matt den Kopf. „Eine Jugendsünde also? Nett.“
Er sah Matt an und nickte dann. „Kein Problem. Ich verzeihe dir deine kleine Jugendsünde.“
„Wieso lachst du? Du hast doch sicher auch schon die eine oder andere Jugendsünde begangen.“
„Das streite ich nicht ab. Meinetwegen sind die Dinosaurier ausgestorben, ich denke schon, dass so was als Jugendsünde gelten kann.“
Matt sah ihn ungläubig an. „Also bitte, irgendwas realistischeres bitte.“ lachte er dann, verstummte jedoch sofort, als Lewis den Kopf schüttelte.
„Du wirst es mir nicht glauben, aber das ist die Wahrheit. Meine Jugendsünde.“
Beiden tat es gut einen Moment lang nur zu reden und den persönlichen Konflikt aus der Welt zu schaffen. Doch lange hielt dieser glückliche, entspannte Moment nicht an, denn schon bald erinnerten beide sich wieder, wieso Matt hergekommen war.
„Und du hast wirklich nichts gesehen? Kein Gesicht oder zumindest den Umriss einer Person? Alles könnte uns weiterhelfen.“
Matt schüttelte traurig den Kopf und schloss die Augen, um sich besser an die Situation zurück zu erinnern.
„Gesehen habe ich definitiv nichts. Ich war auf dem Weg zu Grace, um ihr die Telefonnummer von Ivan zu geben, aber ich war noch zu weit weg und wurde in dem Moment auch gerade von zwei Schülerinnen gestört.“ Matt dachte fieberhaft nach und plötzlich kam ihm dann ein kleines Detail in den Kopf, welches er zuvor ausgeblendet hatte.
„Die Aura!“ rief er aus und sprang dabei auf. Er griff nach seinem Handy und suchte einen Kontakt heraus, während er zu Lewis sprach: „Ich habe eine Aura gespürt. Eine ziemlich starke sogar. Und es war definitiv die eines Vampirs.“ Er hatte den Kontakt gefunden, denn er gesucht hatte, und ging auf das Anrufsymbol.
„Entweder, Grace Entführer ist ein unglaublich junger Vampir, frisch verwandelt, oder es war Asher! Ich habe ihn auf dem Schulhof gesehen, er war in der Nähe von Grace, vielleicht hat er was gesehen!“
Noch während Matt seine Vermutung äußerte hob Asher ab und begrüßte Matt am Telefon.
„Hast du etwas gesehen?“ fragte Matt ihn direkt und Asher musste erst einmal nachdenken, was er überhaupt meinte.
„Meinst du das mit Grace? Ja, aber das waren doch Freunde von ihr. Zumindest sagen das alle.“
„Nein, waren es nicht! Sie wurde entführt.“ Matt freute sich wie ein kleines Kind, dass Asher etwas gesehen hatte. Egal wer Grace entführt hatte, sie würde nicht mehr lange in dessen Gewalt sein.
„Ich habe ein Gesicht gesehen. Es war vermummt, deswegen habe ich mich auch gefragt wieso das Freunde von ihr sein sollen, aber da alle das gesagt haben wollte ich keine Angst verbreiten.“ fing Asher an und Matt hörte ihm aufmerksam zu. Er hatte das Telefon zwischenzeitig in den Lautsprechermodus gewechselt, damit Lewis mithören konnte, weshalb dieser nun auch all seine Konzentration auf die Worte von Asher legte.
„Aber es war definitiv die Aura eines Vampirs. Abi hat ihn auch gespürt. Seine Aura war unglaublich stark.“
„Also wird er auch noch nicht sonderlich alt sein.“ schlussfolgerte Lewis und Asher, welcher nicht wusste, dass er durch den ganzen Raum zu hören war, verstummte.
Doch auch vor der Tür konnte man die Stimmen hören. Vance und Logan hatten beide ein Ohr an die Tür gelegt und hörten dem Gespräch von Anfang an zu. Für Logan war es kein Problem neben einem seiner Trigger zu stehen. Nach dem Gespräch mit Matt am Morgen, hatten diese sowieso ihre Macht verloren. Vance mochte Logan schon von Anfang an und somit freute dieser sich, dass Logan jetzt nicht ausflippte, wenn er in seiner Nähe war.
„Was bedeutet das mit der Aura? Heißt es nicht immer, dass man stark ist, wenn die Aura zu spüren ist?“ fragte Logan an Vance gewandt, welcher leicht nickte und dann etwas von der Tür weg ging, um nicht von den Beiden im Raum gehört zu werden.
„Für gewöhnlich sagt man das. Aber bei uns ist das anders. Wenn man noch jung ist, oder vor noch nicht langer Zeit verwandelt wurde, ist die Aura stärker, das bedeutet, dass andere dich schneller aufspüren können. Mit dem Alter und den steigenden Erfahrungen wird die Aura schwächer, man taucht also weiter unter und kann irgendwann selbst von Reinblütern wie Papa oder Matt nicht mehr direkt erkannt werden.“
Logan nickte verstehend. Wenn es also hieß, dass der Vampir der Grace entführt hatte, eine starke Aura hatte, dann bedeutete das einfach nur, dass er noch nicht alt war.
„Aber, kann das nicht auch bedeuten, dass er vielleicht nur für jemanden gehandelt hat? Vielleicht im Auftrag von jemandem der stärker und erfahrender ist. Ich meine, wieso sollte er sie entführen wollen? Ihr könntet ihn viel zu schnell ausfindig machen.“
„Sollten wir eigentlich können, aber er hat keine Beweise hinterlassen. Ich denke aber, ich verstehe was du meinst. Wenn er noch so jung ist kann er noch nicht so gut Bescheid wissen. Der Plan muss also von jemanden ausgegangen sein, der mehr Erfahrung hat. Also von jemand älterem.“
Die Tür zum Arbeitszimmer öffnete sich und Matt trat, gefolgt von Lewis, auf den Flur.
„Was würden wir bloß ohne euch Detektive tun.“

Grace öffnete langsam die Augen und sah sich um. Sie lag auf dem Boden eines kalten, dunklen Raumes. Sowohl die Wände, als auch der Boden waren aus unterschiedlich großen Steinen und erinnerte sie stark an einen Kerker aus irgendwelchen mittelalterlichen Filmen. In der Mitte, direkt vor ihr, stand ein Tisch, auf welchem eine Kerze brannte. Doch das war auch alles, was sie sehen konnte. Nicht einmal eine Tür konnte sie in dem düsteren Raum erkennen. Sie versuchte sich aufzusetzen, bekam ihren Körper aber nicht bewegt. Ihre Glieder fühlten sich unglaublich schwer an und nun merkte sie auch, wie sehr ihr Kopf eigentlich schmerzte.
Von irgendwo konnte sie Stimmen hören, aber noch immer fiel ihr alles so unglaublich schwer, dass sie nicht einmal nachvollziehen konnte, aus welcher Richtung die Stimmen kamen, geschweige denn, ob sie die Besitzer kannte oder nicht.
Mit aller Kraft versuchte Grace sich ein wenig zu drehen, so dass sie wenigstens etwas mehr von dem Raum erkennen konnte, in welchem sie sich befand, bemerkte dabei aber, dass sie mit stabilen Eisenketten an die Wand gekettet war.
Panik stieg in ihr auf, als langsam all die Erinnerungen von dem was passiert war, über sie einbrachen. Sie war entführt worden. Sie wusste nicht von wem, er hatte sein Gesicht vermummt, aber es war definitiv ein Vampir. Grace konnte sich deutlich an das Gefühl erinnern, als sie in den Wagen gezerrt wurde und sich direkt die langen Fangzähne ihres Entführers in ihren Hals bohrten.
Schon bei dem bloßen Gedanken daran bekam Grace wieder Panik. Erneut versuchte sie sich zu bewegen, doch war ihr Körper noch immer zu schwer, um diesen irgendwie unter Kontrolle zu bekommen.
Einige Zeit lang lag Grace einfach nur da auf dem Boden und versuchte irgendwie ihren unregelmäßigen Atem unter Kontrolle zu bekommen und ihre Tränen zurückzuhalten, bevor sie dann langsam spürte, wie das Taubheitsgefühl in ihren Muskeln nachließ.
Vorsichtig versuchte sie sich wieder aufzusetzen, was mit gefesselten Händen und Füßen gar nicht mal so einfach war. Die ganze Zeit hatte Grace versucht möglichst wenig Geräusche zu machen. Sie hatte Angst vor der Person, welche sie hier eingesperrt hatte, auch ohne sie zu kennen. Doch jetzt, wo sie sich wieder bewegen konnte, klirrten die Ketten laut, als sie sich auch nur minimal bewegte.
Die Stimmen, welche sie die ganze Zeit leise im Hintergrund gehört hatte, verstummten plötzlich und sie konnte Schritte näherkommen hören. Noch immer konnte sie keine Tür sehen, aber langsam wurde ihr Orientierungssinn besser und sie konnte die Schritte direkt hinter sich wahrnehmen.
Panik kam in ihr auf und sie versuchte irgendwie weg zu rutschen. Dass die Ketten dabei umso lauter klirrten war ihr dabei egal. Direkt neben sich konnte sie hören, wie eine Tür aufgeschlossen wurde und sich dann langsam und unter lautem knarzen öffnete. Der Raum wurde in helles Licht getaucht während die Person, die sie wahrscheinlich entführt hatte, den Raum betrat.
Dieser kurze Moment in dem der Raum erhellt wurde reichte aus, dass Grace durch den Raum blicken konnte und sah, dass an jeder der vier Wände eine Eisenkette befestigt war. Doch nirgends waren Personen. Sie war die einzige, aber es schien, als wären hier schon mal andere Menschen gewesen.
Die Tür schloss sich wieder und ein großer, kräftiger Mann im Anzug schloss die Tür von innen ab, bevor er sich dann mit einem freundlichen Lächeln zu Grace drehte.
„W-Wer bist du?“ fragte sie unsicher und mit kratziger Stimme. Ängstlich sah sie ihn an und traute sich kaum zu atmen, während sich die Person zu ihr hinhockte und sie in eine aufrechte Position zog.
Der Fremde fing an tief zu lachen. Irgendwo hatte Grace dieses Lachen schon einmal gehört. „Sag nicht, du hast mich schon wieder vergessen?“
Grace brauchte noch einen Moment, um die Person ihr Gegenüber zu erkennen, doch dann wurden ihre Augen groß und sie sah den Dämon ihr gegenüber ungläubig an.
„Caleb?“ fragte sie unsicher, doch als er dann breit grinste, erkannte sie ihn endlich und fühlte einen Moment lang etwas Erleichterung in sich aufkeimen. „Caleb! Bitte hilf mir. Ich weiß nicht was hier los ist. Irgendwer-“
Sie verstummte als Caleb erneut anfing laut zu lachen und sich irgendwann sogar den Bauch halten musste.
„Bist du dumm! Ich hab dich doch hier her gebracht, wieso sollte ich dich jetzt gehen lassen?“

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