Zweifel
Als Nicolas schliesslich aufwachte, blickte er zuerst um sich herum. Als er schliesslich Drake und die anderen und das Schwert vor seinem Gesicht sah, zuckte er zusammen.
Drake setzte sich bequemer hin.
"So, jetzt reden wir. Warum hast du uns..."
"Es tut mir so schrecklich leid!!"
Nicolas machte, soweit es ihm auf dem Stuhl gefesselt möglich war, eine Verbeugung.
"Ich weiss nicht, was in mich gefahren ist! Ich habe mich gefreut, so gefreut, euch endlich wiederzusehen, doch dann..."
"Warum sollten wir dir vertrauen?"
Drake sah die Verzweiflung in seinem Gesicht.
"Also, ich, ich weiss nicht, aber glaubt mir! Ich bin in diesem Haus gefangen!"
Valentin runzelte die Stirn.
"Gefangen?"
"Ja. Jedes Mal, wenn ich aus dem Haus gehen will, zieht mich etwas zurück. Jedes Mal, wenn ich überhaupt daran denke, bekomme ich schreckliches Kopfweh. Ich wollte euch schon seit Wochen besuchen, aber ich konnte einfach nicht."
Drake schaute ihn zweifelnd an, obwohl er sagen musste, dass die Schweissperlen auf seinem Gesicht sehr echt aussahen.
"Warum hast du uns dann angegriffen?"
"Ich weiss, ich bin nicht in der Position, um irgendwas zu fragen, aber wer bist du überhaupt?"
"Oh. Ich bin Drake. Ich gehöre jetzt zur Truppe."
"Okay. Wenn das so ist..."
Nicolas wurde still.
Drake blinzelte.
„Hast du mich nicht verstanden? Warum hast du uns angegriffen?"
"Ehrlich gesagt: Ich weiss es nicht. Ich sah plötzlich verschwommen und hatte keine Kontrolle über mich und dann hat sich mein Körper selbstständig gemacht."
Drake überlegte und zeigte dann auf die zerbrochene Vase.
"Wann hast du diese Vase gekauft?"
"Hmm? Ach, die hat mir jemand zugeschickt. Anscheinend hab ich sie irgendwo gewonnen oder so. Warum ist sie kaputt? Ist sie während des Kampfes runtergefallen?"
"Diese Vase hat geschimmert, genau wie die Türe. Wenn ich es mir recht überlege, hat das ganze Haus ein bisschen geschimmert."
Nicolas schaute ihn überrascht an.
"Wirklich? Also, ich habe das nie bemerkt. Was hat das..."
Simon kam aus dem Hinterzimmer.
Er hielt sich den Hals.
"Ich weiss, was es damit auf sich hat."
Nicolas drehte sich blitzschnell um.
"Simon! Es tut mir so leid!"
"Ist schon gut. Ist ja nicht deine Schuld, dass du verflucht wurdest."
Nicolas machte ein verwirrtes Gesicht.
"Verflucht?"
Simon nickte.
"Ich habe mal jemanden gekannt, der die Fähigkeit hatte, Gegenstände mit Magie zu manipulieren. Diese haben dann auch geschimmert. Dieses Schimmern konnte jeder, ausser die Person, die den Gegenstand bekam, sehen. Vermutlich hat ihn jemand beauftragt, dir eine Vase zu schicken, die so manipuliert wurde, dass du jeden, der in dieses Haus kommt, automatisch einsperrst und umbringst."
Nicolas schaute ihn fassungslos an.
"Wirklich?"
Drake schaute an die Decke.
"Vielleicht wollte Dr. Richmont nicht nur Thatch und Ken, sondern auch Nicolas zu seinem Verbündeten machen. Als er das nicht geschafft hatte, wollte er vielleicht sichergehen, dass Nicolas keine Bedrohung mehr ist. Weil er vermutlich Nicolas nicht töten konnte, hat er ihn in seinem eigenen Haus eingesperrt."
Nicolas ballte seine Hände zu Fäusten.
"Wenn ich ihn in die Finger kriege..."
Drake hatte gerade gesehen, wie Nicolas auf die Knie gefallen ist und komplett verwirrt ausgesehen hatte, aber diese klare Wut in den Augen von Nicolas machte sogar Drake ein bisschen Angst. Daran sah man, dass dieser Typ auf einem ähnlichen Niveau wie Thatch oder Ken war.
Drake setzte sich auf.
"Ist jeder einverstanden, wenn wir ihn losbinden?"
Alle nickten.
"Na dann..."
Als er die Binden löste, atmete Nicolas auf.
"Danke! Ich werde es irgendwann zurückzahlen, versprochen!"
"Willst du gleich mitkommen?"
Er zögerte.
"Ich muss hier noch aufräumen und ausserdem habe ich seit 3 Tagen nicht geschlafen."
Drake schaute ihn an.
"Warum hast du seit 3 Tagen nicht geschlafen?"
"Weiss nicht. Ich hatte einfach schlichte Schlafprobleme. Jedenfalls konnte ich mir die Zeit aber sehr gut vertreiben."
"Serienmarathon?"
Nicolas nickte und lächelte.
"Was denn sonst? Eine Serie mit 2 Staffel je 25 in drei Tagen zu schauen.... Das ist doch ein Klacks für mich!"
Simon schaute Drake an und schüttelte verzweifelt den Kopf.
Die Fahrt zurück war sehr viel angenehmer, da Valentin und Amilia sehr viel sprachen und die Laune bei allen gestiegen war.
Drake hingegen war in Gedanken versunken. Das, was Nicolas gesagt hatte, aber auch alles, war bisher passiert war:
Alles warf Fragen auf.
Gleichzeitig hatten sie auch sehr viele Fragen gelöst.
Trotzdem hatte er das Gefühl, als hätte er etwas vergessen.
Es war langsam dunkel geworden, als sie in Cardinal, der Stadt, in der alles passiert war, also das mit der Schule, das Versteck und die Übergabe von Simon, ankamen. Die Mechanikerwerkstatt lag übrigens in einer anderen Stadt, nämlich in Troxly.
Als sie fast am Versteck waren, tippte Drake Simon auf die Schulter.
"Simon, könnte ich hier aussteigen? Ich muss noch was erledigen."
Simon nickte und fuhr schnell auf einen privaten Parkplatz.
"Was musst du denn erledigen?"
"Ist nicht so wichtig."
Amilia schaute Drake an.
"Kann ich dir vielleicht dabei helfen?"
Drake überlegte.
"Ist nicht nötig. Wenn du aber unbedingt willst..."
Amilia nickte.
"I-Ich helfe doch gern!"
Drake lächelte und stieg, zusammen mit Amilia, aus.
Drake ging eine lange Strasse hinauf, die zu einer Reihe von Häusern führte. Es waren sehr pompöse Häuser, die vermutlich den Reichen der Stadt gehörte. In der Dunkelheit sah alles sehr schön aus.
"W-Wohin gehen wir genau?"
Amilia lief sehr nahe an Drake die Strasse rauf, wobei sie immer in alle Richtungen schaute.
"Das siehst du gleich."
Drake blickte sie an und sah ihre Nervosität wieder steigen.
"Angst vor dem Dunkeln?"
Amilia zuckte zusammen, blieb aber still.
"Es ist niemand in der Nähe. Du kannst ruhig deine Magie benutzen."
Amilia zögerte, doch dann hob sie ihren Finger und ein warmes Licht strömte aus ihren Fingerspitzen, welches die Nacht erhellte.
Er musste zugeben, dass die Häuser im warmen Licht noch schöner aussahen als in der Dunkelheit. Das war aber auch nicht sehr überraschend.
Schliesslich stoppte Drake mitten auf der Strasse. Amilia bemerkte es zu spät und knallte in ihn hinein.
"Sorry!"
Als Drake keine Reaktion von sich gab, merkte Amilia, dass er etwas auf der rechten Strassenseite anstarrte. Sie drehte sich nach rechts.
Vermutlich war das auch mal ein Haus. Jetzt konnte sie nur noch verkohlte Balken und verbrannte Sachen erkennen, bei denen sie nicht mal sagen konnte, was es war. Vor dem Haus waren ausserdem Polizeisperren aufgestellt.
Drake ging langsam auf das Haus zu. Amilia rannte ihm hinterher.
Drake stieg über die Polizeisperren und sprang in den Vorgarten.
Er ging durch den Türrahmen, besser gesagt durch das, was davon noch übrig war, und betrat das Haus. Er schlenderte langsam hindurch, während Amilia langsam hinter ihr lief. Jetzt, da sie im Haus drinstand, konnte sie einige Sachen identifizieren. Sie sah eine Kommode, einen Kühlschrank, ein Sofa, viele Teppiche, Topfpflanzen und ein Gemälde, welches sogar unversehrt war.
Plötzlich blieb Drake stehen und schaute vor sich auf den Boden.
Als Amilia ebenfalls auf den Boden blickte, sah sie diese typischen weissen Linien, die einen Umriss eines Körpers zeigten, die es in den Filmen immer gab, wenn eine Leiche gefunden wurde.
Plötzlich dämmerte es Amilia. Bevor sie mit dem Van zu Ramsey gefahren sind, hatte er doch gesagt, dass sein Haus...
Müssten diese Linien dann nicht logischerweise...
"Drake, ist das hier..."
Drake fiel auf die Knie.
"Hey, geht es dir-"
Drake knallte seinen Kopf auf den Boden und schrie so laut er konnte.
Der Ton, den er erreichte, tat Amilia fast in den Ohren weh.
Amilia wollte ihn trösten, doch plötzlich wurde ihr einiges klar.
Er hatte vermutlich schon gewusst, dass seine Eltern tot waren. Die einzigen Gründe, warum er wieder hierher zurückkam, waren vermutlich, dass er seine Eltern und sein Haus noch ein letztes Mal sehen wollte und dass er sich den Frust aus der Seele schreien wollte.
Also blieb sie ruhig stehen, während Drake immer leiser wurde und schliesslich verstummte.
Eine halbe Ewigkeit war es totenstill.
"Ich wollte es nicht glauben."
Drake hob seinen Kopf, blieb aber auf seinen Knien.
"Sie sind die Art von Eltern, die komplett ausrasten würden, wenn ich 2 Tage weg wäre und sie nicht wüssten, wo ich bin. Darum habe ich via Medien versucht, Kontakt aufzunehmen um ihnen zu sagen, dass es mir gut geht. Ich habe gesehen, wie mein Haus abgebrannt ist, aber ich habe mich an die Hoffnung geklammert, dass sie vielleicht einkaufen waren oder so. Ich habe gedacht, dass sie vielleicht noch am Leben wären.
Aber als keine Antwort kam und ich sie auch sonst nirgendwo erreichen konnte..."
Seine Stimme brach, doch kurz darauf konnte er wieder sprechen.
"Als ich in der Schule ein bisschen Radau gemacht habe, also die zwei Typen ausgeknockt habe, hat mich vermutlich jemand identifiziert und dadurch konnte man schlussendlich mein Zuhause finden. Vermutlich haben meine Eltern gewusst, dass etwa faul war... Darum hat man sie getötet.
Das heisst, dass ich für ihren Tod verantwortlich bin. Egal, was du mir sagen willst: Ich habe meine Eltern umgebracht."
Amilia hielt es nicht mehr länger aus.
"Nein, das waren die Mitglieder von Resurrection! Hättest du dich in der Schule einfach töten sollen? Das hätte deine Eltern todtraurig gemacht. Sie hätten viel mehr gelitten. Selbst dann wäre die Möglichkeit gewesen, dass sie zu deinem Zuhause gingen und sie umgebracht hätten!!"
Drake starrte sie an.
"Aber..."
Amilia beugte sich zu ihm hinunter.
"Das ist Vergangenheit. Selbst wenn du jetzt trauern musst, du solltest auch nach vorne blicken und daran denken, was dir geblieben ist."
Drake wischte sich die Tränen aus den Augen.
"Trotzdem bin ich mitverantwortlich."
"Dann willst du also den Schwanz einziehen und sie nicht rächem? Willst du es einfach so darauf beruhen lassen?"
Drake blinzelte und sein Gesicht wurde klar.
"D-Das war eine gute Aufmunterung. Danke!"
Amilia erhob sich schnell.
"Wirklich?"
"J-Ja. Ich sehe mein Ziel jetzt klar vor Augen."
"A-Also, sollen wir gehen?"
Drake setzte sich auf.
"Das wäre wohl das Beste."
Während sie gerade aus dem Türrahmen rausgehen wollte, drehte sie sich nochmal zu Drake um.
"Warum haben sie eigentlich dein Haus abgebrannt? Haben deine Eltern sich so gut gewehrt, dass sie das Haus abfackeln mussten?"
"Naja, so gut sind sie auch wieder nicht gewesen. Ich würde sogar sagen, dass ich ein schwierigerer Gegner wäre."
Amilia runzelte die Stirn.
"Aber warum..."
Genau in diesem Moment knackte etwas hinter ihnen.
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