41. Do it yourself, Lupo!
Falschgeld, Blüten, gezinkter Zaster, eine ganze Sporttasche voll! Schlecht gemacht, aber nur auf den dritten oder vierten Blick. Auf den ersten Blick wirkte es echt, für ein schnelles Bezahlen an der Supermarktkette reichte es, und das allein zählte schließlich bei Falschgeld. Deshalb also die Polizei, daher der Durchsuchungsbefehl. Das war sie also, die ganz heiße Sache, an der das aufgeblasene Hähnchen Kurt Bukowski dran war. War es denkbar, dass er Hieronymus am Ende gar nichts anhaben konnte, weil ich, sein treuer Helfershelfer, alle Beweismittel zu Hause auf meinem Küchentisch stehen hatte? Wenn er jedoch herausbekam, dass ich mit den Blüten abgehauen war, dann waren wir beide geliefert. Ich musste die Tasche verstecken, besser noch ihren Inhalt vernichten, und zwar bis auf das allerletzte Fetzchen Papier. Ich konnte den Küchenofen anheizen, den ich eine gefühlte Ewigkeit nicht benutzt hatte, doch die Gefahr, dass das Rohr verstopft war und ich mich in meiner eigenen Küche ausräucherte, war zu groß.
Ich konnte die Tasche in Schecks Werkstatt mit Säure übergießen oder sie im Sösestausee versenken, konnte sie draußen auf dem Dach mit Spiritus überschütten und anzünden. Alles zu zeitraubend, alles zu auffällig. Ich rannte wie aufgekratzt in der Wohnung herum. Von der Küche in den Flur zur Wohnungstür. Ich legte mein Ohr auf das alte Holz. Hörte man schon was, kam da jemand die Treppe herauf?
Ich lief ins Bad, wieder hinaus, ins Wohnzimmer, in die Dunkelkammer. Entwicklerflüssigkeit, brannte die nicht auch? Ich lief zum Schlafzimmer.
Das Schlafzimmer, genau. In den letzten Tagen hatte ich gar nicht mehr daran gedacht, was auch daran liegen konnte, dass ich mein Sofa inzwischen gemütlicher fand als meine durchgelegene Matratze.
Ich drückte die Klinke herunter, schob behutsam die Tür auf und streckte meinen Kopf so vorsichtig durch den Schlitz, als könnten mir irgendwelche Trümmerteile entgegen stürzen oder als hätte sich über Nacht ein lebendes Loch im Boden aufgetan, das mich verschlucken wollte. Das Fenster stand noch immer auf Kippe, der schlimmste Brandgeruch hatte sich inzwischen nach draußen verzogen.
Bumm. Da war er, der geniale Gedanke! Wenn Feuer-Scheck in der Lage gewesen war, mein Schlafzimmer zu verwüsten und Rebecca zu verschlingen, dann war ein Haufen Blüten doch ein Kinderspiel für ihn! Doch wie sollte ich ihn herrufen? Seinen Kater hatte ich begraben, die Hirschtasse stand gespült in meinem Küchenregal, und ich hatte nicht vor, ihr mutwillig Gewalt anzutun. Und wenn ich nur so tat, als würde ich sie zerstören? Nein. Ich war Lupo Scholz, nicht Erika Scheck, ich würde den alten Scheck auf diese Weise niemals aus seinem schimmeligen Grab locken. Mir fiel das dicke Buch wieder ein, das ich aus Lauensteins Büro hatte mitgehen lassen. Ich hatte es auf dem Wohnzimmertisch liegen gelassen, doch dort fand ich es nicht. Ich sah unter den Tisch, und tatsächlich, dort lag es. Wie war es da hingekommen? Der Einband war aus schwarzem Leder, darin eingelassen ein silberner Drudenfuß. Erst jetzt fiel mir die merkwürdige Schreibweise des Titels auf. Da stand: Necronomicum. War das ein Druckfehler? War die Ähnlichkeit beabsichtigt? Ich kannte nur dieses abgedrehte Buch von Lovecraft, und das hieß Necronomicon. Dieses hier war auch beträchtlich dicker. Welches von beiden hatte mein Grufti-Mitschüler Konstantin damals bei sich gehabt? Ich ließ mich aufs Sofa fallen und blätterte ziellos in dem alten Schinken herum. Die Seiten waren dicht bedruckt mit allerlei Zeichen, Symbolen und Wörtern, die ich nicht verstand. Am Ende gab es ein fünfseitiges Inhaltsverzeichnis in winziger Schrift.
Nach was genau suchte ich? Nach einer Beschwörungsformel für Feuergeister, klar. Seite 356, letzter Absatz. Die freie Stelle in der Formel musste mit dem Namen des Geistes gefüllt werden. Ich musste ein Pentagramm auf den Boden malen, Teelichter anzünden, eine Schale Blut aufstellen und die Beschwörungsformel langsam, laut und vollständig aufsagen. Kreide und Teelichter waren kein Problem, aber das Blut. Wo sollte ich eine ganze Schale herbekommen?
Resigniert schmiss ich das Buch auf mein Bett, lief in die Küche und holte die Hirschtasse. Dann stellte ich mich breitbeinig in die Mitte des Raumes, hielt die Tasse über meinen Kopf und rief: „Magma-Scheck, zeige dich, heize mir ein, zeig mir dein feuriges Antlitz, ich schmelze dahin, Magma-Scheck, erscheine, sonst zertrümmere ich deine vermaledeite Hirschtasse in tausend Stücke, Magma-Scheck, ich brauche deine Expertise!"
Das war alles ausgedacht, spontan aus der Hose geschüttelt, aber was sollte ich sagen, es schien zu funktionieren. Mein nächstes Projekt: Beschwörungsformeln für das Herbeirufen nützlicher Alltagsdämomen entwickeln und sie als Buch herausgeben. Das wäre ein Renner. Ganz bestimmt!
Ich stellte die Sporttasche mit dem Geld griffbereit neben mich.
Zuerst war da bloß eins schwaches Glimmen in der Luft, ein Flimmern, wie über einem heißen Grill. Hatte ihm eines meiner Worte vielleicht doch nicht zugesagt, hielt er sich vielleicht deshalb noch zurück? Ich musste mit ihm sprechen, so wie man mit netten Nachbarn spricht, also fing ich an von Amanda zu erzählen, wie sie mir zugelaufen war, von Charly, dem wunderschönen Katzenbaum. Ich berichtete von Rebecca, ihrem irren Vater, den drei Brüdern. Und tatsächlich, mit jedem Wort, das ich an ihn richtete, mit jeder neuen Information wurde das Leuchten im Zimmer stärker, formte sich vor meinen Augen immer deutlicher eine menschliche Gestalt aus Licht und Wärme, wurde heißer, verdichtete sich mehr und mehr bis schließlich der gute alte Feuer-Scheck vor mir schwebte. Fast hätte ich ihn umarmt.
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