13. Lavalampe, Fesselspiele
Plötzlich packte Rebecca mich am Arm und riss mich mit voller Wucht auf's Bett. Dann sprang sie auf mich drauf und begann an meiner Hose herumzufummeln.
Noch immer sah ich das lüstern rote Wachs vor meinen Augen dahintreiben. Es flüsterte: „Lass es geschehen! Entspanne dich! Lass es geschehen!"
Was tat ich hier? was machte diese Frau mit mir? Ich kannte Rebecca doch so gut wie gar nicht, hatte bloß ein paar Mal Papier mit ihr geschleppt und Kopiertoner gewechselt. Sie roch sehr gut, nach Flieder und Rose, ja. Das war aber auch schon alles.
Noch immer versuchte sie an meinen Reißverschluss heranzukommen, und als wenn das nicht schon genug war, fing sie auch noch an zu quasseln, als wäre die Nötigung eines Kollegen bloß eine belanglose Nebensächlichkeit.
„Weißt du was, ich lade dich zu meiner Party ein!"
Ich umklammerte ihr linkes Handgelenk und versuchte es zur Seite zu schieben. Vergeblich.
„Welcher Party?"
„Meiner Geburtstagsparty, du Dussel! Zu meinem Achtzehnten ..."
Mir schwindelte.
Siebzehn? Rebecca war noch nicht volljährig? Ich ließ mich von einer lüsternen Siebzehnjährigen auf's Bett zerren? Es reichte mir.
Mit einem kräftigen Ruck hob ich das Becken und machte eine Art umgekehrte Brücke, in der Hoffnung Rebecca abwerfen zu können. Das schien ihr zu gefallen. Sie juchzte. Wahrscheinlich glaubte sie, dass ich weich wurde und endlich ihr Spielchen mitspielte.
Jetzt griff sie nach meinem Handgelenk. Ich hörte ein metallisches Klicken, dann ein leises Rasseln und im nächsten Augenblick schloss sich die eine Hälfte einer Handschelle um mein Handgelenk und rastete ein.
Rebecca hatte es gerade geschafft die andere Hälfte am Bettpfosten zu befestigen, als ich die freie Hand mit aller Kraft in die Matratze stemmte und mich aufrichtete.
Rebecca verlor das Gleichgewicht, kippte zur Seite, fiel in die Spalte zwischen Bett und Wand und knallte irgendwo, außerhalb meiner Sichtweite, gegen etwas hartes. Mit einem Knurren in der Kehle rappelte sie sich wieder hoch, strich sich flüchtig ihr zerzaustes Haar zurück und kam erneut auf mich zu gekrabbelt. Dann packte sie mich bei den Schultern, warf mich zurück auf's Bett und setzte sich auf meine Beine.
„Hab dich doch nicht so!", kreischte sie, „entspann dich mal!"
Nackte Panik befiel mich und stieg mir sauer in den Hals. Meine Stimme überschlug sich und klang so gar nicht mehr nach meiner eigenen.
„Entspannen? Entspannen? Du bist erst siebzehn, verdammt! Erst siebzehn!"
Hinter ihrem Rücken zog sie ein zweites Paar Handschellen hervor und ließ sie bedrohlich vor meinem Gesicht baumeln.
„Ein böser Junge bist du! Ein sehr böser Junge ...!"
Ich riss ihr die Dinger aus der Hand und schleuderte sie in Richtung meines Nachttisches, ohne jedoch an die Lavalampe zu denken. Selbst wenn ich es gewollt hätte, als dass ich ihren Sturz noch hätte verhindern können. Mit einem Poltern, als wäre ein Wackerstein durch die Decke gebrochen, landete die Lampe auf dem Flokati-Teppich und zerbrach dort mit einem lauten Knacken.
Ich hörte wie sich ihr Innenleben gluckernd auf dem Boden verteilte, wie sich das heiße Wachs gierig in meinen Teppich fraß.
Doch noch immer leuchteten die Lampentrümmer als hätte ich eine kleine Privatsonne im Zimmer.
So soll also alles enden?, dachte ich. Was kam als nächstes? Die Peitsche? Heiße Nadeln? Marmelade aus dem Bauchnabel schlürfen?
Plötzlich hielt Rebecca eine Pocketkamera in der Hand und war drauf und dran ein Foto von mir zu schießen.
Das Licht der zerstörten Magmalampe flackerte. Gleich würde sie endgültig ihren Geist aufgeben und es wäre stockdunkel im Zimmer. Ich hörte ein Schaben und schielte zur Tür hinüber. Sie war verschlossen. Täuschte ich mich oder kratzte Amanda tatsächlich von außen an ihr herum?
Das Lampenlicht verlosch nicht. Ganz im Gegenteil. Das pulsierende Orange wurde kräftiger, dehnte sich aus, quoll zur Decke hinauf und nahm die Form einer menschlichen Gestalt an.
Rebecca bekam von alldem nichts mit, zu sehr war sie mit der Technik ihrer Kamera beschäftigt.
Blubbernd stand die glühende Wachsmasse über uns, die Hitze knabberte an meinen Beinhaaren. Spontan beschloss ich still zu halten. Ich wollte abwarten was passieren würde. Schlimmer konnte es für mich schließlich nicht mehr kommen.
Der Geist des alten Scheck stand offenbar auf Feuriges. Die Kerzen seiner Frau dienten ihm bloß zum Warmlaufen. Heißes Lavawachs war da schon eine Nummer größer!
Glüh-Scheck waberte unter die Decke. Dabei bildete er erneut zwei Arme und zwei Hände aus, die Schaufelhände, welche ich bereits in Frau Schecks Küche hatte bestaunen dürfen.
Als Rebecca verstand was um sie herum vor sich ging, war es längst zu spät. Glüh-Scheck hatte sich mit ausgebreiteten Armen von hinten an sie heran gepirscht und kippte nun mit einer einzigen fließenden Bewegung nach vorn, umschlang sie und zog sie mit einem tiefen blubbernden Schmatzen in sich hinein.
Hatte ich jemals in meinem Leben ein entsetzteres Gesicht als das von Rebecca gesehen? Unwillkürlich dachte ich an das Gemälde „Der Schrei" des norwegischen Malers Edvard Munch, das als billiger Nachdruck jahrelang auf der Gästetoilette meiner Eltern gehangen hatte. Bis mein Vater es irgendwann abgehängt hatte, weil Freunde und verwandte lieber in unseren Garten pinkelten, als ihr Geschäft im Angesicht eines Alptraums zu verrichten.
„Wenn ich bei euch bin, kriege ich immer Verstopfung!", klang mir der Vorwurf meiner Tante Gerda noch heute im Ohr.
Meine Beine fühlten sich an als hätte jemand heiße Suppe darüber gegossen. Ich roch verschmorte Haare. Jetzt wo ich mich wieder freier bewegen konnte, setzte ich mich hektisch auf, rutschte ganz ans Kopfende des Bettes und zog die Beine an. Nur weg, so weit weg wie möglich vom Glüh-Scheck. Mein Handgelenk schmerzte. Ich sah die roten Striemen. Und ich fragte mich wie ich es allein schaffen sollte mich von diesen Dingern zu befreien?
Anders als befürchtet schien Glüh-Scheck gar kein Interesse an mir zu haben. Sobald Rebeccas letztes Körperteil, ihr rechter Fuß, im Bauch des Geistes verschwunden war, begann er zu schrumpfen. Er wurde kleiner und kleiner bis er die Größe eines Fußballs erreicht hatte. Einen Wimpernschlag später zerbarst er in einem gigantischen Funkenregen, der jedes Silvesterfeuerwerk vor Neid hätte erblassen lassen.
Und das alles in meinem Schlafzimmer.
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