8. Kapitel - 7. Geburtstag

7. Geburtstag

Es ist spät am Abend und das Haus ist ruhig und friedlich. Alles scheint zu schlafen, abgesehen von einem kleinen Mädchen, das sich ungeduldig im Bett hin und her wälzt. Frustriert darüber, dass es nicht einschlafen kann, schaut es auf die Digitalanzeige ihrer Uhr auf den Nachtschrank. Zwei Uhr morgens. Heute wird sie sieben Jahre alt. Ihr Geburtstag hat schon seit zwei Stunden begonnen, aber trotzdem darf sie noch nicht die Geschenke auspa­cken. 

„Das ist gemein!“, grummelt das Mädchen und greift nach ihren Plüschhasen, den sie liebevoll Stups nennt. „Es ist doch schon der 3. Juni. Warum kann ich nicht jetzt schon meine Geschenke auspacken?“ 

Es verschränkt die Arme und starrt weiterhin auf die Digitalanzeige. Im Sekundentakt blinken die Doppelpunkte auf und nach genau sechzig Mal aufblinken ändert sich die Minutenanzeige. Aus Langeweile zählt es das Aufblinken der Doppelpunkte mit, in der Hoffnung dadurch irgendwann zu ermüden und einzuschlafen. Nach einer geschlagenen Viertelstunde ohne Erfolg, verliert es die Geduld. Das Mädchen steht auf. 

„Komm Stups! Wir gehen uns jetzt meine Geschenke ansehen.“, sagt sie entschlossen und drückt den Hasen fest an ihre Brust, als sie das Zimmer verlässt. 

Angespannt lauscht sie nach irgendwelchen verdächtigen Geräuschen und kommt sich bei ihrem Vorhaben plötzlich wie eine Verbrecherin vor. Sie schüttelt den Kopf. 

Auf Zehenspitzen tippelt es leise zu der Wohnzimmertür und greift nach dem Türgriff. Die Kühle des Metalls fühlt sich angenehm an. Langsam und ganz vorsichtig drückt es den Griff nach unten und öffnet die Tür. Und da sind sie! Auf dem großen Wohnzimmertisch stehen all ihre Geschenke, sorgfältig in glitzerndem Papier mit süßen Schleifchen verpackt und geschmückt. Sofort beginnen die Augen des Mädchens bei diesem Anblick zu strahlen. 

Ohne jede Scheu tritt sie nun zu dem Tisch und betrachtet ihre Geschenke. Ihre Finger schlingen sich schon um die erste Schleife eines ihrer Geschenke, als sie nachdenkt und innehält. 

Das Strahlen in den Augen erlischt, stattdessen legt sich nun Trauer über ihre Züge. Das ist nicht richtig, denkt sie und schaut zu ihrem Hasen in der linken Hand hinab. Seine Ohren sind so lang, dass sie fast den Boden berühren. 

Stups guckt sie an. Seine tiefschwarzen Knopfaugen scheinen tief in sie einzudringen bis auf den Grund ihrer Seele. Es kommt ihr fast so vor, als wolle er sagen: „Ich weiß, dass du es noch bis um sechs aushalten kannst.“ 

Der Blick des Mädchens wandert erneut zu den Geschenken. Die Verlockung ist groß, aber sie weiß genau, dass es falsch ist und sie sich schlecht fühlen würde, wenn sie sie jetzt schon auspackt. 

Sie seufzt. Es hilft nichts. Stups‘ Moral hat sie überzeugt. Stattdessen kommt ihr nun eine andere Idee. 

Das Mädchen schließt ihren Plüschhasen wieder fest in die Arme und marschiert nun mit ihm zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Auch hier öffnet sie wieder langsam und vorsichtig die Tür, als sie eintritt. Dunkelheit und leise Atemgeräusche empfangen sie. Darauf bedacht, keinen Laut von sich zu geben, geht das Mädchen zu dem großen Bett, was in der Mitte des Raumes steht, und tippt zaghaft die Schulter ihrer Mutter an. Schweigend steht sie an der Bettkante und wartet. Als aber keine Reaktion folgt, versucht sie es noch einmal. 

Ein genervtes Stöhnen erklingt und unter der Decke kommt ein Kopf mit verwuschelten Haaren und verschlafenen Augen hervor. 

Einen kurzen Moment herrscht Stille, abgesehen von leisen, regelmäßigen Atemzügen ist nichts zu hören. Grace, ihre Mutter, braucht einige Sekunden bis sie begreift, dass ihre Tochter mit verzweifeltem Gesichtsausdruck vor ihr steht und sie geradezu flehend anschaut. Langsam richtet sie sich im Bett auf, reibt sich die Augen, gähnt einmal ausgelassen und lang und macht schließlich die kleine Lampe auf dem Nachttisch an. 

Warmes goldenes Licht erhellt jetzt das kleine Zimmer, in dem nur ein Ehebett, mit jeweils einem Nachttisch auf jeder Seite, und gegenüber ein großer Kleiderschrank mit Spiegeltüren steht. Matthew hat einmal vorgeschlagen, über dem Bett noch ein Regal anzubringen für Bücher und anderen Krimskrams, aber Grace hatte kopfschüttelnd abgelehnt, mit der Begründung, dass sie dann nicht schlafen könne, da sie ständig Angst hätte, dass ihr das Ding mitten in der Nacht auf den Kopf fallen könnte. Ein Schlafzimmer sei außerdem zum Schlafen da und wenn man Lust hat zu lesen, dann kann man auch ein Buch in der Schublade des Nachttisches verstauen. So viel Platz, so hatte sie gesagt, sei noch da, um einen Wälzer darin unterbringen zu können. Ihr Mann hatte sie zwar wegen ihrer Vorstellung des abfallenden Regals ausgelacht, aber im Endeffekt hat sie sich trotzdem durchgesetzt. 

Das helle Licht dringt unter die geschlossenen Augenlider von Matthew und lässt ihn ebenfalls verschlafen aufschauen. 

„Was denn nun?“, grunzt er und guckt Grace an. „Hab ich schon wieder zu laut geschnarcht?“ Seine Verwunderung steht ihm ins Gesicht geschrieben und wächst zunehmend, als er Sam am anderen Ende des Bettes erblickt. 

Er runzelt die Stirn. 

„Sammy, Schätzchen, was machst du hier?“, fragt Grace sie und streichelt ihren Kopf. 

Nervös tritt sie von dem einen auf den anderen Fuß und überlegt, wie sie beginnen soll. „Ich kann nicht schlafen.“, murmelt sie schließlich undeutlich in ihren Hasen hinein und schaut bedrückt zum Boden. Für sie klingt dieser Satz wie ein Geständnis, als wäre er Erklärung genug für ihren sündhaften Drang danach jetzt schon die sorgfältigen Verpackungen ihrer Geschenke in Stücke zu reißen. 

Auch wenn Grace und Matthew ihr Gemurmel nicht verstehen konnten, so wussten sie dennoch, was sie gesagt hat, denn seit sie gehen und sprechen kann, verläuft jede Nacht vor ihrem Geburtstag so. 

Ihre Eltern schauen sich an und seufzen müde. Nach einigen Sekunden Blickkontakt ist geklärt, wer von beiden aus dem warmen, kuscheligen Bett aufstehen und Sam zurück ins Zimmer bringen muss. 

Matthew atmet hörbar aus. Er hat den Kampf verloren... mal wieder. „Dafür schuldest du mir 'was.“, knurrt er unzufrieden, muss aber schmunzeln, als Grace sich zu ihm hinüber beugt, um ihn einen Kuss auf die Lippen und den Drei-Tage-Bart zu geben. 

Schwerfällig kommt er auf die Beine, geht zu seiner Tochter und nimmt sie huckepack. Als sie gemeinsam wie Cowboy und Pferd durch die Wohnung düsen, hat Sam wieder beste Laune. 

Im Kinderzimmer angekommen, setzt Matthew sie wieder ab. Als Sam wieder auf eigenen Füßen steht, kann sie ganz deutlich das verschmitzte Glitzern in seinen Augen sehen und will gerade losrennen, als er sie schon wieder dicht zu sich heranzieht und sie hemmungslos durchkitzelt. Das Mädchen schreit und lacht und versucht sich von ihm loszumachen, um seinen gemeinen Kitzelattacken an Hals und Füßen zu entkommen, aber ihr Angreifer ist unerbittlich. 

Nach einer gefühlten Ewigkeit liegen beide schnaufend am Boden und grinsen sich gegenseitig an. Schließlich richtet sich ihr Vater wieder auf, hebt sie hoch und setzt sie auf ihrem Bett ab. 

„So, jetzt wird geschlafen!“, sagt er und greift nach ihrer Decke. 

Sam zieht einen Schmollmund. „Aber ich bin doch noch gar nicht müde!“, beklagt sie und schaut mit riesigen Klimperaugen zu ihm auf mit der stillen Bitte, sich doch noch ein bisschen mit ihr zu beschäftigen. 

Der Mann an ihrem Bett reibt sich unbewusst übers Gesicht. Woher nehmen diese Kinder nur immer diese Energie?, fragt er sich in Gedanken und sieht zu Sam hinunter. Sie sind wie aufgeladene Akkus, nur dass man sie nie leergespielt bekommt. 

Die Masche wirkt. Erschöpft setzt er sich zu ihr auf dem Rand ihres Bettes. „Sammy, ich bin müde und brauche dringend Schlaf. Du musst morgen zur Schule und ich muss morgen arbeiten. Wenn ich aber müde bin, dann kann Papa nicht so gut arbeiten wie sonst und das mag der Chef gar nicht.“ 

Das kleine Mädchen sagt nichts, sondern schaut betrübt auf ihren Stoffhasen. 

Er hasste es, sie traurig alleine zu lassen, aber manchmal ließen ihn die Umstände keine Wahl. 

Er will sich gerade erheben, als eine kleine Hand nach seinen Fingern greift und ihn stoppen lässt. Sam schaut noch immer nicht zu ihm auf, als sie sagt: „Kannst du mir wenigstens noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen? Dann bin ich auch ganz lieb und schlafe. Versprochen!“ 

Matthew lächelt und nickt schließlich als Einverständnis für ihre Bitte. Erneut setzt er sich auf den Rand und überlegt. 

„Was möchtest du denn hören? Hänsel und Gretel?“ 

Sie verzog das Gesicht. „Ich hasse Hexen. Die sind so böse." 

Er muss lachen. „Na schön, dann vielleicht... Dornröschen? Das ist doch deine Lieblingsgeschichte!“ 

Sie schüttelt den Kopf und verdreht die Augen. „Dad, das sagst du jedes Mal! Meine Lieblingsgeschichte ist Rapunzel!“, empört sie sich und verschränkt die Arme. 

Ihr Vater kratzt sich verlegen an den Hinterkopf. „Ja, stimmt. Tut mir leid, aber ich finde, dass du ein viel besseres Dornröschen abgibst als eine Rapunzel.“ Zumal die wahre Geschichte von Rapunzel keine von Disney ist, aber das behält er lieber für sich. 

Sam springt auf, sodass ihre goldenen Locken auf und ab wippen und schon wieder erinnert er sie an seine Vorstellung von Dornröschen, nur in jungen Jahren. 

Wehmütig schwelgt er in Erinnerungen, als sie noch kastanienbraunes Haar und Schokoladenaugen hatte, als sie noch aussah, als könnte sie wirklich von ihnen sein, aber die Zeiten sind vorbei. Wenn er in ihre kristallblauen, strahlenden Augen sieht, dann hat er das Gefühl auf den Grund ihrer Seele blicken zu können, so klar und rein ist sie. Er wünschte, sie würde für immer so unbefleckt bleiben, aber das harte Schicksal ihrerseits würde sie so oder so unweigerlich verändern. Damit hatte er sich schon abgefunden. 

Ihre Stimme holt ihn zurück in die Realität. 

„Vielleicht jetzt noch nicht, aber wenn meine Haare erst einmal lang genug sind, dann werde ich viel mehr wie Rapunzel aussehen.“ Und wie um sich zu versichern, nimmt sie eine ihrer blonden Locken, hält sie sich vors Gesicht und misst mit den Augen deren Länge. 

Ihr Gegenüber schmunzelt. „Aber soweit ich weiß, kommt in Rapunzel doch auch eine Hexe vor.“, neckt er sie und stemmt als Ausdruck der Entrüstung seine Hände in die Hüften. 

Das Mädchen überlegt kurz. „Ja, aber die versucht ja nicht gleich, Rapunzel zu essen!“, gibt sie zu bedenken und legt sich wieder hin. 

So gesehen hat sie Recht: Hänsel und Gretel ist ein ziemlich kannibalisches Märchen. 

Er zuckt entmutigt die Schultern. „Was willst du dann für eine Gute-Nacht-Geschichte hören?“ Er gibt es auf weitere Vorschläge zu machen. Sam muss eine ganz eigene Vorstellunge von ihrer Gute-Nacht-Geschichte haben und auf die würde er nie kommen, bis sie es ihm nicht sagt. 

Sie lächelt. „Ich will eine hören, die ich noch nicht kenne.“ 

Natoll. Welche kennt sie denn nicht schon? Ihr Bücherregal steht voll von Märchenbüchern. Die Wahrscheinlichkeit, dass er eine kennt, die noch nicht darin verzeichnet ist, sinkt gegen null. 

„Äh...“ 

Unsicherheit breitet sich in ihm aus. Er ist nicht der kreative Typ, da wäre Grace etwas besser geeignet gewesen für diesen Job. 

Fieberhaft überlegt er, während der erwartungsvolle Blick seiner Tochter an ihm klebt wie Honig. Ihm fällt nur die Entstehungsgeschichte der Mondgeburten ein. Jenen Wesen, zu den auch Sam gehört, nur weiß sie es nicht. Noch nicht. Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, sie über diese Geschichte heranzuführen? Andererseits ist ihm nicht ganz wohl bei der Sache, wenn er das ohne Grace' Zustimmung macht. Er will nichts falsch machen. 

Sam wird langsam ungeduldig, denn sie spielt bereits unbewusst an den Schnurrhaaren und Plüschohren von Stups herum. 

Matthew kaut nervös auf seiner Unterlippe herum und fasst dann doch den Entschluss, es einfach zu wagen. 

Was kann schon großartig schiefgehen? Im schlimmsten Fall gefällt ihr die Geschichte nicht, aber es wäre nicht so tragisch. 

„Also schön. Wie fange ich an?“ 

„Wie wäre es mit: ,Es war einmal...'?“ 

„Nun ja, eigentlich ist es kein Märchen.“ 

„Oh“ Ihre Augen werden groß. 

„Aber ich nehm' die Vorlage trotzdem.“ Er räuspert sich. „Es waren einmal zwei Könige, deren Reiche nebeneinander lagen. Gaius, ein weiser, ruhiger Mann, der sein Volk mit Entschlossenheit und Hingabe beherrschte. Es gab niemanden, der sich in seinem Land über ihn beschwerte. Sein Glaube an Gott war groß, aber der Glaube an Gerechtigkeit noch größer. Midera, der andere König hingegen, war grausam und sein Herz gefüllt mit Hass, Verachtung gegenüber seinen Bürgern, und dem Hunger nach Macht. Midera wollte das Reich von Gaius haben, da dieses viele Schätze beherbergte, so erzählte man sich.“ 

„Was für Schätze?“, will das Mädchen wissen und richtet sich interessiert auf. 

Ihr Vater lacht. „Keine gewöhnlichen. Midera glaubte, dass Gaius Unmengen an Gold und Edelsteinen besaß, aber dem war nicht so. Nein, das, was Gaius hatte, waren das Vertrauen und die Zufriedenheit der Bürger. Sein materieller Reichtum war überschaubar und nicht wirklich groß, aber ausreichend, um sein Volk zu versorgen. Und genau dieses Vertrauen und diese Zufriedenheit war viel wertvoller als alles Geld der Welt und Gaius wusste das. Midera hingegen dachte, dass das eigene Wohlergehen vom Reichtum abhängig war und da er dachte, dass Gaius mehr Reichtum besaß als er, führte er gegen ihn Krieg.“ 

Sam legt den Kopf schief. „Warum tut er das? Wenn er glaubt, dass Gaius einen Schatz hat, hätte er ihn dann nicht fragen können, ob er ihm was abgibt?“ 

Matthew schüttelt den Kopf. „Nein, Kleines. Midera war nicht so gutmütig. Er war neidisch auf Gaius und wollte daher das, was Gaius hatte, mit Gewalt für sich beanspruchen.“ 

Sie zieht die Augenbrauen zusammen. „Der ist ja doof.“ 

„Ja, ich weiß.“ Er lächelt sie an und streicht eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. 

„Und wie geht es weiter?“ 

„Nun, während Midera mitten in den Vorbereitungen für die Schlacht vertieft war, machte sich Gaius Sorgen. Seine Armee konnte der von Midera an Größe nicht das Wasser reichen, auch wenn sie gerne für ihn kämpften.“ 

„Hat er etwa verloren?“ Sam blickt etwas geschockt drein und fürchtet sich ein wenig vor der Antwort, aber ihr Vater schüttelt den Kopf. 

„Soweit ich weiß nicht. Einen Abend zuvor betete er zu Gott, dass er ihm helfen solle, so wenig Verluste wie möglich zu erleiden, also dass wenige Soldaten im Kampf sterben. Gott erhörte sein Gebet und sandte seine Engel aus, die ihn unterstützen sollten.“ 

Ihre Augen beginnen zu leuchten, als er von Engeln spricht und sein Unbehagen gegenüber der Idee ihr davon zu erzählen verschwindet. „Allerdings gefiel es Malanima nicht, dass Gott sich darin eingemischt hat und-“ 

„Wer ist Malanima?“, unterbricht sie ihn. 

„Malanima ist die Frau des Teufels.“ 

„Der Teufel hat eine Frau?“ 

Er nickt. 

„Und warum mochte sie es nicht, dass Gott seine Engel geschickt hat?“ 

„Malanima ist eine Frau, die sich gerne von den Menschen unterhalten lässt.“ 

Sie runzelt die Stirn. „Wie meinst du das?“ 

Er überlegt. „Du weißt doch, dass es gute und böse Menschen gibt, richtig?" 

„Ja, Gaius ist gut und Midera böse.“ 

„Zum Beispiel“, gibt er ihr Recht und verlagert sein Gewicht so, dass er gemütlicher sitzen kann. „Aber Midera ist nur einer von vielen bösen Menschen. So wie heute gab es auch damals einige Leute, die anderen Leid zugefügt haben und dafür keine Reue empfinden. Und genau das ist es, was Malanima mag. Zu sehen, wenn Menschen sich gegenseitig Leid zufügen.“ 

„Das ist aber nicht normal, oder?“ 

„Nein, das ist es nicht.“, antwortet er leise und denkt daran unter welchen Umständen Sam zu ihnen gekommen ist. 

„Und was hat Malanima gemacht?“ 

„Sie hat wiederum ihre Untertanen losgeschickt, die Dämonen. Sie standen auf Mideras Seite. Aber trotz der Überzahl, sah es nach einigen Tagen trotzdem nicht so aus, würde Midera gewinnen. Das hat ihn und Malanima wütend gemacht. Das eine, was sie noch viel mehr hasst, als dass ihr jemand ihr Schauspiel der Grausamkeit nimmt, ist, wenn sie verliert.“ 

„Also hat Gaius gewonnen?“ 

Matthew schüttelt traurig den Kopf. 

„Aber warum? Du hast doch gesagt, dass Midera nicht gewinnt.“ 

„Nein, mein Schatz, es sah so aus, als würde Midera nicht gewinnen, was aber nichts heißen muss.“ Und wie zur Bekräftigung seiner folgenden Worte, hebt er den Zeigefinger. „Das ist ein Unterschied, Sam.“ 

„Und warum hat er denn verloren?“ 

„Malanima hat die Engel verflucht. Sie sandte eine Art Pest über das Lager, in dem sie sich ausruhten. Die Krankheit verwandelte sie in abscheuliche Wesen, die von einem unerträglichen Drang nach Blut und Tod gehetzt wurden. Kaum ein menschlicher Soldat überlebte die Nacht. Sie wurden von den verfluchten Engeln getötet.“ 

Sams Mund steht offen und ihre Augen drücken pure Ungläubigkeit aus. 

„Natürlich verloren die Engel dadurch ihre Heiligkeit, sodass ihr der Zugang zu Gottes Reich verwehrt blieb. Gott musste sie verstoßen, weil sie Menschen ohne Grund, Sinn und Verstand umgebracht haben.“ 

„Aber es war doch nicht ihre Schuld!“ 

„Indirekt nicht, das stimmt, aber es ändert nichts an der Tatsache.“ 

Sie verschränkt beleidigt die Arme. „Hat die Geschichte überhaupt ein Happy End? Die klingt nämlich ziemlich traurig.“ 

„Weil Gott sie für etwas bestraft, wofür sie nichts konnten?“ 

Sie nickt. 

„Keine Angst, die Engel blieben nicht so. Der Mondgott nahm sich ihnen an.“ 

„Der Mondgott? Meinst du etwa, dass der Mond ein Gott ist?" 

„Wenn du ihn dir so vorstellst.“ 

„Und was hat er mit den Engeln gemacht?“ 

„Er hat den Fluch von ihnen genommen und ihren Geist von ihrem Wahnsinn befreit. Der Preis dafür waren allerdings die Unsterblichkeit und ihre Flügel.“ 

Das Mädchen stöhnt auf. „Aber ein Engel ohne Flügel ist doch gar kein Engel!“, protestiert sie und kann ihrem Vater nicht folgen. 

„Wohl wahr. Deswegen nennt man diese Wesen auch nicht Engel, sondern Mondgeburten.“ 

„Mondgeburten.“, wiederholt sie geistesabwesend. 

„Als Dank ihrer Rettung machten sie sich von Gott los und verehrten und dienten fortan nur noch dem Mondgott. Sie machten es sich zur Aufgabe, die Menschheit, die Tier- sowie die Pflanzenwelt vor den Untertanen des Bösen zu beschützen.“ 

„Wow und das haben sie geschafft?“ 

„Das“, antwortet ihr Vater. „Tun sie sogar noch heute.“

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