6. Kapitel - Rettung

Rettung: 

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich schon das Gefühl habe, verfolgt und beobachtet zu werden, aber es muss schon eine ganze Weile her sein. Äu­ßerlich tue ich so, als würde ich nichts bemerken. Innerlich jedoch konzen­triere ich mich voll und ganz auf meine Umgebung. Ich kann niemanden se­hen, und Schritte oder andere Geräusche, außer meiner eigenen, kann ich auch nicht hören. Trotzdem bin ich mir aus unerklärlichen Gründen sicher, dass irgendetwas nicht stimmt. 

Ich komme an einer nahen Straßenlaterne vorbei und werfe flüchtig einen Blick auf die Backsteinwand des Einfamilienhauses rechts von mir, wo sich deutlich mein Schatten abzeichnet. Als ich weitergehe verschwindet er wie­der, weil ich an einem Straßenabschnitt komme, wo keine Laterne aufge­stellt ist. Demzufolge ist es hier etwas dunkler, aber schon einige Meter wei­ter erscheint die nächste Straßenlaterne. Plötzlich huscht irgendetwas flink über meine Füße, sodass ich vor Schreck fast aufschreie. Im letzten Moment erkenne ich, dass es eine Maus war, die aus einem Spalt in der Mauer die Flucht vor mir ergriffen hat. 

Ich bin atemlos und stütze mich mit rasendem Herzen an der Wand ne­ben mir ab. Langsam bekomme ich das Gefühl, dass dieser Verfolgungs­wahn mir zu Kopf steigt. Ich muss mich dringend beruhigen, ansonsten we­cke ich vielleicht noch irgendwann durch meine Schreckhaftigkeit die schla­fenden Leute hier. 

„Oh man“, keuche ich und reibe mir übers Gesicht. Das war wohl heute etwas zu viel für meine Nerven. Wahrscheinlich habe ich deswegen solche Einbildungen. Ich schlinge angespannt die Arme um mich und ringe mich dazu durch weiterzugehen. Ich kann hier nicht die ganze Nacht verbringen. Augenblicklich bereue ich es nicht mit John und Maggy mitgefahren zu sein. Hätte ich gewusst, dass mir der Heimweg so unheimlich vorkommen würde, dann wäre ich sofort eingestiegen. 

Egal. Es hat jetzt keinen Sinn mehr darüber nachzudenken. Je schneller ich wieder zu Hause bin desto besser. Ich schlage einen etwas schnelleren Gang an. Im Laufschritt gehe ich nun an die Häuser vorbei und mit jedem Meter, den ich weiterkomme, habe ich mehr und mehr das Gefühl, in die völ­lig falsche Richtung zu gehen. Ich schaue mich um. Niemand außer mir ist um diese Zeit noch draußen in dieser Gegend unterwegs. Keine Autos, kei­ne anderen Leute, nicht einmal Hundegebell ist zu hören. Es ist vollkommen still. 

Ich schaue zu den Häusern und lasse meinen Blick von einem Fenster zum anderen wandern. Kein einziges ist erleuchtet. Alle Rollos sind unten, wenn welche vorhanden sind, der Rest gibt nichts, außer gähnende Finster­nis preis. Ist es wirklich schon so spät? Ich will auf die Uhr meines Handys gucken, aber es ist aus. Jegliche Versuche meinerseits es wieder anzube­kommen schlagen fehl. Dabei bin ich mir ziemlich sicher, dass der Akku ge­laden war, als ich das Haus verlassen habe. Ich kremple meinen Ärmel hoch und möchte jetzt die Zeit auf meiner Armbanduhr überprüfen. Ich traue mei­nen Augen kaum, als ich bemerke, dass die Uhr um viertel nach acht stehen geblieben ist. 

Ich schlucke hart. Meine Kehle ist völlig ausgetrocknet. Ich stehe wie an­gewurzelt auf dem Bürgersteig. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Ir­gendetwas ist hier gewaltig faul. „Was zum…?“, hauche ich und gucke noch immer wie gebannt auf das Zahlenblatt, als ich mit einem Mal ein Geräusch vernehme. Eine Art seichtes Kratzen. Es kommt mir ziemlich bekannt vor und als ich mich umgucke, erkenne ich auch warum. Ein Tier von Hund tritt aus der Dunkelheit in den Schein einer Laterne. Natürlich, die Tatzen eines Hundes verursachen solche Geräusche. Jetzt wird mir einiges klar. Ich lege den Kopf schief und betrachte ihn. Er ist kaum zu erkennen, wahrscheinlich ist sein Fell schwarz. Im schwachen Licht zeichnen sich leicht die Linien ei­nes Halsbandes ab. Er muss irgendwo ausgebüchst sein. Ich fasse mir ein Herz und widerstehe dem Drang danach, einfach nur wegzulaufen, indem ich langsam auf ihn zugehe. Meine Atemzüge sind etwas zu hastig, weil mir noch immer nicht ganz wohl bei der Sache hier ist, aber ich hoffe einfach, dass er meine Angst nicht bemerkt. 

Ich räuspere mich. „Hey, wer bist du denn?“, frage ich vorsichtig und gehe immer weiter auf ihn zu. Der Hund rührt sich nicht. Er steht so still, dass man ihn aus der Ferne fast für eine Statue halten könnte. Ich ignoriere weiterhin meine Angst und mache einen Schritt weiter auf ihn zu. „Wo kommst du denn her, hm? Willst du nicht wieder zurück zu deinen Besitzern gehen? Die machen sich doch bestimmt große Sorgen.“ Noch immer regt er sich nicht. Er beobachtet mich einfach nur still. Leider hatten wir nie Haustiere. Was die Körpersprache von Hunden angeht, na ja, sie dürfte nicht gerade zu meinen Stärken zählen. 

Ich tappe also total im Dunkeln, was das betrifft. Aus seiner Reaktion wer­de ich nicht wirklich schlau. Keine Ahnung, ob er Angst vor mir hat oder nicht. Je näher ich ihm komme, desto mehr wird mir bewusst, wie groß er ei­gentlich ist. Sein Kopf geht mir ungelogen bis zur Brust. So einen riesigen Hund habe ich noch nie gesehen. Ich stehe nun direkt vor ihm. Eineinhalb Armlängen trennen uns voneinander. Ich gehe langsam in die Hocke und mustere ihn. Er ist wirklich riesig und dazu noch ein wahres Muskelpaket. 

„Dürfte ich mir einmal die Plakette an deinem Halsband ansehen?“ Grundgedanke dieser Idee war hauptsächlich, dass ich über die Plakette herausfinde, wem er gehört. Ich will gerade die Hand danach ausstrecken, als er anfängt bedrohlich zu knurren. Anscheinend habe ich irgendwelche Si­gnale übersehen, dass ich ihm zu nah bin. Langsam ziehe ich meine Hand wieder zurück und richte mich ebenso vorsichtig wieder auf. Mein Puls schießt in die Höhe. Mit einem aggressiven Hund ist nicht zu spaßen, vor al­lem nicht, wenn er so dermaßen groß ist. Aber ich weigere mich strikt, das Weite zu suchen. 

Ich weiche einige Schritte zurück, um wieder mehr Raum zwischen uns zu bringen, aber sobald ich einen Schritt zurückgehe, macht er einen auf mich zu. Nicht gut. Ganz und gar nicht gut!, denke ich und gehe schnell im Kopf durch, welche Fluchtwege ich nehmen könnte, um ihn abzuhängen. 

Das riesige Tier tritt nun vollends aus der Dunkelheit ins Laternenlicht, so­dass ich ihn nun richtig erkennen kann, aber schon gleich darauf wünsche ich mir, dass er das Licht gemieden hätte. Ich bekomme fast einen Herzin­farkt, als ich seine blutverschmierte Schnauze sehe. Aber nicht nur seine Schnauze ist voll davon, auch den Rest seines Körpers zieren zahlreiche Blutflecke. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll. Auf das ganze Blut am sämtlichen Körper, diese unnatürlich stark herausragenden Mus­keln, seinen skorpionartigen Schwanz oder doch eher seine rot-glühenden, dämonischen Augen? 

Letztendlich entscheide ich mich für nichts, was zur Auswahl stand, in­dem ich mich umdrehe, den Blick von diesem Ungetüm abwende und so schnell renne, wie ich noch nie zuvor in meinem Leben gerannt bin. Mir ist eigentlich von vornherein klar, dass ich überhaupt keine Chance habe, ihm auf offener Strecke zu entkommen. Deshalb nutze ich die nächstmögliche Gelegenheit, in eine Gasse zu laufen. Mein Plan, dass er allerdings erst ein­mal in voller Fahrt daran vorbeirennt, geht allerdings nicht auf. Er folgt mir dicht auf den Fersen. Keine Ahnung, woher er wusste, dass ich gleich abbie­gen würde. Mein Herz rutscht mir in die Hose, als ich sehe, dass sich vor mich ein hoher Zaun erstreckt. Ich kann mich aber nicht lange mit Klettern aufhalten. Verflixt, mir bleibt keine Wahl. Ich muss versuchen rüberzusprin­gen. Ich bezweifle allerdings stark, dass ich ein gut zwei Meter dreißig hohes Hindernis einfach so überspringen kann. Ich schiebe alle Bedenken einfach beiseite, denn während ich immer weiter daraufzurenne, bleiben mir nur noch einige Meter bis zum Zaun. Innerlich bereite ich mich schon auf den Absprung vor, bis plötzlich ein unerwarteter Ruck von hinten an mir zerrt. 

Ein kurzer Blick über die rechte Schulter genügt, um zu wissen, dass die­ses riesige Ungetüm sich in meiner Jacke verbissen hat und nun versucht, mich zu sich zu ziehen. 

Ich bekomme Panik. So haben wir nicht gewettet. Heute ist nicht mein Tag zum Sterben. Vor allen Dingen will ich nicht als Futter für dieses Tier en­den. Ich habe mir meinen Tod friedlich vorgestellt. Ich will beerdigt werden (oder vielleicht auch verbrannt, mal sehen). Mein Sterbeplan beinhaltet kei­nen Hund und schon gar nicht einen wie den da. 

„Lass mich los, du Mistköter!“, brülle ich ihn an, ergreife mit beiden Hän­den meine Jacke und ziehe daran, bis meine Muskeln in den Armen anfan­gen zu schmerzen. Ein scharfes Ratschen und der darauffolgende, unerwar­tete Ruck noch vorne verrät mir, dass ich freigekommen bin, allerdings auf Kosten meiner geliebten Jacke. Während ich den einen Teil noch anhabe, hängt der andere gerade im Maul von meinem Verfolger. 

Der Zaun ist jetzt direkt vor mir. Ich muss springen. Hinter mir ertönt ein grauenvolles Heulen. Mein Verfolger ahnt, was ich vorhabe. Und plötzlich wird dieser unerträglich große Wunsch in mir geweckt, wirklich über diesen Zaun zu springen. Ich will leben!, schreie ich in Gedanken, schließe die Au­gen und springe ab. Im nächsten Moment merke ich nur noch, wie ich hart auf den Boden aufkomme. Als ich meine Augen wieder öffne, befinde ich mich zu meiner Überraschung nicht mehr in der Gasse, sondern in einem Hinterhof eines Einfamilienhauses. 

Langsam und mit größter Anstrengung richte ich mich auf. Mein Körper fühlt sich an, als wäre ich in voller Fahrt aus einem Auto gesprungen. Ich fasse mir an die Hüfte. Ich glaube, ich bin etwas unglücklich aufgekommen. Auf der anderen Seite des Zauns erklingt aufgebrachtes Bellen und Heulen. 

Ich habe es geschafft. Vor Erleichterung verlässt mich meine Kraft in den Knien, sodass ich zu Boden sinke. Ich bin so glücklich, dass ich weinen könnte. 

Das Heulen und Bellen wird immer lauter und aggressiver. Anscheinend hat auch so ein Muskeltier wie dieses seine Grenzen. Mein Blick wandert zum Zaun. Noch immer kann ich nicht glauben, dass ich es da rüber ge­schafft habe. Aber im Moment zählt nicht das Wie? Oder Warum?, sondern der Umstand, dass ich es geschafft habe. 

Ich rappele mich wieder auf. Am besten ich verschwinde so schnell wie möglich. Zwar kommt dieser mutierte Hund jetzt noch nicht über dieses Hin­dernis, aber ich habe nicht vor so lange hier zu warten, bis er es endlich ver­sucht. Humpelnd schleppe ich mich voran. Die Schmerzen sind wirklich ziemlich groß, aber ich habe keine Zeit mich jetzt mit meinen Verletzungen auseinanderzusetzen. 

Der Lärm hinter den Zaun erreicht seinen Höhepunkt. Er heult ein letztes Mal bevor erdrückende Stille herrscht. Erst jetzt wird mir bewusst, dass kei­ner von diesem Lärm eigentlich wachgeworden ist. Seltsam. Die Ruhe zieht sich in die Länge und aus unerklärlichen Gründen bekomme ich deswegen eine Gänsehaut. Ich sollte wirklich zusehen, dass ich hier wegkomme. 

Gerade will ich mich umdrehen, als plötzlich dieser Hund durch den Zaun bricht. Unglaublich! Er ist einfach dadurch marschiert, als wäre der Zaun aus Papier! Ich sehe ihn auf mich zulaufen. Sein Maul entblößt diese weißen, blutigen Zähne, die mich gleich in Stücke reißen werden. Mein Verstand ruft mir noch immer „Lauf!“ zu, aber in meinem Zustand ist der erneute Versuch, ihm zu entkommen völlig sinnlos. Ich habe verloren. Meine Arme schießen automatisch direkt vor mein Gesicht, obwohl mir längst bewusst ist, dass ihn das auf keinen Fall aufhalten wird. 

Ich schließe die Augen und das letzte, was mir durch den Kopf schießt, ist, dass ich jetzt nicht mehr für meine Mutter da sein kann. Ungewollt laufen mir die Tränen. 

Ich sitze einige Sekunden so zusammengekauert da, aber es passiert nichts. Normalerweise hätte mich dieses Vieh doch schon längst erreicht. Vorsichtig lasse ich die Arme sinken und öffne zaghaft die Augen, in Erwar­tung, diesen Hund vor mir sitzen zu sehen, der mich jeden Moment anfällt. Aber alles, was ich sehe, ist ein schwarzer, großer Fellhaufen, der zusam­mengesunken auf den Boden liegt. Regungslos. 

Ich halte die Luft an. 

Ist er etwa tot? Ich beuge mich vor. Sein Brustkorb bewegt sich nicht und an seinem Hals klebt sehr viel Blut. Dieses Mal jedoch, ist es sein eigenes, das aus einer klaffenden Wunde an seiner Kehle stammt. 

Ich reiße die Augen auf. Ich bin so verstört, das ich ängstlich von ihm auf allen vieren wegkrieche. Wer oder was war das? Mein Blick klebt wie ge­bannt an der Wunde des Hundes. War das ein anderes Tier? Ein noch grö­ßeres und gefährlicheres? Oh mein Gott, bestimmt lauert das irgendwo in der Dunkelheit auf mich! 

Mein Herz rast. Hört dieser Albtraum denn nie auf? Eine flüchtige Berüh­rung an meiner Schulter. Ich schreie auf, versuche aufzustehen, verliere das Gleichgewicht und fliege im hohen Bogen in den Matsch. Jemand fängt lauthals an zu lachen und als ich mich umdrehe, schießt mir die Röte ins Ge­sicht. Craike. Na toll. Er hält inne, sieht mich an, versucht sich zusammenzu­reißen, aber fängt dann doch wieder an loszuprusten. Ich glaube es einfach nicht. 

Dieser Tag war für mich schon anstrengend genug. Angefangen von mei­ner kranken Mutter, über das Desaster im Rendezvous, zu dieser komischen Bestie bis hin zu ihm, der mich jetzt auslacht, obwohl ich um mein Leben ge­kämpft habe. Sein Lachen verebbt. Craike wischt sich die letzten Lachtränen aus dem Gesicht, bevor er dann zu mir kommt und mir seine Hand zum Auf­stehen anbietet. „Entschuldige, Prinzessin. Aber das war wirklich zu komisch gerade.“, erklärt er und setzt ein charmantes Lächeln auf, bei dem jedes an­dere Mädchen dahingeschmolzen wäre. Jedes andere Mädchen, aber nicht ich. 

Ich explodiere fast, so sauer bin ich gerade auf ihn. In meinem Stolz ge­kränkt, schlage ich seine Hand beiseite und rappele mich alleine auf. Mein Körper protestiert lautstark mit heftigen Schmerzen, aber ich bin zu stur, mir jetzt von Craike helfen zu lassen. Also beiße ich die Zähne zusammen, stelle mich aufrecht hin und blicke auf gleicher Höhe in seine Augen, die noch im­mer lachen. 

Ich setze eine kühle Miene auf, hebe das Kinn leicht an und stolziere an ihm vorbei. Blöder Klugscheißer. Nur weil er mich gerettet hat, denkt er wohl, dass ich ihm gleich dankbar um den Hals fliege. Nicht mit mir. Noch immer rührt Craike sich nicht. Anscheinend ist er viel zu verdattert darüber, dass ich so giftig zu ihm war, aber geschieht ihm recht. 

Schnelle Schritte. Er hat sich aus seiner Bewegungsstarre gelöst und schließt nun zu mir auf. „Jetzt warte doch mal! Warum bist du denn so sau­er?“, fragt er und klingt mit seinem unwissenden Tonfall fast glaubwürdig. Er legt seine Hand auf meine Schulter, um mich zum Stehen zu bringen. 

Ich hab mich noch immer nicht abreagiert, weshalb ich jetzt schnell zu ihm herumwirbele und ihn mit „Fass mich nicht an!“ anfauche. 

Augenblicklich verschwindet seine Hand wieder und ich nutze die Gele­genheit, um meinen Marsch nach Hause fortzusetzen. Dieser Kerl hat viel­leicht Nerven! 

„Was ist denn los mit dir?“ 

Ich reagiere nicht. 

Craike seufzt. „Okay, ich hätte dich nicht auslachen dürfen. Es tut mir leid.“, setzt er an und schließt abermals mit schnellen, großen Schritten zu mir auf. „Aber wenn du ehrlich bist, könntest du etwas dankbarer sein.“ 

Ich wusste es! Mein Blick wandert zu ihm und ich lege so viel Wut da hin­ein, wie ich nur kann. „Du hast mich zu Tode erschreckt! Ich dachte, dass je­den Moment ein noch viel grausameres Vieh aus dem Gebüsch springt und mich zum Hauptgang nimmt!“ Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. Er läuft fast in mich rein, so unvorbereitet traf ihn das. „Nur wegen dir bin ich in dieser Gatsche gelandet!“, sage ich im anklagenden scharfen Ton und bohre meinen Zeigefinger in seine Brust. Bei dem Wort „Gatsche“ breitet sich schon wieder ein Grinsen auf seinen Lippen aus. 

Ich kneife die Augen zusammen. „Wehe, du wagst es noch einmal über mich zu lächeln!“ Meine Drohung wirkt. 

So schnell wie das Grinsen gekommen war, so schnell geht es auch wie­der. Er hebt beschwichtigend die Hände. „Schon gut, schon gut! Tut mir leid. Was willst du denn noch? Dass ich dich auf Knien anflehe mir zu verzeihen?“ 

Eigentlich war es nur lapidar dahingesagt und nicht wirklich von Bedeu­tung. Zumindest für ihn, aber nicht für mich. Jetzt bin ich diejenige, die ihn fies angrinst und schnell bemerkt Craike, was für einen gewaltigen Fehler er begangen hat. 

Ich verschränke die Arme und obwohl wir gleich groß sind, schaue ich nun auf ihn herab. „Das“, betone ich. „wäre gar kein so schlechter Einfall. Du kannst gleich damit anfangen.“ 

Craike entgleiten alle Gesichtszüge, ja, damit hätte er nicht gerechnet. „Aber das war…“ 

„Nur ein Scherz.“, vollende ich seine Aussage. Ihm widerstrebt es, vor jemanden auf die Knie zu fallen und denjenigen um etwas zu bitten, noch dazu, wenn ich es bin. 

„Schön, dann also keine Versöhnung.“, erwidere ich leichthin und will mich gerade von ihm abwenden, als er mich am Arm festhält. Unsere Blicke treffen sich. Ich runzele meine Stirn. Diese Kniefall-Aktion kratzt ganz schön an seinem Ego, denn sein Gesichtsausdruck wirkt leicht im Zwiespalt, fast verbissen. Seine Zähne knirschen laut. Anscheinend bin ich zu weit mit mei­nen Späßen gegangen. Ich seufze und will gerade schon erklären, dass er das nicht machen muss, wenn es ihm so sehr gegen den Strich geht, als er wirklich vor mir auf die Knie fällt. Allerdings nicht demütig, wie ich erwartet hätte, sondern… ähm… ritterlich. Diese Situation kommt mir bekannt vor. 

Und als er seinen Kopf hebt, trifft mich seine Mimik vollkommen unvorbe­reitet. Er sieht so ernst aus und mit einem Mal weiß ich, woran mich diese Situation erinnert. Ich reiße die Augen auf und kann nicht verhindern, dass meine Wangen anfangen zu brennen. Verdammt, ist mir das peinlich, dabei sollte das doch für ihn beschämend sein und nicht für mich! 

„Steh bitte wieder auf“, sage ich schnell und kurz, ergreife seinen Arm und ziehe ihn wieder nach oben. Es sollte doch flehend wirken und nicht wie ein verdammter Heiratsantrag! 

Ich bin wütend, wieder einmal. Craike hat es geschafft, den Spieß umzu­drehen und die Situation für sich zu nutzen. Das Ende vom Lied war, dass es nicht ihm, sondern mir total peinlich war. Ich dachte, ich kann in diesem Fall nur gewinnen, aber er ist einfach zu gerissen. 

„Ich dachte, ich soll dich um Verzeihung bitten?“ Sein Schmunzeln ist nicht zu überhören. Er ist sich seines Sieges sehr bewusst. 

„Das kannst du noch oft genug, wenn wir zu Hause sind.“ Das Thema ist noch nicht gegessen. „Und tu mir einen Gefallen.“ 

„Der wäre?“ 

„Mach das nie wieder!“ 

Er lacht. „Du hast darauf bestanden.“ 

Ich verkneife mir meinen Kommentar, dass das alles auch etwas anders geplant war. Ich schätze, wir sind beide einfach zu stur.

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