32. Kapitel - Überleben

Hallo ihr Lieben! :*
Ich versuche schon gar nicht mehr, mich zu entschuldigen, dafür, dass ich euch so lange habe warten lassen^^ als kleine Entschädigung dafür, habe ich mir Mühe gegeben dieses Kapitel etwas länger zu machen ;) Ich hoffe wie immer, dass es auch gefällt :) Als kleinen Bonus habe ich Netty gezeichnet und werde es so bald wie möglich hier reinstellen ;)

Love u! <3

Princessa_Strigoja :3

Überleben:

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was genau ich eigentlich erwartet habe, aber bestimmt nicht in einem Krankenhaus aufzuwachen. Zumindest finde ich mich in einem Zimmer wieder, dass diesen Eindruck vermittelt.
Ich blinzele ein paar Mal, blicke an die weiße, karge Decke und richte mich auf. Erschrocken halte ich inne, als sich etwas zwischen meinen Füßen unter der Bettdecke bewegt. Es ist warm und weich und... leckt meine Zehen an!
Sofort reiße ich panisch die Decke beiseite und zum Vorschein kommt ein kleiner Fellball.
Ich beuge mich vorsichtig vor, als plötzlich zwei riesige, längliche Ohren, mit Haarpinseln an den Spitzen, sich aufrichten. Langsam entrollt sich die kleine pelzige Kugel, sodass jetzt Kopf und Körper sichtbar werden. Verschlafen gähnt das kleine Etwas und richtet seine riesigen Knopfaugen auf mich.
Mein Kreislauf schaltet wieder einen Gang runter, als ich mir sicher bin, dass von diesem kleinen Wesen garantiert keine Gefahr ausgeht.
Ich muss unweigerlich lächeln. Der Anblick ist herzallerliebst. Es wirkt wie eine Mischung aus Fuchs und Katze, einfach unglaublich niedlich.
Ich seufze. „Du hast mich ganz schön erschreckt, weißt du das?", sage ich schmunzelnd, lasse meine Hand von dem kleinen Wesen beschnuppern und beginne es zaghaft zu streicheln. Mit geschlossenen Augen lässt es sich von mir verwöhnen und gibt leise Piepslaute von sich.
In einem Krankenhaus kann ich also nicht sein, sonst würde ich keinen pelzigen Besucher unter meiner Decke vorfinden.
Die Tür zu meinem Zimmer wird aufgeschoben und eine schlanke, große Frau Mitte zwanzig tritt ein. Nach dem Stethoskop um ihren Hals und dem weißen Kittel um ihren Schultern nach zu schließen, ist sie der Arzt.
Der kleine Fellball springt auf, maunzt freudig und läuft zur Ärztin hin.
„Netty, du bist ja schon wach.", gibt diese verwundert von sich und bemerkt jetzt auch, dass ich sie beide beobachte.
Ungläubig schaut sie mich an, während ich sie eindringlich mustere und eine Erkenntnis gewinne, die ich sofort hinausposaune, ohne großartig darüber nachzudenken: „Sie sind ja ein Mensch!"
Augenblicklich schlage ich die Hand vor den Mund, weil es mir peinlich ist, sie mit so etwas zu konfrontieren, ohne vorher sie zu begrüßen.
Ganz toll... Noch so eine dumme Bemerkung und sie stecken dich gleich in die Klapsmühle!, tadele ich mich innerlich selbst und nehme mir vor, ab sofort erst zu denken und dann zu reden.
Sie blinzelt einige Male, ehe sich ein Lächeln auf ihre Lippen stiehlt und sie auf mich zukommt.
„Und wir dachten schon, du wachst gar nicht mehr auf."
Entweder sie hat meinen Kommentar nicht gehört oder sie ist nicht nachtragend. Letztendlich spielt es keine Rolle, da mir aus unerfindlichen Gründen augenblicklich bewusst wird, dass sie eine freundliche Person ist.
Bei näherer Betrachtung fällt mir auf, dass sie trotz ihrer unauffälligen Erscheinung ziemlich hübsch ist. Ihr nussbraunes Haar ist mit einer langen Nadel locker hinten zusammengesteckt. Einige Strähnen haben sich bereits gelöst und umrahmen nun ihr herzförmiges Gesicht. Sie hat braune Augen, volle Lippen und auf ihrer feinen Nase ruht eine schmale Brille. Ihr etwas dunklerer Teint verleiht ihr etwas Exotisches.
Ich räuspere mich verlegen, lasse meinen Blick noch einmal durch den Raum und dann zu ihr wandern, ehe ich schließlich die entscheidende Frage stelle: „Wo bin ich?"
Sie stellt sich neben mich. „In einem Krankenzimmer im Internat."
„Ich habe bis hierher überlebt?" Meine Augenbrauen schießen in die Höhe und unweigerlich fasst meine Hand zu meinem Hals und ertastet einen dicken Verband, den ich zuvor nicht bemerkt habe.
Auch wenn meine Erinnerungen noch sehr schwammig sind, kann ich mich an eine ganze Menge Blut erinnern, bevor ich dann endgültig das Bewusstsein verlor.
Der Blick der Ärztin wird ernst. „Ja, wenn auch knapp."
Der kleine Flauschball, welcher wohl Netty heißt, springt auf das Bett und tappst auf meinen Schoß, um sich dort erneut einzurollen.
Abwesend lasse ich meine Hand über ihr Fellkleid streichen und versuche dahinter zu kommen, was die Begegnung mit Malanima zu bedeuten hat, als ich weggetreten war.
Habe ich am Ende doch alles nur geträumt? War es letztlich doch nur das Produkt meiner eigenen Fantasie?
Ich habe darauf keine Antwort und diese Tatsache beunruhigt mich zutiefst.
Die Ärztin umrundet mein Bett und nimmt ein Klemmbrett in die Hand, welches zuvor auf einem kleinen Tisch neben mir geruht hat.
Ich sehe ihr dabei zu, wie sie aufmerksam die Unterlagen durchgeht und sich mit einem Stift weitere Notizen macht.
„Wie lange war ich weg?", wage ich schließlich zu fragen, obwohl ich Angst vor der Antwort habe. So müssen sich wohl Komapatienten fühlen, die, ohne es zu wissen, jahrelang im Tiefschlaf lagen, und wenn sie aufwachen, kommt es ihnen wie eine Nacht oder wenige Stunden vor, bis ihnen jemand sagt, wie groß die Zeitspanne wirklich war, von der sie glaubten, dass sie maximal einen Tag umfassen könnte.
Sie zuckt kaum merklich zusammen.
„Zwei Monate", antwortet sie nach einer schieren Ewigkeit sehr leise und monoton.
Ich erstarre, als diese Information langsam durchsickert.
„Zwei Monate", wiederhole ich fassungslos und blicke aus dem Fenster.
Kann man so lange weggetreten sein von einer Schnittwunde am Hals?
Ich schüttele den Kopf.
Eher unwahrscheinlich. Auch wenn ich kein Arzt bin, bin ich mir ziemlich sicher, dass das kein typisches Phänomen ist. Also war es doch kein Traum. Malanima wollte wirklich, dass ich für immer eine Gefangene ihrer erschaffenen Illusion bleibe. Stellt sich nur die Frage, warum ausgerechnet ich ihr Interesse geweckt habe.
„Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dich einmal untersuche?", reißt mich die Ärztin aus den Gedanken und ich nicke als Antwort.
Sie beginnt damit meinen Puls zu messen, meine Atmung und meinen Herzschlag abzuhorchen, bis hin zur Untersuchung der Augen sowie insbesondere des Kopfes an sich.
„Tut das weh?"
Sie drückt auf meine Schläfen.
Ich verneine mit einem Kopfschütteln.
„Und das?", fragt sie, während ihre Fingerkuppen auf meine Stirn trippeln.
Abermals verneine ich. Sie lehnt sich zurück, vermerkt sich etwas auf ihren Zetteln und blickt mich dann zufrieden an.
"So wie es aussieht, kann ich dich wohl morgen schon entlassen. Du hast dich sehr gut erholt."
Ich lächele leicht. Meine Mundwinkel wirken irgendwie eingerostet. Zwei Monate durchgehend regungslos rumzuliegen, fordert seinen Tribut.
Nachdenklich betrachte ich die Ärztin.
„Verzeihen Sie, wenn ich sehr neugierig erscheine, aber ich habe keine Ahnung, wie ich Sie ansprechen soll, daher...", stoppe ich ein wenig hilflos mitten in der Erklärung, weil ich nicht weiß, wie ich es formulieren soll, ohne unhöflich zu klingen.
Ihre Mimik wechselt zu einem überraschten Ausdruck, als sie begreift.
„Entschuldige, ich bin Dr. Cooper. Ich kümmere mich um die Sorgenkinder an diesem Internat, wenn das Training ihnen zu viel abverlangt hat. Ich bin praktisch die Schulärztin. Du bist mein erster Sonderfall, den ich länger als eine Woche in meiner Obhut habe."
Nur langsam verarbeite ich die Informationen, die mir Dr. Cooper eben gesagt hat, da der Umstand, dass ein Mensch im Internat als Ärztin arbeitet, doch mich immer noch sehr verwirrt.
Gerade, als ich zur Frage ansetzen will, wie sie zu diesem Job hier kam, wird die Tür aufgerissen und gibt den Blick auf eine sprachlose Mona frei.
Ich muss lächeln, hebe die Hand zum Gruß und will sie gerade mit einem „Komm doch rein" zu mir bitten, als sie unerwarteterweise in wenigen Schritten bei mir ist und mich ohne zu zögern in ihre Arme schließt.
Von diesem plötzlichen Körperkontakt überrumpelt, bin ich kurze Zeit unfähig auch nur irgendetwas zu sagen oder zu tun.
„Dem Mondgott sei Dank, du bist wieder wach!", flüstert sie erleichtert an mein Ohr und aus irgendeinem Grund beseitigt diese Aussage jedwede Distanz zwischen uns, die man normalerweise bei Leuten verspürt, die man noch nicht so gut kennt, und lege dann ebenfalls meine Arme um ihren schlanken Körper. Es tut gut zu wissen, dass es neben meinen verstorbenen Eltern und meinen Freunden, die ich zurücklassen musste, noch eine weitere Person in meinem Umfeld gibt, der ich nicht gänzlich egal bin.
Es vergehen einige Sekunden, in denen wir so verharren, bis ich das Schweigen mit einer Frage breche.
„Mona?", richte ich mich an sie und drehe meinen Kopf leicht in ihre Richtung, kann jedoch nichts weiter außer ihrer lockigen, feuerroten Mähne erkennen.
„Hm?"
Wir lösen die Umarmung, damit sie sich auf einen Stuhl mir gegenüber setzen kann.
Bei ihrem Anblick frage ich mich immer wieder auf's Neue, wie sie es schafft in der einfachsten Kleidung so hübsch auszusehen. Wahrscheinlich werde ich mich nie gänzlich daran gewöhnen, jemanden wie sie fortan in meiner Nähe zu haben, wobei ich so eine Vorahnung habe, dass möglicherweise alle anderen Schüler dieser Schule dieselbe Makellosigkeit aufweisen wie sie, Selene und Loghal.
„Welcher Tag ist heute?"
Sie runzelt leicht die Stirn. „Freitag, wieso?"
Jetzt blicke ich verwirrt drein. „Und dann bist du nicht in der Schule?"
Sie lächelt verschmitzt und macht eine wegwerfende Handbewegung.
„Wir hatten gerade Training und als ich gemerkt habe, dass du wieder aufgewacht bist, habe ich nicht lange gefackelt. Die eine Stunde mehr oder weniger macht auch keinen Unterschied, also..."
Sie zuckt die Schultern.
„Was soll's."
„Du solltest so etwas nicht sagen.", tadelt die Ärztin, blickt jedoch nicht dabei von ihren Unterlagen auf.
Mona schnaubt beleidigt.
„Der Selbstverteidigungsunterricht ist äußerst wichtig. Du wirst ihn spätestens dann zu schätzen wissen, wenn du, ohne irgendeine Waffe bei dir, einem Dämon gegenüberstehst."
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass man Mona nicht unbedingt mit Vernunft beikommen kann, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat.
Das rothaarige Mädchen hebt entschlossen ihre Faust. „Der soll ruhig kommen, dann schick ich seinen Arsch höchstpersönlich zu Satan zurück!"
Das bringt mich zum Lachen, die Ärztin hingegen eher zum geschlagenen Kopfschütteln. Sie gibt es auf, klemmt sich ihre Unterlagen unter die Arme und geht zur Tür.
„Ihr entschuldigt mich, ich habe noch ein Gespräch mit Asuja. Heute Nachmittag komme ich wieder und messe nochmal deine Werte." An Mona gewandt fügt sie hinzu: „Und du bist spätestens zur nächsten Unterrichtsstunde wieder in der Schule, ansonsten melde ich es Asuja!"
Und mit diesen Worten verschwindet sie aus dem Raum.
„Sie blufft...", sagt die rothaarige Schönheit neben mir, scheint jedoch selbst nicht wirklich an ihren Worten zu glauben, während wir beide noch immer unseren Blick an die Tür heften.
„Ich glaube nicht.", wende ich ein und richte schließlich meine Aufmerksamkeit auf sie.
Daraufhin seufzt Mona schwer und stützt ihren Kopf auf ihrer Hand ab, während ihr Ellbogen auf der Stuhllehne verweilt.
Sie betrachtet mich eingehend.
„Wie geht es dir?"
Ich versuche mich an einem fröhlichen, unbekümmerten Gesichtsausdruck. „Mir geht's gut, mach dir keine Sorgen."
Sie verschränkt die Arme und lehnt sich zurück. „Das sehe ich etwas anders."
Ihre Mundwinkel rutschen nach unten. Ihr Blick wird skeptisch.
„Sam, weißt du, ohne angeben zu wollen... Ich bin die beste Heilerin in diesem Jahrgang und als Loghal mit dir zu mir kam, habe ich damit gerechnet, dass ich in der Lage bin deine Wunde zu schließen. Sie war weder tief, noch in irgendeiner Weise verunreinigt und trotzdem... Trotzdem wollte es nicht klappen. Ich bekam es einfach nicht hin. Es war wie verhext."
Malanimas Gesicht taucht vor meinem geistigen Auge auf. Ich lasse Monas Botschaft sacken, richte meinen Blick auf die Fenster hinter ihr und berühre den Verband an meinem Hals. Mir ist bewusst, dass das Malanimas Werk ist. Ihre Absicht, mich zu töten, ist ziemlich eindeutig. Vielleicht hat sie sogar die Dämonen auf uns gehetzt. Sie verfügt über ausreichend Macht, um das in die Wege leiten zu können, daran besteht kein Zweifel. Bleibt wie immer die Frage nach dem „Warum?". Was erhofft sie sich davon? Weshalb stelle ich für sie eine Bedrohung dar? Oder gibt es keinen Grund? Mittlerweile weiß ich ziemlich gut, dass diese Frau nicht mehr alle Tassen im Schrank hat und dass sie einfach das tut, was ihr gerade in den Sinn kommt.
„Das nächste Mal werde ich nicht so gnädig sein, auch wenn du durchaus amüsant bist.", hallen ihre Worte durch meinen Kopf.
Das ergibt Sinn... Das ist der Grund: Ich bin ihre Unterhaltung. Es macht ihr einfach Spaß. Sie ergötzt sich an meinem Leid.
„Sam?", holt mich Mona aus meinen Gedanken und erinnert mich an die nächste Sache, die für mich total schleierhaft ist.
„Mona, wenn du die Wunde nicht heilen konntest, wie habe ich dann überlebt? Diese Ärztin gerade..." Ich deute mit einem Kopfnicken auf die Tür, durch die sie vor Kurzem gegangen ist. „...ist ein Mensch. Sie besitzt keinerlei heilenden Kräfte wie du. Wie kann ich hier sitzen und mit dir reden?"
Panik erfasst mich, als sich mir der Gedanke aufdrängt, dass dies alles hier vielleicht ebenfalls nur eine Illusion ist. Welche Garantie habe ich, nicht doch schon tot zu sein? Niemand weiß, wie das Jenseits in Wahrheit aussieht. Gut möglich, dass sie auch von Wesen zu Wesen unterschiedlich ist. Nur, wenn ich tot bin, warum hat dann Malanima...
Jemand legt mir die Hände auf die Schultern.
„Beruhige dich!", weist Mona mich an und gewinnt ihr Lächeln wieder zurück.
Ihre Zuversicht ist ansteckend.
„Es gibt ein Wundermittel für alle Verletzungen und Krankheiten. Dr. Cooper, die Ärztin, hat deine Wunde mit den Tränen von Nixen behandelt. Äußerst selten und sehr begehrt. Wir haben nicht so viele, daher werden sie nur im absoluten Notfall eingesetzt. Der Nachteil daran ist, dass du kein zweites Mal damit behandelt werden kannst. Nur einmal geben, an jeweils einem Wesen, in seiner gesamten Zeit, die ihm auf Erden bleibt – das ist die Regel."
„Tränen... von Meerjungfrauen?" Ich runzele die Stirn, während sie bestätigend nickt.
Wir werden jäh aus unserem Gespräch gerissen, als ein Läuten ertönt und meine Besucherin in Aufruhr versetzt. Die Schulklingel.
„Verdammt, ich muss los, sonst komme ich noch zu spät!"
„Hoffentlich ist es kein Religionskunde, sonst fliegst du gleich zu Beginn der Stunde raus, wenn du wieder fluchst.", necke ich sie und unterdrücke ein Grinsen.
Sie lacht und erwidert wie immer selbstbewusst: „Nicht einmal ein Kloster würde mich daran hindern können."
Das glaube ich dir auf's Wort., denke ich und beobachte sie dabei, wie sie Richtung Ausgang eilt.
„Mona?", rufe ich, als sie gerade die Tür erreicht hat, weil mir noch etwas eingefallen ist.
Sie hält inne und dreht sich zu mir um.
„Danke, dass du hergekommen bist, nur eines musst du mir noch verraten."
Sie spitzt die Ohren. „Was denn?"
„Woher wusstest du, das ich wach bin? Die Ärztin war die ganze Zeit bei mir, seit ich wach war."
Sie scheint kurzzeitig zu überlegen, ob sie es mir erklärt oder nicht.
„Wir haben eine tiefe Verbundenheit, die über das menschliche Verständnis hinausgeht. Insbesondere bei Freunden, Familien und Liebenden ist sie sehr ausgeprägt."
Eine kurze Pause entsteht, in denen sie nach den scheinbar richtigen Worten sucht.
„Das klingt vielleicht komisch und ist auch nicht wirklich zu erklären, aber ich habe es einfach gespürt."
Ein sanfter Ausdruck flackert in ihren Augen kurz auf, dann ist sie weg.
Und ich bleibe mit meinen Fragen zurück.
Müde lehne ich mich ins Kopfkissen und kraule gedankenverloren Netty hinter den Ohren, welche immer noch auf meinem Schoß liegt.
Wie soll ich denn das bitte verstehen?
Netty steht auf, dreht sich einmal, gähnt herzhaft und richtet ihre Aufmerksamkeit auf mich. Dabei bekomme ich das Gefühl, als wenn sie mir mit ihrem Blick sagen möchte: „Das weißt du wirklich nicht?"
Und plötzlich verstehe ich es.
„Sie sieht mich als Freundin.", murmele ich das Offensichtliche, woraufhin der Fellball die Augen schließt, mit den Ohren zuckt und so etwas ähnliches wie ein Miauen von sich gibt.
Ich lächle und streichle sie weiter, solange, bis ich eingeschlafen bin.

Wie versprochen erschien Dr. Cooper erneut am späten Nachmittag, um nochmals meine Werte zu messen. Nachdem diese unverändert gut geblieben sind, bestätigte sie mir zufrieden über die Ergebnisse, dass ich morgen tatsächlich entlassen würde und gehen kann.
„Dr. Cooper?"
„Ja?"
„Wieso kamen Sie hierher?"
Sie hält plötzlich in ihrem Berichtschreiben inne, wendet sich mir zu und nimmt ihre Brille ab, um sie sich ins Haar zu stecken.
„Sie müssen nicht darauf antworten, wenn Sie-", beeile ich mich hinzuzufügen, als sie mir schon antwortet: „Ich bin fasziniert."
Das überrascht mich.
Fasziniert?, denke ich verwirrt und denke über ihre Aussage nach.
Meine Gedanken stehen mir wohl ins Gesicht geschrieben, da sie sogleich eine Erklärung hinterherschickt.
„Jeder Arzt mag aus unterschiedlichen Gründen zu diesem Beruf gekommen sein, doch steht an erster Stelle ihrer Motivation immer der Drang danach zu helfen und Leben zu retten. Bis vor einigen Jahren bin ich als ehrenamtliche Ärztin im Auftrag einer Organisation in Afrika tätig gewesen. Da dachte ich noch, dass das Elend wie Hunger, Krieg und Verlust von geliebten Personen das Schlimmste sei. Und ich war davon überzeugt, dass es keine grausameren Bestien als Menschen gäbe. Bis ich eines Tages eines besseren belehrt wurde."
Der augenblickliche Schmerz in ihren Augen nimmt mir schier den Atem und sofort bereue ich es, die Frage gestellt zu haben.
Sie legt den Kugelschreiber aus der Hand, während ihr Blick leer ist und scheinbar ins Nichts starrt.
„Sie kamen in der Nacht. Wir hatten ein Lager aufgeschlagen, um den Flüchtlingen einen Unterschlupf zu bieten, wenn es Nacht wurde. Das taten wir immer. Unsere Aufgabe bestand darin, die Flüchtlingsgruppen auf ihrem Weg zur Wanderung in den anderen Staat aufzunehmen und zu versorgen, bis sie wieder Kraft hatten zum Endlager weiterzuwandern, wo man sich dort ebenfalls um sie kümmern würde."
Sie hält kurz inne.
„Ich weiß nicht mehr, wie spät es war, aber im Grunde genommen spielte Zeit auch keine Rolle. Ich wurde von Schreien aus den Flüchtlingszelten geweckt. Zuerst waren es nur die der Alten und Erwachsenen. Als die verstummt sind, hörte man nur noch die der Kinder und Babys. Ich rannte hinaus und fand mich inmitten eines Blutbads wieder. Sie sahen wie Menschen aus, aber es waren keine. Ihre Körper wirkten wie halb zersetzte Leichen. Leichen, die andere Menschen fraßen und dabei machten sie keinen Unterschied, wie alt ihr Opfer war. Es war das erste Mal, dass ich Dämonen sah und dann war es gleich eine nicht endenwollende Flutwelle."
Ich schlucke und schlinge die Arme um mich, weil mir plötzlich kalt ist.
„Ich habe versucht Überlebende zu finden, aber egal in welchem Zelt ich auch ankam, mir bot sich immer der gleiche Anblick, sodass ich es letztendlich aufgab, weiterhin nach welchen zu suchen. Fast im selben Augenblick verlor ich die Zuversicht dort je weder lebend hinauszugelangen und bereitete mich bereits darauf vor zu sterben, als sie auftauchten und jeden einzelnen von ihnen zur Strecke brachten."
„Wer?", frage ich, obwohl ich mir die Antwort schon denken konnte.
„Die Wächter."
Ein trauriges Lächeln umspielt ihre Lippen.
„Ich hatte mich in einem Zelt mit Vorräten versteckt und verstand daher das Chaos draußen nicht, welches vor kurzem ausgebrochen war. In meiner Neugier trat ich nach draußen und wurde sogleich von einem Dämon angefallen. Man sah es ihnen nicht an, aber für ihren schwächlichen Körperbau sind sie erschreckend stark. Ich war so überrumpelt von diesem Angriff, dass ich nicht rechtzeitig reagieren konnte und dann zu Boden gerissen wurde. In meiner Angst vergaß ich sogar zu schreien und konnte nichts weiter tun, außer ihn mit aller Kraft von mir wegzuhalten, während er mich mit Blut bespuckte."
Das beschriebene Szenario nimmt Gestalt in meinen Gedanken an und zum ersten Mal verfluche ich meine Vorstellungskraft, weil mir schlecht wird.
„Mir kam bereits ein zweites Mal der Gedanke, dass ich jetzt wohl das Zeitliche segnen werde, als dieses Ding von mir weggerissen und geköpft wurde."
Ich atme erleichtert auf.
„Er hat mir das Leben gerettet. Und das wollte ich auch. Ich habe festgestellt, dass ich auf einem anderen Weg meinen Drang zu helfen, stillen muss. Rette ich einen Menschen, kommen auf diesen zehn Dämonen, die ihm und dutzend anderen dieses in kürzester Zeit wieder auslöschen. Rette ich einen von euch" Ihr Blick schwenkt erwartungsvoll zu mir. „rette ich damit indirekt weitaus mehr Menschen, beseitige unzählige Dämonen und gebiete Malanima und Luzifer Einhalt. Für welchen Arzt auf dieser Welt wäre das keine Genugtuung?"
Diese Frau... ist unglaublich, denke ich sprachlos und kann nicht anders, außer sie erstaunt anzuschauen.
„Ich schätze, ich bin Ihnen etwas schuldig.", flüstere ich, weil ich fürchte, dass meine Stimme noch immer nicht fest genug ist, um vernünftig sprechen zu können.
Sie schüttelt den Kopf. „Du solltest nicht mir, sondern Loghal und Mona danken. Ihre Leistung übertrifft die meine bei weitem."
Sie schreitet zum Fenster und zieht die Vorhänge zu.
Mittlerweile ist es dunkel geworden und ich habe es nicht einmal bemerkt.
„So wie es aussieht, verdanken wir beide ihm wohl jetzt unser Leben."
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen.
Mein Verstand arbeitet noch etwas langsam, weshalb ich mich anstrenge, ihn wieder auf ein akzeptables Tempo zu bringen. Und dann dringt es zu mir durch.
„Sie meinen doch nicht etwa, dass Loghal-", beginne ich ungläubig, verstumme jedoch, als ich ihren vielsagenden Blick sehe.
Natürlich, ich hätte mir die Frage sparen können.
Sie ist im Begriff zu gehen, macht das Licht aus, wünscht mir anschließend eine gute Nacht und verlässt zusammen mit Netty den Raum.  
Ich finde lange keine Schlaf, da mich die Bilder von Dr. Cooper eine ganze Weile lang nicht loslassen.

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