9 ☾ ER

Es passiert nichts. Und dafür haben wir nun den ganzen Aufwand betrieben? Das kann doch nicht wahr sein! Ich bin kurz davor, gegen das verfluchte Kacktor zu treten, doch halte ich mich zurück.

Jeu. Sie hat riesengroße Angst. So wie sie eben noch meine Hand hielt – wohl eher klammerte. Sie ist noch viel zu jung, um so etwas mitmachen zu müssen. Ich muss mich wieder abreagieren. Dazu glaube ich, dass sie sich enorme Sorgen macht. Um mich. Weil sie glaubt zu meinen, mich wieder in eine Falle gelockt zu haben. Dabei kann sie am allerwenigsten dafür. Sie sollte sich wirklich keine Schuld geben.

Als ich merke, dass mein Puls zumindest etwas runtergekommen ist, drehe ich mich zu ihr um und zucke hilflos mit den Schultern. Was sollen wir machen, sollte hier niemand mehr sein? Ich weiß ja nicht mal, auf wen wir hier hofften zu treffen ...

Da höre ich plötzlich, wie das Tor sich hinter mir öffnet. Erschrocken halte ich zunächst inne, bin erstarrt, schaue Jeu an. Ihre Mimik kann ich nicht genau lesen. Ist sie erfreut oder nicht? Haben die wohl absichtlich so lange gewartet, bis ich ihnen meinen Hintern zeige?

Ja, der ist toll, aber lieber ists mir jetzt von Angesicht zu Angesicht. Verblüfft bin ich definitiv. Was ist das hier? Ein Haufen zusammengewürfelter Leute mitten im Nirgendwo?

Jeu läuft an mir vorbei, Fritzi rennt hinein auf das Gelände und ich trotte hinterher. Hinter uns wird hastig alles verriegelt. Sobald es wieder uneinsehbar ist, bleibe ich stehen. Also wirklich, ich weiß immer noch nicht genau, wo ich hier gelandet bin. Was ist das hier? Ein Haufen zusammengewürfelter Leute mitten im Nirgendwo? Hatte ich den gleichen Gedanken eben schon einmal?

»Ist das hier der Treff kunterbunter Valeser? Oder eher Valesianer?«, bringt mein Mund doch wirklich zustande, solch einen Schwachsinn auszuspucken. Frederik, erst denken, dann reden. Hab ich ja, hat dennoch nichts gebracht.

Kopfschüttelnd wende ich mich wieder dem Haufen zu. Riesengroßer Apfelmist! Auch das kann natürlich missverstanden werden. Die zornigen Augen meines Gegenübers lassen so einiges an meiner unkorrekten Etikette ahnen. Wie soll ich da wieder herauskommen?

»Bleibe ruhig, Ryu«, spricht ein anderer Mann zu dem vor Wut fast überschäumenden Kerl mir gegenüber. Danach folgen irgendwelche Handzeichen, die ich gar nicht raffe. Doch den Namen Ryu habe ich meiner Meinung nach schon einmal gehört. Das muss ich mir merken. Bei all dem, was gerade auf mich einströmt, könnte es schwierig werden, aber Versuch macht schlau oder so.

»Ihr macht das noch immer«, freut sich Jeu, die offenbar etwas damit anfangen kann. Sie kommt ja auch von hier, Idiot!, strafe ich mich selbst.

»Aber klar, so können wir unter uns kommunizieren und nicht jeder hört mit, wenn es nicht unbedingt sein muss«, antwortet er – der den anderen Ryu nannte – und es ist mit Sicherheit eine Spitze gegen mich. Ist aber auch nicht verwunderlich.

»Verzeihung. Ryu hat es sicher nicht so gemeint«, spricht er nun direkt zu mir.

»Doch das wird er und mit gutem Recht. Hätte er nicht so reagiert, wäre ich verwundert«, antworte ich und muss selbst lachen. »Es tut mir leid.«

»Gut. Wir nehmen deine Entschuldigung an, nicht wahr, Ryu?«

Der brummt vor sich hin, nickt dann jedoch widerwillig. Vielleicht hat der andere mehr zu sagen. Eventuell ist er hier der Anführer dieser ... Ja, was ist das eigentlich hier? Ich lasse meinen Blick gleiten und es scheint mir wie eine versteckte Stadt zu sein. Versteckt? Eher verborgen? Irgendwie so etwas. Vom Tor aus führt ein breiter Weg zu einer Gabelung, von der aus Pfade in drei weitere Richtungen abgehen. Unzählige Hütten sind zu erkennen. Es gibt an der Mauer hinter uns einen Rundumgang. Sie haben uns definitiv beobachtet, von da oben, nur das wir sie nicht sehen konnten, da sie auf einer tieferen Ebene stehen. Gut geschützt stehen sie da und wahrscheinlich allzeit bereit. Keine Waffen? Das glaube ich kaum. Dem muss ich später auf den Grund gehen. Trotz dessen, dass es wie ein Dorf aussieht, fehlt es auch hier nicht an Natur. Bäume und andere Pflanzen scheint es auch hier zahlreich zu geben. Unfassbar. Und ein Geräusch wie beim Bach kann ich ausmachen. Es wird auch hier fließendes Wasser geben. Fritzi scheint sich wohlzufühlen. Sie liegt, seitdem wir angekommen sind, lediglich auf dem Boden und wartet womöglich, bis es weitergeht.

»Frederik? Hast du mitbekommen?«, reißt mich Jeus Stimme aus meinen Bewunderungen, was mich zusammenzucken lässt. Peinlich.

»Ja, denke schon. Ryu hat meine Entschuldigung angenommen. Danke«, sage ich und nicke – beziehungsweise wollte ich ihm zunicken, doch er ist gar nicht mehr da. Ein Kichern höre ich neben mir.

»Ich meinte eigentlich, dass Cilai sich dir gerade vorgestellt hat«, klärt mich Jeu mit einem Lachen auf.

»Verzeihung. Ich bin Frederik. Und du bist Cilai. Danke, dass wir hier Schutz suchen durften«, wende ich mich an Cilai.

Er quittiert das mit einem Grinsen und wendet sich an Jeu. »Und du, Jeu. Wie siehst du denn aus? Wo ist deine Prinzessinnenkleidung?«

»Sehr witzig, Cil. Das fand ich noch nie komisch.« Doch entgegen ihrer Worte schaut sie tatsächlich an sich herunter und da fällt mir selbst auch erst wieder ein, in welcher Kleidung ich sie zuerst traf und was sie nun trägt. Das sind extreme Unterschiede. Zudem habe ich diese Kleidung gar nicht mehr als die von Frida wahrgenommen ...

»Und deine Sprache? Nicht mehr so wortgewandt?«, witzelt Cilai weiter.

»Da siehst du mal, was die Erde mit einem macht.« Ihr Blick gleitet zu mir. Da sie zwinkert, verstehe ich den Spaß. Doch sie musste wirklich vieles Schlimmes durchmachen. Ich hoffe inständig, dass sie das gut verarbeiten kann. Eines Tages. »Aber ich habe noch nie – ich wiederhole – noch nie nur gehoben gesprochen. Es kam immer darauf an, wo und mit wem ich mich unterhielt«, spricht sie sehr bedacht und betont.

»Hey, meine kleine Jeu. Das war doch nur ein Spaß. Ich bin froh, dass du hier bist; dass du es geschafft hast.«

»Und ich, dass ihr hier seid und es hier noch gibt«, erwidert sie.

»Was ist eigentlich hier, wenn ich mich mal einklinken darf?«, was ich mit der Frage direkt tue.

Statt eine Antwort zu erhalten, drehen sie sich von mir weg und ich bekomme lediglich ein neues Schauspiel ihrer beiden Hände zu sehen, womit sie irgendwelche Zeichen machen. Dazu ein paar Zischgeräusche und zwischendurch wird auf mich gezeigt. Ich komme mir mal wieder unglaublich doof vor. 

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