51 ☾ ER

Ob sie es gehört hat? Immer wieder horche ich hinter uns und versuche herauszufinden, ob sich eine heranschleichende Jeu irgendwo hinter uns befindet oder auch nicht. Das macht mich noch irre und ich weiß auch nicht, was mir lieber wäre. Wenn sie friedlich im Bett liegen und schlafen würde, ich dafür aber mächtig Ärger bekommen würde, falls ich heil wieder zurückkomme oder wenn sie das Zeichen mitbekommen hat und sich ebenso auf diese Apfel verkackte Mission begibt ... So eine Kacke.

»Alles in Ordnung, Frederik?«, fragt Cilai mich recht mürrisch. Na ja, wir haben es mitten in der Nacht und wenn wir mal bedenken, dass er eventuell bis eben geschlafen hat, könnte ich davon ausgehen, dass er ein Muffel ist. Ein Muffel à la ›Nach dem Schlafen und bin gerade aufgestanden‹ eben.

»Du meinst, außer, dass wir vielleicht gleich in eine Katastrophe schlittern, nicht meine erste in der vergangenen Woche, nicht mal meine zweite?!« Ich ziehe meine Augenbraue hoch, was er nicht mal sehen kann.

»Schon gut, scheinst wohl ein Morgenmuffel zu sein.« Was? Das kann ja wohl nicht sein Ernst sein. Mir klappt nur der Mund auf.

Langsam frage ich mich wirklich, wo sie steckt, wir kommen gleich beim Trainingslager an. Sie wird nicht mehr viel Zeit haben, bis wir uns auf ... den Weg machen. Obwohl ich diese Reise schon einmal machen durfte, ist mir mulmig zumute bei dem Gedanken, es noch einmal machen zu müssen. Vor allem wird mir dieses Mal ziemlich wahrscheinlich niemand verständnisvoll gut zureden ...

Als wir den Weg zum Kommandozelt entlang schreiten, versuche ich mir ins Gedächtnis zu rufen, was Jeu alles zu mir sagte, bevor mir mein Sein entglitt. Die Melodie kam wie von allein. Ich sollte mich auf ihre Stimme konzentrieren. Ach Mist. Ich werde das schon schaukeln oder so.

Im Augenwinkel bewegt sich ein Schatten, der mich umdrehen lässt, was Cilai ebenso registriert. Wir schauen uns um. Doch es ist nichts zu sehen.

»Wahrscheinlich ein Chin«, beschließt er.

»Was ist ein Chin?«, frage ich nun endlich mal nach.

»Ein Tier.«

»Cilai, das habe ich mir schon gedacht.« Hält er mich wirklich für so blöd? »Aber was für eins genau?«

»Ein eher gräuliches, eher klein, etwas größer als Mäuse, sehen gar nicht so viel anders aus. Jetzt komm.«

»Wer ist hier der Muffel?« Ups ...

Wird er sich umdrehen? Ja, wird er ... Er schaut mich jedoch nur belustigt an und wendet sich wieder.

Nach der nächsten kleinen Kurve kann ich die Truppe sehen. Es sind einige, die uns begleiten. Wenn ich schätzen müsste, würde ich sagen, dass es ... ähm ... vielleicht um die fünfzig sind? Keine Ahnung. Im Schätzen war ich schon immer miserabel.

Ob wir alle gleichzeitig durch das Portal schreiten können? Oder Streichhölzer ziehen müssen, wer zuerst durch darf ... besser gesagt eher muss?

Die meisten von ihnen tragen eins der Tücher, die die Sicherheitsgarde ausmachen. Die anderen tragen die Schutzausrüstung und sehen nach der Einheit Schutztruppe aus. Jedes Team ist bestens qualifiziert. Ich erkenne, dass auch Frauen unter unseren Teams sind, was mir gleich Unbehagen bereitet. Dafür jedoch könnte ich mir direkt selbst eine klatschen. Ich sollte endlich alle die vom System mir auferlegten Fesseln lösen. Wenn ich an Kara denke, die hat auch so viel mehr drauf als ich. Und ich kann dankbar für jede Unterstützung sein. Jeu ... Vielleicht ist sie unter ihnen. Der Schatten ... Es wäre möglich, grinse ich in mich hinein.

»Herhören«, sagt Cilai an. »Noch mal kurz zusammengefasst: Seb und Frederik führen, sobald wir auf der Erde angekommen sind, die zwei sogenannten Frontteams auf den zwei vorhandenen Wegen entlang. Danach bilden sich aus den zwei Teams vier. Das eine führt die Menschen zur Evakuierung zurück zum Berg, an dem das Backteam wartet, das andere geht weiter. Das Frontteam, was evakuiert, schwärmt dann auch wieder aus. Alles klar?«

Ein eindeutiges Ja kommt von allen.

»Gut. Und oberstes Gebot: Es ist eine Rettungsmission, es soll kein Krieg entfesselt werden. Wir wissen aber nicht, wie die Regierung auf der Erde reagieren wird, nicht einmal, ob sie auf uns wartet. Das bedeutet, wenn sie schießen oder angreifen, dann gilt immer, dass ihr euch und die anderen verteidigen dürft. So lange, wie es möglich ist, versucht Tote zu vermeiden!«

Ein Nicken und unsicheres Ja ertönt.

»Gut. Leite das Portal ein, Ryu« beendet Cilai damit seine Ansage. Und erst jetzt sehe ich die Steine auf dem Boden um uns liegen. Gebannt schaue ich im Kreis herum. Eine Hand packt mich.

»Bleib im Kreis.«

Oh, beinahe wäre ich wohl aus Versehen hiergeblieben. Dieses Mal soll ich es wohl ohne Händchen halten schaffen? Und muss das Armband nicht eingestellt werden?

Ängstlich gucke ich durch die Runde, doch ich scheine der Einzige zu sein, der sich darum Gedanken macht. So wie sie aussehen, machen die sich schon auf den Weg ... Selbst Seb scheint die Ruhe in Person zu sein. Wie ist das möglich? Das steht ihm nicht.

Er weiß genauso wie ich, dass dort nichts Gutes ist. Dass die Erde an sich schon eine Hölle ist. Ob dort schon jemand auf uns wartet?

»Die Steine sind aktiv. Der Synch ist aktiv. Alle Armbänder scheinen aktiv zu sein.« Eine befremdliche, irgendwie monotone Stimme reißt mich aus den Gedanken. Ist das irgendeine Technologie? Ich schaue auf mein Armband und der Mond der heutigen Nacht beginnt auch hier drauf stärker zu leuchten. »Die Armbänder werden sich nun die richtigen Koordinaten vom Lesegerät holen. Schließt alle eure Augen und atmet so entspannt wie möglich ein und aus. Versucht ruhig zu bleiben. Denkt an etwas, was euch guttut ...«

Die Stimme verflüchtigt sich, es erinnert mich an das letzte Mal, als Jeus Stimme immer mehr in den Hintergrund gerückt ist. Auch jetzt höre ich diese Melodie, die ich sehr liebe, die immer die Fähigkeit hatte, mich zu beruhigen. Doch darunter mischt sich Fridas Lachen. Der schönste Klang, den ich jemals hören durfte. Er erwärmt mein Inneres. Ich spüre, wie ich dümmlich grinsen muss. Gleichzeitig macht das keinen Sinn, weil mir ebenso bewusst wird, dass mein Körper sich bereits von meinem Geist getrennt auf den Weg gemacht hat ... Ich fühle mich leicht und frei, dabei höre ich Fridas Lachen und im Hintergrund diese wundervolle Melodie, die ich im Kopf mitsumme ... Jene, durch die ich mir schon oft selbst ein Gefühl der Sicherheit geben und auch anderen vermitteln mochte ...  

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