41 ☾ ER

»Nein!«, schreit er mir ins Ohr. »Bleib wach!«

Ich habe keinen blassen Schimmer, wie lange das schon geht ... Doch immer wieder haut er mir ins Gesicht und brüllt mich an. Dabei schleift er mich durch die Gegend. Wie einen Sack zieht er mich unter den Armen greifend durch die Gegend. Wieso lässt er mich nicht einfach liegen? Und vor allem wegdämmern. Etwas anderes will ich doch gar nicht.

Wo bringt er mich eigentlich hin? Meine Augen kann ich kaum aufhalten. Sobald ich sie einen Spalt geöffnet bekomme, klappen sie wieder runter wie die Schranken der Sektion – und die sind wirklich zackig.

Doch wenn ich sie nicht schnell genug wieder bewege, dann bekomme ich den nächsten Schlag. Von Seb. Sektion. Seb. Gehört er doch zu ihnen? Welchen meiner Gedanken und Erinnerungen kann ich noch trauen?

Die Bilder, die ich zwischendurch wahrnehmen kann und wie ein Lichtgewitter an mir vorbeiziehen, sind verschwommen. Ich denke jedoch, dass wir noch immer im Wald sind. Der muss ja wirklich riesig sein.

An irgendetwas bleibt mein Körper hängen – zumindest wird mein Bein untypisch lang gezerrt –, wodurch meine Augenlider kurz aufploppen. Schummriges Licht und Nebel. Entweder mein Geist verabschiedet sich gleich oder ... Keine Ahnung. Seb lässt seinen Griff locker, somit dürfen meine Arme und mein Oberkörper ebenso auf den Boden aufprallen. Dann fängt er an zu fluchen. Das nächste Geräusch lässt mich – jedenfalls innerlich – zusammenzucken. Es klingt wie sein Messer. Da keine Klapse mehr folgen, kann ich mich glücklicherweise verabschieden und muss das nicht mehr mitbekommen.

»Huhu. Frederik?«

»Hm?«, murmle ich. Wer spricht denn da?

Mit der nächsten Aktion werde ich jedoch erinnert, wer das sein muss. Seb. »Bitte hör auf«, bringe ich umständlich heraus und versuche zunächst den Kampf mit gegen meine Augenlider zu gewinnen, um mich dann aufzusetzen. »Meine Wangen sind bestimmt schon rot wie Feuer«, setze ich nach, als mich endlich durchgesetzt habe und beginne mich zu orientieren. Wir sind im Wald.

»Sind sie nicht.« So trocken wie immer. Der gute Seb. »Du hattest genug Zeit zum Erholen dazwischen.«

»So fühlt es sich ganz und gar nicht an«, erwidere ich.

»Du hast gerade ein paar Stunden geschlafen«, hält er dagegen.

»Okay. Okay.« Ist das jetzt echt das wichtigste Thema? Wirklich? »Wo sind wir? Wo hast du uns hingebracht?«

»Im Wald.«

»Ach.«

»Warum fragst du, wenn du es weißt?«

»Vergiss es.« Ich reibe mir übers Gesicht. So langsam komme ich wieder völlig zu mir. Scheinbar fehlt mir nichts weiter, außer dass vor allem meine eine Wange glüht. Ich gucke Seb genau an. Es macht mir nicht den Eindruck, dass er etwas gegen mich hat; er mir etwas tun will. Aber wie oft habe ich mich bisher schon getäuscht? »Wie bist du ... Warum?«, frage ich, obwohl ich nicht weiß, ob ich die Antworten auf meine unzähligen Fragen wirklich hören will.

»Warum ich dir zur Hilfe kam? Ich dachte, das hatten wir schon geklärt.« Er schaut mich fragend an und ich weiß, was er meint. Die Situation im Wald auf der Erde. Obwohl Wald im Vergleich hierzu unpassend ausgedrückt ist.

»Geht es dir gut? Wie konntest du es noch schaffen, also auf der Erde. Ich hab mir Sorgen gemacht.«

»Alles halb so schlimm. Alles gut«, wiegelt er ab. »Allerdings habe ich darauf gehofft, dass du die Kunde noch erfährst«, nimmt er einen anderen Faden auf.

»Habe ich nicht wirklich. Nur dass du mich treffen willst.«

»Mehr war es auch nicht.«

»Ah ja.«

»Du kennst mich«, er macht eine Pause, »oder na ja, zumindest hättest du dir durch das letzte Mal denken können, wie ich bin.«

»In der Tat, ja. Du wolltest mich sehen, dich vergewissern, dass ich wirklich da bin.«

»Ja ganz richtig, mein Freund.«

»Und weiter?«, hake ich augenverdrehend nach.

»Es gibt bereits einen Plan, deswegen bin ich froh, dass du dir treu geblieben bist. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«

»Wie viel und wann und was für einen Plan?« Ich springe auf, was mir mein Kreislauf nicht unbedingt dankt. Aufregung und Nervosität machen sich in mir breit. Kack. Kack. Apfelkack.

Seb hält mir seine Trinkflasche hin. Ich zögere. Er trinkt zunächst selbst daraus und dann nehme ich sie ebenso entgegen. »Frederik, langsam solltest du nun wirklich wissen, dass ich auf deiner Seite stehe.«

Vertrauen fällt mir schwer, aber das behalte ich für mich, daher nicke ich einfach. »Wie sieht der Plan aus?«

»Sie wissen, wenn ich nicht zurückkomme, dann sollen sie am Morgengrauen fliehen.«

»Wer ist sie und warum im Morgengrauen? Wieso hast du sie nicht gleich mitgenommen? Ist es nicht im Dunkeln sicherer?«

»Die Gefangenen natürlich. Und nein, die Dunkelheit ist voller Gefahren. Seitdem Siggi hier ist. Sie haben Angst davor. Wegen der Fallen.«

»Fallen?«

»Er hat sich die Technik hier zunutze gemacht. Hast du doch bemerkt. Du hast ja schon Bekanntschaft damit gemacht.«

»Du meinst letzte Nacht das Treffen mit Siggi?«

»Es war nicht Siggi. Es war eine Projektion. Die reagieren bei jedem anders und werden nicht immer ausgelöst. Diese Dinger erkennen durch einen Sensor deine Ängste und negativen Erfahrungen und das, was in dir vorgeht. Das projizieren sie und versetzen dich in eine Art Albtraum, so wird es gesagt, wahrscheinlich auch, weil die Fallen nur im Dunklen funktionieren.«

»Krass. Das ist echt Wahnsinn.« Das muss ich erst einmal einordnen. Also bin ich nicht auf Siggi gestoßen?! Es gibt so viel, was ich nicht verstehe. »Wie können die Gefangenen auf einmal fliehen?«

»Es ist alles vorbereitet. Durch den versteckten Ausgang kommen sie raus.«

»Und dann? Wer wird uns helfen? Wir sind nur zu zweit.« Meine Gedanken überschlagen sich. Warum habe ich niemanden Bescheid gegeben. Verdammt. Damit habe ich nicht gerechnet. »Was ist mit Kasu? Und was mit Siggi und denen, die ihm treu sind?«

»Also hast du niemanden Bescheid gegeben? Niemand weiß, dass du hier bist?«  

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