5. Ausritt mit dem Prinzen
"Ihr könntet mit mir mit reiten, wenn ihr möchtet.", sagte Legolas mit seinem unwiderstehlichen Lächeln. Sollte das ein Witz sein? Er konnte mir doch nicht gerade ernsthaft angeboten haben, mit ihm auf einem Pferd zu reiten. Das konnte ich nicht annehmen. bestimmt hatte er das nur aus Höflichkeit gesagt. Andererseits hatte ich mich wirklich auf den Ausritt gefreut und hatte sonst heute so wie so nichts zu tun. "Seid ihr sicher, dass das für euch in Ordnung wäre?", fragte ich noch einmal sicherheitshalber. "Es wäre mir eine Ehre", antwortete er grinsend. Also willigte ich ein und wir gingen gemeinsam zu einer Box auf der anderen Seite des Stalls. Dort stand ein wunderschöner weißer Hengst. "Ist das euer Pferd?", fragte ich Legolas. "Ja, das ist Arod! Er hat mir im Ringkrieg treue Dienste geleistet und ich könnte mir ein Leben ohne dieses Pferd gar nicht mehr vorstellen.", meinte er und streichelte Arod dabei liebevoll über die Nüstern. Man konnte sehen wie sehr Legolas sein Pferd liebte. "Helft ihr mir ihn zu putzen?", fragte er mich. "Gerne!", antwortete ich ihm und holte einen Koffer mit Putzzeug. Wir nahmen uns beide einen Striegel und stellten uns jeweils auf eine Seite von Arod. Ich versuchte mich auf das schöne Fell des Hengstes zu konzentrieren, da die ganze Situation doch irgendwie komisch war und eine Weile herrschte eine peinlich Stille zwischen uns. Aber als wir beide, mit unseren Striegeln am Widerrist ankamen, berührten sich zufällig unsere Hände und wir schauten uns einen Moment lang in die Augen. "Er scheint euch zu mögen!", sagte Legolas dann und brach den Blickkontakt ab. Und ich realisierte erst zwei Sekunden später, dass er damit sein Pferd gemeint hatte.
Nachdem Arod fertig geputzt war, führte Legolas ihn aus seiner Box legte ihm die Trense an. Wir würden ohne Sattel reiten, aber ich fand es auf diese Art sowieso bequemer. Legolas schwang sich auf Arod und reichte mir dann seine Hand um mich ebenfalls auf den Pferderücken zu ziehen. Als ich dann hinter ihm auf Arod saß, fragte ich mich ob das wirklich so eine gute Idee gewesen war. So nah wie jetzt waren wir uns noch nie gewesen. "Seid ihr bereit?", fragte Legolas mich und als ich bejahte trieb er Arod zu einem gemütlichen Trab an. Verzweifelt überlegte ich wo ich mich festhalten sollte und beschloss dann einfach so gut es ging freihändig zu reiten. Wir ritten in den Wald. Nach ungefähr zehn Minuten drehte Legolas sich halb zu mir um und fragte: "Möchtet ihr galoppieren?" Ich nickte nur. "Dann haltet euch gut an mir fest! Arod ist sehr schnell!", sagte er lachend und Arod galoppierte an. Da ich im Galopp, ohne Halt, wahrscheinlich binnen weniger Sekunden vom Pferd gefallen wäre, befolgte ich seine Anweisung und legte vorsichtig meine Arme um seinen Körper. Arod war tatsächlich das schnellste Pferd auf dem ich je geritten war und als Legolas genau auf einen großen Baumstamm, der quer über dem Weg lag, zuritt und Arod zum Sprung ansetzte, krallte ich meine Finger in Legolas Kleidung und hielt die Luft an. Doch Arod schaffte den Sprung mühelos und wir landeten sanft wieder auf der anderen Seite. Legolas lachte und schnell ließ ich seine Kleidung wieder los. "Wo reiten wir eigentlich hin?", fragte ich ihn. "Ich möchte euch etwas zeigen", war seine einzige Antwort und er parierte Arod zum Schritt durch. Wir ritten noch ein paar Minuten schweigend vor uns her und kamen dann an einer wunderschönen Lichtung an. Legolas stieg ab und hob mich vom Pferd, da ich selbst nicht mehr in der Lage war mich zu bewegen vor Staunen. Wir standen vor einem gigantischem Wasserfall, dessen Wasser sich in einem großen türkis glitzernden See sammelte. Die Landschaft war paradiesisch und ich war ganz hingerissen von diesem Anblick. Ich musste extrem blöd aussehen, wie ich mit offenem Mund dastand und die Natur bewunderte, denn Legolas fing mal wieder an mich auszulachen und fragte: "Kommt ihr?"
In der Zwischenzeit, hatte er Arod an einen Baum angebunden und dieser graste friedlich vor sich hin. Wir setzten uns auf einen Felsen ans Wasser, unter einen großen Baum der uns Schatten spendete, zogen uns die Schuhe aus und ließen die Füße ins Wasser hängen. "Hier ist es wunderschön. Woher kennt ihr diesen Ort?", fragte ich Legolas. Er lächelte traurig. "Meine Eltern sind früher, als ich noch ein Elbling war, oft mit mir hierher gekommen. Doch nach dem Tod meiner Mutter, wollte mein Vater diesen Ort nie wieder sehen. Und auch mir verbot er je wieder hier herzukommen. Damals war ich deswegen sehr sauer. Doch heute kann ich ihn irgendwie verstehen. Alles hier erinnert an sie... und für ihn muss es noch viel schlimmer sein als für mich. Trotzdem komme ich manchmal hierher. Hier hab ich meine Ruhe." Er schaute mich an. "Aber lasst uns lieber über etwas fröhlicheres reden. Was ist mit euren Eltern?", fragte er mich. Nachdenklich schaute ich auf den See. "Das ist nicht unbedingt ein schöneres Thema.", sagte ich. Entschuldigend sah er mich an: "Tut mir leid, ich wollte nicht..." "Nein schon gut! Sie sind beide gestorben, als ich noch sehr klein war.", begann ich zu erzählen. "Damals wurde unser Dorf von Orks angegriffen. Sie wurden von einem Berg-Ork namens Ragol angeführt. Ich erinnere mich nicht mehr an vieles, aber später wurde mir gesagt, dass es außer mir, wohl keine Überlebenden gegeben hat. Das ganze Dorf hat gebrannt. Als meine Eltern den Angriff bemerkten, brachte meine Mutter mich in einer Höhle in Sicherheit. Doch zwei Orks fanden mich und hatten wohl viel Spaß dabei ein kleines Elbenmädchen zu verletzen.", sagte ich mit hasserfüllter Stimme, "Die Narben die ich damals davongetragen habe, erinnern mich immer noch jeden Tag daran. Wahrscheinlich wäre ich an meinen Verletzungen gestorben. Aber ein paar Palastwachen fanden mich und brachten mich ins Schloss. Euer Vater nahm mich netterweise auf und seitdem lebe ich dort. Ich habe hart gearbeitet und viel trainiert, so dass ich mich letztendlich zu meiner jetzigen Position hocharbeiten konnte." "Das tut mir leid.", sagte er und schaute mich ernst an. "Dass muss es nicht. Ihr könnt ja nichts dafür. Und außerdem habt ihr Recht. Wir sollten über etwas Fröhlicheres sprechen.", sagte ich und warf dabei einen Stein ins Wasser. Legolas lächelte wieder und sagte: "Ich wette ich werfe weiter als ihr!" Er stand auf nahm einen etwas größeren Stein und warf ihn ins Wasser. Ich musste zugeben, dass er ungefähr doppelt so weit wie ich geworfen hatte. Das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen, also stand ich auch auf, nahm einen Stein und warf. Doch ich rutschte auf dem glitschigen Felsen aus und fiel kopfüber in den See. Als ich wieder auftauchte, schaute Legolas mich erschrocken an und streckte mir eine Hand hin um mir aus dem Wasser zu helfen. Aber meine Klamotten waren jetzt sowieso schon nass und das Waser war erfrischend kühl. Ich nahm seine Hand und zog ihn zu mir in den See. Ich wusste nicht was über mich gekommen war. Hatte ich gerade wirklich den Prinzen, den Sohn des Königs ins Waser gezogen?! Doch in diesem Moment hatte ich gar nicht mehr daran gedacht, dass Legolas der Prinz war. Durch unsere ernsten Gesprächsthemen und den Spaß den wir zusammen gehabt hatten, hatte es sich eher angefühlt als wäre er einfach nur...ein Freund. Hoffentlich war er mir nicht böse. Aber als Legolas wieder auftauchte lachte er nur. Gemeinsam schwammen wir zum Wasserfall und spritzen uns gegenseitig mit dem kalten Wasser ab. Danach schwammen wir um die Wette. Ich war einen sehr gute Schwimmerin und erreichte das Ufer etwa fünf Sekunden vor Legolas. Mit durchnässten Klamotten setzten wir uns hin und redeten noch eine Weile. Legolas erzählte mir von seinen Abenteuern während Ringkrieges und seinen Reisen danach. Besonders interessierten mich, die Dinge die er als ein Teil der neun Gefährten erlebt hatte. Er erzählte nur Gutes über sie und meinte, dass ich sie unbedingt mal kennenlernen müsste. Ich erzählte ihm von meiner Zeit im Schloss, von den Freunden, die ich gefunden hatte, von Tobir, der wie ein großer Bruder für mich war und natürlich von Naira. Auch wenn ich längst nicht so viel erlebt hatte wie er, hörte er mir aufmerksam zu. Wir waren so in unser Gespräch vertieft, dass wir gar nicht merkten, wie spät es wurde. "Die Sonne geht schon unter. Sollten wir nicht langsam nach Hause reiten?", fragte ich, obwohl ich gerne für immer hier geblieben wäre. "Lasst uns doch noch ein bisschen hierbleiben.", meinte Legolas. "Aber müsst ihr nicht zu eurem Vater?", fragte ich ihn. "Mein Vater wird es für einen Abend schaffen auch ohne mich zu essen." Also blieben wir noch sitzen und bestaunten den Sonnenuntergang. Es war das schönste, dass ich bis jetzt in meinem ganzen langen Elbenleben gesehen hatte. Doch als es langsam dunkel wurde und schon die ersten Sterne zu sehen waren, wurde es leider wirklich Zeit sich auf den Heimweg zu machen. Unsere Kleidung war leider immer noch nicht ganz getrocknet und ich war froh, dass ich jetzt wenigstens in meine trockenen Schuhe schlüpfen konnte. Wir stiegen wieder auf Arod und ritten im schnellen Galopp Richtung Schloss.
Dort angekommen war alles still. Wir brachten Arod in den Stall und verabschiedeten uns. Ich dankte Legolas dafür, dass er mich mitgenommen hatte und wollte ins Schloss gehen, aber Legolas rief "Warte!" Er kam zu mir und sagte: "Der Tag mit dir heute war sehr schön. Vielleicht können wir das ja mal wiederholen?", sagte er und es klang mehr wie eine Frage. Ich nickte lächelnd. Dann grinste er. "Und außerdem sehen wir uns ja sowieso bald wieder. Du hast Tobir ja schließlich versprochen, dass du zusammen mit uns trainierst." Ich lachte. "Dann muss ich das wohl." "Gute Nacht!", sagte Legolas. Ich drehte mich um und lief in mein Zimmer. Dort erwartete mich eine wütende Naira. Ich hätte es mir zwar denken können, aber eigentlich hatte ich gedacht, dass sie schon längst schlafen würde. "Wo warst du? Ich hab mir Sorgen gemacht!", wollte sie von mir wissen. Doch ich war zu erschöpft von dem heutigen Tag um ihr irgendwas zu erzählen. Ich ließ mich einfach auf mein Bett fallen und sagte: "Ich erklär dir alles morgen." Mir fiel noch auf, dass Legolas gerade "Du" zu mir gesagt hatte. Bevor ich glücklich und mit einem Lächeln auf den Lippen einschlief.
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