Kapitel 59
Kapitel 59
-courage
noun: to act accordance to your belief regardless of difficulty or criticism
"Alice: How long is forever?
White Rabbit: Sometimes, just one second."
-Lewis Carrol, Alice in Wonderland
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The Girl who almost made it
Lily Evans P.O.V
Es war Sonntag Morgen und die große Halle war nur spärlich besetzt. Die meisten Schüler standen erst gegen Mittag auf, weshalb es an den Tischen entspannt zuging. Immer mal wieder flatterten Eulen hinein und brachten ihren Besitzern den Sonntagspropheten oder Post von Zuhause, doch ansonsten waren nur müde Gespräche und das Klirren von Besteck zu hören.
Die Herbstsonne verbreitete durch die Decke der Halle ihre letzte Wärme und zwei Tage nach Halloween waren immer noch alle Gerichte auf dem Gryffindor Tisch mindestens von einem Hauch Kürbis geprägt. Selbst Lilys Tee schmeckte irgendwie danach.
Sie und Melody hatten ihre warmen Betten im Turm nur für Rubina verlassen, die ihnen in ihrer Quidditch Uniform gegenüber saß und mit konzentriertem Blick die Zeitung studierte.
"Irgendetwas neues?" Bei Melodys Frage sah Ruby auf. Ihre Augen wirkten abwesend und erst als sie sich gedankenverloren einen Apfel nahm, verschwand der Ausdruck.
"Der Prozess wird heute weiter geführt. Sie haben Zeugen aus ihrer alten Schule vorgeladen und der deutsche Minister versucht immer noch zu verhindern, dass die Richterin ihre Erinnerung ansehen darf."
"Ist dieses Ansehen von Erinnerungen nicht irgendwie Illegal?" Melody schnitt Obst in ihren Haferbrei, während Lily über den Tisch griff und den Sonntagspropheten aus Rubys Händen zog.
"Erbin der Rosendorn angeklagt wegen Mords..." Lily schüttelte schwach den Kopf. "Unglaublich."
"Das Offenlegen von Erinnerungen ist in Deutschland erlaubt." Rubina hob ihre Kaffeetasse an und die Sorge um ihre beste Freundin stand ihr ins Gesicht geschrieben. "Und Emilia will es jetzt auch in dem Prozess durchbringen, weil sie Lulu sonst auf jeden Fall verurteilen."
"Davon ist Luné bestimmt nicht begeistert. Die ganze Ausgabe drehte sich ja nur um sie und ihre Familie..." Die aufgeführten weiteren Seiten brachte Lily zu einem Artikel über die Erbfolge der Rosendorn. Ein kunstvoller Stammbaum war dort aufgezeichnet, an dem Luné und ihr Bruder am Schluss standen.
"Wir hätten wenigstens mit ihr kommen sollen. Gonni hätte es vermutlich sogar verstanden." Ruby stellte ihre Kaffeetasse ab, nur um noch mehr Zucker hineinzuschütten.
"Jetzt ist es auch zu spät." Mit einem Seufzen faltete Lily die Zeitung zusammen und wandte sich dann ihrem Frühstück zu. "Wir können hier nur rumsitzen und hoffen, dass sie wiederkommt."
"Alles andere möchte ich mir auch gar nicht vorstellen."
Stumm gab Lily Melody Recht.
Nachdem sie ihr Frühstück beendet hatten, machten sie sich zum Quidditch Stadion auf. Lily und Melody hatten ihre Zauberkunst Bücher mitgebracht, um auf den Rängen den Stoff zu üben, während Rubina flog.
Das Ländereien waren vom nächtlichen Regen durchweicht und matschig und ein kalter Wind fuhr den Mädchen durch die dicken Umhänge, als sie die Hänge zum Stadion hinabstapften. Der See war über die letzten Wochen angeschwollen und es war einer der wenigen Herbsttage, an denen sich die Sonne zwischen den tiefhängenden Wolken zeigte.
"Suchst du nach jemanden bestimmten, Lils?"
"Bitte?" Lily, die den Kopf zum Schloss gewandt hatte, in der Hoffnung eine große, dunkelhaarige Gestallt zu sehen, drehte sich zu Ruby.
"Vermutlich kommt er heute gar nicht zum Training." Ruby lächelte schwach. "Du weißt schon...gestern war Vollmond."
"Oh." Lily versuchte die Enttäuschung vor ihren Freundinnen zu verbergen, während Melody neben ihr den Blick senkte.
Bei den Umkleiden trennten sich die Wege der Mädchen und nachdem Rubina zu ihrer wartenden Mannschaft verschwunden war, suchten Melody und Lily sich einen Platz auf der Tribüne, auf dem sie nicht vollkommen dem Wind ausgesetzt waren.
Melody, die um Welten besser als Lily in Zauberkunst war, erschuf einen Wärmezauber und versuchte ihr dann den Desillusionierungszauber zu erklären, den Lily seit dem Streich der Rumtreiber umbedingt lernen wollte.
"Es fühlt sich an wie Ei, dass du über deinem Kopf aufgeschlagen wird- der Zauber sickert irgendwie kalt über dich." Melody schwang ihren Zauberstab und tippte sich dann selbst auf den Kopf. Einen Augenblick lang schienen ihre Umrisse verschwommen, bevor sie verschwand.
"Krass." Lily streckte die Hand aus und nach einen paar Augenblick traf sie auf Wiederstand. Das vertraute Lachen ihrer besten Freundin erklang aus dem Nichts und kurze Zeit später saß sie wieder auf ihrem Platz.
"Wenn du den Zauber aufhebst, fühlt es sich heiß an. In den Büchern wird es oft mit dieser Ei Metapher beschrieben, weil es beinah so ist, als würdest du die Farbe deiner Umgebung über dich fließen lassen."
"Also wird man eigentlich gar nicht unsichtbar?"
"Ne, wenn du den Zauber richtig machst, passt du dich perfekt deiner Umgebung an."
"Also wie ein Chamäleon?"
"Irgendwie schon." Melody lachte. "Wusste du, dass ein Chamäleon nur seine Stimmung mit den Farben ausdrückt und sich eigentlich gar unsichtbar machen kann?"
"Na gut, dass wir Magie haben."
"Genau."
Auf dem Feld war inzwischen der Großteil der Mannschaft versammelt und besonders die neuen Mitglieder, die seit dem Auswahltraining im letzten Monat dabei waren, standen etwas verloren herum. Ruby trat mit einem großen Spieler an ihrer Seite aus den Umkleiden und selbst auf die Entfernung erkannte Lily ihn. Und das nicht nur wegen den Haaren, die an diesem windigen Tag noch schlimmer als sonst aussahen.
"Da hat es also doch jemand zum Training geschafft." Melody zwinkerte ihr zu und Lily schüttelte lachend den Kopf.
"Mich interessiert Potter nicht."
"Schon klar. Diese ganzen außerplanmäßigen nächtlichen Rundgänge, die heimlichen, und vollkommen offensichtlichen, Blicke im Unterricht, die Tatsache, dass du gerade rot wirst und oh, nicht zu vergessen diese kleinen Nachrichten, die ich in Zauberkunst immer weiterreichen darf."
"Gott, du bis ja schlimmer als Ruby und Lulu zusammen. Außerdem ist mir kalt."
"Ja und?"
"Deshalb sind meine Wangen gerötet."
"Schon klar." Melody lehnte sich an sie und gemeinsam beobachteten sie, wie sich das Team in die Luft aufmachte.
"Da ist wirklich nichts, Mel."
"Würdest du das gerne ändern?"
"Natürlich nicht." Ruby und James drehten auf ihren Besen eine Runde um das Stadion und während Ruby wild gestikulierend etwas erzählte, lag James auf seinem Besen und ließ die langen Beine baumeln. Sein Gesicht war Lily zuwandte und als Ruby und er an ihnen vorbei schwebten, trafen seine Augen auf ihre und er lächelte müde. Lily erwiderte es augenblicklich.
Nachdem der neue Kapitän, Timothy Jones, seine Mannschaft auf dem Feld verteilt hatte, kam James auf seinem Besen näher und Melody trat an das Geländer, um sich mit ihm zu unterhalten.
"Guten Morgen, meine Damen." Er gähnte herzhaft und seine Stimmt klang, als wäre er gerade erst aus dem Bett gefallen.
"Was machst du beim Training, James? Du kannst kaum die Augen offen halten." Melody betrachtete ihn kritisch.
"Ich habe es Timothy versprochen. Außerdem bin ich heute Abend für die Patrouillen eingeteilt." Er sah an Melody vorbei zu Lily, welche einfach grinsen musste. Augenblicklich war ihr weniger kalt.
"Ich kann die Patroullie auch allein machen." Sie stand auf und gesellte sich zu Melody.
"Keine Chance, wir sind für die Ländereien und die Kerker eingeteilt. Da rennst du nicht alleine rum."
"Ich könnte Caradoc fragen ob er Lust hat seine Dienst mit deinem zu tauschen."
"Caradoc?" James runzelte die Stirn. "Ganz bestimmt nicht." Noch einmal gähnte er, bevor er zum Abschied die Hand hob. "Bis später."
Melody sah ihm genau wie Lily hinterher, "Wer ist Caradoc?"
"Der Vertrauensschüler von Huffelpuff. Er ist eine Klasse unter uns."
"Er sieht ziemlich gut aus, oder?"
Lily, die beobachtete wie James einen Quaffel von Ruby auffing, nickte.
"Du weißt, dass ich von Caradoc gesprochen habe, oder?"
"Was?" Verwirrt drehte sie sich zu Melody, die sie belustigt betrachtete. "Oh."
"Natürlich wusstest du das." Die Schultern ihrer Freundin bebten vor Lachen.
"Ach sei leise." Lily zog ihren Umhang enger und setzte sich mit dem Zauberkunst Buch auf dem Schoss wieder hin. Doch egal wie sehr sie die Seiten vor sich anstarrte, Melodys Lachen konnte sie nicht ignorieren und nachdem ihr auffiel, dass sie seit einer ganzen Weile immer wieder den gleichen Satz lass, gab sie es auf und sah stattdessen dem Training der Gryffindor zu.
Warum musste James seine Uniform auch so gut stehen?
Die Ränge des Stadions wurden immer voller und gegen Mittag beendete Timothy das Training. Melody und Lily leisteten Ruby in der Mädchen Umkleide Gesellschaft, die sich in Rekordzeit duschte und umzog. Aus der Jungen Umkleide kam Gelächter und gerade als Ruby ihre Haare unter eine Mütze stopfte, klopfte es an der Tür.
Durch das Holz fragte James, "Rubs? Bist du endlich fertig? Ich hab Hunger."
"Eine Sekunde." Hastig sammelte sie ihre letzen Sachen ein und Lily ging ihr zur Hand, bevor Melody die Tür öffnete. James, der sich anscheinend dagegen gelehnt hatte, landete auf dem Boden.
"Oh entschuldige." Melody half ihm sich wieder aufzurichten und James Blick traf Lilys, die schnell wegsah, um nicht zu lachen.
Gemeinsam gingen sie zum Schloss hinauf und jeder hing mehr oder weniger seinen eigenen Gedanken nach, bis sie in der großen Halle ankamen. Es herrschte ein stetiges Kommen und Gehen und Lily wurde auf dem Weg zum Tisch so oft von Schülern und Lehrern wegen irgendwelcher Schulsprecher Sachen angesprochen, dass sie sich James Tarnumhang herbei wünschte.
Sie bedeuteten ihren Freunde schon einmal vorzugehen und erst als sie einen Haufen Ravenclaw an Professor Flitwick abwimmeln konnte, schaffte sie es bis zum Gryffindor Tisch. Dort stand James gerade auf.
"Du gehst schon?"
"Ich hau mich im Krankenflügel auf's Ohr." Er trat ein Stück vom Tisch weg. "Sirius und Peter leisten Remus schon den ganzen Morgen Gesellschaft."
"Wie schlecht geht es ihm?"
"Auf einer Skala von eins bis zehn bewegen wir uns irgendwo bei zehn. Aber ich will nicht, dass Mel davon erfährt, sie macht sich hinterher Vorwürfe."
"Schon klar. Ich sollte besser nicht vorbei kommen, oder?"
"Besser nicht." Entschuldigend verzog James das Gesicht. "Es geht ihm wirklich dreckig. Trennungen sind immer unschön und unter solchen Umständen..."
"Ist in Ordnung." Lily berührten kurz tröstend seinen Arm und ein schwaches Lächeln tauchte auf James müdem Gesicht auf.
"Bis später, Lils."
Sie war so sehr darum bemüht nicht wie ein Trottel zu Grinsen, dass sie gar nicht mehr zu einer Antwort kam, bevor James von ihr wegtrat. Wenn ihre Freundinnen sie bei ihrem Spitznamen nannten war das eine Sache, aber bei James Potter...
"Hey Lily." Es war Ruby, die sie aus ihren Gedanken riss. "Hör auf über James' Hintern nachzudenken und gesell dich zu uns."
Neben Ruby verschluckte Melody sich vor Lachen an ihrem Essen.
Den restlichen Sonntag verbrachten sie in den Räumen der Schulsprecher mit Lernen. Was konkret hieß, dass sie sich durch Rubys Süßigkeiten Vorräte arbeiteten und eine von Melodys Kisten mit Bildern aus dem letzten Schuljahr durchsahen.
Jedes Mal wenn auf den Bildern ein Gesicht auftauchte, dass nun nicht mehr unter ihnen war, verspürte Lily Stich. Sie hatten so viel verloren.
Als es Zeit für die Patrollie wurde, wäre sie am Liebsten sitzen geblieben. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass James kommen würde und vor dem Kamin war es deutlich gemütlicher als in den Gängen.
Ruby, die mit verzweifelter Mine über ihren Muggelkunde Hausaufgaben hing, hob den Blick, als Lily aufstand. "Willst du schon los?"
"Wollen ist das falsche Word." Lily trat in ihr Zimmer, in dem ein heilloses Chaos herrschte. Sie war in letzter Zeit so beschäftigt, dass sie froh war es überhaupt bis ins Bett und wieder hinaus zu schaffen. Aufräumen gehörte da weniger zu ihren Prioritäten.
Bei dem Gedanken an die kalten Gänge und die nächtlichen Ländereien zog sie sich gleich mehre paare Socken über, bevor sie in ihre Stiefel schlüpfte und aus einem Berg auf einem Stuhl zog sie zwei Pullover. Sie war sich bei dem ersten sicher, dass er Ruby gehörte und bei dem zweiten musste sie beinah lachen. Es war ein Quidditch Pullover und er roch unverkennbar männlich. Irgendwie gelangten James Klamotten immer in ihr Zimmer und mit einem Schulterzucken zog Lily ihn ebenfalls über. Er roch wirklich gut.
Sie erinnerte sich noch gut daran, wie Ruby James während eines Frühstücks darauf angesprochen hatte, dass er jetzt verdächtig nach Aftershave roch. Und wie James sich durch die Haare gefahren war und dann erklärt hatte, dass er ganz bestimmt nicht versuchte irgendein Mädchen zu beeindrucken.
Natürlich nicht.
Aber Lily war überhaupt dankbar dafür, dass sie inzwischen so etwas wie eine Freundschaft mit James hatte. Außerdem schien er sich eh nicht mehr für sie zu interessieren. Zumindest nicht so, wie Lily es sich manchmal wünschte. Aber natürlich nur manchmal. Genau so, wie sie auch nur manchmal feststellte, wie verdammt gut James Potter doch eigentlich aussah.
Mit einem erneuten Seufzten schlang Lily sich einen von den selbst gestrickten Schals ihrer Großmutter um und trat wieder in den Schulsprecher Raum. "Wenn ihr wollt könnt ihr heute gerne hier schlafen. Ich bin vermutlich eh erst gegen Morgengrauen zurück und dann kann ich mich ja eigentlich sofort in McGonagalls Stunde setzen."
"Merlin, Lils." Ruby grinste breit. "Um keinen Preis der Welt würde ich mir diesen Mist antun. Hübsche Abzeichen und gut aussehende Partner sind dagegen nichts."
"Vielen Dank, Rubs." Mit einem Lachen drückte Lily den Eingang nach draußen auf. "Du motivierst mich wirklich."
"Immer wieder gern. Bis Morgen."
Lily streckte ihr die Zunge heraus, bevor sie auf den Gang heraus trat. Sofort gab sie Ruby aus vollem Herzen recht. Diese Temperaturen konnte kein Abzeichen wieder gut machen.
Mit verschränkten Armen machte sie sich auf zum Gryffindor Turm, vor dessen Eingang sie sich für die Patrouillen trafen. James war gewöhnlich immer zu spät, weshalb sie sich an die Wand lehnte und ihre Hände in den Manteltaschen vergrub.
"Hallo." Seine Stimme kam so unerwartet, dass sie erschrocken zusammenzuckte.
"Ich dachte du kommst nicht." Er sah noch verschlafener als am Morgen aus und seine Haare standen so wild ab, dass es sogar für seine Verhältnisse beeindruckend war. Lily freut sich ihn zu sehen.
"Lily, wie immer unterschätzt du mein Pflichtbewusstsein."
"Stimmt nicht. Ich hätte es nur verstanden, wenn du nicht gekommen wärst."
"Ich habe gesagt, dass ich komme, also komme ich." Er lächelte sie an und der Ausdruck in seinen Augen war sanft. Vor ein paar nächtlichen Rundgängen hätte Lily braune Augen noch langweilig genannt, aber inzwischen war sie eines besseren belehrt worden. James Augen spiegelten immer seine Gefühle wieder. Es war faszinierend für Lily zu beobachten, wie sie sich verdunkelten, wenn er wütend war, oder wenn der Ausdruck in ihnen wie jetzt einer warmen Umarmung gleichkam.
Ja, Lily Evans hatte wirklich ein Problem. Und dieses Problem ließ ihr Herz schneller schlagen.
"Wie geht es Remus?" Seite an Seite liefen sie die Treppen zur Eingangshalle hinab.
"Besser. Zumindest hoffe ich das. Peter versorgt ihn mit Unmengen Schokolade aus dem Honigtopf und Sirius hat bald jeden bescheuerten Witz der letzten Jahre erzählt."
"Ein gebrochenes Herz braucht Zeit."
"Das ist es, was mir Hoffnung macht. Wie würdest du sagen verkraftet es Mel? Ich weiß, wie gut sie darin ist ihre Gefühle zu verbergen."
James besorgter Gesichtsausdruck erinnerte Lily wieder daran, wie lange James und Melody sich schon kannten. "Die ersten Nächte hat sie sich die Augen ausgeheult. Aber sie hält sich tapfer. Wobei sie nicht ein einziges Mal gesagt hat, dass sie ihre Entscheidung bereut."
James nickte nachdenklich und erst in der Eingangshalle machte er wieder den Mund auf. "Ein paar Huffelpuff Schüler wollen heute bei den Gewächshäusern was anstellen. Lust sie zu
überraschen?"
"Klar." Lily lachte und zusammen traten sie durch das Eingangsportal. Draußen fuhr ihnen sofort der kalten Wind durch die Jacken, doch zum Glück regnete es nicht. Es war eine klare Nacht und während sie zu den still daliegenden Gewächshäusern schlenderten, sah Lily immer wieder zu den Sternen und dem blassen Mond auf.
"Ich glaub sie wollten ins Gewächshaus drei einsteigen." James führte sie durch die Reihen.
"Eines Tages wird es noch auffallen, dass du immer alle Pläne verrätst."
"Die sind selber schuld. Brown ist wirklich dumm. Er hat vor mir sogar noch mit seinen Plänen geprahlt."
"Dein Ruf als Rumtreiber kann nicht mal ein Schulsprecher Abzeichen brechen, Potter."
"Schon möglich." Sie standen im Schatten der Schlossmauer und Lily konnte sein Grinsen nur erahnen. "Aber wohlmöglich mag ich meinen Ruf auch. Er erinnert mich an die Zeiten in denen wir noch verantwortungslose Idioten waren, wie du uns oft genug genannt hast."
"Ihr seid immer noch verantwortungslose Idioten. Mindestens die Hälfte der Zeit."
"Und doch stehst du hier."
"Vielleicht lassen sich mit verantwortungslosen Idioten manche Sachen, wie verflucht kalte Nächte, besser ertragen. Außerdem ist es nicht schlecht jemanden dabei zu haben, der einfach in allem was zu Lachen findet."
James murmelte, "Gar nicht war." und musste dann über seine eigenen Worte lachen. "Du weißt, Evans, dass du mir gerade im beinah ein Kompliment gemacht hast?"
"Bild dir bloß nichts darauf ein, Potter, nicht das dein Ego noch größer wird." Die Gespräche waren vertraut, doch der Tonfall war so ein vollkommen anderer als noch vor nicht allzu langer Zeit.
"Ach Evans." Er schüttelte seinen Kopf und mit einem Lächeln trat Lily in einen Gang zwischen den Gewächshäusern, um über die Ländereien zu sehen. Von ihrem Standpunkt aus konnte sie dank des Mondlichts bis zum verbotenen Wald blicken und obwohl sie fröstelte, genoss sie doch den Anblick der nächtlichen Ländereien. Gerade als sie anfing von ihrem Bett und einer Tasse Tee zu träumen, trat James neben sie. Er beugte sich zur hinunter und seine Nähe lenkte sie so ab, dass sie seine angespannten Worte nicht verstand.
"Wie bitte?"
"Siehst du das auch?" Er deutete nach vorne und zu ihrer Überraschung zeigte er Richtung Hogsmead.
Von dem Dorf sah Lily nur wenige vereinzelte Dächer und verwirrt fragte sie, "Nein, was meinst du?" bevor sie plötzlich ebenfalls die Lichter sah. Zuerst war es nur ein kurzes Aufflackern in der Nähe des Eingangstors, beinah schon bei den ersten Bäumen des verbotenen Waldes, und für einen Moment glaubte Lily es sich nur eingebildet zu haben, bis erneut mehrere Lichter auftauchten. "Was ist das?"
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie James seinen Zauberstab zog. "Ich glaube es ist ein Duell."
"Glaubst du sie greifen die Schule an?" Lily Stimme bebte und ihre Hand tastete nach James kalten Fingern.
"Welcher Lehrer hat die erste Schicht?" Seine Finger hielten ihre fest.
"Slughorn."
James fluchte leise, "Wir müssen etwas tun." Er wandte den Kopf zu Lily und sie konnte ihr Gesicht in seinen Brillengläsern sehen. Es war voller Angst. "Am Besten holst du die Lehrer, Lils, und ich schaue ob ich helfen kann. Vermutlich sind es die Auroren, die dort kämpfen."
"Als ob ich dich alleine gehen lasse." Lily zog ebenfalls ihren Zauberstab und mit einem Schwung ließ sie ihren Patronus erscheinen. In diesem Moment dachte sie nicht daran, dass allein James Nähe dafür ausreichte. Mit einer weiteren Zauberstab Bewegung teilte sich die Hirschkuh in drei und Lily ließ sie Richtung Schloss davon schweben.
Während sie zusammen die Abhänge hinabliefen, fragte James, "Wohin hast du sie geschickt?"
"Slughorn, McGonagall und Dumbledore."
"Das war ein klasse Patronus." Mit reichlich Abstand eilten sie an der peitschenden Weide vorbei und er drückte ihre Hand.
"Ich weiß. Meiner ist eine Hirschkuh und dein Animagus ist ein Hirsch. Jaja." Lily war bereits außer Atem und abwehrend wedelte sie nur mit dem Zauberstab. "Ruby hat mich deshalb schon aufgezogen."
"Findest du das nicht seltsam?" James Stimme war ebenfalls atemlos und inzwischen rannten sie wirklich. In Hagirds Hütte brannte kein Licht und mit einer Zauberstab Bewegung schickte James einen Patronus auf die Suche nach ihm in den Wald.
"Es gibt schon lustige Zufälle auf der Welt."
James starrte sie an und flog deshalb beinah über eine Baumwurzel.
"Komm, du Trottel." Lily zog ihn weiter. "Wir diskutieren das später aus." Je näher sie den Schlossmauern kamen, desto deutlich wurden es, dass James Recht hatte. Durch das Eingangsportal konnte Lily nun deutlich die durch die Luft sirrenden Zauber sehen. Menschen in Umhängen wurden von ihnen erleuchtet und erst direkt vor dem Tor kamen Lily und James Hand in Hand zu stehen.
"Was sollen wir tuen?" Lily sah zu James auf, der die Augen zusammenkniff.
"Ich kenne die Auroren. Sie scheinen Hilfe zu brauchen." Er ließ ihre Hand los, um das Tor aufzuschieben und Lily musste sich zusammenreißen, um ihn nicht daran zu hindern. Die Bilder von dem Angriff auf Hogsmead verfolgten sie immer noch.
"James, bitte, wir sollten warten bis Hilfe kommt."
"Und einfach zusehen?"
"Dir könnte etwas passieren..."
"Hab keine Angst, Lils." Er beugte sich zu ihr herunter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, bevor er durch das Tor schlüpfte.
"James!" Lilys Stimme war vor Angst wie erstickt, doch trotzdem folgte sie ihm. Die Duelle vor dem Tor waren leise. Außer Flüchen und Mantelrascheln war kaum etwas zu hören, was die Männer wie Schatten erscheinen ließ. Mit erhoben Zauberstab sah Lily sich nach James um, doch sie konnte in nicht entdeckten. Es waren so viel mehr Gestallten, die sich Zauber entgegen schleuderten, als Lily auf den ersten Blick vermutetet hatten und wahllos stürzte sie zu dem ersten Duell, bei dem sie erkannte wer der Feind war. Sie kam der kleinen Person in einem langen Mantel zur Hilfe, die gegen einen maskierten Zauberer kämpfte. Der Kämpfer drehte sich überrascht zur ihr herum, als Lily der maskierte Gestallt einen Fluch schickte und Lily musste feststellen, dass sie in ein weibliches Gesicht sah.
"Was zur Hölle...kommst du vom Schloss?" Die Hexe blockte einen Zauber ab ohne hinzusehen.
"Die Lehrer lassen leider noch auf sich warten."
"Heilige Scheisse." Die Frau drehte sich wieder zu ihrem Duellpartner und mit einer einzigen Schwungvollen Bewegung schleuderte sie ihm einen Schockzauber entgegen. Der Maskierte fiel in sich zusammen.
"Was ist hier los?"
"Wir kämpfen, das ist los." Das Gesicht der Hexe wirkte nicht viel älter als ihr eigenes und doch hatte sie einen grimmigen Zug um den Mund, bei dem Lily bezweifelte, dass er je ganz verschwand. "Schon seit Wochen schleichen diese Feiglinge um das Schloss herum und nachdem sie Grimim erwischt haben..."
"Grimim?"
"Der Auror, der tot im Wald gefunden wurde. War ein verflucht guter Kämpfer." Die Hexe spuckte Blut aus. "Wir haben die ganze Bande dabei erwischt wie sie die Schutzzauber untersucht haben und jetzt haben wir den Schlamassel. Das Ministerium lässt uns hier mal wieder die Drecksarbeit machen. Komm." Sie rannten weiter zum nächsten Duell und zum nächsten und zum nächsten. Lily blieb an der Seite der Hexe, die sie auch nicht wegschickte, wofür sie dankbar war. Die Auroren schienen in der Unterzahl zu sein und letztendlich wusste Lily nicht wie sie von der Hexe getrennt wurde, aber plötzlich stand sie alleine einem großen, blassen Zauberer gegenüber, der bei ihrem Anblick seine Zähne zeigte.
Sie standen sich abseits der anderen Duelle gegenüber und erst als der Zauberer ihr einen stummen Fluch entgegenschickte, erhellte dieser kurz sein Gesicht und Lily vergaß vor Schreck beinah einen Schildzauber zu errichten. "Du!"
"Kenn wir uns?" Der Zauberer drehte sich unter einem ihrer Zauber hinweg und seine großen, beinah schon unnatürlich runden Augen leuchteten auf.
"Du warst bei dem Angriff auf Hogsmead dabei. Du bist ein Yaxley!"
"War ich das?" Er schickte ihr einen kurze Abfolge von Flüchen entgegen, wobei der letzte Lily beinah umwarf. In ihrem Arm flammte Schmerz auf, als sie erneut ihren Stab schwang.
"Du bist Lunés Cousin."
"Oh." Er lachte auf und fing ihren Zauber ab, bevor er ihm auch nur nahe kam. "Jetzt weiß ich auch wer du bist, kleiner Wirbelwind." Seine Zähne leuchteten wieder im Schein eines Zaubers auf und kurz erinnerte er Lily an die Grinsekatze aus Alice im Wunderland. Dadurch wurde er ihr nicht gerade sympathischer.
Mit einem Schutzzauber schaffte sie es einen Zauber abzuwehren, doch der danach ließ sie nach hinten taumeln und die Haut in ihrem Gesicht schmerzte plötzlich höllisch.
"Du bist Snapes kleine Freundin-" Einer von Lilys Zaubern hatte ihm am Arm getroffen und nun verschwand sein Grinsen. "-Du bist das Schlammblut mit dem sich Luné-Marie angefreundet hat. Was für eine Schande, dass ihr nie wisst wo euer Platz ist. Tut es dir nicht leid so schmutziges Blut in deinen Adern zu haben?"
"Nein." Die Angst, die Lily ein paar Sekunden zuvor noch verspürt hatte, war nun von kalter, unnachgiebiger Wut verdrängt worden. "Nicht im geringsten."
"Wie kannst du-"
Sie ließ ihn nicht mehr zu Wort kommen, sondern führte das Duell konzentriert fort. Blut tropfte ihren Arm hinab, als sie sich unter einem Zauber duckte und ihre Kraft in den nächsten Fluch legte. Schmerz flammte in ihren Muskel auf, aber der Strahl fand sein Ziel und kurz sah sie wieder die seltsamen Augen aufleuchteten, bevor ihr Zauber auf seinen Abwehrzauber traf und es einen lauten Knall gab.
Die Wucht der Explosion riss Lily von den Füßen und sie wurde nach hinten geschleudert, bevor sie mit Wucht im Matsch aufkam. Benommen blieb sie liegen, als sich ein Schatten über sie beugte. Lily glaubte ein glattes, dunkles Gesicht auszumachen, bevor es wieder verschwand.
"Hey James!" Es war ohne Zweifel eine männliche Stimme und kurz glänzte ein goldener Ohrring auf, bevor der Mann ein Stück von ihr wegtrat. "Ich glaube ich hab deine Freundin gefunden!"
"Was? Wo?!" Beim Klang von James Stimme traten Tränen in ihre Augen. "Lils!" James fiel neben ihr auf die Knie und mit rauen Händen tastete er ihr Gesicht ab, als müsste sicherstellen, dass sie es auch wirklich war.
"Hey." Lily versuchte ein Lächeln, aber stattdessen kamen nur noch mehr Tränen.
"Oh Merlin, Lily. Ich dachte du wartest auf die Lehrer." Als er sie hastig in eine Umarmung zog, spürte Lily, dass er zitterte. Sie lösten sich nicht wirklich voneinander und James Gesicht war nah an ihrem. Seine Worte waren eher ein Stammeln, "Als ich dich gesehen habe...du hast dich nicht bewegt...oh Merlin. Ich schwöre Lily...ich hatte so einen Angst."
"Jetzt ist ja alles gut. Alles ist gut, James." Sie war genauso atemlos wie James und zwischen einem weiteren Schwall aus Oh Merlin und So eine Angst trafen ihre Lippen kurz aufeinander. Verwundert blinzelte Lily ein paar Mal, bevor sie James erneut küsste.
Sie waren immer noch atemlos, doch sie waren beide am Leben. Verschmutz und verkratz und bereits vom Krieg gezeichnet, aber am Leben. Noch atemloser und verwirrter als vorher lösten sie sich schließlich voneinander und ein paar Sekunden lang starrten sie sich einfach nur an, bevor in ihnen beiden ein Lachen aufstieg. Beiden standen Tränen in den Augen, als sie sich aufrappelten und sie ließen sich nicht los, während sie sich umsahen.
Anscheinenden hatten die Zauberer die restlichen Maskierten zusammengedrängt und entwaffnet und der große, dunkelhäutige Zauberer, der Lily gefunden hatte, war über ihren Duellgegner gebeugt.
"Nicht schlecht." Er richtete sich auf und Anerkennung lang in seinem Blick, als er auf Lily zutrat. "Kingsley Shaklebolt." Er reichte ihr seine Hand. "James Dad hat mich ausgebildet."
"Freut mich." Lilys blasse Hand verschwand ohne Problem in seiner. "Lily Evans."
"Freut mich ebenfalls, Lily Evans." Kingsley wischte sich über die Stirn, bevor er zu den restlichen Zauberern trat, die ihre Gefangen nun mit Zaubern fesselten. "Haben wir schon Nachrichten aus dem Ministerium?"
"Wir sollen sie selber wegschaffen. Erst in die Gerichtsabteilung und dann vermutlich direkt nach Azkaban." Die Hexe, der Lily gefolgt war, beugte sich gerade über einen bewusstlosen. "Der hier ist höchsten volljährig. Der gehört in ein Klassenzimmer und nicht in einen Krieg."
"Das musst du mir nicht sagen." Er deutete mit dem Daumen hinter sich zu Lily und James. "Gut, dass die beiden nicht gerade in einem Klassenraum rumgehangen haben."
"Ist das nicht Potters Sohn?" Die Hexe richtete sich wieder auf und betrachtete James prüfend. "Du kommst anscheinen ziemlich nach deinem alten Heeren." Sie nickte anerkennend.
James grinste stolz und Lily griff nach seiner Hand.
"Ich glaub da kommen die versprochen Lehrer." Kingsleys Mundwinkel zuckten und die meisten Auroren hielten in ihrer Arbeit inne, als eine größere und eine kleinere Person durch das Eingangstor stürzten.
Der zweite Person war deutlich langsamer und allein an dem Schnaufen und dem Watschelgang erkannte Lily ihren Zaubertrank Lehrer. "Professor Slughorn, Sir, hier sind wir." Slughorn stieß pfeifend den Atem aus und er beugte sich vor, um überhaupt wieder zu Atem zu kommen.
"Lily. James. Ist ihnen etwas passiert?" Professor McGonagall eilte mit großen Schritten auf sie zu und in ihrem karierten Morgenrock gab sie ein ungewohntes Bild ab. Im Gegensatz zu Slughorn war sie kaum außer Atem.
Bevor Lily überhaupt den Mund aufmachen konnte, sprach ihre Hauslehrerin bereits weiter, "Es war absolut kopflos von ihnen sofort zum Geschehen zu rennen, sie hätten auf uns Lehrer warten müssen. Ihnen hätte sonst etwas passieren können. Absolut bar jeder Verantwortung..."
"Professor." Kingsley unterbrach die Standpauke. "Ihre Schüler waren uns eine große Hilfe und ohne sie wäre die Sache vermutlich nicht so glimpflich ausgegangen. Sie sind wirklich ausgezeichnet ausgebildet."
"Dass Potter und Evans meine besten Schüler sind, müssen Sie mir nicht sagen, Shaklebolt. Was ist überhaupt passiert?"
"Wir haben wie üblich alle Eingänge bewacht. Wie Sie wissen ahnen wir schon seit Wochen, dass die-" Mit einem Nicken deutete er hinter sich, wo die Auroren nun per Seite an Seite apparieren die gefesselten Maskierten wegbrachten. "-sich irgendwo rumtreiben. Heute Nacht haben wir einen alleine hier am Tor erwischt und irgendwie hat der seine Freunde zur Hilfe gerufen, weshalb wir plötzlich die ganze Bande am Hals hatten."
"Haben sie Verletzte?"
"Nichts ernstes. Ich bin nur froh, dass wir sie erwischt haben."
Kingsley verabschiedete sich mit einem freundlichen Nicken, bevor er seinen Kollegen zur Hilfe kam. Erst jetzt wo sie alle zusammen standen, fiel Lily auf wie wenig Auroren es wirklich waren. Höchstens ein halbes Dutzend.
"Sie beide sollten besser wieder ins Schloss gehen." Mit gerunzelter Stirn betrachtete McGongall ihre Schüler. "Ihr Einsatz heute Nacht war sehr lobenswert, aber nun sollten sie den Rest den Auroren überlassen."
James wollte ihr widersprechen, aber Lily war schneller. "In dem Punkt bin ich ihrer Meinung, Professor."
"Sehr gut. Und Lily, ihrem Aussehen nach zu urteilen sollten sie beide einen kurzen Gang in den Krankenflügel machen. Keine Wiederworte, Potter." Sie hob eine Augenbraue. "Wir sprechen uns Morgen noch einmal. Bis dahin, gute Nacht." Die Lehrerin schenkte ihnen ein müdes Lächeln und Lily zog James mit sich.
"Wir hätten noch helfen können." James klang ein wenig wie ein trotziges Kind und trotz dem gerade geschehene lächelte Lily.
"Nein, hätten wir nicht. Vermutlich würden wir nur im Weg rumstehen. Selbst Slughorn ist wahrscheinlich hilfreicher als wir."
"Wer hätte je gedacht, dass du mal so über deinen Lieblingslehrer redest."
"Er ist ein fantastischer Lehrer! Was nicht heißt, dass ich ihn umbedingt in einen Krieg schicken würde." Lily wollte ihre Hand aus James ziehen, doch er hielt sie fest. Gemeinsam liefen sie nun deutlich ruhiger wieder hinauf zum Schloss und Lily kam die Nacht schon gar nicht mehr so kalt vor.
"Wenn du ihn da mal nicht unterschätzt. Ich glaube in einem Duell würde ich ihm auch nicht umbedingt gegenüber stehen wollen." James fuhr sich mit der freien Hand über's Gesicht und eine Weile war es still zwischen ihnen, bis er murmelte, "Du warst verflucht mutig, Lils."
"Machst du Witze? Ich bin beinah vor Angst gestorben."
"Und trotzdem hast du gehandelt." Er sah sie mit einem Lächeln an. "Das nennt man Mut."
Einen Moment lang ließ sich Lily seine Worte durch den Kopf gehen, bis sie nickte. "Danke."
Den restlichen Weg sprachen sie nicht mehr, wobei sich Lily beinah durchgehend fragte, warum bei dem Gedanken daran, dass sie James Potter schon wieder geküsst hatte, ihr die restlichen Ereignisse des Abends seltsam unwichtig erschienen.
Im Krankenflügel war Madam Pomfrey gerade dabei Zaubertränke in eine Tasche zu packen. Bei ihrem zerschrammten Anblick seufzte sie nur tief, bevor sie abwechselnd um James und um Lily herumwuselte, bis Lily sich plötzlich mit frischen Verbänden in einem Bett fand.
"Ihr beide haut mir nicht ab, bis ich wieder da bin." Bei ihren Worten sah die Krankenschwester besonders James warnend an, bevor sie aus der Tür eilte.
James schien noch ein paar Sekunden lang auf Schritte zu lauschen, bevor er aus dem Bett sprang und ein paar Betten weiter einen Nachttisch durchsuchte.
"Was machst du?" Lily zog sich ihre Decke zum Kinn und kuschelte sich in die weichen Kissen.
"Wir lassen immer ein paar Tafeln für Notfälle hier." James schwenkte eine Tafel Schokolade und mehre Schokofrösche, bevor er sich neben sie setzte. "Rutsch mal."
Lily machte ihm Platz und hob ihre Decke an, so dass er seine langen Beine darunter ausstrecken konnte.
Er brach die Schokoladen Tafel in Stücke und eine Zeit lang kaute Lily schweigend, bevor sie murmelte, "Hast du auch manchmal das Gefühl, dass alles viel zu schrecklich ist, als das es wirklich sein kann?"
"Ja." Er schob seine Hand in ihre und Lily lehnte sich an ihn. "Manchmal habe ich das Gefühl tagelang nicht atmen zu können, wenn ich daran denke, was alles schon passiert ist und was wohlmöglich noch auf uns zukommt. Und manchmal kann ich nicht fassen, wie wundervoll und in Ordnung alles trotzdem sein kann und dann frage ich mich, wie so viel Glück und so viel Schmerz gleichzeitig möglich ist."
"Hör auf solche Sachen zu sagen." Lily verschränkte ihre Hand mit James' und sie konnte sich nichts tröstenderes, als James Nähe und Wärme vorstellen.
"Warum?"
"Weil ich sonst noch deinem Charme erliege."
"Und was wäre so schlimm daran?" Am Ende des Satzes verschluckte sich James beinah an seinen Worten und Lily musste lachen.
"Du bist so ein Idiot.
"Ich weiß." Er seufzte.
"Hey Kopf hoch." Lily beugte sich vor und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
Ein paar Augenblicke lang blinzelte James sie verwunderte an, bevor er seinen Arm um sie legte. "Solche Momente meinte ich." Seine Stimme klang vorsichtig und Lily konnte sein Gesicht nicht sehen, weil sie gegen ihn gelehnt war. Durch den Stoff seines Pullovers hörte sie seinen Herzschlag.
"Glaubst du, dass wir es schaffen, James? Glaubst du, dass wir lebend aus diesem Krieg herauskommen?"
Seine Antwort kam ohne Zögern, "Natürlich."
Und vermutlich war das der Moment, in dem Lily zum ersten Mal begriff, wie sehr sie James Potter liebte. Diesen großen Trottel, mit seinen unglaublichen Haaren und dem Humor, den die meiste Zeit nur er verstand, und der sie trotzdem zum Lachen brachte. James Potter, der an das Gute in der Welt glaubte und bereit war dafür zu kämpfen.
"Potter, du bist unmöglich."
"Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht?" Er hob die Hände und bevor er weiterreden konnte, küsste Lily ihn bereits zum zweiten Mal an einem Tag.
Und es fühlte sich an als hätte Lily erneut ein Duell gegen jede Wahrscheinlichkeit überlebt und noch tausend Mal besser. In diesem Moment glaubte sie James ohne Zögern.
Und auch in den Jahren danach, jedes Mal, wenn sie der Mut angesichts des Krieges und des Schmerzes und des Leids verließ, war James für sie ihre Hoffnung. Er brachte Lily lebend durch den Krieg. Zumindest beinah.
In einer anderen Nacht, in der Lily hörte, wie James' lebloser Körper auf den Boden traf, in einer Nacht, in der sie wusste, dass, selbst wenn sie es gegen jede Wahrscheinlichkeit schaffte lebend zu entkommen, es für den Mann, den sie liebte, zu spät war. Der Mann, der sein Leben gegeben hatte. Zauberstablos und ohne zu Zögern.
Lily und James Potter waren jung. So jung und so nahe daran es zu schaffen. Sie hatten so sehr gekämpft. Doch dies alles konnte sie nicht vor dem Verrat und ihrem Opfer retten.
Sie hatten mehr als nur ein Beinah verdient.
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