Kapitel 28
"In a perfect world everything would be either black or withe, right or wrong, and everyone would know the difference. But this isn't a perfect world. The problem is the people who think it is."
-Neal Shusterman, Unwind
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The pursuit of nomality.
Der Wind hatte immer mehr zugenommen und ich zwang meine Haare in einen Zopf. Von meinem Bruder hörte ich nichts und als es auch noch anfing wirklich zu regnen, drehte ich mich zu ihm um. Entweder er sagte mir jetzt was er wollte, oder ich würde verschwinden.
"Was willst du Leopold?!"
Leopold hatte die Augen zusammengekniffen und schien in die Ferne zu sehen, erst nach einer gefühlten halben Ewigkeit richtete er seine hellblauen Augen auf mich.
Sein Gesicht war ausdruckslos, hatte ich wirklich etwas anderes erwartet?
"Was ich will...mhm." Er kramte kurz in seinen Umhang Taschen, bis er eine zerknautsch aussehende Zigaretten Schachtel heraus zog. "Willst du auch?"
Er hielt mir die geöffnete Schachtel hin. Als ich den Kopf schüttelte zog er sich selbst eine heraus und steckte den Rest wieder weg.
"Wenigstens eine gute Sache haben die Muggel mal erfunden." Mit einem Schnippen seines Zauberstabs beschwor er eine kleine Flamme an der er die Zigarette entzündete. Kräftig zog er an ihr. Der Rauch wehte genau in mein Gesicht und hustend fächelte ich ihn weg.
"Oh komm schon Marie." Leopold schien beinah ein wenig zu lachen, während er weiter rauchte. "Früher haben dir die Kippen doch auch nichts ausgemacht oder?"
"Das war früher." Genervt wedelte ich eine erneute Qualmwolke weg. "Nur weil ich früher geraucht habe, heißt das nicht das ich es immer noch gut finde."
"In deinem Alter war noch nicht einmal ich so ein Spießer." Er sah wieder in die Ferne. "Und ich war ein ziemlicher Spießer."
"Natürlich Bruder." Meine Stimme triefte vor Sarkasmus.
"Hat dein Vater dich eigentlich schon auf deine Beziehung zu diesem Blutsverräter angesprochen?"
Woher wusste Leopold davon?
"Er ist immer noch unser Vater."
"Süß. Woher kommt denn plötzlich dein neu erwachter Familiensinn? Deiner Antwort zu entnehmen, hat er es noch nicht getan. Vermutlich wird er es erst tun wenn du wieder komplett unter seiner Gewalt bist. Wie lästig muss es für Eltern sein wenn die Kinder in der Schule sind und für sich selbst denken."
"Merlin. Was. willst. du. Leopold?!" Ich hatte keine Lust mir weiterhin seine komischen Sätze anzuhören.
"Wusstest du schon das der dunkle Lord von deiner Freundschaft zu dem Black Jungen weiß?" Er sah mich wieder an und seine kalten Augen ließen mich zittern.
"Nein. Aber warum sollte den dunklen Lord eine schlichte Schulfreundschaft interessieren?"
"Ja, warum, warum? Ist das nicht immer die Frage? Warum wird eine vorbildliche Reinblut Familie wie die Potters plötzlich so... dumm und nimmt einen Blutsverräter bei sich auf? Und ganz besonders warum tun sie so etwas, wenn sie dem mächtigsten Magier schon lange ein Dorn im Auge sind? Man könnte beinah meinen sie würden geradezu um Bestrafung betteln."
"Meine Freundschaft mit Sirius hat nichts mit den Potters zutun."
"Ach meinst du? Weißt du, es wäre so leicht einfach kurz bei den Potters anzuklopfen und mit ihnen zu...reden."
"Drohst du mir etwa?" Meine Stimme kam nur gepresst heraus und ich spürte die Spitze meines Zauberstabes, die sich in mein Handgelenk bohrte, überdeutlich.
Die Worte meines Bruders ließen keinen Zweifel aus. Wenn ich meine Freundschaft zu Sirius nicht beendete, würden sie James Familie etwas antun.
"Das würde ich niemals wagen Schwesterherz." Seine Augen huschten zu meinem Ärmel. Leopold wirkte beinah... amüsiert. "Ich wollte dich nur auf ein paar Dinge aufmerksam machen. Wie du ja vermutlich auch noch nicht weißt, wirst du ja mit dem kleineren Black verheiratet."
Ich verdrehte nur die Augen, ausnahmsweise war ich meinem Bruder mal einen Schritt voraus.
"Oh du weißt es also schon. Das freut mich aber. Die beiden mächtigsten noch bestehenden magischen Blutlinien werden sich verbinden. Eure Kinder werden voraussichtlich mehr magisches Potential als du besitzen. Und dabei war unser Großvater schließlich schon der Meinung du wärest das ultimum. Die absolute Steigerung. Das größte magische Potential aller Zeiten hat er sich von dir versprochen..."
"Blöd nur das ich keine Lust hatte." Ich hielt nun meinen Zauberstab in der Hand. Meine Wut wurde bei jedem seiner Worte größer und ich konnte mich nur schwer davon abhalten ihm meine ach so tolle magische Kraft einfach ins Gesicht zu schleudern.
"Ja du hattest keine Lust. Mit deinem magischen Potenzial kam auch langsam für alle sichtbar die Tatsache zu Tage, dass du eine störrische und missglückte Persönlichkeit hattest. Neun ganze Jahre hast du unserem Großvater das Leben zur Hölle gemacht. Hast dich wie ein zickiger Muggel benommen. Während ich weiter der perfekte Sohn war, aber das hat nach deiner Geburt ja keinen mehr interessiert. In meinen Adern fließt nicht so viel Schlammblut wie in deinen. Unser Großvater hat nie erkannt warum du so falsch warst, ich schon!"
"Sei still!" Aus meinem Stab kam ein roter Strahl aber Leopold blockte ihn schneller ab als ich blinzeln konnte.
"Oh ich werde ganz bestimmt nicht schweigen." Der Regen peitschte inzwischen durch die Luft und mein Bruder wirkte leicht wahnsinnig. "Du hast mein ganzes Leben ruiniert! Ich hätte deinen Platz haben sollen! Ich war perfekt! Diese ganze Ehre hast du nicht verdient. Du bist es nicht wert die Erbin zu sein!"
"Sei still!" Wieder ließ ich einen Zauber auf ihn los und wieder blockte er ab.
"Alle haben dich geliebt! Du warst an erster Stelle. Und das wusstest du. Auch ich habe dich geliebt, so süß und unschuldig wie du warst. Wer hätte denn schon damals vermuten können, was sich für ein Wesen hinter den Kulleraugen verbarg. Wenn kümmerte da noch der mickrige Sohn? Von meinem eigenen Vater wurde ich abgelehnt. Meine Mutter zeigte mir oft genug, dass ich in ihren Augen nicht mit ihrem mon ange mithalten konnte. Für meine Großmutter hatte ich keinerlei Wert mehr. Nur mein Großvater nahm mich weiterhin wahr. Für ihn war ich immer noch etwas besonderes."
Geschockt stolperte ich nach hinten, bis ich das Ende des Steges erreicht hatte. Ich wollte das alles nicht hören.
"Aber sogar er wandte sich von mir ab." Leopold folgte mir und in seiner Hand hielt er jetzt seinen Zauberstab. Was hatte er nur vor? "Immer mehr Zeit verbrachte er mit dir. Um dich zu trainieren, wie er sagte. Doch du warst immer noch widerspenstig wie eh und je. Du hast all die Zuwendung, die du geschenkt bekommen hast, niemals wertgeschätzt. Ich musste sie mir erarbeiten, doch trotz allem war meine Anstrengung nie genug."
Er hob den Zauberstab, doch bevor er überhaupt irgendetwas tun konnte, ließ ich Zauber auf ihn zurasen. Wieder und wieder.
Hinter all dem bunten Licht sah ich ihn kaum noch, als ich schrie. "Jeden verdammten Tag meines Lebens hat er mich gefoltert! Damit ich die perfekte Erbin werde! Wegen unserem Großvater war mein Leben die Hölle!"
Noch während ich die nächsten Zauber formte, wurden plötzlich alle Magiestrahlen beiseite gefegt und sogar ich schwankte kurz. Zwischen uns war jetzt nichts mehr als der Wind und mein Bruder durchbohrte mich mit seinem Blick.
"Glaubst du immer noch du wärst stärker? Zu deinem Pech hat mir mein Meister ein paar Tricks gezeigt."
Er machte eine kompliziert aussehende Bewegung mit seinem Zauberstab und plötzlich brachen silberne Flammen aus seiner Spitze hervor.
Sie sammelten sich um meinen Bruder und kurz schien es, als würde er in Flammen stehen.
"Na beeindruckt? Mal schauen ob ich das ultimative Kind besiegen kann."
Er deutete mit seinem Zauberstab auf mich und die Flammen schossen auf mich zu.
Als sie mich erreichten, schienen sie kurz durch meinen Schildzauber aufgehalten und ich atmete schon erleichtert auf, als ich geradezu spürte wie mein Schild in hundert Stücke zersprang.
Obwohl ich sofort einen neuen heraufbeschwor, war ich nicht schnell genug. Die Flammen umschlossen mich und plötzlich war ich wie in einen Käfig eingesperrt.
Überall um mich herum waren kreisende silberne Flammen und obwohl sie hell leuchteten, war ich mir sicher das sie aus dunkler Magie bestanden.
Sie schienen langsam aber sicher immer näher zu kommen und egal welchen Zauber ich auf sie abfeuert, sie bildeten immer noch eine undurchdringliche Wand.
"Finite Incantatem. Aguamenti." Das Wasser das aus meinem Zauberstab schoss, schlug ein kleines Loch. Verblüfft sah ich zu wie es sich schnell wieder schloss. Anscheinend hatte das die Kombination aus beiden Sprüchen verursacht.
Ich versuchte es gleich noch einmal. Wieder erschien ein Loch, dass sich ebenso schnell wieder schloss.
Ein Plan bildete sich in meinem Kopf. Kurz zögerte ich, dass war verrückt. Aber hatte ich wirklich eine andere Wahl?
"Impedimenta." Mehrmals wandte ich den Zauber auf die Flammen an, bis sie tatsächlich ein wenig langsamer auf mich zukamen. Trotzdem hatten sich mich beinah erreicht.
"Aguamenti." Sofort schoss ein starker Strahl aus meinem Stab und ich hatte Mühe ihn festzuhalten. Es dauerte nicht lange bis das Wasser meine Schultern erreichte.
Ich holte tief Luft und schloss die Augen. Mein Kopf war nun auch unter Wasser.
Innerlich zählte ich bis zehn, dann konzentrierte ich mich so stark es ging auf Finite Incantatem.
Es geschah gar nichts.
Panik kam in mir auf. Meine Luft wurde knapp und als meine Lungen geradezu nach Sauerstoff schrieen, öffnete ich den Mund, "Finite Incantatem!"
Ich wusste, dass nur Blasen heraus kamen und als ich die Augen im Wasser öffnete, tanzten bereits schwarze Punkte in meinem verschwommen Sichtfeld.
Gerade als ich festgestellte wie dumm es war so zu sterben, begann sich das Wasser plötzlich zu bewegen. Und bevor ich überhaupt verstand was das bedeutete, klatschte ich mitsamt einem großem Wasserschwall auf den Holzsteg, wo ich auf Händen und Knien hustete.
"Oh das war allerdings nicht beabsichtig. Ich dachte...." Ich ließ Leopold nicht ausreden sondern hob nur meinen Zauberstab. Mein Fluch brachte ihn aus dem Gleichgewicht und beinah wäre er in den See gefallen.
"Hast du immer noch nicht genug?" Mein Bruder antwortete mit einem Zauberspruch, aber ich sprang auf meine Füße und wehrte ihn mit Leichtigkeit ab.
Meine Zauber flogen ihm in kurzen Abständen um die Ohren und mehr als einmal reichte sein Schildzauber nicht mehr aus.
Ich war wütend. Meine Sicht war geradezu von Wut verschleiert, während ich weiter Zauber um Zauber hervorbrachte.
Der selbstgefällige Ausdruck auf Leopolds Gesicht wich langsam Erstaunen.
Seine Anfangs beinah harmlosen Flüche, wurden immer stärker und vor allem unbekannter.
Wieder schoss er die silbernen Flamen auf mich ab, aber dieses mal war ich vorbereitet und ein improvisierter Bannkreis ließ sie einfach in der Luft verpuffen.
Blöderweise hatte ich den Zauber, der nach ihnen kam, nicht gesehen und somit schnitt er mir in die Schläfe. Es war meine erste Verletzung, während Leopold schon deutlich angeschlagener aussah.
"Incarcerus." Aus seinem Zauberstab flogen Seile auf mich zu, doch ich ließ sie einfach in der Luft verbrennen. Waren solche Zauber nicht eigentlich unter seinem Niveau?
Bevor ich mehr darüber nachdenken konnte, kamen aber wieder andere Zauber und als das erste Donnergrollen in der Ferne erklang, hatte ich Leopold an die Stelle zurück gedrängt, wo ich vorher noch gestanden hatte. Nun hatte er den See im Rücken.
"Leopold, ich bin stärker als du!" Ich musste schreien um den Wind zu übertönen. Als Antwort kam nur ein besonders starker Fluch zurück. "Gib auf!"
Ich legte meine ganze Kraft in den Entwaffnungszauber und mühelos fegte er Leopolds Schild beiseite und riss ihm seinen Zauberstab aus der Hand.
Mit einem "Accio" flog er zu mir.
Ich strich mir das Wasser aus den Augen und starrte meinen nun zauberstablosen Bruder durch den Regen an. Er atmete schwer und seine eigentlich blassen Wangen waren gerötet.
"Bist du nun Stolz? Du bist der Wahrheit wieder einmal ausgewichen. Denn die Wahrheit ist, dass dein ganzes Leben auf Lügen aufgebaut ist! Du lügst, deine Eltern lügen, alle Lügen. Deine Welt besteht aus Lügen! Du kannst der Wahrheit nicht immer entkommen! Weglaufen hat keinen Sinn. Akzeptier, dass du nicht so gut bist, wie du gerne wärst..." Ich ließ ihn nicht aussprechen, sondern richtete meine Zauberstab auf die Bretter unter seinen Füßen.
"Expulso." Die Bretter flogen auseinander und mein Bruder in die Luft.
Überraschung breitet sich auf seinem Gesicht aus, dann landete er ein paar Meter vom Steg entfernt im Wasser.
Prustend tauchte er wieder auf.
Der vordere Teil des Steges bestand nur noch aus rauchenden Bretter und ich schmiss den Zauberstab meines Bruders über sie hinweg. Er landete genau neben dem Kopf seines Besitzers.
Ohne einen letzten Blick drehte ich mich um und begann den Weg zum Haus wieder hinauf zu laufen.
Ich hatte eine Entscheidung getroffen, dass Lügen musste aufhören.
Camille Rosendorn P.O.V
"Julius." Lunés Mutter folgte ihrem Mann die Treppe hinauf. Doch trotz ihres Rufes, hielt er nicht inne.
"Wo willst du jetzt schon wieder hin? Du bist doch gerade erst wieder gekommen? Ich habe kein gutes Gefühl dabei Leo und Luné allein zu lassen."
"Cami..." Mit einem Seufzen drehte Julius sich an der Tür seines Arbeitszimmers um. "Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich gehe nirgendwo hin. Und unsere Tochter ist groß genug, um auf sich selbst aufzupassen."
Kurz legte er ihr eine Hand auf die Wange, bevor er sein Arbeitszimmer betrat.
"Ja aber..." Camille folgte ihm immer noch. "Leo ist ein Todesser. Wie kannst du dir nach ihrem Geburtstag immer noch so sicher sein, dass er ihr nicht wehtun wird?"
"Weil er ihr Bruder ist." Julius Rosendorn begann die Briefe auf seinem Schreibtisch zu sortieren, während seine Frau ans Fenster trat. "Egal wie sehr er uns hasst, er hat sie schon immer beschützt, auch wenn er das manchmal selbst zu vergessen scheint. Warum glaubst du ist er auf deine Bitte hin nachhause gekommen?"
"Ich dachte das hätten wir geklärt? Er ist im Auftrag von...Du-weißt-schon-wem gekommen?"
"Ja. Das haben wir geglaubt. Aber hast du eben beim Essen seinen Blick gesehen? Ich glaube, er wollte sie wiedersehen."
"Aber er hat Luné gefoltert?! Julius du kannst mir nicht ernsthaft erzählen, da wäre immer noch ein Rest von unserem Sohn in diesem...diesem Monster vorhanden!" Camille starrte ihren Mann an, doch dieser fuhr mit konzentrieret Miene fort, die Briefe zu ordnen. "Jetzt sag doch was? Ich versteh ja, dass du dich an diese Hoffnung klammerst, aber ich glaube noch nicht einmal seine kleine Schwester kann ihn noch retten. Wir haben ihn schon vor so langer Zeit verloren."
"Vielleicht auch nicht...vielleicht..." Julius starrte auf die Briefe in seiner Hand, aber sein Blick sagte Camille, dass er mit den Gedanken weit weg war.
"Vielleicht können wir ihn retten? Willst du das sagen? Weißt du, dass habe ich auch gehofft, aber dann hat er sie gefoltert! Gefoltert Julius! Sobald du anfängst zu hoffen..."
Julius unterbrach sie, "Die Welt ist nicht aufgeteilt in gute Personen und schlechte oder?" Camille nahm sanft seine Hände in ihre, aber er achtete gar nicht darauf. "In ihm muss noch ein guter Kern stecken. Mein Vater kann ihn nicht komplett abgetötet haben! Was wenn der dunkle Lord ihn unter den Imperius gestellt hat? Da ist immer noch Hoffnung, Luné hat sich doch schließlich auch verändert ...wir könnten hoffen! Warum lässt du das nicht zu?"
"Weil..." In Camilles Augenwinkeln sammelten sich Tränen, während sie die Hand ihres Mannes fester umschloss. "Luné musste erst Schreckliches erleiden, während ihre Eltern tatenlos zusahen, um zu erkennen, dass der Weg, den sie gegangen ist, zu Ende war. Menschen wachen nicht einfach morgens auf und entscheiden, dass sie nicht mehr so weiterleben wollen. Sie müssen erst schmerzhaft lernen, dass es nicht mehr weitergeht. Und ich glaube nicht, dass die Person, die einmal unserer Sohn war, noch dazu in der Lage ist. Luné war gut und ist gut. Sie war es in ihrem Inneren schon immer, sie musste nur aufhören vor diesem Guten in sich selbst davonzulaufen. Leopold war auch gut. Aber er hatte nicht so viele Chancen wie Luné, dieses Gute in sich zu behalten. Ich glaube dieser ganze Hass in ihm, hat ihn verbittert und kalt werden lassen. Er läuft herum und mordet. Andauernd. Ich weiß, du willst das alles nicht hören, aber im Gegensatz zu dir schlage ich jeden morgen die Zeitung auf und sehe was er Menschen angetan hat. Unschuldigen Menschen."
Julius hatte sich endlich zu ihr umgedreht. Camilles grüne Augen schwammen in Tränen. Sie wusste nicht was sie ihrem Mann noch sagen sollte, um ihm klarzumachen, dass seine Hoffnung sinnlos war.
"Was verlangst du von mir? Soll ich einfach meinen Sohn aufgeben?"
"Haben wir das nicht schon? Wir waren es die sich von ihm abgewannt haben, als er uns vermutlich mehr als jemals zuvor gebraucht hat. Aber ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst, Julius. Ich weiß ja selbst nicht was ich tun soll." Camille ließ seine Hände los und trat einen Schritt zurück. "Hoffnung ist eine fürchterliche Sache. Das einzige was ich sagen kann, ist dass ich nicht mehr glaube, dass Leo wieder so wird... wie du dir das erhoffst."
Ihr Mann starrte sie an. Camille erwiderte seinen Blick durch den Tränenschleier vor ihren Augen.
"Aber wir sind seine Eltern. Leopold ist genauso unser Kind wie Luné es ist. Wir müssen sie doch beschützen!"
"Ich weiß...Ich weiß..." Camilles Stimme brach und wortlos umarmten sie sich.
Julius atmete tief ein und aus und Camille stütze ihr Kinn auf seine Schulter.
Sie versuchte im hier und jetzt zu bleiben, bei dem Mann den sie liebte. Wegen dem sie auf ein einfaches Leben verzichtet hatte. Doch ihre Gedanken wanderten, durch die Vergangenheit. Zurück zu dem Tag, als sie erkannt hatte, dass sie mit Leo schwanger war. Damals war es für sie unverständlich warum Julius sich nicht gefreut hatte, sondern eine Flucht ins Ausland für sie und das Kind geplant hatte.
Erst da erfuhr sie, weshalb er ihr nie etwas von seiner Familie erzählt hatte.
Doch trotz seines Flehens zu verschwinden und ihn zu vergessen, hatte sie darauf bestanden bei ihm zu bleiben und ihn nicht zu verlassen.
Leise seufzte Camille.
"Bereust du deine Entscheidung?" Wie immer schien Julius ihre Gedanken zu erraten.
"Du hast mich das früher beinah jeden Tag gefragt." Lächelnd löste sie sich von ihm. "Und meine Antwort war 26 Jahre lang die selbe und sie ist es immer noch."
Julius studierte mit sanftem Blick ihr Gesicht, während er es in seine Hände nahm, "Womit habe ich eigentlich so viel Glück verdient?"
Camille lächelte nur als Antwort und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Gerade als sie sich wieder von ihm lösen wollte, hörte sie einen Knall aus dem Stockwerk unter ihnen und gleich darauf Lunés Stimme, "Mama?!"
"Wir sind oben!" Noch während sie zurück rief, sah Camille aus dem Augenwinkel wie ihr Mann hastig mehre Briefe in Schubladen stopfte.
"Wir werden es ihr sagen müssen, Julius. Indem du die Briefe vor ihr versteckst wirst du die Prophezeiung auch nicht los."
"Wir haben noch Zeit! Wenn wir es ihr jetzt sagen, würde es sie nur aufregen. Und Jake hat mir versprochen ihr nichts zu erzählen."
"Aber es geht um sie! Auch wenn du versuchst sie von dem..." Mit einem Blick zur Tür senkte Camille die Stimme. "Black Jungen fern zu halten, du wirst es ihr erzählen müssen."
"Das werde ich! Aber wir haben noch Zeit! Wie Dumbledore gesagt hat, es kann noch Jahrzehnte bis zu einem zweiten Krieg dauern. Und bis dahin kann viel passieren. Wir können die Dinge noch ändern. Ich werde das nicht zulassen."
"Trotzdem..." Camille sah zu wie er hastig den letzten Brief in seine Umhangtasche steckte. "Es ist nicht richtig was du tust."
Schnelle Schritte erklangen auf der Treppe und kurz darauf stolperte ihre Tochter atemlos ins Zimmer. Ihre geweiteten Augen irrten durch den Raum, bis sie endlich die ihrer Mutter trafen.
"Oh Merlin. Mama."
"Was ist passiert?!" Luné war bis auf die Haut durchnässt und sah aus als hätte sie gerade einen Wirbelsturm überlebt. An ihrer Schläfe war eine blutende Wunde und ihre Lippen waren vor Kälte blau angelaufen.
"Nicht so wichtig." Sie winkte ab, aber Camille hatte bereits ihren Zauberstab gehoben und trocknete ihre Kleidung, bevor sie die Wunde verschloss, so das nur noch eine hellrosa schimmernde Narbe übrig blieb.
"Oh wie schön noch eine." Luné fasste sich an die Stelle. "Langsam werde ich Profi im Narben sammeln. Aber egal! Wo war ich?"
Ihre Tochter wirkte verwirrt, während sie begann auf und ab zu laufen.
"Was ist passiert Luné?" Julius tauschte einen Blick mit Camille.
"Leo. Aber das ist nicht so wichtig. Der muss erst einmal wieder aus dem See kommen."
"Du ist ihn in den See geschmissen?!" Camille beobachtete wie sich ein beinah Lächeln auf Lunés Gesicht ausbreitete.
"Jaja. War irgendwie nicht vermeidbar. Ich hab mir vermutlich damit einen Schulverweis verdient. Schickt das Ministerium eigentlich Briefe wegen Zauberei Minderjähriger?"
"Beruhig dich erst mal." Camille packte sie an den Schultern und zwang sie in einen der Sessel vor dem Schreibtisch.
"Ich bin ruhig!" Luné wollte aufstehen aber Camille drückte sie wieder zurück.
"Erzähl uns was passiert ist." Julius stellte sich an die Seite seiner Frau und gemeinsam beobachteten sie wie ihre Tochter tief ein- und ausatmete.
"Okay. Gut." Kurz schüttelte sie den Kopf, dann sah sie ihre Eltern an. "Also ich muss mit euch reden. Es ist nur schwer einen Anfang zu finden. Am besten sage ich es einfach...also... ich will nicht mehr." Sie sprach schnell und sah dann mit großen Augen zu ihnen auf.
"Was meinst du damit? Du willst was nicht mehr?" Camille spürte Julius Anspannung, genau so wie sie wusste er vermutlich was Luné meinte.
Kurz zögerte ihre Tochter, dann sprudelten die Worte plötzlich aus ihr heraus. "Ich will dieses ganze Leben einfach nicht mehr! Ich will keine Rosendorn mehr sein und ich will auch nicht so tun als würde ich Muggelstämmige und all die Anderen hassen, obwohl sie meine besten Freunde sind. Denn das sind sie verdammt noch mal! Und ich will mir nicht mehr ständig Sorgen um Dinge machen müssen. Ich will mir nicht Sorgen machen ob ich überhaupt volljährig werde. Das will ich alles nicht mehr! Ich will ein normales Leben haben! Ohne diesen ganzen Reinblut Mist. Ich weiß ihr versteht das wahrscheinlich nicht, aber ich habe in letzter Zeit so viel gelernt und es reicht jetzt mit dem Lügen und dem Schauspielern. Ich würde es verstehen wenn ihr mich deshalb egoistisch nennt, aber ihr werdet mich nicht umstimmen können. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Es verletzt mich jeden Tag mehr, dass ich zu dieser Welt gehöre und ich werde es nie schaffen glücklich zu werden, wenn ich das jetzt nicht durchziehe."
Ihre Stimme war immer fester geworden und als sie den Mund schloss, konnte Camille in ihren Augen eine Entschlossenheit lesen, die sie noch nie bei ihr gesehen hatte.
"In Ordnung." Julius marschierte zum Kamin und nahm Flohpulver aus einem Beutel.
"Was hast du vor?" Luné stand auf und Camille sah wie ihre Hand zu ihrem Zauberstab wanderte.
"Alles ist gut." Camille griff nach ihrer Hand.
"Wir müssen ein paar Dinge klären." Julius schmiss das Pulver auf den Lattenrost und trat dann in die Flammen. "Kommt sofort nach. Berlin, Haus der Rosendorns."
Er verschwand in den Flammen und Camille wollte Luné zu dem Kamin ziehen, aber diese entriss sich ihr.
"Was habt ihr vor?" Ihre Augen waren geweitet und Camille glaubte so etwas wie Angst in ihnen flackern zu sehen.
"Wir möchten nur mit dir reden Luné."
"Ihr wollt mich loswerden oder? Ihr wollt mich in dieses fürchterliche Haus bringen um mich dann loszuwerden." Ihre Hand schnellte zu ihrem Zauberstab.
"Nein. Nein. Liebes wir wollen nur mit dir reden."
"Ach ja? Und dafür bringt ihr mich in dieses Haus? Ich dachte wirklich ich könnte euch vertrauen." Sie hob den Zauberstab.
"Luné nein! Hör mir zu! Du hast Antworten verdient und die wirst du nur dort bekommen. Bitte komm mit mir." Camille streckte ihr flehend die Hand hin.
Beide standen still und sahen sich in die Augen.
Camille sah Unsicherheit und Angst in den Augen ihrer Tochter und als sich die Sekunden langsam zu Minuten zogen, ließ Luné plötzlich ihren Zauberstab sinken.
"Du würdest mich nicht verraten oder?"
"Niemals." Camille trat auf Luné zu und umarmte sie.
In diesem Moment war es egal das ihre Tochter bereits 16 Jahre alt war, sie war einfach nur ihr kleines Mädchen, das sie beschützen musste.
Beruhigend strich sie ihr über die hellen Haare und es dauerte eine ganze Weile bis sie sich wieder voneinander lösten.
"Komm." Wieder reichte Camille ihr die Hand und diesmal ergriff Luné sie.
Sie ließ sie erst los als sie in die smaragdgrünen Flammen trat.
"Bis gleich."
"Bis gleich. Berlin, Haus der Rosendorns." Mit diesen Worten verschwand sie.
Camille zögerte kurz, war es richtig Luné alles zu erzählen? Sie würden sie damit in noch größere Gefahr, als sowieso schon, bringen.
Sie wollte ihre Tochter nicht noch mehr Gefahr aussetzten, aber andererseits hatte Luné ein Recht darauf zu erfahren warum ihr Leben so verlaufen war.
Und ob sie nun die Wahrheit wusste oder nicht, darauf würde schlussendlich niemand Rücksicht nehmen.
Camille stieg in die Flammen und ließ sich von ihnen mitreißen.
Kurz darauf stolperte sie auch bereits wieder aus einem anderen Kamin, in die Eingangshalle des Stadthauses der Rosendorns.
Das Erste was ihr auffiel, war die drückende Stille. Bei jedem ihrer anderen Besuche hatten die unzähligen Gemälde an den hohen Wänden laut getuschelt und immer herrschte ein Kommen und Gehen.
Jetzt aber war es unnatürlich still und Camille erkannte auch schnell den Grund.
Alle gemalten Vorfahren der Rosendorns beobachteten ihre Tochter, die vor einem der untersten Rahmen stand.
"Was meinst du damit?" Luné hatte die Arme verschränkt und starrte das Gemälde an.
Camille näherte sich ihr. "Was ist los?"
Ihre Tochter zuckte zusammen und drehte sich mit einem leicht schuldbewussten Blick zu ihr herum.
Jetzt erkannte Camille auch mit wem sie gesprochen hatte, es war Maralina, die Mutter Emilias.
Camille hatte sie nie kennengelernt und sie kannte sie nur von dem Stammbaum der Rosendorns.
Sie war früh gestorben und sie wirkte auf Camille gerade einmal so alt wie sie selbst.
"Camille." Marlinas Stimme war überraschend tief und ihre strahlend blauen Augen funkelten.
"Maralina." Camille nickte ihr zu, bevor sie sich an Luné wandte. "Wo ist dein Vater?"
Doch nicht ihre Tochter antwortete, sondern Maralina. "Vermutlich meine Tochter holen. Er schien sehr in Eile." Sie lächelte leicht.
Camille blickte sie irritiert an, gewöhnlich sprachen die gemalten Erbinnen nicht. Sowohl im Landsitz und im Stadthaus begnügten sie sich damit alle zu beobachten.
"Danke."
"Bitte. Ich habe dich hier schon lange nicht mehr gesehen Camille. Wie deine Tochter scheinst du nicht gerne in diesem Haus zu sein." Maralinas Augen folgten Camille als sie neben ihre Tochter trat.
"Alles in Ordnung?" Luné zuckte bei ihren Worten leicht zusammen.
"Nein. Ich hasse dieses Haus." Ihr Blick war auf die große Treppe gerichtet. Oben am Treppenabsatz erschien Emilia Rosendorn mit ihrem Sohn.
Sie schritten die Treppe hinunter und Julius trat sofort neben seine Frau.
"Tut mir leid. Es hat ein wenig gedauert sie zu überzeugen." Er sprach leise und beobachtete wie seine Mutter auf Luné zutrat.
"Marie."
"Nenn mich bitte Luné, Großmutter."
Emilia blickte sie überrascht an und kurz herrschte Schweigen zwischen den beiden, bis Emilia plötzlich nickte.
"In Ordnung, Luné. Wie es scheint müssen wir uns unterhalten. Folge mir bitte." Gemeinsam liefen sie durch mehre Räume bis sie schlussendlich im großen Wintergarten heraus kamen.
In diesem standen mehre Sessel und man hatte einen freien Blick auf den riesigen Garten.
Julius und Camille setzten sich gemeinsam auf eine Couch, während Emilia sich gegenüber von Luné in einen Sessel sinken ließ und sie mit ihren blauen Augen musterte.
"Wie geht es dir?" Noch bevor sie ihre Frage beendet hatte, trat eine kleine Hauselfe ein und reichte allen eine Tasse Tee.
"Könnte nicht besser sein." Luné war angespannt und als sie die Teetasse an ihre Lippen hob, zitterte diese leicht.
"Das freut mich natürlich." Auch Emilia nippte an ihrem Tee. "Nun...ich oder besser wir..." Sie warf einen Blick zu Camille und ihrem Mann. "Möchten mit dir reden Luné. Und zuerst muss ich mit einer Entschuldigung beginnen."
"Was?" Luné starrte ihre Großmutter an.
"Ja. Eine Entschuldigung ist schon seit Jahren überfällig. Oder eher gesagt sehr viele Entschuldigungen. Denn es tut mir leid wie dein Leben bisher verlaufen ist und ich wünschte ich wäre stärker gewesen und hätte es ändern können. Und auch wenn ich nicht erwarte, dass du mich nicht hasst und mir verzeihst, so hoffe ich, dass du wenigstens ein wenig mehr verstehst."
Luné schien sprachlos und Camille wusste das Julius und sie in diesem Gespräch nicht mehr relevant waren, es ging nur um Emilia und ihre Enkelin.
"Am besten fange ich am Anfang an. Und zwar bedeutet dieser Anfang die Zeit in der ich zur Erbin wurde. Denn als ich ungefähr so alt wie du war, trug meine Mutter noch diesen Titel. Ihre Mutter war das Oberhaupt und als diese plötzlich starb, rückte ich in den Fokus. Damals galt dies, dass nach einem Ehemann für mich gesucht wurde. Mit 16 war ich dann verlobt, ich kannte den Mann nicht und man sagte mir auch nicht wer es war. Zwei Tage vor meinem 17'ten Geburtstag starb nun auch meine Mutter und ich wurde das Oberhaupt. Unsere Familie war zu dieser Zeit schon lange nicht mehr so mächtig wie einst. Wir waren zwar immer noch eine der reinsten Blutlinien Deutschlands, aber unter der Führung meiner Großmutter war unsere Familie mehr oder weniger auseinander gegangen und weder ich noch meine Mutter hatten, wie du vielleicht glaubst, eine so strenge Erziehung wie Leopold und du. Wir waren nicht für Grausamkeit. Ein Reinblut zu sein, bedeutete zu der Zeit für mich, nur einen Zauberer mit ebenfalls reinem Blut zu heiraten, mehr nicht. Und dann kam dein Großvater."
Emilia atmete tief ein und Camille sah, dass es ihr Mühe bereitete weiterzusprechen.
"Seine Familie, die Yaxleys, waren damals noch mächtig in England und er sah es als seine Pflicht an die Rosendorns wieder zu altem Glanz zu verhelfen. So hat er es zu mindestens auf unserer Hochzeit ausgedrückt." Kurz lachte sie bitter. "Und das hat er schlussendlich auch getan. Ich wurde mehr oder weniger entmündigt und auch wenn es nach außen noch so aussah als wäre ich für die vielen Veränderung verantwortlich, so war ich es doch nicht. Ich lebte die ersten Jahre ausschließlich auf dem Landsitz. Die Details unserer Ehe möchte ich dir ersparen, ich kann dir nur sagen das meine Hoffnungen und naiven Vorstellungen schnell enttäuscht wurden. Und dann wurde ich schwanger. Dein Großvater begann daraufhin mich noch mehr von der Aussenwelt abzukapseln und erst da erkannte ich, dass der Landsitz mein Gefängnis war. Vermutlich hätte ich zu diesem Zeitpunkt beginnen müssen, wieder Verantwortung für mein Leben zu übernehmen, anstatt sie einfach in die Hände meines Mannes zu legen, aber meine einzige Entschuldigung, die ich heute für mein damaliges Verhalten habe, ist das ich jung war und immer noch an eine glückliche Wendung geglaubt habe."
Alle hatten Emilia still gelauscht und obwohl Camille diesen Teil schon kannte, erschauderte sie bei dem Erzählten.
Emilia blickte nun Julius an, der diesen Blick ruhig erwiderte, "Und dann wurde Julius geboren. Ein Sohn. Natürlich war mein Mann enttäuscht, damals verstand ich nicht komplett welche Tragweite dies hatte, denn ich liebte mein Kind. Mein Mann schien mich allerdings nach und nach zu vergessen und ich sah dies als ein gutes Omen. Ich durfte wieder zurück zu meinen Schwestern und meinem Vater. Ich schaffte es sehr lange die Wahrheit vor meinen Augen zu ignorieren und erst als Julius beinah 11 Jahre war, musste ich erfahren, dass das Leben nicht einfach um mich herum anhielt, nur weil ich es wollte. In all den Jahren in denen ich mich nur um meinen Sohn gekümmert und die Welt ignoriert hatte, war das Leben weitergegangen und mein Mann hatte den Rosendorns wieder zu Macht verholfen. Für dieses Ziel waren Opfer unausweichlich und entschuldbar, wie er mir erklärte, nachdem ich erfuhr das er meine Tante umgebracht hatte. Sie war damals schwanger und er hatte befürchtet es könnte ein Mädchen werden, denn dann wäre dieses Kind die Erbin geworden. Dies schien ihn wieder an Julius und meine Existenz zu erinnern und er begann erneut über uns zu bestimmen. Julius wurde nach Hogwarts geschickt und ich lebte im Stadthaus. Meine Aufgabe war es nun bei Bällen und Feiern an seiner Seite zu sein. Ich sah damals auch was aus unserer Familie geworden war, aber ich blieb still, irgendwo hatte ich mein Schicksal akzeptiert. Julius kam nach Slytherin und ich sah ihn nur noch in den Sommerferien, mein Mann suchte ihm eine geeignete Ehefrau, eine Potter, und alles lief wie geplant. Bis Julius sich entschied in Frankreich zu studieren."
Emilia ließ ihren Blick von Luné, die ihr die ganze Zeit gespannt gelauscht hatte, zu Camille wandern. Wie Emilia ihr bereits einmal gesagt hatte, war das der Dreh- und Angelpunkt aller Ereignisse.
"Zwei Jahre lang hörten wir kaum etwas von ihm, bis er eines Nachts plötzlich wieder auftauchte. Zu seinem Glück war sein Vater bei einer seiner vielen Frauen und vollkommen überrumpelt hörte ich ihm zu. Er hatte sich in eine Frau verliebt und wollte sie heiraten. Ich wurde durch dieses Nachricht aufgerüttelt und auch wenn ich dieses Frau nicht kannte, so wollte ich sie doch vor meinem Schicksal bewahren. Ihr Blutstatus war damals der beste Grund und ich schaffte es Julius klar zu machen, dass er sie in furchtbare Gefahr brachte, wenn er weiterhin bei ihr bleiben wollte. Und so kam es das er in Deutschland blieb und nicht zu ihr zurückkehrte."
"Was? Aber wie das? Und Moment, du weißt das Mama muggelstämmig ist?!" Luné starrte abwechselnd ihre Großmutter und ihre Eltern an, Emilia seufzte nur.
"Ja. Ich wusste es schon immer. Obwohl ich mir sicher war, das Richtige getan zu haben, so sah ich doch wie mein Sohn litt. Über ein Jahr sah ich zu wie er langsam ein Schatten seiner selbst wurde und tat nichts. Dann traf er sie durch einen Zufall wieder, sie hatte Freunde in London besucht, ich wusste nicht, dass sie sich daraufhin über einen Monat heimlich trafen, erst als Julius zu mir kam und mir sagte das Camille schwanger war, erfuhr ich davon. Er flehte mich an, sie und das Kind ins Ausland zu bringen und ich stimmte zu, aber vorher wollte ich sie treffen. Ich erkannte schnell, dass sie meinen Sohn wirklich liebte und ich ertrug den Gedanken nicht beide zu trennen, weshalb ich einen Plan ausarbeitete. Es gab in Frankreich eine erloschene reine Blutlinie und ich erklärte meinem Mann das sie das letzte Mitglied war. Es war beinah überraschend einfach ihn zu überzeugen. Vermutlich war es auch der Gedanke, dass sie vielleicht mit einer Tochter schwanger sein könnte, der ihn zu seiner Zustimmung bewog."
"Du warst das also damals? Aber wie...ich mein das passt alles gar nicht...ich dachte du wärst auch wie er." Luné schüttele verwirrt den Kopf.
"Damals war ich es noch nicht. Dann aber wurde Leopold geboren, wieder war mein Mann enttäuscht, aber er entschied diesem Sohn mehr Zeit als seinem eigenem zu widmen. Er entzog ihn beinah komplett seiner Mutter und als diese sich verzweifelt an mich wandte, versuchte ich mit meinem Mann zu reden. Ich glaube es hat ihn selbst überrascht das ich mich gegen ihn gewehrt habe, aber zum Schluss hat er mich für mehre Monate unter den Imperius gestellt. Als Lektion wie er meinte. Leopold stand schon früh unter seinem Einfluss und ich hatte keine Chance es zu ändern und langsam wurde mein eigener Wille wieder schwächer. Bis dann 9 Jahre später das geschah, was sich mein Mann so erhofft hatte, eine Tochter wurde geboren. Luné-Marie Rosendorn. Und ich entwickelte eine verheerende Schwäche für sie."
"Das hat schon mal jemand gesagt." Luné wirkte als wäre sie am liebsten aufgesprungen und herum gelaufen. "Vor 2 Monaten. An meinem Geburtstag. Voldemort hat das gesagt. Warum?"
"Weil er mein Freund war." Nicht Emilia antwortete, sondern Julius. "Wir waren in der selben Klasse und er war oft in den Ferien bei uns Zuhause. Tom Riddle wie er damals noch hieß. Mein Vater lehrte ihn so einiges über den Blutstatus und er sah mit wohlwollen Toms Entwicklung. Auch nachdem wir mit der Schule fertig waren, blieben die beiden in Kontakt. Ich glaube dein Großvater war die einzige Person die er jemals wirklich respektiert hat. Natürlich erfuhr er auch von ihm das meine Mutter eine Schwäche für meine Tochter hatte."
"Und das nutze mein Mann aus." Emilia lächelte traurig. "Ich hatte durch dich, Luné, mehr oder weniger wieder einen eigenen Willen entwickelt, denn ich wollte nicht das dich das gleich Schicksal wie deinen Bruder ereilte. Um diesen Willen in mir wieder zu ersticken, stellte mich dein Großvater erneut unter den Imperius Fluch und ließ mich zusehen wie er dich folterte." Leise seufzte sie. "Um die ganze Geschichte abzukürzen, du wurdest nach Grüntal geschickt wo du langsam zu der perfekten Erbin, wie dein Großvater sich das immer vorgestellt hatte, wurdest. Dann starb er. Zuerst glaubte ich nun müsste alles besser werden, aber ich erkannte ziemlich schnell das dein Großvater die Rosendorns bereits wieder so...mächtig gemacht hatte, dass ich als einzige Person kaum etwas auf einen Schlag ausrichten konnte. Ich würde nur bei dem Versuch sterben. Die Familie war vollkommen außer Kontrolle geraten. Dann wandte ich mich an deine Eltern. Zuerst begannen wir nach Verbündeten zu suchen. Denn auch wenn die Existenzauslöscher beinah alle umgebracht hatten, die offenen etwas gegen die Veränderung der Rosendorns gesagt hatten, so gab und gibt es immer noch jene die gegen die Politik deines Großvaters waren. Unter ihnen war auch überraschenderweise ein Existenzauslöscher." Wieder seufzte Emilia. "Adam Rosendorn. Er war einer der obersten."
"Nein." Luné sprang auf, nur um sich gleich darauf wieder hinzusetzten. "Du meinst doch nicht etwa der Adam der mich an meinem Geburtstag beschütz hat?!"
"Doch. Leider genau der. Er hat uns geholfen die Existenzauslöscher langsam zu unterwandern und außer Kraft zu setzten."
"Aber warum hätte er das tun sollen? Er war doch wie du behauptest ein Rosendorn."
"Weil sie seine Verlobte umgebracht haben. Sie wollte nicht zu dieser Welt gehören und da sie schon zu viel wusste, wurde sie umgebracht. Heute gibt es die Existenzauslöscher nicht mehr. Adam hat ganze Arbeit geleistet."
"Aber was habt ihr jetzt vor? Wollt ihr einfach so von einen Tag auf den Anderen sagen das ihr nicht mehr zu den Reinblut besessnen Familien gehört? Tut mir leid, aber das klingt nach purem Wahnsinn."
"Wir waren bis vor einem Monat schon sehr weit vorangeschritten, Luné. Es gibt nur noch ein paar Nebenzweige, größtenteils außerhalb Deutschlands, die nicht auf unserer Seite stehen. Der nächste Schritte wäre eine erneute Kandidatur deines Vaters zum Zaubereiminister gewesen, wir hätten damit auch das Ministerium langsam aus dem Einfluss des dunklen Lords holen können. Leider gab es ein unvorhergesehenes Ereignis."
Luné schien zu erraten was ihre Großmutter meinte, denn sie sah Camille mit großen Augen an, "Bitte sag mir, dass es nicht das ist was ich vermute."
"Ich fürchte schon. Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass ich eine Mugelstämmige bin." Ihr Mann griff nach ihrer Hand und umschloss sie fest. "Wir wissen nicht genau wie es an die Öffentlichkeit gelangt ist, aber vor ein paar Wochen war darüber ein Artikel im Morgenkurier und seitdem weiß es jeder."
"Nein!" Luné schlug erschrocken die Hand vor den Mund.
"Doch leider." Julius seufzte leise. "Wir werden vermutlich bald ins Ausland gehen. In Deutschland sind wir nicht mehr sicher."
"Nein. Nein. Nein. Das kann nicht wahr sein!" Ihre Tochter sprang plötzlich auf und rannte aus dem Raum.
Camille wollte ihr folgen aber Julius hielt sie zurück. "Gib ihr ein wenig Zeit."
Luné P.O.V
Verdammt. Warum?
Ich lief ziellos durch das riesige Haus, was ich suchte wusste ich selbst nicht.
All das was mir meine Großmutter erzählt hatte, schwirrte durch meinen Kopf und obwohl ich mir vorgenommen hatte keines ihrer Worte zu glauben, so machte es doch viel zu viel Sinn.
Wahllos riss ich eine Tür auf und stolperte in ein großes Schlafzimmer. Vermutlich ein Gästezimmer.
"Warum?!" Wütend und verwirrt schmiss ich mich auf das Bett und vergrub mein Gesicht in den unzähligen Kissen.
Bis vor wenigen Stunden war meine Welt noch in Ordnung gewesen und nun das.
Ich musste mir Sorgen um meine Eltern machen, mit Sirius durfte ich nicht mehr sprechen, ich fühlte mich schuldig gegenüber meinem Bruder und zu guter Letzt war noch alles was ich bisher geglaubt hatte anscheinend falsch.
"Merlin, warum immer ich?!" Wütend schmiss ich ein Kissen von mir und vergrub meinen Kopf wieder in den restlichen. Ich wollte das Alles nicht mehr.
"Schatz bist du hier drin?!" Es klopfte leise an der Tür und ich erkannte die Stimme meiner Mutter.
"Nein." Obwohl ich undeutlich in die Kissen sprach, schien sie es zu hören, denn die Tür öffnete sich.
"Alles in Ordnung?" Ich spürte wie sich die Matratze an meiner linken Seite senkte.
"Natürlich. Sieht man das nicht?"
Meine Mutter ging nicht darauf ein. "Hör mal, ich versteh das du verwirrt bist, aber du musst dir wirklich keine Sorgen um deinen Vater und mich machen, uns wird nichts geschehen."
"Ach und das kannst mir versichern? Ich will euch nicht verlieren. Warum könnt ihr nicht einfach weiterhin so tun als würdet ihr an den ganzen Blutstatus Quatsch glauben? Dann wärt ihr wenigstens sicher!"
"Wir wollten dir ein besseres Leben ermöglichen Schatz."
"Ja aber doch nicht zu diesem Preis!"
"Alles im Leben hat einen Preis. Und dieser erscheint mir angemessen."
"Mir aber nicht." Ich drehte meinen Kopf so, dass ich sie ansehen konnte. "Ihr könnt mich nicht einfach über euch stellen und so tun als wäre mein Leben wichtiger als eures."
"Aber das ist was Eltern tun."
Hilflos schüttelte ich den Kopf, warum musste immer alles so falsch laufen.
"Bitte versprich mir, dass ihr so schnell es geht, irgendwohin verschwindet wo ihr sicher seid."
"Also, zuerst einmal müssen wir Weihnachten zusammen verbringen." Meine Mutter stand lächelnd auf. "Und Zuhause wartet noch ein Haus auf uns, schließlich schmückt sich das nicht von alleine."
Kurz zögerte ich, dann erhob ich mich ebenfalls.
"Ich wollte nur normal sein. Mehr wollte ich nie."
"Das weiß ich doch." Leise seufzte meine Mutter. "Aber das Leben verläuft leider nicht immer so wie wir uns das vorstellen. Wir könne nur versuchen, aus dem was wir haben, dass Beste zu machen."
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