Kapitel 1: Die Ankunft
„Könntest du mir bitte erklären wie ich von hier wieder zurück zum Hauptbahnhof komme? Ich wollte etwas durch die Gegend schlendern bevor mein Zug abfährt, habe mich dabei jedoch verlaufen", lachte ich etwas nervös. „Klar, ich bringe dich hin!" An seinem Schmunzeln, das er versuchte zu unterdrücken, erkannte ich, dass ihn meine Bitte amüsierte. Ganz automatisch schenkte ich ihm ein schüchternes Lächeln, was ihm erneut ein Lachen entlockte. Also umfasste ich den Griff meines Trolleys und folgte dem mysteriösen Fremden.
Während wir so durch die Straßen liefen ergriff er erneut das Wort: „Darf ich dich fragen wohin du fährst?" „Ich besuche meine Schwester und ihren Freund in Beelitz-Heilstätten." „Wie lange wirst du denn bleiben?" „Jetzt einmal für mindestens zwei Wochen, solange habe ich nämlich frei", kam mir leichter über die Lippen als gedacht.
Als Antwort erhielt ich bloß ein nachdenkliches Nicken. Den Rest des Weges brachten wir schweigend hinter uns. Gerade begann mir die Stille zwischen uns unangenehm zu werden, da kamen wir auch schon am Berliner Hauptbahnhof an. Die Anzeigetafel verriet uns, dass mein Zug erst in einer Stunde abfahren würde. „Darf ich dich während wir warten auf einen Drink oder auch ein Eis einladen?", fragte mich mein Gegenüber ganz unverblümt. Unwillkürlich musste ich schlucken.
Ich wusste nicht was ich auf diese Frage antworten sollte. Noch bevor es mir allerdings bewusst war, erkannte ich schon an seinem breiten Lächeln, dass ich genickt haben musste. Somit stimmte ich einfach zu.
Somit betraten wir ein Lokal in der Nähe des Hauptbahnhofs. Wir setzten uns, bekamen sofort die Karte und bestellten. Mein Getränk schmeckte wirklich vorzüglich. Obwohl das Lokal sehr schick und gemütlich eingerichtet war, fühlte ich mich etwas unwohl. Von allen Seiten spürte ich Augenpaare, die sich in meinen Rücken bohrten. Langsam hatte ich das Gefühl verrückt zu werden. Bevor ich es verhindern konnte, formte mein Mund schon eine Frage: „Jetzt weiß ich nicht, werde ich paranoid oder starren uns wirklich alle Leute an?"
Schallendes Gelächter seinerseits drang an meine Ohren. Verwirrt musterte ich mein Gegenüber von oben bis unten. Was bitteschön war denn an dieser Frage so lustig? Anscheinend dürfte ich laut gedacht haben, denn keine Sekunde später erhielt ich auch schon eine Antwort: „Nichts ist lustig. Es ist alles in Ordnung, wirklich. Aber, du hast recht. Die Leute hier schauen uns wirklich an. Das liegt daran, dass sie mich im Gegensatz zu dir kennen bzw. besser gesagt erkennen."
Nun zierte ein großes Fragezeichen mein Gesicht. Diese Tatsache verursachte erneut ein herzliches, tiefes Lachen. Auch ich ertappte mich dabei, wie ich lächelte. „Tut mir leid. Ich möchte, dass du weißt, dass ich mich keinesfalls über dich lustig mache. Sagt dir der Name Luke Welt etwas?"
Jetzt lag es an mir ihn mit großen Augen anzusehen. „Nein, das konnte doch nicht sein oder?", dachte ich bei mir. Erneut musterte ich mein Gegenüber von oben bis unten und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Oh, mein Gott", keuchte ich fast tonlos. Jedoch laut genug, dass der mysteriöse Fremde, Luke Welt, mich verstehen konnte. Somit drang sein wundervolles Lachen erneut an mein Ohr. „Tut mir leid. Mein Herumgestotter ist mir ehrlich gesagt etwas peinlich", erklärte ich ihm ebenfalls lachend, „Ich heiße übrigens Luisa." „Das muss dir nicht peinlich sein, Luisa. Ich finde es irgendwie süß."
Gerade in dem Moment wollte ich einen Schluck von meinem Drink nehmen. Prompt verschluckte ich mich daran. Nach Luft japsend hustete ich mir die Seele aus dem Leib. Augenblicklich sprang Luke von seinem Sessel, um zu mir herüber zu hasten und mir sachte auf den Rücken zu klopfen. Mein Husten ebbte langsam ab. Die leichte Röte, die mein Gesicht zierte, verblieb jedoch noch eine Weile.
„Danke!", stieß ich aus, nachdem ich mich wieder gefasst hatte. „Nicht dafür." Luke kehrte ruhig und gelassen zu seinem Platz zurück. Kaum saß er wieder, richtete er seinen Blick erneut auf mich. Intensiv sah er mir in die Augen.
„Meeresblau!", kam flüsternd über seine Lippen. Seine Stimme war nur ein Hauchen, was mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Abermals erröteten meine Wangen. „Meeresblau!", wiederholte er, „Amys Augen waren ebenfalls blau, aber deine sind viel schöner." Lange konnte ich seinem intensiven Blick nicht standhalten. Also drehte ich mich verlegen zur Seite. Dabei fiel mein Blick auf meine Armbanduhr. Erschrocken weiteten sich meine Augen. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Nun mussten wir uns wirklich beeilen, um wieder rechtzeitig am Bahnsteig zu sein.
Luke sah den Schrecken in meinen Augen und rief sogleich einen Kellner, um die Rechnung zu begleichen. Dieser kam auch sofort. Er war eben wahrhaftig der Luke Welt, ein grandioser Schauspieler und zudem auch ein überaus talentierter Musiker. Gerade wollte ich meine Geldbörse zücken, da hatte meine Begleitung jedoch schon für uns beide bezahlt.
„Danke, aber das wäre doch nicht nötig gewesen", sagte ich, während ich mir meine Sachen griff. „Gerne!", antwortete mir Luke, als wir bereits eilig das Lokal verließen. Ganz der Gentleman, der er nun einmal war, hielt er mir die Eingangstüre auf. Dabei spürte ich immer noch die Blicke aller Gäste in meinem Rücken brennen. Schnell rannten wir zu meinem Zug, der schon abfahrbereit am Gleis stand.
Hastig sprang ich hinein und wie selbstverständlich reichte mir Luke von unten meinen Trolley. „Ich danke dir!" „Das ist doch selbstverständlich!" „Darf ich dich morgen in Beelitz-Heilstätten besuchen kommen?", fragte Luke noch, als der Schaffner bereits die Abfahrt des Zuges anpfiff. Gerade bevor sich die Türen schlossen, konnte ich ihm noch zurufen: „Okay, ich hole dich pünktlich um 10 Uhr vom Bahnhof ab." Einmal mehr hatte ich schneller gesprochen, als mein Gehirn denken konnte.
Sobald ich einen freien Sitzplatz ergattert und mein Gepäck verstaut hatte, öffnete ich WhatsApp und schrieb meiner Schwester die geplante Ankunftszeit meines Zuges. Auf eine Antwort brauchte ich nicht lange warten.
Sis: Super, ich freue mich auf dich. Harem wird dich dann vom Bahnhof abholen. Bis später.
Ich bestätigte den Erhalt ihrer Nachricht und packte dann mein Handy wieder weg. Während der gesamten Zugfahrt döste ich ein wenig. Blöderweise wanderten meine Gedanken immer wieder zu „meinem mysteriösen Fremden", Luke Welt. Also versuchte ich ihn aus meinem Kopf zu verbannen. Gezielt wollte ich alles, was mit ihm zu tun hatte, verdrängen. Ihn aus meinen Gedanken zu vertreiben schaffte ich erst nach der 44-minütigen Zugfahrt, als mich der Freund meiner Schwester am Bahnhof empfing und herzlich in die Arme schloss.
Ida, meine jüngere Schwester, traf ich dann erst bei ihnen Zuhause an. Da sie sich momentan um einige, kleine Babykätzchen kümmerte und sie diese nur ungern länger alleine ließ. Stürmisch lief sie mir an der Haustüre entgegen und drückte mich fest an ihre Brust. Ich tat es ihr gleich. Bevor wir uns gegenseitig erdrücken konnten, lösten wir uns wieder voneinander.
Harem zeigte mir noch mein Zimmer für die kommenden zwei Wochen, bevor wir zu Abend aßen. Dann zog ich mich zurück, um auszupacken und mich Schlafen zu legen. Nach meinem langen Tag schlief ich augenblicklich ein.
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