Erfolg 13
Wenn mich jemand nach meinem Erfolg fragt, antworte ich selbstverständlich, wie jeder erfolgreiche Geschäftsmann darauf antworten würde: Es ist meine Morgenroutine und die generelle Strukturierung meines Tages und meiner Woche.
Mein Wecker klingelt jeden Morgen um 4:30 Uhr. Während andere ihren Weckton als nervig bezeichnen, muss ich sagen, dass es für mich da ganz anders aussieht. Ich höre meinen Wecker und sofort geht mir nur ein Gedanke durch den Kopf: "Dies ist der Beginn eines neuen wundervollen Tages, eine neue Chance, um etwas großartiges zu leisten!" Genau diesen Gedanken spreche ich dann auch jeden Morgen laut aus, filme es und lade das Video im Internet hoch.
Schließlich stehe ich mit einem breiten Grinsen auf und fange mit der morgendlichen Gymnastik an. 100 Kniebeugen, 100 Sit-Ups und 100 Liegestützen. Dabei lese ich das erste Buch des Tages. Wussten Sie, dass alle erfolgreichen Bücher Menschen lesen? So oder so ähnlich habe ich das Mal aufgeschnappt. Eine Stunde später setze ich mich nackt auf den Boden und meditiere. Früher führte ich das mit einer Applikation auf meinem Handy durch, aber mittlerweile weiß ich einfach was zu tun ist. Ich entspanne mich, lasse die Energie ganz langsam durch meinen Körper fließen und spüre eine Art inneren Frieden. Dabei lese ich ein Buch. Und ich poste noch ein Foto davon. Das kommt meistens gut, die meisten Leute lieben inneren Frieden. Mich eingeschlossen.
Anschließend nehme ich mein #breakfast zu mir: einen Apfel und einen Shake mit Erbsenprotein. Sehr gut für euren Körper. Und hoffentlich auch für meinen. Da bin ich mir aber auch noch nicht sicher. Dabei lese ich ein Buch.
Nachdem ich dann fertig mit Essen bin, ziehe ich mich aufs Stille Örtchen zurück und mache das, was man eben nach dem Essen macht.
Mit geleerten Darm und Magen stelle ich mich unter die Dusche und reinige nach der Innen- auch die Außenseite meines Körpers.
Komplett sauber trete ich vor mein Spiegelbild und sage Dinge wie "du schaffst das" oder "another day another challenge". Noch ein bisschen Muskelangespanne und schon bin ich glücklich. Wenn man den Tag mit dem Anblick eines solch hübschen Mannes beginnt, kann der Tag nur gut werden. Und wenn man selbst auch noch dieser Mann ist, oh my, #geilon!
Ein Spiegel-Selfie noch und los geht's.
Ehrlich gesagt habe ich keinen Job, deswegen wird um 12:00 Uhr mittags erstmal fernseh geguckt. Eigentlich mag ich das gar nicht, darauf angewiesen zu sein, immer das zu gucken, was gerade läuft. Aber seit Netflix die Preise erhöht hat, kann und will ich das nicht mehr bezahlen. Deswegen mach ich jetzt ARD und chill und verfolge wie der Bergdoktor in ein und derselben Folge zwei Menschen das Leben rettet, während seine Affäre im Krankenhaus liegt und sein Kind gebährt und seine Ehefrau sich so langsam fragt, was ihr Mann denn immer so macht, wenn er nicht gerade Leben rettet. Zu Hause ist er dann nämlich nicht, so viel stand schonmal fest.
Nach zwei Folgen ist es auch schon wieder zu viel des Guten, sodass ich mich umziehe und an die frische Luft gehe. Während ich durch den Wald schlendere, lese ich natürlich ein Buch. Um genau 17:30 Uhr sitze ich jeden Tag vor meinem PC, denn dann geht die erste von vielen Counter-Strike Runden mit meinem Team los. Dabei lese ich kein Buch, man kann ja nicht immer nur lesen.
Manchmal, während ich gerade dabei bin fiktive computergenerierte Soldaten zu erschießen, frage ich mich, warum ich nicht so erfolgreich bin, wie ich es gerne wäre. So sicher war ich mir gewesen, dass es klappen würde, nachdem ich alles angewandt hatte, was mir die erfolgreichen Influencer und Business-Bosses geraten hatten. Die Morgenroutine, das viele Lesen und natürlich auch noch meditieren.
Immer wenn ich diese Gedanken habe, schreit mich einer meiner Teammates an, ich solle mich besser aufs Spiel fokussieren oder das Team verlassen. Was war nur los mit mir?
Ich hasste es zu meditieren, um 4:30 Uhr aufzustehen ist der Horror und das viele Lesen vor allem von Sachbüchern senkt die Lust am Lesen eher noch. Für wen verbiege ich mich so? Für mich? Den Erfolg? Oder doch für jemand ganz anderen?
Von einem auf den anderen Tag lasse ich die Routine weg. Ich suche mir einen Job aus der Zeitung und werde schließlich Pizza-Liferant.
Jeden Tag schlafe ich nun bis 12:00 Uhr, den Sport habe ich reduziert und das Meditieren lasse ich ganz weg. Ich lese zwar etwas weniger, dafür aber umso lieber.
So wurde ich erfolgreich.
Also zumindest in Counter-Strike! Ohne diesen ganzen Routine-Quatsch kann ich mich fast ausschließlich auf das Spiel und aufs Gewinnen konzentrieren.
Endlich bin ich glücklich und die Leere in meinem Leben scheint gefüllt!
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