Kapitel 27

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Kapitel 27

Lucifer verspürte keinerlei Reue, als sein Schwert Metatrons Brust durchstieß und seine Zähne sich in dessen Kehle bohrten. Obwohl er sich unter aller Augen ereignete, war der Tod seines Bruders im Grunde unspektakulär. In dem Moment, als Metatron auf den Boden aufschlug, brandete der Jubel und die euphorischen Rufe der Dämonen auf. Lucifers Klauen bohrten sich in die Brust des Toten und schnitten durch das Fleisch, bis Metatron in einer Blutlache lag, die Augen starr zum dunklen Himmel gerichtet.

Kein Engel wagte es, den Höllenkönig aufzuhalten, als dieser sich hinunter beugte, Metatrons Brustkorb auseinanderzog und die Seele des gefallenen Helden verspeiste. Eine tiefe, düstere Kraft flutete durch seinen Körper. Lucifer krampfte sich zusammen, sein Körper rebellierte gegen die Veränderung, die ihn durchlief.

Dunkle Hörner wanden sich aus seinem Kopf und aus den brennenden Narben auf dem Rücken wuchsen gewaltige schwarze Schwingen. Ein tiefes Grollen entkam seiner Kehle, als er alles zurückließ, was einen Engel hätte ausmachen können. Ein schwarzer Schleier schien seine Haut zu überziehen und bildete eine natürliche Rüstung. Er konnte die entsetzten Blicke der Engel beinahe spüren. Für sie war er die Personifikation der Angst und des Untergangs – nicht zu unrecht, wie er ihnen noch beweisen würde. Metatrons Kraft erfüllte seinen Körper und benebelte den Geist im Machtrausch.

Triumphierend und blutverschmiert stieg der Dämon Lucifer über den toten, noch nicht abgekühlten Körper seines Bruders und sprengte das gewaltige Stadttor mit einem einzigen Wink seiner dunklen Kraft.

Die Stadtwache hatte den einfallenden Dämonen wenig entgegenzusetzen, die Zivilbevölkerung stob panisch in den Himmel auf, wo die Pfeile der Bogenschützen sie aus der Luft pflücken konnten. Die Armeen des Himmels konnten die Stadt nicht mehr schnell genug erreichen, um die dämonischen Heere am Eindringen zu hindern.

In der Mitte des allgemeinen Chaos' stand ein hochzufriedener Höllenkönig und betrachtete sein blutiges Werk. Der Himmel fiel.

„Zum Tempel!", schrie er den Soldaten zu, um die blutdürstige Menge anzuheizen. „Vernichtet den Himmel!"

Er stürzte sich mitten ins Schlachtgetümmel, doch auf vertrautem Boden würden die Engel seinen Truppen bald überlegen sein. Bis dahin musste er möglichst viel zerstört und Engel in die Flucht geschlagen haben. Die Moral der Dämonen war sein einziger Vorteil gegenüber den entsetzten Armeen des Himmels. Wenn er nur das Himmlische Feuer in seine Gewalt hätte bringen können...

„Ohne dich deiner Vergangenheit zu stellen, wirst du es nicht finden können! Die Toten wie die Lebenden wachen darüber!" Das waren Nathanaels Worte gewesen, bevor er ihn getötet hatte. Die Toten wie die Lebenden... sich seiner eigenen Vergangenheit stellen...

Lucifer knurrte, als ihm endlich aufging, wo das Himmlische Feuer vor ihm versteckt worden war.

„Alle Mann auf die Posten!", brüllte Midael. „Niemand gibt seine Position auf! Wenn ihr zusammen bleibt, schaffen wir es!"

Die Truppe, die seinen Rücken stärkte, schien ins Wanken zu geraten angesichts der Dämonenmassen, die nun die himmlische Stadt überfluteten und in Schutt und Asche legten. Soldaten wie Zivilisten fielen ihnen zum Opfer. Es war das größte Massaker, das die jungen Engel jemals erlebt hatten, doch Midael musste ihnen zugutehalten, dass sie hervorragend reagierten und nicht in Panik gerieten.

Er lotste sie durch einen Pfeilhagel und landete schließlich mit fünfzehn verbliebenen Soldaten auf dem Vorplatz des Tempels. Die ersten Dämonen hatten diesen heiligen Ort erreicht und Midaels Truppe war nicht in der Lage, den Platz zu halten. Nachdem vier von ihnen gefallen waren, ordnete der oberste Heerführer des Himmels den Rückzug an.

„Evakuiert so viele Engel ins Paradies oder zur Erde, wie ihr könnt", änderte er die Befehle. „Hier oben kämpfen wir nur auf verlorenem Posten; euer eigenes Leben hat höchste Priorität!"

„Was ist mit Euch, Sir?", erkundigte sich einer der jüngeren Soldaten.

„Ich werde versuchen, den Tempel zu beschützen", entgegnete Midael ernst und bevor jemand versuchen konnte, ihn umzustimmen, schwang er sich bereits wieder in die Lüfte und kehrte zum Tempel zurück. Er musste den Herrn in Sicherheit bringen.

Er überrumpelte zwei Dämonen in der Eingangshalle und mähte sie nieder, bevor sie sich auch nur umdrehen konnten. Als er die Treppen hinauf zum Arbeitszimmer des Herrn hinauf eilte, zog er eine Blutspur hinter sich her. Seine Flügel zogen blutige Striemen über die Wände.

„Herr!"

Er stürmte ins Arbeitszimmer – und fand es leer vor. Keine Spuren eines Kampfes, kein Blut, keine Toten. Gott schien sein Refugium freiwillig verlassen zu haben.

„Herr?"

Midael seufzte. Hier konnte er nichts ausrichten. Jetzt galt es, Lucifer aufzuhalten und wenn es das letzte war, was er tat!

Michaels Grab war im Gegensatz zu der gewaltigen Statue, die an seine Heldentaten erinnern sollten, erschreckend schlicht mit dem weißen Grabstein und der verwitterten Grabplatte. Lucifer nahm sich einen Moment Zeit, um es auf sich wirken zu lassen. Er war noch nie hier gewesen, wünschte aber plötzlich, er wäre es. Ob es ein leeres Grab war?

Seufzend schloss er die Augen und konzentrierte sich auf das Grab. Seine Fingerspitzen prickelten unter der dunklen Macht und er spürte, wie unter der Grabplatte etwas reagierte. Etwas heißes, mächtiges pulsierte darunter, eingeschlossen durch eine engelhafte Kraft und versteckt an einem Ort, den Lucifer nicht zu schänden gewagt hätte – Michaels Grab.

„Die Lebenden wie die Toten...", hauchte er, „Und letztendlich ich selbst."

Er kniete sich vor das Grab und legte eine Hand darauf.

Mors certa, hora incerta – Der Tod ist gewiss, nur die Stunde ist ungewiss.

Wer hatte den Spruch für sein Grab ausgewählt?

„Es tut mir leid, Michael", hauchte er. „Das ist alles meine Schuld, bitte verzeih mir... Ich vermisse dich so, aber ich habe alles zerstört, was wir uns aufgebaut hatten... ich habe dich zerstört... Ich bin ein Sünder gegen Gott und gegen dich..."

Der Lärm des Schlachtfeldes wurde leiser. Ein warmes Gefühl überkam Lucifer, als hätte jemand die Arme um ihn gelegt.

„Was soll ich jetzt tun, Michael?", fragte er leise.

Und für eine Sekunde bildete er sich ein, eine Antwort zu hören.

Midael flog über den Himmel. Der Pfeilregen war eingestellt worden, stattdessen tobte unter ihm auf den Straßen die Schlacht. Rauch zahlreicher brennender Häuser erfüllte die Luft und selbst der Tempel war gestürmt worden. Für den Himmel gab es keine Hoffnung mehr, solange Lucifer nicht öffentlich zur Kapitulation gezwungen oder getötet wurde. Ohne ihren Anführer würden sich die Dämonen hoffentlich zerstreuen, aber vermutlich war es schon zu spät, um sich einzuschüchtern zu lassen.

Plötzlich erfüllte ein umfassendes Donnern den Himmel und die Dunkelheit begann sich zu lichten. Schlagartig kehrte absolute Stille ein, bis Midael daran zweifelte, ob er überhaupt noch hören konnte. Ein helles, göttliches Licht breitete sich vom Tempeldach aus und umhüllte bald die gesamte himmlische Stadt.

„Herr", hauchte er. „Rettet uns!"

Goldener Regen ging vom Himmel nieder und von seiner erhobenen Position aus konnte Midael die dämonischen Heerscharen flüchten sehen, offenbar vertrugen sie diese göttliche Macht nicht. Doch sie hinterließen einen zerstörten Himmel und so viele tote Engel, dass der Anführer der himmlischen Heerscharen befürchtete, dass sie sich niemals ganz von diesem Krieg würden erholen können.

Midael landete im Hinterhof des Tempels und steuerte das Grab des Erzengels an. Lucifer würde versuchen, das himmlische Feuer zu befreien und das würde er niemals zulassen!

Der Höllenkönig stand regungslos vor dem Grab, doch als Midael landete, wandte er mit einer merkwürdig falschen Bewegung den Kopf. Die schwarzen Hörner hatten sich inzwischen zu Spiralen gewunden und die dunkle Schicht überzog seinen gesamten Körper, als bestünde er aus erkalteter Lava. Die riesigen Flügel mit dem schwarzen Gefieder waren mit Blutspritzern übersät.

Mit einem schweren Schlucken zog Midael sein Schwert, die Nerven bis zum Zerreißen gespannt. Langsam näherte er sich Lucifer, dessen glühend rote Augen jeden Schritt aufmerksam verfolgten. Das göttliche Licht schien ihn nicht erreichen zu können, sondern prallte an einer unsichtbaren Mauer, die den gefallenen Engel umgab, ab.

Lucifer hob eine Hand und Midael wappnete sich bereits für einen Angriff, als die Stimme des Dämons vollkommen klar und gefasst erklang.

„Ich ergebe mich."

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