Kapitel 17

Kapitel 17

Ein warmes Gefühl von angenehmer Erschöpfung breitete sich in Theliel aus, als er sich neben eine Dämonin, die mit einer Artgenossin plauderte, ohne sich von seiner Anwesenheit stören zu lassen, setzte, um seine schmerzenden Füße auszuruhen. Außerhalb des Spiegelsaals herrschte die undurchdringliche Dunkelheit tiefster Nacht. Zwei Uhr war lange vorbei und die ersten Gäste verabschiedeten sich.

Sie hatten lange getanzt und bald hatte Theliel sich daran gewöhnt, die Schritte der Tanzpartnerin zu tanzen, während Lucifer ihn führte. Der Höllenkönig bahnte sich einen Weg durch die sich allmählich lichtende Menge und ließ sich neben den Engel auf die Sitzbank fallen. In jeder Hand trug er ein Glas mit elegant geschwungenem Griff. Aufdringlicher Prunk schien in der Hölle verpönt zu sein, zumindest der Höllenkönig schien auf schlichte, aber gezielte Eleganz im Kleinen zu setzen.

Dankend nahm Theliel das Getränk – eine leicht grünliche Bowle mit nicht wenig Alkohol, soweit er das beurteilen konnte – an und leerte es in wenigen Schlucken. Seine Kehle brannte und er musste husten, woraufhin Lucifer ihm lachend auf den Rücken klopfte.

„Langsam, das Zeug muss man genießen, sonst wachst du morgen mit dem Kater deines Lebens auf", grinste er und ließ den Blick über die Gäste schweifen, während er leicht an seiner Bowle nippte. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, doch er lächelte auf eine sanfte, zufriedene Art, die Theliel ebenfalls erfreute.

Der Gedanke, dass er es trotz allem noch mit einem Dämon zu tun hatte, drängte kurz in sein Bewusstsein, wurde jedoch bewusst beiseite geschoben.

Eine Dämonin löste sich aus der Menge und kam zielstrebig auf sie zu. Sie trug ein schwarzes Oberteil, das den Bauch frei ließ, dazu unglaublich hohe Schuhe, von denen Theliel nicht gedacht hätte, dass man sich so schnell und sicher darauf hätte bewegen können, und einen hässlichen, rosafarbenen Rock, der nicht einmal ein Drittel ihrer Oberschenkel bedeckte. Theliel hätte sich nur minimal vorbeugen müssen, um darunter zu schauen, doch vermutlich hätte die Dämonin ihn dann geköpft.

„Succubus!" Lucifer lächelte ihr entgegen. „Du bist noch hier? Ich dachte, du hättest längst eine.... Bleibe für die Nacht gefunden."

Die Dämonin grinste, wobei sie ebenmäßige, unnatürlich weiße Zähne entblößte. Sie war auf eine perverse, falsche Art anziehend; Theliel konnte den Blick nicht von ihr lassen, von ihrem weiten Ausschnitt, dem kleinen Bauchnabel und ihren langen, schönen Beinen. Um das rechte wand sich ein dunkles Tattoo einer Schlange, das sich bei jedem Schritt selbstständig zu bewegen schien.

„Oh, das ist pure Absicht", grinste sie zurück und setzte sich einfach auf Lucifers Schoß, um ihm kokett zuzuzwinkern. „Ich habe nur darauf gewartet, dass du von der Tanzfläche kommst, um dich mit mir zu unterhalten, Lu."

Ihre Stimme war tief für die einer Frau, betörend wie alles an ihr. Sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite, was wohl kindlich-unschuldig oder naiv wirken sollte, jedoch deutlich ihre Absichten dem Höllenkönig gegenüber verriet.

„Vergiss es, Sue, du hast bei mir keine Chance", meinte Lucifer, der diese Absichten ebenfalls durchschaut zu haben schien, mit einem nachsichtigen Lächeln. Succubus schürzte die vollen, roten Lippen und lächelte schließlich verführerisch.

„Ich weiß ja, dass dein Herz vergeben ist, aber wie es scheint, hast du dir bereits einen passenden Ersatz gesucht."

Erstmals zeigte sie, dass sie Theliel überhaupt wahrgenommen hatte, indem sie ihn aus dunklen, unergründlichen Augen abschätzend ansah. Der Engel senkte den Kopf.

„Als könnte ich jemals Ersatz für Michael finden", brummte Lucifer und machte Anstalten, sie von seinem Schoß zu verbannen, doch Succubus blieb hartnäckig.

„Was hat dieser Junge, was ich dir nicht auch geben könnte?", hauchte sie und strich über die zusammengekniffenen Lippen des Höllenkönigs.

„Lass es einfach!" Lucifer klang nun zunehmend genervt von den Avancen der Dämonin, die es allerdings als Herausforderung anzusehen schien, den König zu verführen. Theliel verfolgte dieses Spiel aus Flirt, Verführung und Zurückweisung mit wachsender Faszination. Ihm war klar, dass Succubus über ihn lästerte und auch Lucifer tat, als wäre er nicht anwesend, doch in diesem Moment störte es ihn nicht. Der Anblick der Dämonin fesselte ihn zu sehr, jedes ihrer Worte schien perfekt zur Situation zu passen, keine Bewegung geschah unbedacht.

Ihm wurde heiß und kalt, als sie ihre grazilen Füße aus den hohen Schuhen befreite und neben Theliel auf die Bank stellte, während sie selbst noch immer auf Lucifers Schoß hockte.

„Oh, kommt unser großer, böser Höllenfürst mit sowas etwa nicht klar?", neckte sie verspielt und ließ ihre langen, spitz zulaufenden Nägel über Lucifers Kinn und Hals abwärts wandern, während sie intensive Blicke tauschten.

„König, nicht Fürst!", knurrte der Dämon, doch die Schärfe war aus seiner Stimme verschwunden. Nun lag Misstrauen in seinem Blick, wie Theliel mit einem kurzen Blick feststellte.

„Euer Majestät", schnurrte Succubus, dann zog sie ihre Klauen mit einem Ruck über seine Brust, wobei sie nicht nur durch die Weste drang, sondern außerdem sein Hemd auf Höhe des Herzens zerfetzte, ohne ihn zu verletzen. Lucifer zeigte sich weiterhin unbeeindruckt.

„Was bezweckst du damit, meine Kleidung zu zerreißen? Es wird nicht dazu beitragen, dass ich eher mit dir ins Bett gehe."

Eine Berührung an seinem Oberschenkel lenkte Theliel ab. Erschrocken blickte er nach unten, wo Sues nackter rechter Fuß grade über seinen Schenkel zur Körpermitte wanderte, nicht ohne dort eindeutige Reaktionen hervorzurufen.

„Magst du es nicht, sich in wilder Lust die Kleider von Leib zu reißen, bevor man sich im Liebesspiel am Boden wälzt und..."

„Nein", entgegnete er kühl und schnitt Succubus damit das Wort ab. Sein Blick schien sie zu durchbohren, bis sie mit einem frustrierten Seufzen den Kopf abwandte.

„Des weiteren würde ich es begrüßen, wenn du den Engel nicht weiter belästigen würdest."

Ertappt hob Theliel den Kopf und errötete heftig, bis sein Gesicht vor Scham glühte. Glücklicherweise bedachte Lucifer ihn mit keinem Blick, während Succubus von seinem Schoß kletterte und wieder in ihre Schuhe schlüpfte. Sie schien ein wenig gekränkt zu sein, als sie sich entfernte, um sich wieder in die Menge zu mischen, vermutlich auf der Suche nach einem anderen „Opfer".

Mehrere Minuten saßen sie schweigend nebeneinander, bis Theliel sich einigermaßen beruhigt hatte, und den Kopf hängen ließ. Wieder einmal hatte er sich viel zu leicht von einem Dämon einwickeln lassen. Er musste zugeben, dass seine Vorsicht und Zurückhaltung gegenüber den Geschöpfen der Hölle deutlich zurückgegangen war. Welche Schande für einen Engel, sein Volk einfach zu vergessen, während er sich hier mit dessen Erzfeinden vergnügte!

Lucifer griff sein Handgelenk und zog ihn auf die Füße. Überrascht folgte Theliel ihm aus dem Saal und auf die Gänge.

„Ich glaube, es ist besser, wenn du dich für heute vom Ball zurückziehst", meinte der Höllenkönig und Theliel gab keine Widerworte. Nach diesem Erlebnis wäre es ihm sogar ganz recht, eine Weile allein zu sein.

„Tut mir leid wegen der Sache mit Succubus." Lucifer drehte sich zu ihm um. „Du bist doch bestimmt über die sieben Todsünden informiert."

„Ja", antwortete Theliel sofort und nickte eifrig. Jedem Engelkind wurde tausende Male eingebläut, niemals eine solche Sünde zu begehen, um nicht vom Himmel und der Gemeinschaft der Engel ausgeschlossen zu werden. Stolz, Geiz, Wollust, Maßlosigkeit, Rachsucht, Neid und Faulheit.

„Du musst wissen, hier in der Hölle wird jede Todsünde einem Dämon zugeschrieben", begann der Höllenkönig zu erklären und führte Theliel zurück in den Trakt, in dem dessen Zimmer gelegen war. Nach der Bowle bewegte er sich nicht mehr ganz so sicher auf seinen hohen Schuhen, wie der Engel belustigt feststellte.

„Succubus steht für Wollust, wie man sich nach der Aktion grade wohl denken kann", fügte er mit einem verschmitzten Lächeln hinzu, als er vor der Türe, die schon länger nicht mehr abgeschlossen werden musste, stehenblieb und wartete, dass der ebenfalls angetrunkene Theliel zu ihm aufholte.

„Aber wenn man sie unterschätzt oder auf ihren Körper reduziert, ist man schneller tot, als man ihren Namen stöhnen kann. Sue verführt sterbliche Männer, um ihnen im Schlaf die Seele zu stehlen. Niemand ist bei der Jagd so erfolgreich wie sie."

Theliel öffnete die Tür zu seinem Zimmer; er freute sich auf ein warmes, weiches Bett und ein bisschen Ruhe nach diesem anstrengenden, aber interessanten Abend.

Vorwitzig grinste er den Höllenkönig an, der Alkohol ließ ihn unvorsichtig werden.

„Und welche Sünde verkörperst du?"

Lucifers Mundwinkel zuckten, dann wandte er sich wortlos ab und machte sich auf den Rückweg zum Ball. Nach drei Schritten blieb er plötzlich stehen und seufzte leise, bevor er mit der Dunkelheit verschwamm.

„Stolz."

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