Kapitel 9
Ziellos wanderteTheliel durch den Himmel. Nach der Schlacht war der Alltag noch nichtin den Himmel zurückgekehrt, zu einschneidend waren die Verlustegewesen, als dass wieder alle Posten besetzt werden konnten. Soverzögerte sich Theliels Ausbildung, bis alles wieder seinengeregelten Gang ging.
„Hey!", erklangeine Stimme neben ihm und im nächsten Moment hakte sich jemand beidem kleinen Engel unter. Überrascht blickte er auf und erkanntePachriel. Sie trug eine legere Toga und Sandalen. Ohne ihre Stiefelwirkte sie kleiner.
„Was machst duhier?", fragten die beiden gleichzeitig. Pachriel lachte und es waransteckend. Theliel spürte überdeutlich die Stellen, an denen sichihre Haut berührte.
„Du warst beimHerrn", setzte Pachriel lächelnd erneut an. Sie wirkte entspannterals bei ihrem letzten Aufeinandertreffen. „Ich hoffe, Er hat dichnicht verdächtigt..?"
„Nein, hat ernicht." Theliel schluckte bei der Erinnerung an diese Begegnung.„Er hat mich nur um Hilfe gebeten."
„Oh!", machtePachriel überrascht und blieb stehen. Da sie noch immer bei ihmeingehakt war, zwang sie Theliel, ebenfalls stehen zu bleiben. „Darfich dann überhaupt fragen?"
„Na ja... Er hatmir zumindest nicht verboten, darüber zu sprechen."
„Lass uns in einCafé gehen, falls schon wieder eines geöffnet hat", entschiedPachriel und lief schon wieder weiter. Sie kehrten in ein Café imbesseren Viertel des Himmels ein, zu dem Theliel immer Zutrittbegehrt hatte. Jetzt hier zu sitzen fühlte sich merkwürdig an, dochPachriel schien häufig hier zu verkehren. Sie war eben ein Engel derhöchsten Triade.
Pachriel bestellteeinen Tee, dann schlug sie die Beine übereinander und lehnte sichvor.
„Erzähl mir, wasder Herr von dir wollte!" Sie klang deutlich neugieriger, als inihrer Position wohl angemessen wäre.
Zögerlich starrteTheliel auf die Tischkante. Er leckte sich über die Lippen, dochseine Kehle war plötzlich trocken.
„Er wollte, dassich Lucifer helfe", platzte er schließlich heraus. „Scheinbarhat der Morgenstern sich in einen Pakt mit einer mächtigen Dämoninverstrickt und ich könnte vielleicht helfen, ihn daraus zu befreien.Dann wäre er der ungehinderte Herrscher der Hölle."
Pachriel runzeltedie Stirn, dann nickte sie.
„Und wie genau?"
„Scheinbar gibt eswohl so eine Art Tor in der Hölle, das niemand von dort öffnenkann", versuchte Theliel zu beschreiben, was der Herr ihm erzählthatte. „Nur ein Engel kann es, aber auch nicht jeder. Dafürbraucht es wohl einige Eigenschaften, die ich aufzuweisen scheine.Genaueres weiß ich nicht; der Herr meinte, ich würde es verstehen,wenn ich davor stünde."
„Das Tor zuöffnen, würde den Morgenstern aus seinem Pakt befreien?", fragtePachriel nach. „Wie?"
„Was hinter demTor ist, war sein Teil des Pakts, den er erfüllen muss, sagte derHerr. Aber alleine kann er das Tor nicht öffnen und seineVertragspartnerin weiß das."
Ihr Tee wurdegebracht und beide Engel verstummten, bis die Bedienung wieder außerHörweite verschwunden war, nicht ohne dem ungleichen Paar einenverwunderten Blick zuzuwerfen. Natürlich war es für sieverwunderlich, einen unbedeutenden Engel wie Theliel mit einerThronenengelin wie Pachriel zu sehen.
„Warum sollte derHerr Lucifer dabei helfen wollen, der unangefochtene Herrscher derHölle zu werden? Der Morgenstern hat ihn verraten und hintergangen."
Es war Theliel nochimmer nicht möglich, den Blick zu heben, um seine wunderschöneBegleitung anzusehen. Pachriel war so viel gefestigter undselbstbewusster als er selbst, dass sie ihn einschüchterte.
„Ich glaube, dassder Herr sich gar nicht so weit zurückzieht, wie wir Engel denken.Es wirkte vielmehr so, als würde er um alle Engel trauern, die Ihnverlassen haben, auch Lucifer. Er betrachtet Lucifer nicht als vonGrund auf schlechten Mann, sondern als jemanden, den Er enttäuschthat und der sich jetzt seinen eigenen Weg fernab von Gott sucht."Es fühlte sich frevelhaft an, solche Vermutungen über den Herrnselbst aufzustellen.
„Der Herr istgütig", bekräftigte Pachriel. „Aber selbst Er würde einemVerräter wie Lucifer nicht vergeben können. Er ist ein Dämon. Dubist ihm doch ebenfalls verfallen!" Sie biss sich auf die Lippe undumschloss eilig die dampfend heiße Tasse mit den Fingern.„Verzeihung. Das sollte keine Unterstellung sein."
„Du hast jaRecht." Unglücklich nahm Theliel seine eigene Tasse entgegen undnippte an dem heißen Getränk. „Ich bin auf ihn hereingefallen. Erhat mich verführt und benutzt. Du kannst es ruhig aussprechen."
Pachriel beugte sichvor und legte behutsam eine Hand auf sein Knie.
„Ich bin froh,dass du heil aus der Hölle entkommen bist, Theliel. Du hast esgenauso wie jeder andere verdient, glücklich zu werden. Lucifer istein Dämon; er verführt die Leute. Deshalb ist er in der Hölle."
Theliel erzwang einLächeln, doch es wirkte so müde, wie er sich fühlte.
„Dennoch will derHerr ihn retten. Er hat es mir freigestellt, ob ich in die Höllegehen und ihm meine Unterstützung anbieten will, oder ob ich michzukünftig einfach heraushalten will", murmelte der kleine Engel.„Ich weiß nicht, was ich tun soll. Einerseits weiß ich, dass ichLucifer helfen könnte, andererseits weiß ich, dass er das nicht fürmich tun würde."
Pachriel trank ihrenTee in schnellen Schlucken. Es war ihr anzusehen, wie angestrengt sienachdachte.
„Weißt du schon,wofür du dich entscheiden wirst?", fragte sie schließlich.
„Nein." Sein Teewar noch zu heiß, um ihn trinken zu können. „Vielleicht doch. Ichmöchte Lucifer nicht mehr wiedersehen. Das wäre das Beste fürmich."
„Ich denke, dusolltest es tun", platzte Pachriel mitten hinein. Sie schenkte sichTee aus der Kanne nach und trank ihn mit großen Schlucken, ohne ihnüberhaupt abkühlen zu lassen.
„Was tun?",fragte Theliel verdattert.
„In die Höllegehen und Lucifer aus dem Vertrag befreien. Es ist eindeutig, dass dunoch Gefühle für ihn hast. Außerdem hat der Herr persönlich dichdarum gebeten, das ist noch ein Grund mehr, es dir zu überlegen. Dukönntest die Geschichte von Himmel und Hölle beeinflussen!"
Ihre Aufregung waransteckend.
„Ich glaube, ichhabe schon für genug Chaos gesorgt", murmelte Theliel ausweichendund wünschte, Pachriel würde ihn damit davonkommen lassen.
„Es sieht nur imMoment aus wie Chaos", entgegnete Pachriel, die keinen Millimetervon ihrem Standpunkt abzurücken bereit war, ohne dabei unhöflichoder ausfallend zu werden. „Aber wenn du später auf den heutigenTag zurückblickst, wirst du eine Ordnung darin erkennen können. Sohat der Herr die Welt geschaffen."
„Was ist, wenn ichnicht zurückblicken kann, weil ich tot sein werde?"
„Du bist mir jaein Sonnenschein", grinste sie. „Wenn du nicht gehst, wirst duwahrscheinlich leben. Aber du wirst auch nichts haben, worauf duzurückblicken kannst. Ist dir das lieber, als tot zu sein?"
Theliel schwieg.Über diese Frage musste er nachdenken. Er hatte nicht mehr viel hierim Himmel. Seinen Bruder, vielleicht eine Zukunft als Engel einerhöheren Triade, aber mehr nicht. Bis vor wenigen Monaten hatte ihmdas auch gereicht. Bevor Lucifer in sein Leben gerauscht war.
„Nein", hauchteer schließlich. „Das reicht mir nicht."
Pachriel nicktetriumphierend.
„Dann bleibt janur noch eine Frage zu klären."
„Und welche wäredas?"
„Was machst dunoch hier, Theliel? Du solltest längst auf dem Weg in die Höllesein."
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