Kapitel 5
Wattpad war bei mir für mehrere Tage down, bei euch auch?
Cadmiel stand amHerd und kochte Gemüsesuppe, als er hörte, wie die Haustür insSchloss fiel. Mit einer Hand noch im Suppentopf rührend, drehte ersich um und wartete darauf, dass sein jüngerer Bruder die Küchebetrat, doch stattdessen erklang nur ein gequältes Schluchzen ausdem Hausflur. Sofort ließ Cadmiel den Holzlöffel fallen und eiltezu Theliel, der mit tränenüberströmten Wangen im Eingang stand undes noch nicht einmal fertig gebracht hatte, sich die Schuheauszuziehen.
Behutsam schlossCadmiel die Arme um seinen kleinen Bruder. Die Entführung durch dieDämonen und Theliels Affäre mit Lucifer hatte einen Keil zwischendie beiden Brüder getrieben, die füreinander immer das Einzigegewesen waren, doch in diesem Moment dachte Cadmiel an keine ihrerAuseinandersetzungen. Er dachte nur daran, wie er Theliel tröstenkonnte.
„Was istpassiert?", fragte Cadmiel leise.
„Du würdest dasnicht verstehen. Nicht nach allem, was du über Lucifer und dieDämonen gehört hast – und scheinbar auch glaubst", wimmerteTheliel. „Und ich dachte irgendwie... ich könnte über ihnhinwegkommen, aber... eigentlich... tut es trotzdem weh... wenn ermich zurückweist."
„Du bist bei ihmgewesen?", hakte der ältere Bruder nach. „Ist er nicht in einerHochsicherheitszelle?"
„Doch, ist er.Aber Pachriel, eine Thronenengelin, hat mir erlaubt, mit ihm zusprechen", erklärte er zögerlich. „Aber Lucifer hat michfortgeschickt... er wollte mich nicht mehr."
Sein Wimmernsteigerte sich erneut zu einem Schluchzen und er brach weinend inCadmiels Armen zusammen. Mit einem Ruck hob Cadmiel seinen kleinen,zierlichen Bruder hoch, musste jedoch feststellen, dass er gar nichtmehr so zierlich war. Dennoch gelang es dem Fürstentum, seinenBruder ins Wohnzimmer zu tragen und ihn dort auf dem Sofa zuplatzieren. Er kniete sich vor Theliel und zog ihm dessen Schuhe aus.Dann setzte er sich zu seinem kleinen Bruder, um ihn zu knuddeln.
„Liebst du ihnnoch immer?"
„Ja", antworteteTheliel kläglich, wobei er sich eng an Cadmiel schmiegte. „Aber erhat mir nur etwas vorgespielt."
Seine Traurigkeitschlug so plötzlich in Wut um, dass er Cadmiel beinahe einenKinnhaken verpasste.
„Du hattestRecht", murrte der kleine Engel. „Den Dämonen ist nicht zutrauen! Ich hätte mich weiterhin an die Engel halten sollen."
Diese Worteversetzten Cadmiel einen Stich, den er im ersten Moment nicht richtigeinordnen konnte. Behutsam nahm er Theliels Hand, um seinen Bruder zuberuhigen.
„Die Engel hättendich sterben lassen", seufzte er. „Ich bin in der Hölle gewesen,um Lucifer zu bitten, dich freizulassen, jedoch vergeblich. Daraufhinhat man mich ins Gericht zitiert und in einem furchtbar gestelltenund nutzlosen Gerichtsprozess zum Deppen gemacht. Meine Verteidigungwar ein Witz, die Anklagepunkte auch. Und dem großen ErzengelGabriel – möge er in Frieden ruhen – war es wichtiger, denWaffenstillstand zwischen Himmel und Hölle zu wahren, als dich zuretten."
Theliels Augenweiteten sich entsetzt und sein Hals fühlte sich schlagartig trockenan. Mit zittrigen Fingern griff er nach seiner Teetasse und leertesie in großen Schlucken, doch die plötzliche Verlorenheit, die ihnbei Cadmiels Worten erfasst hatte, ließ sich nicht allein mit Teevertreiben.
„Der Himmel hättemich auch aufgegeben?", stammelte er schließlich. „Ich dachte,sie wüssten gar nicht, in welcher Situation ich mich befinde...!"
„Doch", seufzteCadmiel. „Aber es war ihnen wichtiger, den Schein zu wahren."
„Warum... warumerzählst du mir das alles?" Theliel spürte die Tränenaufsteigen, doch er wollte nicht weinen, wollte seinem großen Bruderbeweisen, wie stark er in dieser schwierigen Situation war.
„Ich kann dir dochnicht die Wahrheit verschweigen!", protestierte Cadmiel, doch seineWorte stießen bereits auf taube Ohren. Wie in Trance erhob sichTheliel und ging in den Flur, schlüpfte in seine Sandalen und drehtesich mit einem gespielten Lächeln zu seinem Bruder um.
„Ich muss nochmalraus... aber ich bin bald zurück, bitte mach dir keine Sorgen."
Er konnte Cadmielansehen, dass dieser protestieren wollte, und er rechnete es seinemgroßen Bruder hoch an, dass er den Mund hielt.
Lucifer rannteinzwischen, so schnell er konnte. Seit er sich das letzte Mal imTempel aufgehalten hatte, war viel Zeit vergangen, sodass er sich inden weitläufigen Treppen erst einmal verlief. Seine Flucht hatte dieWachen auf den Plan gerufen, die ihn jetzt rufend und flatterndverfolgten. Dabei verursachten sie so viel Lärm, dass Lucifer siebereits von Weitem kommen hören und ihnen somit ausweichen konnte.
Er bereute es, demaußer Gefecht gesetzten Wächter keine Waffe abgenommen zu haben,aber notfalls würde er einen oder zwei der Thronenengel auch soausschalten können, schließlich war er selbt an der Entwicklungihres Kampfstils beteiligt gewesen.
Ein fast zwei Metergroßer, voll gepanzerter Engel mit goldenem Visir trat dem Dämon inden Weg. Er trug eine Lanze, mit der er dem Höllenkönig den Wegabzuschneiden versuchte. Blitzschnell bog Lucifer die Waffe beiseite,drehte sich ein halbes Mal um die eigene Achse und zielte mit demEllbogen auf die Schwachstelle zwischen Helm und Brustpanzer.
Mit einem ersticktenKeuchen holte der Thronenengel zum Gegenangriff aus. Als relativkleiner Mann wäre es ihm nicht möglich, den riesigen Engel einfachüber seinen Kopf zu werfen, also musste er ihn anderweitig zu Bodenbringen, bevor die Verstärkung eintraf. Ein nutzloser Tritt ginggegen das gepanzerte Schienbein, gefolgt von einem weiteren Hieb indie Schwachstelle am Hals.
Mit einem gezielten Schlag gegen dasHandgelenk des Engels entwaffnete er diesen, fing die Lanze, dieherabzufallen drohte, und ramme das stumpfe Holzende in dieAussparung des Helmes, hinter der die Augen verborgen lagen.
Der Höllenkönigwirbelte herum, die Lanze vor der Brust. Er wägte ab, ob er denEngel töten sollte, doch dieser taumelte bereits und wäre nicht inder Lage, Lucifer aufzuhalten. Die Lanze war nicht Lucifersbevorzugte Waffe, doch für den Moment würde sie genügen.
Er steuerte erneutauf die Treppe zu, doch zwei bewaffnete Thronenengel kamen ihm vonunten bereits entgegen, also schlug Lucifer die entgegengesetzteRichtung ein, sprintete durch den Korridor und peilte dasBuntglasfenster an dessen Ende an. Mit ganzer Kraft schleuderte erdie Lanze, um das Glas zu zerbrechen, bevor er sich abstieß und ausdem Fenster sprang.
Glücklicherweisehatte Lucifer die Höhe großzügig eingeschätzt. Es gelang ihm,sich auf dem harten Pflaster abzurollen, doch jeder Knochen in seinemKörper schmerzte, als er über den nächtlichen Platz stolperte,dicht gefolgt von den Thronenengeln, die den Tempel verlassen hatten.
Im Laufen sammelteLucifer die Lanze auf, doch sie behinderte seinen Schwung. Einer derEngel war auf die Idee gekommen, die Verfolgung fliegendfortzusetzen, sodass Lucifer jede Sekunde mit einem Angriff von obenrechnete.
In dem Moment, alser den Flügelschlag über sich hörte, drehte Lucifer sich um,wodurch er rückwärts weiterlaufen musste, die Lanze hoch erhoben.Die Wucht, mit der der Engel in die Spitze der Waffe raste, brachteden Höllenkönig ins Stolpern, sodass der zweite Engel innerhalbeiner Sekunde zu ihm aufschloss. Die Klinge eines Schwerts verfehlteLucifers Gesicht um einen halben Zentimeter, als dieser sichabrollte, nur um unter dem Wächter begraben zu werden.
Engel und Dämonstarrten einander an, glühendes Rot traf auf angsterfülltes Blau.Lucifer spürte seine Reißzähne und Klauen, doch solange der Engelnoch auf ihm lag, war es ihm unmöglich, dem Schwert des anderenWächters auszuweichen.
In diesem Momenterschien Lilith neben dem Engel und ihr langer, in einem Widerhakenendender Schweif wickelte sich um die Kehle des Engels. Sie hob ihnin die Höhe, als wöge er nichts und ließ ihn dort zappeln, währendsie Lucifer auf die Füße half. Ein diabolisches Grinsen stand aufihren Lippen.
„Du vergisst dochhoffentlich unseren Pakt nicht, Lucifer. Bis er erfüllt ist,schuldest du mir etwas."
„Die Vanth?",schnaubte Lucifer. „Ich befreie sie und du lässt mich in Frieden?Einverstanden."
Er stapfte an ihrvorbei, ungeachtet des Engels, der neben der Dämonin zusammen sank.Brandblasen und Spuren der Verätzung bildeten sich auf seinen Halsan den Stellen, an denen Lilith ihn berührt hatte.
„Du bist frechgeworden, seit ich dir zum letzten Mal begegnet bin", zischte sieund ihre Stimme steigerte sich zu einem Lispeln.
Lucifer antwortetenicht darauf, sondern stapfte einfach weiter. Nach Sonnenuntergangwaren nur wenige Engel auf den sauber gepflasterten Straßen desHimmels unterwegs, als würde die Dunkelheit sie ängstigen. Erkannte die Wege nicht mehr, die ihn zu den Toren führen würden,doch die Tore waren diesmal nicht sein Ziel. Stattdessen eilte er aufdie Stadtmauern zu. In der Dunkelheit konnte er nicht erkennen, wosich die Wachen aufhielten, aber das hieß umgekehrt auch, dass sieihn nicht ausmachen konnten.
Lilith schien ihmnicht länger zu folgen, aber dafür hörte er Schritte in einerGasse rechts von ihm. Erneut auf der Hut, aber diesmal ohne Lanze,bleckte Lucifer die Zähne. In der Sekunde, in der er die Gestalt,die aus der Dunkelheit trat, jedoch erkannte, ließ seineAggressivität sofort nach.
„Lucifer?",fragte der Engel.
„Theliel?",fragte Lucifer zurück.
Und er konnte nichtleugnen, dass er froh war, seinen kleinen Engel wiederzusehen.
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