Kapitel 10

Theliels Kehle warstaubtrocken, als er mit zitternden Flügeln den Thronsaal betrat.Nachdem er dem Herrn seine Entscheidung, Lucifer zu helfen,mitgeteilt hatte, war der Weg in die Hölle hinab ein Kinderspielgewesen. Dumpf erinnerte er sich an Lucifers Mahnung, nicht alleineumherzuwandern. Ganz besonders nach einem verlorenen Krieg wollteTheliel sich nicht Auge in Auge mit einer Horde feindlich gesinnterDämonen wiederfinden, daher überwand er das letzte Stück des Wegsfliegend.

Im Anwesen desHöllenkönigs war es still. Er hatte sein Eintreffen bei denBediensteten angekündigt, doch offenbar war Lucifer noch nichtbereit, ihn zu empfangen. Etwas verloren blieb der Engel einigeSchritte vor dem Thron stehen, verschränkte die Arme hinter demKörper und wartete.

Sein Blick wandertedurch den leeren Raum. Erst nach einigen Sekunden fiel ihm auf, dassdas Schwert, das bisher in der Vitrine verborgen gelegen hatte,entfernt worden war, sodass nur noch der leere Sockel zurückblieb.Theliel war bisher stillschweigend davon ausgegangen, dass es sich umeine Waffe mit großem historischen Wert handeln müsse, die dahernicht mehr in Gebrauch war, doch scheinbar hatte er sich getäuscht.

Er versuchte, sichdaran zu erinnern, welche Waffe Lucifer während der Schlacht um denHimmel geführt hatte, doch seine Erinnerungen an die Nacht in seinemZelt waren verschwommen und von Lust getrübt. Für eine Sekundeglaubte Theliel, Lucifers Lippen wieder auf seinen zu spüren,während er von dem Dämon in die Matratze gedrückt wurde.

In diesem Momentschwangen die Flügeltüren des Thronsaals auf und Lucifer stürmtein Belials Begleitung herein. Erfreut lächelte Theliel dem bestenFreund des Höllenkönigs zu, der ihn während seiner eigenen Zeit inder Hölle sehr freundlich behandelt hatte, doch Belial erwiderte dasLächeln nicht. Er schien den kleinen Engel nicht einmal mehrwiederzuerkennen.

„Was führt dichdenn her?", blaffte Lucifer ohne eine Begrüßung. Er wirkteaufgewühlt. Sein schwarzes Haar war zerzaust, sein Hemdzerknautscht. Er trug seine zwei üblichen Kurzschwerter rechts undlinks seiner Hüfte bei sich. „Hatte ich nicht klar genugausgedrückt, dass du dich in Zukunft besser von mir fernhaltensolltest? Wir sind Feinde, Theliel!"

Es kostete ThelielÜberwindung, seine verletzten Gefühle herunterzuschlucken und sichan den Auftrag zu erinnern, wegen dem er hergekommen war. Er kam inGottes Auftrag, er hatte nichts zu befürchten.

„Ich weiß",begann er zögerlich. „Aber der Herr hat mich geschickt, um dir zuhelfen."

„Warum sollte erdas tun?", fauchte Lucifer aggressiv. Seine Augen glühten rötlichund Theliel glaubte mit einem unguten Gefühl in der unterenMagengegend, die Ansätze von Lucifers Reißzähnen erkennen zukönnen.

„Er will dirhelfen", setzte der kleine Engel diplomatisch an, spürte jedoch,wie seine Knie weich wurden. Etwas schien Lucifer aus demGleichgewicht gebracht zu haben und seine Aggressivität zu steigern.„Ich kann dir dabei helfen, die Vanth zu befreien."

Hilfesuchend blickteer zu Belial, der immer noch unbeteiligt in die Gegend starrte.Theliel kam der Gedanke, dass der beste Freund des Höllenkönigsvielleicht während der Schlacht um den Himmel Verletzungendavongetragen hatte, die ihn beeinträchtigten. Sein Blick wandertezurück zu Lucifer, der sich nervös über die Lippen leckte.

„Schaden kann esnicht", meldete sich Belial in diesem Moment. Seine Stimme klanghohl und fremd, alle Wärme und Freundlichkeit waren sowohl ausseiner Mimik, als auch aus seinem Tonfall verschwunden. Diedrastische Veränderung jagte Theliel einen Schauer über den Rücken.Sein Hals war zu trocken, um eine Frage danach zu stellen.

Lucifer nicktelangsam. Er trug denselben Gesichtsausdruck, den er auch machte, wenner einen Vorschlag Azazels abwägte. Theliel fragte sich, ob Azazelim Krieg gefallen war oder dem jungen Engel einfach aus dem Weg gehenwollte.

„Versuchen wires", knurrte er und wandte sich um, um aus dem Raum zu stapfen.Theliel hatte Mühe, mit seinen langen, wütenden Schrittenmitzuhalten.

Schweigend stiegendie drei Männer in die Tiefen des Anwesens hinab. Mit jedem Schrittschien es um sie herum kälter zu werden, bis Theliel in seinerfestlichen, weißen Toga, die er extra angezogen hatte, um Lucifer zubegegnen, zu frieren begann. Ihre Schritte halten in dem dunklenGewölbe wieder. Der Höllenkönig, der voran ging, entzündete mitseinen dämonischen Kräften die Fackeln auf dem Weg in die Tiefe.

Sie blieben voreiner massiven Metalltür stehen. Theliel schluckte. Die Präsenzeines Wesens jenseits der Barriere drängte sich dem kleinen Engelübermäßig auf. Er fühlte einen Schauder über seine Schulternkriechen, der nichts mit der Kälte zu tun hatte.

Lucifers und BelialsAnwesenheit waren längst vergessen, als Theliel wie von selbst eineHand ausstreckte. Seine Beine machten selbstständig einen Schrittnach vorne, bevor er die Kontrolle über seinen Körperzurückerlangte und innehielt.

In diesem Momentdonnerte ein Schrei durch die Verliese des Anwesens, der Theliel vorSchreck wieder nach hinten springen ließ. Aus dem Augenwinkelregistrierte er, wie Lucifer sich duckte und die Zähne bleckte. DerSchrei eines Mädchens hallte durch das Anwesen, gefolgt vonKratzgeräuschen auf der anderen Seite der Metalltür. Die Vanthschrie, als würde sie Höllenqualen leiden.

„Sie spürt dich",knurrte Lucifer, dessen rot leuchtende Augen sich in der Dunkelheitabzeichneten. „Sie weiß, dass du hier bist."


Die Vanth erinnertesich nicht an Licht. Sie hatte ein grobes Konzept davon, was Lichtgewesen war, doch in ihrer Welt herrschte seit Jahrtausenden ewigeDunkelheit. Doch auf der anderen Seite der versiegelten Tür, die siean diesem Ort gefangen hielt, spürte sie überdeutlich ihreErlösung. Sie sehnte sich nach der wispernden Stimme ihrer Mutter,die ihr tröstliche Worte zu flüsterte. Sie sehnte sich nach Nahrungund Licht.

Ihre eigenen Schreiehielten sie bei Verstand. Solange sie schreien konnte, hatte sie nochnicht aufgehört zu existieren. Mit aller Kraft hämmerte sie gegendie versiegelte Tür, die sie von der Freiheit trennte. Ihre Klauenkratzten wirkungslos über das Metall.

Ein Summen erfülltedie ewige Stille ihres Kerkers. Überrascht wich die Vanth zurück,als sich auf der Metalltür leuchtend rote Linien abzuzeichnenbegannen, die sich zu immer komplexeren Mustern spannten. Das Summenschwoll an, je mehr Linien sich in das Metall brannten, bevor einmetallisches Knirschen erklang.

Der Mechanismus, dersich im Inneren der Tür verbarg, öffnete das Schloss. Das roteLeuchten erstarb so schnell wie es aufgekommen war. Vorsichtigtastete die Vanth sich durch die Dunkelheit, bis sie das erwärmteMetall unter ihren Fingerspitzen spürte. Mit sanftem Druck hob siedie Tür aus dem Schloss.

Die Vanth war frei.



Schöne Ferien an alle, die zur Schule gehen ^-^


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