Kapitel 19


Ein zaghaftesKlopfen riss Beliel aus dem dämmrigen Schlaf auf dem Sofa imWohnzimmer. Verwirrt schreckte er auf, bis ihm aufging, dass jemanddraußen vor der Tür wartete, eingelassen zu werden. Hastig rappelteer sich auf, nur um festzustellen, dass Mitternacht bereits vergangenwar. Sich das Gefieder richtend tappte er zur Tür und öffnete.

Auf der Türschwellestand ein kleiner, in sich zusammengesunkener Erzengel. Die blondenLocken klebten ihm nass vom Regen im Gesicht und immer wiederdurchlief ein Zittern den schmalen Körper, während er gegen dieTränen ankämpfte.

„Michael...",murmelte Beliel erstaunt. „Es ist nicht sicher, sich um dieseUhrzeit hier aufzuhalten..."

„Ich... ich weiß",wimmerte Michael, strich sich das Haar aus dem Gesicht und blickteBeliel weinerlich an. So niedergeschlagen hatte Beliel ihn seit derNachricht von Lucifers Tod nicht mehr erlebt. „Kann ichreinkommen... bitte?"

„Natürlich!"Schnell trat Beliel beiseite, um den durchnässten Engel einzulassen,der die Arme um den Oberkörper geschlungen hatte. Die weiße Togaklebte an seinem Körper und als er Beliel ins Wohnzimmer folgte, saher aus, als müsse er sich jede Sekunde übergeben.

„Michael, was istlos?"

Der Erzengelunterbrach sein leises Schluchzen und als er den Blickkontakt suchte,erinnerte sich Beliel an die Zeit vor ihren heimlichen Treffen vollerrevolutionärer Gedanken. Als sie alle einfach nur eineeingeschworene Truppe gewesen waren, Lucifer, Michael, Arariel,Rosiel und er selbst. Ein Team, das durch zu viele Pläne undSchicksalsschläge auseinandergedriftet war. Er erinnerte sich an dieZeit, in der er mit Michael hatte lachen können, in der Michaelhauptsächlich ein Freund und nicht Lucifers Partner gewesen war.

„Setz dich",fuhr Beliel ein wenig sanfter fort und deutete auf das Sofa, auf demer sich eben noch behaglich zusammengerollt hatte.

Schweigend saßendie beiden Engel nebeneinander, ohne ein Wort zu wechseln, doch dieStille zwischen ihnen war von einem unangenehmen Charakter. Michaelbemühte sich, sein Schluchzen unter Kontrolle zu bekommen, dochBeliel sah deutlich, wie viel Mühe es ihn kostete. Schließlichrückte er näher zu Michael und legte tröstend beide Arme um ihn,woraufhin er kleine Engel endgültig in Tränen ausbrach. Schluchzenddrückte er sich an Beliel, der gut nachvollziehen konnte, wasMichael durchmachte. Lucifer zu verlieren war für sie alle einSchock gewesen, denn wie Beliel hatte feststellen müssen, gab eskaum einen Aspekt seines Alltags, in dem Lucifer nicht präsentgewesen war.

Es ärgerte denCherub beinahe, wie abhängig er sich von diesem hitzköpfigen Engelgemacht hatte. All seinen Worten hatte er gelauscht, als wären sieeine heilige Offenbarung, jede seiner Ideen geteilt und als eigeneakzeptiert. Aber verdammt, er vermisste seinen besten Freund so sehr!

„Beliel",hauchte Michael, der mit den Nerven völlig am Ende schien. „Es tutmir so leid..."

„Du trägst keineSchuld daran", versuchte Beliel, ihn zu beruhigen. Er spürte, wiesich Michael gegen seine Umarmung stemmte und ihn mit von Tränengeröteten Augen ansah.

„Doch", wisperteer. „Das ist alles meine Schuld. Ich wusste, welche AbsichtenLucifer hegte... also habe ich den Herrn gewarnt." Er senkte denBlick. „Ich habe ihn verraten."


Vanths Schreiehallten seit Stunden durch das Anwesen. Anfangs hatte Luciferversucht, sie zu ignorieren, doch inzwischen wälzte er sich nur nochunruhig auf dem Bett hin und her, während er versuchte, trotz derständigen Albträume Schlaf zu finden. Ständig erschien ihm inseinen Träumen eine Gestalt, blutig und verunstaltet, die ihn fürihren Tod verantwortlich machte. Er wusste, dass es sich bei dergesichtslosen Gestalt um Amon handelte.

Ruhelos begannLucifer, im Zimmer auf und ab zu laufen. Die Dunkelheit machte ihnwahnsinnig und beschwor Monster hervor, die sich in den Eckenverkrochen, ihn aber nicht aus den Augen ließen. Überall auf seinemKörper glaubte Lucifer dann, ihre Blicke zu spüren, bis er sie mitdem Anzünden der Kerzen vertrieb.

Obwohl die Gefahrbestand, etwas dabei anzuzünden, schlief er nur noch mit zweiDutzend brennender Kerzen im Zimmer. Irgendwann stellte er fest, dassselbst nach vier Tagen seine Konzentration nicht unter demSchlafmangel litt, also stellte er das Schlafen ganz ein undarbeitete stattdessen Tag und Nacht.

Ab und an sah Leonanach ihm, doch Lucifer ignorierte sie die meiste Zeit. Wenn er nichtdaran arbeitete, die Hölle zu reformieren, hielt er sich draußenbei seinen Pferden auf. Schließlich brach er vor Erschöpfungzusammen und musste auf Leonas Anordnung hin doch schlafen, ohnedabei Erholung zu finden.

Nach einigen Wochenfand er eine Möglichkeit, Stress abzulassen. Seitdem lagengriffbereit neben seinem Bett eine Rasierklinge undDesinfektionsmittel bereit. Vor Leona konnte er selbst mit weitenÄrmeln und sorgfältigem Beseitigen aller Blutspuren seine'Therapie' nicht geheim halten.

„So geht es nichtweiter", erklärte sie streng und deutete auf die Klinge, an dernoch frisches Blut klebte. Lucifer hielt sich den Arm, der vorSchmerz brannte, doch es war ein guter Schmerz und mit dem Blut flossauch der Stress aus ihm heraus. Manchmal dachte er darüber nach,sich aufs Bett zu legen und so lange zu schneiden, bis nichts mehrvon ihm übrig war.

„Irgendwie geht esimmer weiter", entgegnete er kühl. Das war kein Thema, über daser reden wollte. Die Scham, so schwach geworden zu sein, dass er sichselbst verletzen musste, um durchzuhalten, nagte an ihm und trieb ihmdie Röte ins Gesicht. Er kam sich vor wie ein Kind, das von seinerMutter getadelt wurde.

„Lucifer!"

Beim Klang seinesNamens zuckte er zusammen. Es klang wie eine Beleidigung.

„Du isst nicht, duschläfst nicht, du schneidest dir selbst die Arme auf!", fuhrLeona unerbittlich fort. „Du kapselst dich ab und unternimmst nichteinmal den Versuch, deinen Freunden mitzuteilen, dass du noch amLeben bist!"

„Ich versuche, denDämonen zu helfen!", knurrte Lucifer gereizt und fuhr sich durchdas inzwischen ganz schwarze Haar. „Ich will Amons Opfer gerechtwerden. Aber ich kann nicht anders durchhalten als so, es ist alleszu viel für mich!"

Leona setzte zueiner Erwiderung an, doch Lucifer schnitt ihr das Wort ab.

„Es kümmert michnicht, wie du über mich denkst! Ich habe meinen eigenen Scheiß zuerledigen, also misch dich da nicht ein!" Er war laut geworden undspürte die Reißzähne aus seinem Kiefer hervorbrechen.

Die Dämoninfunkelte ihn an. In ihren roten Augen erkannte er Abscheu.

„Tu, was du nichtlassen kannst."

Als Lucifer nichtantwortete, schritt sie an ihm vorbei und verließ den Raum. Erst alsihre Schritte im Flur verklungen waren, fiel ihm auf, dass sie ihn inden letzten Wochen kein einziges Mal als Lichtbringer bezeichnethatte.


Lust auf noch mehr boyslove?

Darklands

Die düstere Zukunft der Welt: Durch starke Umweltverschmutzung aus seiner Heimat vertrieben setzt der junge Rebellenführer Karem alles daran, seine verschleppte Familie zu rächen. Sein geplantes Attentat auf die Präsidentin wird jedoch von dem narzisstischen Wächter Shadur vereitelt. Ein Verrat aus den eigenen Reihen macht die beiden verfeindeten Männer zu unfreiwilligen Verbündeten.
Mit der Zeit beginnt Karem, ehrliche Gefühle für Shadur zu entwickeln. Als dieser die Rebellen hintergeht, steht Karem vor der Entscheidung, ob er sich für die Liebe oder seine Ideale entscheidet.
Das Buch bekommt ihr hier: https://www.amazon.de/dp/B01NBD8MZY/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1480244308&sr=8-2&keywords=katharina%20kopplow


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top