Prolog
Es war kühl im Untergrund. Lucifer schritt den langen Gang entlang, die Fackel in seiner rechten Hand war seine einzige Lichtquelle. Außerhalb der Kugel aus Licht befand sich absolute Finsternis.
Doch Lucifer fürchtete die Dunkelheit nicht. Sie war sein ständiger Begleiter und sein Alltag.
Der Eingang des Labyrinths befand sich in der Mitte der Menschenwelt, die aus einer gigantischen runden Fläche bestand. Begrenzt wurde die Welt rundherum durch senkrecht abfallende Steilwände, welche sich in den Wolken verloren. Stand man am Rande dieses Kreises, so sah man bloß Himmel und Wolken soweit der Blick auch reichte.
Deshalb glaubten die Menschen auch, dass die Welt eine Scheibe sei.
Sie behaupteten, dass man am Ausgang des Labyrinths in die Tiefe stürzte und fiel, bis man die Hölle erreichte.
Doch Lucifer stellte sich gerne vor, dass die Menschenwelt bloß auf der Spitze eines riesigen Zylinders sass und sich darunter eine endlos grössere Welt erstreckte. Dieser Gedanke erfüllte ihn mit Hoffnung auf einen Ort, wo er hinpassen würde.
Doch natürlich hatte niemand je das Ende des Labyrinths erreicht. Die meisten kehrten nicht einmal lebend zurück. Entweder verirrten sie sich in den endlosen finsteren Gängen oder wurden getötet von einer der seltsamen Kreaturen, die hier hausten.
Er ging weiter und kam an einem kleinen Seitengang vorbei, als er plötzlich ein leises Rauschen vernahm. Instinktiv sprang er nach vorne und spürte einen Luftzug, als etwas Großes knapp an ihm vorbeischoss und seinen Rucksack streifte. Noch bevor er mit beiden Füssen den Boden berührt hatte, wirbelte er herum und schlug mit der Fackel nach dem Etwas, das ihn angegriffen hatte. Er traf und ein Schatten wurde gegen die Felswand geschleudert.
Ohne inne zu halten, zückte er mit Links sein Kurzschwert und war sofort Kampfbereit. Er beobachtete seinen Gegner. Die Kreatur stand an der Felswand und musterte ihn ebenso, wie er Sie musterte.
Sie war einen halben Kopf grösser als Lucifer, die Haut hatte dieselbe Farbe wie der Fels der sie umgab. Es stand auf zwei langen starken Beinen und besaß an jedem Fuß drei Zehen, zwei vorne und einen hinten, mit langen Krallen. Der Oberkörper schien etwas zu kurz und schmal im Vergleich zu den dicken Oberschenkeln und anstelle von Armen besaß es zwei große Flügel. Der Kopf jedoch war das Abartigste. Keine Haare, Ohren, Nase oder Augen. Es besaß bloß einen großen Mund, der, wie Lucifer wusste,mit zwei Reihen spitzer Reißzähne gespickt war und anstelle der Nase besaß es zwei Atemlöcher über dem Mund. Das flackernde Licht der Fackel warf tanzende Schatten auf die hässliche Kreatur und gab dem Anblick etwas Dämonisches, als wäre sie direkt aus der Hölle ausgebrochen.
Ein Blindflügler, wunderte sich Lucifer als er das verwundete Scheusal betrachtete. Er hatte in seinen Lebzeiten nur wenige zu Gesicht bekommen und bloß in den tieferen Ebenen.
Während er sich wunderte, hatte der Blindflügler offenbar einen Entschluss gefasst. Er spreizte seine Flügel, stieß einen hohen, kreischenden Laut aus und floh in die Dunkelheit. Lucifer fluchte. Er hatte vergessen, dass Blindflügler äußerst feige waren und auf den Moment der Überraschung vertrauten. In einer fließenden Bewegung machte er einen Ausfallschritt und warf seine Waffe in die Richtung, in die seine Beute verschwunden war. Noch bevor er wusste ob er getroffen hatte, zückte er ein Messer und trabte er los in dieselbe Richtung.
Ein dumpfer Aufprall und lautes Kreischen versicherten ihm, dass seine Fähigkeiten als Messerwerfer ihn nicht im Stich gelassen hatten. Als er sein Ziel erreichte, lag der Blindflügler am Boden. Sein Schwert hatte die linke Schulter durchbohrt , was den Flügel nutzlos machte. Eine Lache aus dunklem Blut hatte bereits begonnen sich darunter auszubreiten. Die verwundete Kreatur versuchte unter verängstigtem Quietschen von Lucifer davon zu kriechen.
Es war ein erbärmlicher Anblick. Lucifer trat mit einem Fuß auf den kaputten Flügel und zog mit der Rechten das Kurzschwert aus der klaffenden Wunde. Blut quoll hervor und floss über den Rücken des sterbenden Blindflüglers. Lucifer setzte die Spitze am Nacken an und stieß das Schwert tief in den Schädel. Ein letztes Zucken und das Scheusal war tot. Es war ein schneller Tod. Lucifer machte einen Schritt zurück und säuberte die Klinge, bevor er sie zurück in die Scheide steckte.
Lucifer war müde und seine Vorräte neigten sich dem Ende zu. Ohne hinzusehen wusste er, dass seine schwarzen Kleider verschmutzt, seine Lederrüstung zerkratzt und seine ebenfalls pechschwarzen Haare fettig waren. Ohne den Schmutz sah er ganz passabel aus.
Durchschnittliche Größe und junge Gesichtszüge, welche bloß von einer kleinen Narbe auf seiner rechten Wange unterbrochen wurden. Sein Körper war gestählt von unzähligen Kämpfen. Doch was ihn einzigartig und für die meisten Menschen furchteinflössend machte, waren seine Augen. Nämlich waren sie so schwarz wie seine Haare und man konnte Iris und Pupille nicht unterscheiden.
Er seufzte, als er sich daran erinnert fühlte, nahm seinen Rucksack vom Rücken und kniete neben den Kadaver. Mit einem Messer begann er die wertvollen Teile, die Zähne, Krallen und Flughäute zu entfernen und zu verstauen. Dies war sein Alltag als Labyrinthgänger, Angehöriger einer Minderheit welche ihren Lebensunterhalt damit verdienten, im Labyrinth nach Schätzen und wertvollen Materialien zu suchen. Doch Lucifer war auch unter ihnen einzigartig, als einziger der es wagte alleine die unendlichen Gänge alleine zu erforschen.
Natürlich würde auch keiner mit dem sogenannten Dämonenkind alleine in den Untergrund gehen wollen.
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