Kapitel 13 - Erstes Erwachen
«Was soll das heissen, ein Dämon?» Die Ratte schrie den Barmann an, der vor ihm kniete und ihn mit verrückten Augen ansah. «Willst du sagen, meine Leute sind von einem Dämon abgemurkst worden? Sehe ich etwa so blöd aus?»
Er ignorierte die Leute um ihn herum, schliesslich gehörte ihm der Laden praktisch, also konnte er so viel herumschreien wie er wollte.
Der Barmann wurde noch etwas kleiner und begann zu wimmern, so dass sie die Ratte zu ihm hinunterbeugen musste, um ihn zu verstehen.
«Ein Dämon, ein Dämon, die Augen kalt wie Eis und schnell wie der Wind, vollkommen in Schwarz! Ein Dämon.»
Selbst dem Gauner lief es kalt den Rücken hinunter, als er den Mann wie ein Häufchen Elend vor sich knien sah.
«Bringt ihn weg», wies er seine Bewacher an und setzte sich wieder an den Tisch um seinen Braten fertig zu essen. Ivo, seine Nummer zwei, sass zu seiner Rechten und hatte wie immer eine Bemerkung auf den Lippen.
«Könnte das nicht dieser Lucifer gewesen sein, Boss? Meinst du der ist hinter dir her, nachdem was du seiner kleinen Freundin angetan hast?»
Die Ratte winkte ab. Natürlich war es Lucifer, davon war er längst überzeugt, doch er sah keine echte Gefahr darin.
«Und wenn schon, was will der schon gegen mich ausrichten? Dann hat er eben ein paar meiner Leute niedergemetzelt, ist ja nicht so, als wäre er da der Einzige. Die Ratten leben nun mal gefährlich.»
Ivo runzelte die Stirn und beugte sich etwas vor. Seine Stimme war nun leiser, damit ihn nicht alle in der Bar hörten.
«Nicht ein paar, Boss. Sieben Leute waren es! Sieben! Einfach so.»
Er schnippte mit den Fingern, um sein Argument zu unterstreichen.
Die Ratte schluckte, er hatte nicht gewusst, dass es sieben gewesen waren.
«Echt? Sieben?», hakte er nach, obwohl er wusste, dass er Ivos Informationen vertrauen konnte. Der junge Mann war stets bestens informiert, es war schon beinahe unheimlich.
Er nickte. «Sieben!»
Die Ratte machte ein finsteres Gesicht.
«Kontaktiere den Oger und die anderen Bosse. Es ist Zeit, dass wir diesen Dämon kaltstellen.»
Nora streckte sich und gähnte lange. Sie hatte seit langem nicht mehr so gut geschlafen wie letzte Nacht. Verschlafen setzte sie sich auf und rieb sich das müde Auge. Das Bett neben ihr leer und die Sonne schien bereits durch das Dachfenster hinein. Offensichtlich hatte sie bis in den Mittag hineingedöst.
Lucifer sass an seinem Schreibtisch, das erste Mal seit Nora ihn kannte, und kritzelte mit einer Feder etwas auf einem Papier herum. Neugierig stellte sie sich neben ihn und blickte aus ihn hinab. Er war daran eine dunkle Gestalt zu skizzieren, die statt Armen zwei grosse schwingen besass und lange Klauen an den Füssen hatte.
«Was tust du denn da?»
Lucifer wandte sich ihr zu und lächelte. «Ich zeichne, siehst du das denn nicht?»
Nora verdrehte gespielt die Augen. «Ja, das sehe ich, aber was zeichnest du denn?»
Lucifer zog noch einige weitere Striche, um den Oberkörper der abstrusen Kreatur etwas zu verbreitern.
«Ach weisst du, ich kann weder lesen noch schreiben, also dachte ich mir ich bringe meine Erfahrungen und Erkenntnisse über das Labyrinth auf diese Weise zu Papier. Allerdings ist es keine besonders gute Lösung.»
Nora betrachtete die Zeichnungen und Skizzen, die seltsame Wesen, Fussabdrücke, verschiedene Materialien und seltsame Runen und Zeichen darstellten. Sie sahen nicht schlecht aus, doch durch die fehlenden Beschreibungen ergaben sie nur für Lucifer selbst einen Sinn.
«Na ja sie sind ziemlich gut, doch mit Beschreibungen ergäben sie weitaus mehr Sinn», erläuterte sie ihre Gedanken und hatte dabei eine Idee.
«Wie wäre es denn, wenn ich sie mit Beschreibungen ergänze? Du erklärst mir die Zeichnungen und ich bringe dir bei, die Buchstaben zu lesen, was denkst du?»
«Na schön, klingt nicht schlecht», antwortete er nicht vollständig überzeugt, doch machte Nora Platz, damit sie sich an den Tisch setzten konnte. Dann erklärte er ihr die Zeichnung, an der er gerade gearbeitet hatte. Es war für beide eine angenehme Ablenkung, doch Lucifer hatte immer noch einen Auftrag zu erfüllen.
Am nächsten Tag huschte Lucifer wieder in aller Frühe durch die Strassen der Stadt. Sein heutiges Ziel war ein Lagerhaus der Rattenbande. Es befand sich in einem der verlassenen Gebiete Dämonenheims und wurde rund um die Uhr bewacht, was für Lucifer aber kein Problem darstellte.
Vor der Türe hatten sich zwei Männer positioniert, die etwas Müde die Strasse beobachteten. Wenn sich Lucifer auf diesem Weg näherte, würden sie sofort Alarm schlagen. Er musste immer vorsichtiger sein, denn in den wenigen Tagen seit dem Gemetzel in der Bar, hatten sich die Sicherheitsvorkehrungen der Ratte bereits stark erhöht.
Gleichzeitig schärfte der ständige Kampf aber auch Lucifers Sinne, machte ihn schneller und stärker. Er spürte, wie er sich an eine Grenze annäherte, die er lieber nicht überschreiten wollte. Es war als schlummere etwas in ihm, das Gefallen an dem Blutvergiessen fand und ausbrechen wollte. Lucifers Schädel begann zu schmerzen und das Blut rauschte in seinen Ohren, als er versuchte seinen Blutdurst zu unterdrücken. Etwas in ihm drängte ihn, die Männer auf der anderen Strassenseite zu töten. Es wollte direkt auf sie zustürmen, sie zerreissen, vernichten und Lucifer hatte nicht mehr die Kraft es aufzuhalten.
Energisch erhob er sich aus der Hocke und visierte sein Ziel an. So schnell er konnte rannte er über die Strasse, direkt auf die Wachen zu und zückte dabei sein Messer.
«Halt! Stehen bleiben!», schrien sie ihm entgegen, doch Lucifer erhöhte nochmals das Tempo.
Noch bevor die Wachen ihre Waffen zücken konnten, warf er sich mit aller Kraft gegen den Ersten der Beiden. Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Mann von den Füssen geholt und krachte mitsamt Lucifer durch die Tür hinter ihm. Mit lautem Getöse und in einem Splitterregen flogen sie in den kleinen Raum dahinter. Noch bevor sie zu Boden kamen, zog Lucifer seine Klinge aus der Brust des Mannes und kam leichtfüssig zu stehen. Neben ihm fiel der Mann leblos zu Boden.
Der Mann, der noch vor der Tür stand, starrte ungläubig durch die geborstene Tür, unschlüssig was er tun sollte. In dem Raum sassen drei weitere Männer an einem Tisch und sahen Lucifer ebenso ungläubig an. Er stürzte sich wie in Rage auf sie, stach dem Ersten sein Messer in den Nacken. Sofort sackte der Mann tot auf die Tischplatte und Lucifers Messer steckte im Knochen, so dass er gezwungen war es loszulassen.
Bevor er sein zweites Messer ziehen konnte, stand ein weiterer über ihm und hieb mit einer Axt auf ihn ein. Lucifer machte einen Schritt auf ihn zu, lenkte den Schlag gekonnt an sich vorbei und hieb mit aller Kraft auf den Kehlkopf des Mannes. Röchelnd ging dieser zu Boden.
Hinter Lucifer knackte es, als Jemand durch die Tür trat und er sprang herum. Vor ihm stand der Mann von der Strasse, mit einem langen Speer, den er drohend erhoben hatte. Lucifer handelte blitzschnell, packte einen freien Stuhl und schleuderte ihn nach dem Gegner. Überrascht wich dieser zur Seite und senkte den Speer für eine Sekunde. Lucifer schnellte nach vorne und packte den Stiel der Waffe. Mit dem stumpfen Ende hieb er dem Mann in die Weichteile und senkte gleichzeitig die Spitze. Durch die Kreisbewegung hob der Mann vom Boden ab und landete unsanft auf dem Rücken vor Lucifer. Mit einem Keuchen entwich alle Luft aus seinen Lungen. Lucifer zermalmte seinen Kopf mit dem stumpfen Ende und schon war nur noch ein Gegner übrig.
Als Lucifer aber von der Leiche aufsah, war der Raum leer. Schnell eilte er auf die Strasse und sah, wie der Mann davonrannte. Schnell nahm Lucifer Mass, holte aus, rannte ein paar Schritte und warf den Speer in die Richtung des Mannes. Er hatte gut gezielt, den die Spitze traf den Flüchtenden im Rücken und stiess bei der Brust wieder aus. Lautlos fiel er auf die blutbeschmierte Strasse.
Schwer atmend und blutüberströmt hielt Lucifer eine Sekunde inne und versuchte sich wieder zu beruhigen.
Doch die Zeit dazu sollte er nicht bekommen. Aus den Gassen und dem eben gestürmten Gebäude strömten ein gutes Dutzend Männer. Sie bildeten einen Ring um Lucifer und hoben drohend die Waffen. Lucifer erkannte an den Hämmern und Äxten, der Kleidung und den grossen Muskeln seiner neuen Gegner, dass diese keine Männer der Ratte waren. Das bedeutete also, dass die Handwerker begonnen hatten sich in das Geschehen einzumischen, das war gut.
Lucifer fühlte sich nicht in der Verfassung es noch mit einem weiteren Dutzend aufzunehmen, er musste den Männern irgendwie entkommen.
Es war unheimlich still, das einzige Geräusch das Atmen der Männer und ein leises Scharren, als Lucifer sein Kurzschwert aus der Scheide gleiten liess. Er würde sterben, wenn er nicht aus dem Kreis ausbrechen konnte.
Spannung lag beinahe greifbar in der Luft, doch niemand rührte sich. Auf der Zunge konnte Lucifer die Angst der Männer schmecken, die sie vor ihm hatten. Er hatte diesen Geschmack in den letzten Wochen tagtäglich erlebt und wusste wie man ihn deutete. Es war die reine Furcht von Männern, die genau wussten wozu er fähig war.
Lucifers Oberschenkel spannten sich, bereit los zu Sprinten und die wenigen Meter zu dem ersten Mann blitzschnell zu überbrücken. Eine weitere Sekunde verstrich und Lucifers Sinne waren schärfer als je zuvor. Deutlich konnte er die Schweissperlen auf den entblössten Oberkörpern der Männer ausmachen, hörte wie sich ihre Atmung und Herzschlag beschleunigte, spürte regelrecht ihre Furcht und etwas tief in ihm fand Gefallen daran. Unwillkürlich zogen sich seine Mundwinkel etwas nach oben. In solchen Momenten fühlte er sich lebendiger als je zuvor.
Mit aller Kraft stiess er seine Fusssohle in die Strasse und mit zwei schnellen Sätzen überbrückte er die Distanz. Sein erster Gegner hatte keinerlei Möglichkeit zu reagieren, bevor Lucifers Schwert nach oben schnellte und ihn aufschlitzte. Den Schwung des Hiebes ausnutzend, drehte sich Lucifer um die eigene Achse und stiess einem weiteren seinen Ellbogen in die Seite. Keuchen wich der Mann zurück, doch er kam nicht weit. Noch in derselben Bewegung streckte Lucifer seinen Arm und die Klinge fuhr durch die Achselhöhle seines Gegners. Blut strömte aus dem Schnitt und der Verletzte versuchte verzweifelt es mit der Hand zu stoppen, doch es hatte keinen Sinn. Er würde in wenigen Minuten verbluten.
Lucifer rannte los und nutzte die Lücke um aus dem Kreis auszubrechen. Schliesslich kam auch Bewegung in die restlichen Männer und mit lauten Rufen verfolgten sie ihn. Im Rennen steckte Lucifer seine Klinge wieder ein und griff nach dem Speer, den er zuvor nach dem Flüchtenden geworfen hatte. Immer noch rennend riss er ihn aus der Leiche.
Wenige Schritte später hielt er abrupt an und hieb mit einer Drehung nach seinen Verfolgern. Die beiden Gegner die ihm am nächsten waren, versuchten überrascht zurück zu springen, doch sie konnten der grossen Reichweite der Waffe nicht entkommen. Dem Ersten schlitzte die Klinge den Hals auf und dem zweiten krachte der Schaft gegen die Schläfe und es knackte laut. Die restlichen acht Männer stoppten etwas weiter hinten. Lucifer hielt den Speer abwehrbereit erhoben und musterte die Männer wie ein Raubtier, dass seine Beute beobachtet. Ohne es zu merken hatte sich ein Grinsen auf seine Lippen geschlichen und ein irrer Blick lag in seinen Augen. Unsicher hielten seine Kontrahenten Abstand und Lucifer nutzte dies, um sich langsam rückwärts von ihnen zu entfernen. Als er endlich in eine Gasse einbog und aus ihrem Blickfeld verschwand, liess er den Speer fallen und rannte los, rannte und rannte, hielt erst als er sich vor seinem Unterschlupf wiederfand.
Erschöpft rutschte an der Wand entlang auf den Boden und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Sein Atem ging schnell und sein Herz raste noch immer vor Aufregung. Er wusste nicht genau was mit ihm geschehen war, doch das Kämpfen hatte ihm Spass gemacht. Er hatte es genossen sich mit den Männern zu messen, seine Überlegenheit zu erleben und er hasste sich dafür. Lange Zeit sass er an die Wand gelehnt da und bewegte keinen Muskel.
«Sieh dich an, Kleiner, lächerlich. Du verlierst langsam deinen Verstand nicht wahr?» Alfred landete vor Lucifers Füssen und neigte leicht seinen Kopf.
Lucifer hob leicht den Kopf und seine Stimme war bloss ein Flüstern.
«Lass mich in Frieden», erwiderte er heiser.
Doch Alfred liess nicht locker. «Steh auf Knirps. Wir müssen uns unterhalten.»
Lucifer rührte keinen Muskel. «Worüber?»
«Über den Grund, weshalb du deinen Verstand verlierst. Über das Monster in dir.»
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