Kap. 7 - Das neue Zuhause

Während Nora sich in der Wohnung des Barbesitzers wusch, natürlich hielt jemand vor der Tür wache, unterhielten sich der Oger und Lucifer in der Bar. Wie immer stand ein Bier vor Lucifer, welches er bereits halb geleert hatte.

«Was denkst du? Wie könnte der Attentäter in das Gebäude gelangt sein?»
Lucifer konnte sich nicht verzeihen, dass er nichts bemerkt hatte.
Der Barkeeper dachte kurz nach, bevor er sprach.
«Wahrscheinlich ist er durch ein Fenster in meiner Wohnung im ersten Stock eingedrungen. Es ist der einzige Weg hinein, ohne durch diesen Raum zu gehen.»
«Scheint die einzige Möglichkeit», antwortete Lucifer abwesend.
Etwas passte einfach nicht zusammen. Würde die Ratte wirklich einen solch organisierten und professionellen Attentäter senden?

«Denkst du wirklich es war die Ratte? Es ist nicht sein Stil.»

«Ich stimme dir zu es sieht nicht nach der Ratte aus, doch du hast ihm in den letzten Tagen übel zugesetzt. Du hast mehrere seiner Leute schwer verletzt, sogar getötet. Kein Wunder, dass er sich an die Profis wenden würde.»

Lucifer erkannte zwar den Sinn hinter den Worten, doch weshalb hatte er den Attentäter dann nicht auf ihn angesetzt?

Lucifer blickte zur Hintertür und sah wie Nora eintrat. Sie sah etwas besser aus, doch ihre Augen zeugten noch immer von ihrer Erschöpfung. Ihr langes braunes Haar trug sie offen und es hatte wieder seine natürliche Farbe und Fülle zurückerhalten. Lucifer wurde das erste Mal bewusst, wie gut sie aussah. Die blasse Haut im Kontrast zu dem dunklen Haar, der schlanke Hals und die markanten Wangenknochen. Selbst mit dem dicken Verband über dem Auge, strahlte sie eine natürliche Schönheit aus.

«Wie fühlst du dich?», fragte er trocken und etwas überrascht.

Ein Lächeln kam als Antwort. «Endlich wieder sauber.»

Sie setzte sich etwas unbeholfen zu ihnen an die Bar. Der Verlust eines Auges ist nicht so einfach wegzustecken.

Der Oger stellte ihr einen Krug hin. Nora verzog das Gesicht, doch anstatt zu jammern, nahm sie tapfer einen großen Schluck und verzog angewidert das Gesicht.

Lucifer hob sein Krug und prostete ihr zu. «Keine Sorge, du gewöhnst dich daran.»

«Wahrscheinlich schneller als an meinen neuen Kopfschmuck», bemerkte sie düster und ein Schweigen breitete sich zwischen den Dreien aus. Lucifer wusste nicht was er tun konnte, um sie aufzuheitern und fühlte sich immer noch verantwortlich.

Schließlich nahm er all seinen Mut zusammen und zwang sich selbst zu sprechen.
«Du kannst jedenfalls auf meine Hilfe zählen, falls du sie möchtest.»
«Das ist echt nett, doch ich will euch nicht noch mehr zur Last fallen.»
Man konnte deutlich sehen, dass dies die Worte ihres Stolzes waren, denn ihre Augen sprachen die Wahrheit.
Sie war verzweifelt und innerlich zerbrochen. Ihre Erlebnisse mit dem Tod hatten sie geprägt.
Lucifer wusste, wenn er sie jetzt gehen ließ, würde sie nicht weit kommen.

«Du musst dich aber vor der Ratte verstecken und der einzige wirklich sichere Ort ist bei mir. Außerdem habe ich sowieso mehr Platz, als ich je benötigen werde», versicherte er und versuchte ihr ein beruhigendes Lächeln zu schenken, doch alles was er erreichte war ein schiefes Grinsen. Immerhin konnte er Nora damit etwas aufheitern und sie bedankte sich für das Angebot.

Wer hätte gedacht, dass es sich so gut anfühlen konnte einem anderen Menschen zu helfen, dachte Lucifer mit einem warmen Gefühl im Magen. Das musste noch der Eintopf von vorhin sein, redete er sich ein.

«Entschuldigung! Tut mir leid!» Nora senkte den Kopf vor dem Mann, mit dem sie soeben zusammengestoßen war. So ging es schon den ganzen Weg.

Lucifer führte sie zielsicher durch Strassen und Gassen, wo es nur so von Menschen wimmelte und Nora fiel es schwer, sich an die neue Sicht zu gewöhnen.
Obwohl sie bereits einige Stunden wach war, hatte sie immer noch große Probleme, Distanzen abzuschätzen und würde es wohl noch lange Zeit haben.

Deshalb stieß sie immer wieder mit Passanten zusammen, die sie mürrisch anstarrten oder angrunzten.
«Du brauchst dich nicht bei jedem zu entschuldigen. Na komm schon.»
Lucifer ergriff ihre Hand und führte sie durch das Getümmel, nutzte seinen Körper als einen Pflug um den Weg frei zu machen.
Nora blickte auf den Rücken des jungen Mannes, den sie bloß einige Tage kannte und dem sie sich nun anvertraute. Nun eine große Wahl hatte sie nicht, da sie im Moment auf jede Hilfe angewiesen war.

Doch sie hatte kein schlechtes Gefühl dabei. Sie vertraute ihr Leben einem Wildfremden an und sie fühlte sich vollkommen wohl dabei. Das Leben war manchmal schon seltsam.

Die Beiden waren am späten Nachmittag losgelaufen und erreichten Lucifers Unterschlupf, als die Sonne unterging. Nora spürte den nahenden Winter, als die Kälte langsam in ihre Glieder kroch und sie fröstelte.

Das Gebäude in das Lucifer sie führte, befand sich in einem der verlassenen Teile Dämonenheims, war aber noch in einem einigermaßen guten Zustand.
Sie traten ein, doch das Erdgeschoss war komplett leer und die Treppe die ins Obergeschoss führte, war zerstört. Die Wände hatten Löcher und der Boden war übersät mit Trümmern.
«Wirklich? Ich fühle mich schon fast heimisch», merkte sie sarkastisch an.
Lucifer lachte kurz auf. «Keine Sorge ich wohne im Obergeschoss», antwortete er mit einem Schlag gegen die Wand. Wie durch Magie öffnete sie eine Luke über ihm und eine Klappleiter entfaltete sich.
«Nach dir.»

Nora lachte auf. Was für ein seltsamer Mensch Lucifer doch war. Mit viel Mühe kletterte sie die Leiter hoch, versuchte nicht herunterzufallen, als sie hie und da daneben griff und erreichte den zweiten und mittleren Stock.

Oben angekommen hielt sie einen Moment inne. Was sie hier erblickte raubte ihr den Atem.

Der gesamte Raum schien frisch renoviert worden, keine Löcher in den Wänden oder Decke, neu aussehende Fensterläden und eine hölzerne Wendeltreppe, die in das Dachgeschoss führte. Zahlreiche Kisten und Regale standen herum, in und auf denen seltsam aussehende Steine und Glasbehälter lagerten.

Als sie näher herantrat, erkannte sie, dass in den Gläsern eine Vielzahl ihr unbekannter Wesen konserviert waren. Sie fand Krallen und Zähne, so groß wie ihr Daumen, Schuppen in verschiedensten Farben und vieles mehr.
Es schien als seine alle Kuriositäten dieser und jeder anderen Welt in diesem Raum versammelt.

Lucifer kletterte hinter ihr die Leiter hinauf, hievte sie nach oben und schloss die Luke wieder. «Na überrascht? Habe ich selbst so eingerichtet.»

Nora war sprachlos, so fasziniert war sie von dem Inhalt des Raumes. Lucifer führte sie die Wendeltreppe hoch ins Dachgeschoss.

«Hier oben ist das Schlafzimmer und Küche. Du kannst natürlich mein Bett haben und ich werde unten schlafen.»

Sie betraten den geräumigen Raum und Nora wurde abermals überrascht.
Auf der einen Seite entdeckte sie ein breites und bequem aussehendes Bett, mit schlichtem Holzrahmen und einer großen Truhe als Nachttisch.
In der Mitte fand sich ein kleiner, schlichter Schreibtisch überfüllt mir Papieren, die selbst aus den Schubladen zu quellen schienen.
Gegenüberliegend vom Bett stand ein kleiner Ofen neben einem Esstisch mit zwei Stühlen.

Der ganze Raum wurde beleuchtet durch die Abendsonne, die durch ein großes Dachfenster über dem Schreibtisch hereinfiel und dem Ganzen eine beruhigende und doch mysteriöse Aura verlieh.

«Wow», war alles was sie hervorbrachte.
«Ich kann dir aber nicht dein Bett stehlen, dass wäre nicht richtig», lehnte sie Lucifers Angebot ab, nachdem sie fertig war das Dachgeschoss zu bewundern.

«Ich bestehe aber darauf.» Lucifer trat zu der Truhe und kramte ein großes Bärenfell hervor.
«Ich habe außerdem das hier. Neben meinem Bett das bequemste auf dem ich je gelegen bin.»

Mit einem frechen Grinsen hielt er es ihr vor die Nase, damit sie sich selbst davon überzeugen konnte. Tatsächlich war es unglaublich weich, wahrscheinlich die Folge zahlreicher Behandlungen mit Ölen und Fetten.

Nora war zu müde um zu diskutieren und schwieg. Sie ließ sich müde in das große Bett fallen und ließ alle Anspannung von sich abfallen. Sie hätte hier glücklich sein können, wären es andere Umstände gewesen. Nur mit Mühe kämpfte sie gegen die Tränen an. Bestimmt würde sie heute Nacht Alpträume haben.
«Du kannst auch hier schlafen, wenn du willst», bemerkte sie knapp in der Hoffnung nachts nicht alleine aus dem Schlaf zu schrecken.

Lucifer verstand, breitete sein Bärenfell am Fusse des Bettes aus und legte sich ebenfalls schlafen.

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