Kap. 3 - Der grüne Oger

Nora ging durch die Strassen Dämonenheims und sah sich die Stadt etwas genauer an.

Sie befand sich in einem der besonders belebten Vierteln und viele Leute gingen auf den Strassen, betrieben Marktstände und schrien einander die Preise entgegen oder eilten sonst geschäftig umher. Es unterschied sich kaum von den Strassen ihrer Heimatstadt, bloß sahen die Menschen grimmiger aus und die Mehrheit trugen Waffen. Doch ansonsten hätte es irgendeine der Menschenstädte sein können.

Nora blickte sich um, suchte den Weg. Nach der Begegnung mit dem sonderbaren Lucifer war sie neugierig geworden und hatte sich erkundigt. Beschaffen von Informationen war eine ihrer Stärken und sie hatte bald von der Gemeinschaft der Labyrinthgänger erfahren. Eine sehr kleine Berufsgruppe, mit einem äußerst schlechten Ruf. Und derjenige mit dem schlechtesten Ruf war der Einzelgänger, das Dämonenkind, alias Lucifer.

Damit war Noras Neugierde endgültig geweckt worden und sie hatte sich konkret zu Lucifer erkundigt und wo sie ihn vielleicht finden konnte. Schließlich fand sie Jemanden, der sie zu einer Bar schickte. Der grüne Oger war der Name. Lucifer sei dort oft gesehen worden, hatte er gesagt. Doch der grüne Oger war schwer zu finden und Nora benötigte beinahe zwei Stunden, bis sie dann endlich das Schild entdeckte.

Die Bar befand sich in einer äußerst dunklen Gasse und aus der geöffneten Tür strömte warmes Licht. Etwas zögerlich trat Nora in den Raum und war überrascht.

Es war keine heruntergekommene Kneipe, wie sie erwartet hatte, sondern ein geräumiger Raum, mit einigen Tischen und einer sauberen, gepflegten Theke. Warmes Licht strahlte von den Laternen, die an den Wänden hingen und erzeugte eine beruhigende Atmosphäre.

Nora bewegte sich auf die Theke zu, vorbei an den wenigen Gästen, die sich leise unterhielten. Der Barkeeper war nirgends zu sehen und Nora wollte die stille Atmosphäre nicht kaputt machen, indem sie nach ihm rief. Stattdessen lehnte sie sich an die Theke und sah sich ein wenig um. Die Gäste an den Tischen, blickten immer wieder kurz misstrauisch zu ihr. Sie war nicht von hier und das fiel allen schmerzhaft schnell auf.

"Wie kann ich helfen?"
Die tiefe Stimme erklang direkt hinter ihr und Nora erschrak, weil sie nicht gehört hatte, wie Jemand hinter sie getreten war. Sie wandte sich dem Sprecher zu und wollte ihn mit einem charmanten Lächeln begrüssen und erschrak erneut.

Hinter ihr stand ein Riese. Zumindest erschien es Nora als ob. Der Barkeeper, auch Oger genannt, war mindestens zwei Meter groß, breite Schultern und Hände wie Schaufeln.

"Was willst du?"
Diesmal war der Ton deutlich unfreundlicher. Offenbar passte ihm Noras Starren nicht. Er blitzte sie aus kleinen Augen an.
"Tut mir leid du hast mich überrascht."
Nora schüttelte den Schreck ab und lächelte ihn an.
"Ich will nichts trinken, sondern interessiere mich für Informationen."
Der Riese schnaubte.
"Trinken wäre billiger. Was willst du wissen?"
"Ich habe aber nicht viel Geld."
Ein großes Zucken mit den Schultern.
"Na dann willst du etwas trinken?"
Ihr Lächeln wurde verlegen. Was sollte sie nun tun?
"Ich will nur wissen wo ich eine bestimmte Person finden kann."

Der Mann überlegte einen Moment, dann griff er unter die Theke.
"Na schön aber trink wenigstens was."
Ein Bier wurde ihr vor die Nase gestellt. Nora legte einige Kupfermünzen auf die Theke und nippte an dem Krug. Das Bier war bitter und stark.
Sie verzog das Gesicht und stellte es wieder hin. Doch der Barkeeper machte keine Anstalten nun ihre Frage zu beantworten. Stattdessen blickte er abwechselnd auf das Bier vor ihr und sie und sah sie auffordernd an.
"Wirklich?"

Nora wollte nicht, doch er nickte bloß, so als ob es etwas Selbstverständliches wäre. Sie seufzte und ergriff wieder den Krug.

Schluck um Schluck kippte sie das Getränk hinunter, den Brechreiz mit aller Mühe am Unterdrücken. Der letzte Schluck war wohl das scheußlichste, was sie in ihrem Leben je geschmeckt hatte.

Mit mehr Stolz als geplant, stellte sie den leeren Krug vor den Oger hin. Er wartete einige Sekunden und als Nora nicht vor seine Füsse erbrach, nickte er anerkennend.
"Nicht schlecht. Also nach wem suchst du?"
Nora atmete tief durch und presste die Worte aus ihrem Mund.
"Erst einmal würde es mich interessieren, wie du mit solchem Bier überhaupt Gewinn machst."
Ein lautes Lachen war die Antwort, das durch den ganzen Raum hallte und Noras Zwerchfell vibrieren ließ.

Langsam legte sich die Übelkeit und der Alkohol setzte bereits ein. Was ist das bloß für ein Bier?
"Aber meine eigentliche Frage war wo ich Lucifer finden kann. Schwarze Haare und Schwarze Augen? Vielleicht kennst du ihn ja, wurde oft hier angetroffen."
Das Lachen des Ogers verschwand augenblicklich und er wurde überraschend ernst.
"Es ist gefährlich so laut nach diesem Namen zu fragen. Die falschen Personen könnten dich hören."
"Aber..."

Nora wurde von einer Stimme hinter ihrem Rücken unterbrochen. Gab es hier auch normale Leute, die sich nicht von hinten anschleichen?
"Mit den falschen Personen meinst du doch nicht mich oder Oger?"

Drei Männer waren in die Bar getreten und hatten sich hinter Nora aufgestellt. Alle drei trugen lange Messer und finstere Gesichter.

Nora hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache.
"Was willst du Ratte?"
Der Mann in der Mitte lächelte und zeigte seine schiefen Zähne und angespitzten Eckzähne.
"Von dir gar nichts Ogerlein."
Er beugte sich vor und betrachtete Nora von der Sohle bis zum Scheitel, wobei er deutlich auf Noras Hüfte und Brüste fixiert war.
"Doch mich würde brennend interessieren was du von einem Loser wir Lucifer willst."
Nora wollte zurückweichen, doch stand sie mit dem Rücken zur Theke.
"Ich habe ihn heute Morgen getroffen und wollte mich noch mehr mit ihm Unterhalten. Ich interessiere mich für das Labyrinth."
Sofort war das Lächeln der Ratte wie weggewischt.
"Dann bist du sowas wie ein Freund von ihm hm? Und ein Labyrinth Freak noch dazu. Tut mir leid Kleines aber das geht gar nicht."
Er zückte sein Messer und hielt es Nora vor die Nase.
"Nun sag mir was du von Lucifer willst und vielleicht verlierst du dann bloß ein Auge."

Die Spitze der Klinge befand sich nun unter ihrem Auge und ritzte ihre Haut. Blut begann ihre Wange hinunter zu laufen und Nora wurde es Eiskalt.

"Nein... warte, ich... bitte."

Sie konnte vor Angst keinen ganzen Satz mehr formen und ihre Gedanken rasten im Kreis. Der Druck verstärkte sich und Schmerzen schossen durch ihren Kopf.
"Wie war das? Ich konnte dich nicht ganz verstehen." 

"Schluss mit diesem Unsinn!"

Der Ruf des Ogers donnerte durch die Bar und alle Anwesenden erstarrten.
"Lass sie gehen Ratte. Sie hat dir nichts getan und ich will kein Blutvergießen in meiner Bar!"
Ohne das er das Messer aus Noras Gesicht nahm, sah die Ratte über die Theke und grinste sein hämischstes Grinsen.
"Dann versuch doch mich aufzuhalten."

Mit diesen Worten stieß er zu.
Schmerz explodierte in Noras linkem Auge, doch sie spürte es bloß den Bruchteil einer Sekunde und noch bevor sie aufschreien konnte wurde es ihr schwarz vor Augen und die Welt versank in Finsternis. Das einzige Gefühl, dass die noch hatte war Schmerz.
So viel Schmerz.

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