q u a t t r o
• I Loved You - DJ Sava feat. Irina Rimes •
Übermorgen würde ich endlich entlassen werden. Ich war froh, denn noch länger würde ich es in all dem Weiß und dem stechenden, sterilen Geruch wohl nicht mehr aushalten. Doch die Entlassung bedeutete auch, dass ich Lucian wahrscheinlich nie wieder sehen würde. Er hatte mich oft besucht in den vergangenen Tagen, wir hatten geredet und mittlerweile war ich so weit, dass ich jedesmal, wenn sich die Tür meines Zimmers öffnete, hoffte, es sei Lucian.
Ich hatte einiges über ihn erfahren, unter anderem auch, dass er eigentlich in Spanien wohnte und nur hier war, weil er für einige Monate einen Kollegen hier vertreten musste. Auch hatte er mir erklärt, wieso er so gut italienisch sprach. Seine Großmutter hatte hier gewohnt und ihm die Sprache von klein auf beigebracht.
Manchmal dachte ich nachts darüber nach, wie es wäre, wenn er mich küssen würde oder wenn wir zusammen wären. Doch gleich darauf schimpfte ich mich, dass ich überhaupt über so etwas nachdachte. Gestern hatte ich Delia davon erzählt, woraufhin sie halb verzweifelt, halb lachend den Kopf geschüttelt und gemeint hatte, ich solle mir lieber jemanden in meiner Reichweite und Altersklasse suchen.
Mir war klar, dass sie dies nicht böse meinte, aber sie verstand mich nicht. Ich hatte den Eindruck, dass das niemand tat. Nicht einmal ich selbst. Der Punkt war eher weniger der Altersunterschied, sondern die Tatsache, dass ich nicht wusste, was genau mich an Lucian so faszinierte.
Er war hübsch, definitiv, aber das waren die anderen Männer auch und trotzdem spürte ich bei ihnen diese Anziehungskraft, wie bei Lucian, nicht. Vielleicht war es sein Lachen, oder sein Charakter, der mich so fesselte.
„Lila!" Erschrocken fuhr mein Kopf in die Höhe und ich erkannte Delia, die mich lachend ansah. „Wo bist du denn mit deinen Gedanken, dass du mich nicht hörst?", fragte sie. Ich zuckte nur mit den Schultern, was mittlerweile zum Glück wieder ohne mörderische Schmerzen möglich war.
„Ich muss dir unbedingt etwas erzählen!" Freudig klatschte meine Freundin in die Hände und setzte sich strahlend auf den Stuhl neben meinem Bett.
Ich legte meine Hand dafür ins Feuer, dass ihre gute Laune etwas mit Mac zu tun hatte.
„Weißt du, was Mac getan hat?" Ich wusste es.
„Nein, sag es mir." Hoffentlich war er endlich aus der Mafia ausgestiegen, ich würde ihn sonst wirklich köpfen, sobald ich hier draußen war. „Er ist draußen! Endlich! Und wir fahren in den Urlaub, zum Erholen.", berichtete sie mir. Also durfte er seinen Kopf behalten.
„Wohin soll es denn gehen?", wollte ich wissen.
„Griechenland. Tempel angucken und so. Drei ganze Wochen lang mit Mac!"
Meine Mundwinkel senkten sich kaum merklich nach unten. Drei Wochen ohne Delia? Dennoch versuchte ich mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, denn sie hatte es verdient, mal wieder ein wenig zu entspannen. „Das hört sich toll an! Wann soll es denn losgehen?", erkundigte ich mich lächelnd.
„Nächste Woche schon."
„Und du hattest nicht vor, mir das früher zu sagen?!"
„Sorry." Delia kicherte und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Sie freute sich wirklich und ich gönnte ihr die ruhige Zeit mit Mac, doch sie würde mir fehlen. „Du, ich muss dann auch schon wieder los, ich habe noch ein Treffen mit einem Klienten. Aber dein Vater wollte heute auch noch vorbeikommen."
„Schon gut. Ich komme klar." Seufzend suchte ich mir eine gemütlichere Position und richtete meinen Blick auf die gegenüberliegende, weiße Wand. Mir war langweilig und noch immer hatte mir niemand mein Handy mitgebracht. Ich vernachlässigte meine Social-Media-Accounts wirklich schrecklich.
Wobei wahrscheinlich die halbe Welt von meiner Dummheit, vor ein Auto gelaufen zu sein, wusste. Die Presse stürzte sich wie Aasgeier auf jede, stinklangweilige Kleinigkeit, die in unserer Familie geschah. Vermutlich hätten bereits zahlreiche Paparazzi und Reporter mein Zimmer gestürmt, würden sie nicht hartnäckig abgewiesen werden. Als ob es nicht genug Promis gäbe, die sie belästigen könnten.
Es gab einfach zu viele von ihnen. Mich würde es nicht wundern, wenn irgendwann ein Artikel in einer Klatschzeitschrift zu finden wäre, der ‚Schocknachricht: Geht Mrs. Rodríguez neuerdings erst ab 12 Uhr aufs Klo?' oder so ähnlich lauten würde.
„Was geht in deinem hübschen Köpfchen vor, pibe torpe?" Mit geweiteten Augen erkannte ich Lucian. Musste mich heute jeder erschrecken?
Meine leichte Verstimmung wich schnell einen Grinsen, dass vermutlich ein bisschen irre aussah. Hübsch. Er hatte mich indirekt hübsch genannt. Beziehungsweise meinen Kopf, aber dieser war ein Teil von mir, also fand er mich hübsch. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als hätte ich eine Überdosis Kaffee getrunken. Normal war das nicht. Definitiv nicht.
Was pibe torpe hieß, hätte ich zu gerne gegoogelt, doch ich hatte ja mein Handy nicht hier und Lucian fragen, wollte ich nicht. Dem Klang nach war es wahrscheinlich spanisch.
„Äh, nichts.", erwiderte ich schließlich mit heißen Wangen und starrte den weißen Linoleumboden an.
„Also Nichts sieht anders aus." Da war es wieder, dieses Zwinkern, welches Hitze in mein Gesicht und andere Körperregionen trieb.
Was lief nur falsch mit mir, dass ich auf ein einziges, verdammtes Zwinkern dermaßen reagierte?
„Egal, ist nicht so wichtig.", nuschelte ich peinlich berührt. Wie kam das nur rüber, wenn ich dauernd errötete wie ein kleines Kind, mit dem man über Sex redete?
„Wann darfst du hier raus?", wollte Lucian wissen und lehnte sich mit verschränken Armen gegen die Wand. Meine Güte, sah diese Pose heiß aus. Er musste so stehenbleiben. Gierig starrte ich auf seine Armmuskeln.
„Lila?" Zu meinem Bedauern stieß er sich von der Wand ab und kam zu mir. „Ich habe dich etwas gefragt."
„Hä?" Meine nicht sonderlich intelligente Antwort und das verwirrte Blinzeln ließ Lucian seine Augen verdrehen. „Du musst hier echt dringend raus, von dem ganzen Weiß wird jeder normale Mensch irgendwann irre.", sagte er. Immerhin war ich nicht die einzige, die so dachte.
„Ich frage mal nach, ob du zumindest in den Park vom Krankenhaus darfst." Er verließ das Zimmer und ich genoss wieder einmal den herrlichen Anblick seiner Kehrseite. Zwar war ich in den letzten Tagen bereits ein paar Mal aufgestanden und herumgelaufen, doch draußen war ich nicht gewesen.
„Du darfst, allerdings nicht länger als fünfzehn Minuten. Kannst du laufen?", berichtete Lucian, als er wieder zurückkehrte. Ich nickte als Antwort.
„Ich muss mich aber umziehen.", erklärte ich und musste mich zwingen, nicht schon wieder rot zu werden. Denn ich konnte zwar meine Hose ohne große Probleme anziehen, doch das Oberteil gestaltete sich bereits schwieriger. Ich verließ das Bett und tapste zu dem weißem Schrank hinüber, in dem die Tasche mit einigen Klamotten lag, die meine Mutter mir gebracht hatte.
Mit einer Jeans auf dem Arm betrat ich das Badezimmer und zog mich um. Ich behielt das Krankenhausleibchen an, als ich den Raum wieder verließ und suchte nach einem Oberteil.
Ich versuchte, das Leibchen auszuziehen, was sich als gar nicht so einfach herausstellte. Als ich es endlich geschafft hatte, fiel mein Blick auf den Verband, der meine Rippen zierte. Peinlich berührt wandte ich mich an Lucian.
„Könntest du mir bitte mit dem Oberteil helfen?" bat ich ihn. Sein Blick schweifte über mich und er schluckte kaum merklich, als seine Augen einige Sekunden an meinem Dekolleté hängenblieben, dass nur von meinem BH verdeckt wurde.
Schließlich räusperte er sich. „Ähm, klar."
Er streifte mir das Shirt über und ich zupfte es zurecht. Die Stellen, an denen seine Finger meine Haut gestreift hatten, prickelten angenehm. Ich versuchte, das Gefühl zu ignorieren und folgte ihm aus dem Zimmer, nachdem ich in meine Schuhe geschlüpft war.
Als wir ins Freie traten, atmete ich tief die frische Luft ein und schloss meine Augen. Es tat gut, endlich mehr als Weiß zu sehen und nicht mehr den sterilen Geruch einatmen zu müssen. Tief füllte ich meine Lungen mit der klaren Luft. Nebeneinander gingen wir langsam den gepflasterten Weg durch den Park des Krankenhauses.
„Lila?"
• • •
Na? Was haltet ihr von Lucian?
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Wünsche bezüglich der MUSIK können jederzeit geäußert werden, schreibt einfach den Titel in die Kommis.
Ich wünsche euch einen schönen, restlichen Mittwoch,
eure Ms_Creatix
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