Kapitel 9

"Und wie war es im Dorf?", fragte Ruben optimistisch, als wir wieder Zuhause ankamen.

"Ich muss mir einen neuen Metzger suchen", antwortete Sean niedergeschlagen.

"Was?!", fragte Ruben entsetzt nach. In seinem Kopf bildeten sich wahrscheinlich gerade die fürchterlichsten Szenarien.

"Es ist die Schuld der Schlange. Wenn sie nicht wäre, dann wäre der Metzger toll. Aber wenn ich Fleisch kaufe, dann will ich nur Fleisch und nicht noch eine Biologiestunde", antwortete ich selbstsicher, während ich die Lebensmittel in den Kühlschrank räumte.

"Was soll das denn überhaupt bedeuten?", fragte Ruben immer noch entsetzt nach.

"Die Frau des Metzgers dachte, sie hätte ein Recht dazu, darüber zu urteilen, wer unsere Familie ist und wer nicht", erklärte Lewis, der gerade die letzte Tasche von draußen rein brachte.

"Warte hat sie gesagt, dass wir nicht eine Familie sind?", fragte Sean jetzt etwas gefasster nach.

"Ganz genau!", antwortete ich, mit meinem Kopf immer noch im Kühlschrank.

"Oh! Dann suche ich mir nur zu gerne einen neuen Metzger!", rief Sean wütend auf die Schlangenfrau.

"Solange ich mein Fleisch bekomme", hörte ich plötzlich Harvey von hinten brummen. Er war gerade dabei das gehackte Holz nach drinnen zu schaffen.

"Willst du etwa nicht unsere Familie sein?", fragte Lewis gespielt enttäuscht nach.

"Wenn ich dann von dir wegkomme, gerne!", antwortete Harvey und verzog dabei keine Miene.

"Das verletzt mich aber jetzt wirklich!", jammerte Lewis übertrieben.

"Du bist ein nerviger Welpe! Dich verletzt sogar eine starke Windböe!", antwortete Harvey genervt.

"Harvey! Wie kannst denn nur so etwas sagen!", weinte mein kleiner Bruder gespielt vor sich hin, "Du bist doch mein Onkel und ich liebe dich."

"Lass Harvey in Ruhe und mach dich nützlich!", mischte sich Kayden ein, der gerade mit einem Stapel Holzscheite über dem Arm durch die Hintertür reinkam.

"Ach, was willst du denn jetzt, Fettsack! Willst du etwa auch nicht ein Teil meiner Familie sein, so wie Onkel Harvey?", setzte Lewis noch einen drauf. Der Junge hatte wirklich einen Todeswunsch.

"Leider Gottes bin ich schon längst Teil deiner Familie. Du bist mein kleiner, schmächtiger Bruder."

"Schmächtig?!", stieß Lewis empört aus.

"Ja, schmächtig. Und wenn du was dagegen machen willst, dann hilfst du uns endlich das Holz reinzutragen und zu stapeln!", antwortete Kayden mit einem wissenden Grinsen. Lewis würde niemals auf sich sitzenlassen, dass er "schmächtig" wäre. Das würde er jetzt unter Beweis stellen, in dem er viel zu viele Holzscheite auf einmal rein trug. Aber das war genau, was Kayden wollte, damit hatten Harvey und er weniger zu tun. Kayden erzog uns Kinder zum Teil wirklich mit und wusste ganz genau welche Knöpfe er drücken musste, um die gewünschte Reaktion zu bekommen.

"Alles gut, Erbse?", fragte Kayden leise.

Ich nickte schnell und schenkte ihm ein Lächeln. Dann machte ich mich wieder an die Arbeit und half Sean beim schnippeln des Gemüses für das Abendessen. Einen Teil kochten wir schon vor für den nächsten Tag, damit wir dann weniger tun mussten. 

"Faith, würdest du mal nach Connor sehen. Ich habe Angst, was er gerade mit den Schlafzimmern anstellt", entließ Sean mich nach einigen Stunden von der Arbeit.

Sean hatte sich geirrt. Jedes der Gästezimmer, das ich betrat sah wundervoll aus. Sie waren sauber, die Betten ordentlich gemacht und Handtücher lagen ordentlich gefaltet bereit. Ich hätte ehrlich gesagt gar nicht erwartete, dass Connor das hinbekommen würde. Aber als ich das letzte Zimmer betrat wurde mir auch klar, warum es so makellos aussah.

Dort mitten im Zimmer stand Evie und verteilte die Handtücher.

"Erzähl es nicht weiter", flüsterte Evie noch bevor ich etwas sagen konnte, "Der Nerd macht meine Aufsätze und ich mache dafür die Zimmer."

Ich hätte es wissen müssen. Die beiden hatten sich schon immer gegenseitig aus der Klemme geholt. Evie liebte zwar Journalismus und das Schreiben, aber nicht wenn es etwas mit Schule zu tun hatte, während Connor sich einen Spaß daraus machte Schularbeiten zu schreiben. Hausarbeit dagegen lag Connor so überhaupt nicht und obwohl Evie es in ihrem eigenen Zimmer nie so ernst nahm mit der Ordnung, war sie eine Perfektionistin, wenn es für andere Menschen war.

"Soll ich dir irgendwie helfen?", fragte ich kichernd nach.

"Du könntest noch mal schnell durch das Bad wischen. Dann ist alles fertig", lächelte meine Schwester mir dankbar zu.

"Was hältst du eigentlich von Alec?", fragte sie mich einige Zeit später. Wir hatten uns dazu entschlossen noch ein weiteres Zimmer vorzubereiten, je nachdem wer noch alles kommen würde oder eben eine Schlafmöglichkeit brauchte.

"Ich weiß es nicht. Ich habe nicht wirklich viel mit ihm geredet. Aber er schien nett zu sein. Warum?", antwortete ich. Ich bezog gerade eines der Kissen, während Evie das zweite bezog.

"Er hat mich gefragt, ob ich seine feste Freundin werde", antwortete Evie ganz leise. Ein zarter rosa Ton überzog ihre Wangen.

"Das ist doch süß!", freute ich mich für meine Schwester, "Was hast du gesagt?"

"Das ich darüber nachdenken muss."

"Aber warum das denn? Magst du ihn denn nicht?", fragte ich verwundert nach.

"Doch schon, sogar sehr, aber es ist das erste Mal, dass ich mit einem Jungen wirklich eine richtige Beziehung hätte. Du weißt, ich bin nicht so der Beziehungstyp. Er ist wirklich toll, aber er ist ein Mensch. Ich müsste ihn ständig anlügen oder ihn einweihen. Aber was wenn er es nicht versteht, wenn er mich für ein Monster hält?!", Evies Stimme wurde mit jedem Satz panischer.

"Evie, er hat nicht gefragt, ob du ihn heiraten willst. Versuch es doch erst Mal aus. Offensichtlich magst du ihn. Also versuch es doch erst Mal. Er zähl ihm erst Mal nichts. Und wenn es sich weiter entwickelt. So weit wie zum Beispiel zu einer Ehe oder eben einfach eine längerfristigen Zukunft, dann kannst du immer noch darüber nachdenken, ob du ihn in unser Geheimnis einweihst oder nicht. Das musst du doch nicht jetzt schon entscheiden", beruhigte ich Evie.

"Danke, du bist die beste Schwester, die ich mir wünschen könnte", kicherte Evie und zog mich in eine feste Umarmung.

"Was für einen Schwesternmoment habe ich denn hier unterbrochen?", fragte Connor lachend, der gerade das Zimmer betrat. In seiner Hand hielt er einen Stapel von Blättern.

"Sind das die Aufsätze?", fragte Evie aufgeregt.

"Ja, alle online schon eingereicht. Du solltest ein paare gute Noten dafür bekommen. Die hier sind nur für Ruben ausgedruckt. Die Zimmer sehen übrigens perfekt aus", meinte Connor.

"Irgendwas hat Ruben wohl doch bei unserer Erziehung falsch gemacht", hörte ich Lewis lachende Stimme hinter uns, "Wir helfen uns gegenseitig beim Betrügen. Sollten wir uns nicht wie normale Geschwister gegenseitig auflaufen lassen und in den Wahnsinn treiben."

"Wir sind eben keine normalen Geschwister!", kicherte Evie. Lachend wuschelte sie dem jüngsten Mitglied der Familie durch die Haare.

"Och man! Evil!", brüllte Lewis, "Meine Frisur! Ruben meinte der Alpha hat auch ne Tochter! Jetzt muss ich die noch mal stylen!"

Wütend stürmte unser kleiner Bruder aus dem Raum. Kurz sahen Connor, Evie und ich uns an, bevor wir alle in erstickendem Lachen ausbrachen.

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