Kapitel 6

Als ich abends vor dem rustikalen, mehrgeschossigen Holzhaus vorfuhr, kamen mir Sean und Lewis schon entgegen.

"Da bist du ja endlich! Wir haben dich vermisst!", rief Lewis aufgeregt, während er mich habe aus dem Auto zerrte, um mich in einer festen Umarmung beinahe zu zerquetschen.

"Ich habe dich auch vermisst, Kleiner", begrüßte ich meinen Bruder, der mich mittlerweile um einen ganzen Kopf überragte. Lachend wuschelte Sean mir durch die Haare und zog mich ebenfalls in eine warme Umarmung.

"Ich habe dich unglaublich vermisst. Aber jetzt bist du ja endlich wieder hier", meinte der große stämmige Mann mit Glatze, "Die anderen warten drinnen auf dich. Aber lass uns erst einmal deine Sachen auf dein Zimmer bringen."

Mein Zimmer sah noch genauso aus, wie als ich es verlassen hatte. Außer das Sean wahrscheinlich das Bett frisch bezogen hatte. Er war ein bisschen unser Mutterersatz, mit seiner herzlichen und fürsorglichen Art.

Die Balkontür stand offen und von draußen wehte nicht nur der Duft des Waldes herein, sondern auch der von Connor.

"Konntest du etwa nicht warten, bis ich zum Essen komme oder was?", fragte ich lachend, während ich meine Kleidung in den Schrank einräumte.

"Ich wollte dich eigentlich bloß so schnell wie möglich runterschauen, damit wir endlich essen können, denn ich bin wirklich am verhungern", antwortete Connor, der jetzt direkt hinter mir stand und mir einen Kuss auf die Wange drückte.

Lachend drehte ich mich um. Sofort wurde ich von ihm in eine feste Umarmung gezogen.

"Ich habe dich vermisst, Erbse", flüsterte Connor mir zu.

"Ich dich auch", antwortete ich. Leif atmete ich den bekannten, familiären Geruch ein, den mein Bruder immer verströmte. "Aber du hattest versprochen mich nicht mehr so zu nennen."

"Ich bitte dich. Wie soll ich dich denn sonst nennen?", fragte Connor verwirrt.

"Faith, also mein richtiger Name, wäre eine Idee", schlug ich Schulter zuckend vor.

"Das kannst du definitiv vergessen. Als Ruben dich adoptiert hat, haben Kayden und ich geschlossen, dass du Erbse heißt und so wird das auch bleiben", schüttelte mein Bruder energisch den Kopf.

Eigentlich hatten die beiden mich gesehen und beschlossen, dass sie kein Mädchen in der Familie haben wollten. Lewis, der gleichzeitig mit mir in die Familie aufgenommen wurde, wurde trotz seines Alters von gerade Mal vier Jahren sofort von den beiden akzeptiert. Ich definitiv nicht. Daher kam der Name Erbse. Ich war klein und zerquetschbar, wie sie es nannten. Irgendwann gewöhnte ich mich an den Spitznamen. Ich hatte ja auch keine andere Wahl. Außerdem meinten Connor und Kayden es mittlerweile nicht mehr böse. Es war eine Erinnerung aus der Kindheit, wie sie es nannten. Evie, die drei Jahre nach mir, als letzte zu unserer Familie dazu stieß, hatte mehr Glück. Da die Jungs durch mich schon daran gewohnt waren, dass es jetzt auch weibliche Wesen im Haus gab, bekam Evie keinen Spitznamen. Dieser entwickelte sich erst später, als sie in der Pubertät war. Sie wurde nur noch Evil genannt, da sie wirklich das Böse in Person war.

"Ihr seid fürchterlich", murmelte ich vor mich hin.

"Egal was wir deiner Meinung nach sind, ich kann dir sagen, was wir definitiv sind. Bald tot, weil wir durch dich verhungert sind", erklärte Connor energisch.

"Ist ja schon gut, lass uns runter gehen", gab ich mich geschlagen.

"Gott sei dank!"

Unten im Wohnzimmer angekommen, saßen noch alle versammelt herum und warteten. Lewis spielte, genau wie Evie, an seinem Handy. Harvey laß Zeitung und zwinkerte mir einmal kurz zu, als ich den Raum betrat, während Ruben und Kayden an Rubens großem Holzschreibtisch über eine Karte gebeugt waren und sich über irgendwelche Rudelangelenheiten unterhielten. Sean hörte ich im Nebenraum. Er brachte anscheinend gerade alles Essen aus der Küche in den Speisesaal. Normalerweise halfen wir ihm dabei, aber er wollte es anscheinend heute alleine machen. Ruben hätte niemals zugelassen, dass Evie und Lewis an ihren Handys spielten oder Connor und ich oben waren ohne zu helfen oder es wenigstens anzubieten.

"Da bist du ja endlich!", rief Ruben überglücklich. Wenige Augenblicke später stand mein Adoptivvater vor mir. Mit einem breiten Lachen auf den Lippen zog er mich in eine feste Umarmung. Er roch nach Wald und frisch gewaschener Wäsche. Es war ein Geruch, den ich aus meiner Kindheit nur zu gut kannte. Ich hatte ihn bloß ein Jahr nicht gesehen und erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn und meine Brüder vermisst hatte.

"Erbse!", rief jetzt auch Kayden und zog mich aus der Umarmung unseres Vaters, "Ich habe dich vermisst, Kleine!"

"Ich habe euch auch vermisst", seufzte ich in die Umarmung.

"Deine Brüder haben den perfekten Zeitpunkt gewählt, um dich nach Hause zu schleifen!", brummte Harvey missmutig.

"Was ist denn los?", fragte ich nach. Lewis legte einen Arm um mich und zog mich in Richtung des Esszimmers, aus dem ein herrlicher Duft an verschiedensten Gerichten zu uns strömte.

"Er ist nur sauer, weil der andere Alpha sich einfach selbst zu uns eingeladen hat. Er traut dem nicht. Er hat wohl gerade erst die Machtposition übernommen. Offiziell kommt er, um sich vorzustellen. Aber da er an die Macht kam, weil er den alten Alpha umgebracht hat, traut Harvey ihm nicht. Er macht sich sorgen um Evie und dich", erzählte mein kleiner Bruder scherzhaft. Ich fand das ganze überhaupt nicht so amüsant, wie Lewis. Genau das war einer der Gründe warum ich mich von meiner Familie und dem Rudel fern hielt.

"Ihr müsst euch keine Sorgen machen. James ist ein alter Freund von mir. Wir sind zum Teil zusammen aufgewachsen. Das er zu Besuch kommt, ist bloß eine Höflichkeit. Er bringt seine Gefährtin und seine Kinder mit. Stellt es euch vor, wie ein Treffen zwischen alten Familienfreunden", meinte Ruben, um mich etwas zu beruhigen.

"Er hat eine Gefährtin?", fragte Evie interessiert nach.

"Ja, er ist einer der Glücklichen, die in unseren wenigen Zahlen seine Gefährtin gefunden hat", meinte Sean, mit einem verträumten Lächeln auf den Lippen, "Und jetzt fangt an."

Wir alle schaufelten uns Essen auf unsere Teller, aber bevor wir anfingen, mit dem Essern sahen wir alle zu Ruben, der am Tischende saß. Er fing an zu Essen und nachdem der erste Bissen seinen Hals herunter gewandert war, gab er uns das Zeichen, dass wir auch essen durften.

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