Kapitel 40
Mit einem hämmernden Kopf räumte ich die leeren Wein und Tequila Flaschen vom Couchtisch auf. Connor lag schnarchend auf dem Sofa. Diese Position konnte nicht bequem sein, aber er war spät abends ein einhalb Stunden gefahren, um mich wieder aufzuheitern, also ließ ich ihn lieber noch ein bisschen schlafen. Immerhin hatte er genauso viel getrunken, wie ich. Sein Kopf müsste genauso explodieren, wie meiner, wenn ich ihn wecken würde.
Es hatte geholfen, mit meinem Bruder über alles zu reden. Trotzdem hatte es mir wenig mit dem Dilemma geholfen, in dem ich momentan steckte.
Ganz leise verließ ich die Wohnung. Nachdem die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, zog ich mein Handy heraus und wählte eine ganz bestimmte Nummer. Schon nach wenigen Piepsen wurde abgehoben.
"Guten Morgen, Faith. Was kann ich für dich tun?", hörte ich meinen Adoptivvater durch die Leitung sprechen.
"Ich muss mit dir über etwas reden. Das möchte ich persönlich und nicht übers Telefon machen, aber ich kann nicht zu euch kommen. Ich hoffe du verstehst mich. Es ist für mich noch zu früh wieder in das Haus zu gehen", erklärte ich zurückhaltend meinen Wunsch.
"Das verstehe ich, mein Kind. Ich werde Harvey das Anwesen für ein heute anvertrauen und zu dir kommen. Wir können uns heute Nachmittag in dem kleinen Café treffen. Weißt du noch welches ich meine? Das kleine mit den roten Stühlen. Wir waren ein paar Mal mit Evie und Sean da, wenn wir euch besucht haben."
"Ja, ich weiß welches du meinst", flüsterte ich. Ein riesiger Kloß bildete sich in meinem Hals, bei der Erinnerung an Sean, wie er mit uns gemeinsam Kaffee getrunken hatte, die Uni besichtigte und danach unsere Wohnung eingerichtet hatte.
"Gut, dann sehen wir uns dort um zwei Uhr. Ist das in Ordnung?", fragte mein Vater ruhig nach. Ich wusste nicht, wie er es schaffte schon so gefasst über Sean zu reden. Er war mit ihm gemeinsam aufgewachsen, hatte mit ihm schon immer zusammen gelebt und hatte mit ihm gemeinsam nicht nur ein Rudel geführt, sondern auch fünf Kinder aufgezogen. Aber wahrscheinlich hatte er schon so viele enge Freunde, Verwandte und einfach Rudelmitglieder beerdigen müssen, dass es für ihn so zur Gewohnheit geworden war, dass er jetzt so gelassen damit umgehen konnte.
"Ja, das ist in Ordnung. Ich hab dich lieb. Wir sehen uns dann."
"Ich habe dich auch lieb", sagte Ruben noch liebevoll, bevor er auflegte.
Als ich wieder in die Wohnung kam, lag Connor immer noch schlafend auf der Couch. Aber ich musste zu meiner Vorlesung. Noch ein letztes Mal aktualisierte ich meinen E-Mail Account. Enttäuscht musste ich sehen, das ich keine neuen Nachrichten hatte.
Zielstrebig lief ich über den Campus zu meiner ersten Vorlesung für diesen Tag. Auf meinem Weg sah ich durch eine Fensterscheibe meine Schwester, wie sie zusammen mit Summer, River und Ruby an einem Tisch in der Bibliothek saß.
Fröhlich winkte Evie mir zu, ließ die Hand aber enttäuscht wieder sinken, als sie merkte, wie ich meine Schritte beschleunigte, um so schnell es ging weg von dem anderen Rudel zu kommen. Ich wollte ihr nicht weh tun, keinem von ihnen. Natürlich war mir mehr als bewusst, dass ich das gerade tat, aber ich war noch nicht bereit diesen Geruch zu ertragen.
Nachdem ich eine ganze Woche verpasst hatte, hatte ich das Gefühl nur noch Bahnhof in der Vorlesung zu verstehen. Vielleicht lag es auch daran, dass mir immer wieder die enttäuschten Gesichter von Evie und Zander vor dem inneren Auge schwirrten.
Nach zwei kompletten Vorlesungen fühlte ich mich ausgelaugt und leer. Ich hatte noch zwei Stunden, bevor ich mich mit Ruben treffen würde. Obwohl mir eindeutig die Motivation fehlte, lief ich zurück in meine Wohnung. Eigentlich wollte ich mich direkt daran setzen alles nachzuholen, dass ich in der letzten Woche verpasst hatte, aber dazu kam es erste gar nicht.
Schon als ich die Tür öffnete hörte ich meinen Bruder, der auf der Couch saß und den Fernseher anbrüllte. Verwirrt kam ich rein und musste sehen, wie mein Bruder frisch geduscht, nur in Boxershorts bekleidet, auf der Couch saß, Chips in sich reinstopfte und die Spieler bei einem Footballspiel anbrüllte.
"Hey, Erbse", begrüßte Connor mich abwesend, dabei ließ er nicht einmal den Blick vom Fernseher zu mir gleiten, "War es gut in der Uni?"
"Ja", brachte ich bloß heraus, "Hast du den ganzen Tag geschlafen und mein Essen leer gegessen?" Entsetzt starrte ich auf die leeren Verpackungen, die überall um Connor herum auf dem Boden und dem Couchtisch lagen. Als ich meine Wohnung verlassen hatte, sah alles noch normal und aufgeräumt auf, aber jetzt?!
"Joa", nuschelte Connor mit vollem Mund.
Kopf schüttelnd lief ich einfach in mein Zimmer und setzte sich an den Schreibtisch. Ich stellte mir noch einen Timer, damit ich nicht zu spät zum Café loslief und machte sich dann an meine Arbeit. Ich versuchte mich wirklich zu konzentrieren, aber Connor machte es mir wirklich schwer. Alle paar Minuten brüllte er wieder irgendetwas. Solangsam glaubte ich mehr, dass er es machen würde, um mich in den Wahnsinn zu treiben und nicht, dass da wirklich noch ein Spiel lief. So lange konnte dieser Scheiß doch nicht gehen!!!
Wütend stürmte ich aus meinem Zimmer und wollte gerade Connor anbrüllen, da drehte er sich schon mit einem Grinsen das förmlich von einem zum anderen Ohr reichte zu mir um.
"So. Jetzt können wir reden. Du bist nüchtern. Ich bin nüchtern. Und lernen lasse ich ich dich eh nicht", zuckte mein älterer Bruder mit den Schultern.
"Ist das dein Ernst?", fragte ich ihn wütend.
"Oh ja! Also wie siehts aus. Was ist dein Plan. Und ich meine nicht dein Rumgeheule von wegen du liebst ihn noch und willst ihn nicht verlassen, aber erträgst weder seinen Geruch noch sein Rudel. Das hatte ich gestern zu genüge", meinte Connor sachlich.
"Ich weiß es nicht. Ich treffe mich um zwei mit Ruben und werde über einen Plan reden. Aber ich kann dir noch nichts spezielles sagen", antwortete ich. Mit verschränkten Armen vor der Brust musterte ich meinen halb nackten Bruder, wie er da vor mir auf der Couch saß, die er nebenbei bemerkt komplett vollgekrümelt hatte.
"Und was kannst du mir sagen?", hakte er weiter nach.
"Das ich mein Studium beenden werde. Ich habe noch ein Jahr und ein paar Monate vor mir und dann werden wir weiter sehen", meinte ich trocken.
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