Kapitel 38
Die ganze Rückfahrt musste ich daran denken, dass alles so gut angefangen hatte. Wie ich glücklich mit Zander zusammen zu mir nach Hause gefahren war. Es war noch alles so zufrieden gewesen, so unbeschwert. Und jetzt? Noch vor wenigen Tagen hatte sein Geruch mich in den Wahnsinn getrieben und ich hatte es kaum ohne ihn ausgehalten, aber jetzt musste ich einen Würgereiz unterdrücken.
Ausgelaugt parkte ich mein Auto und trug meine Sachen ins Haus. Die gesamte Wohnung roch nach Zander. Mit einem erstickenden Laut riss ich jedes einzelne Fenster in der Wohnung auf. Hektisch sammelte ich alle von Zanders Sachen zusammen und stopfte sie in eine seiner Taschen. Auch Bilder warf ich dazu. Es gab erst eines von uns beiden, das wir ausgedruckt und aufgestellt hatten. Es war während der Ferien entstanden. Riley hatte zusammen mit Lewis und Sean eine Schneeballschlacht angefangen und uns alle mitgerissen. Kayden hatte sich nicht beteiligt, sondern bloß mit Ruben und Harvey lachend zugesehen. Ohne das ich etwas mitbekommen hatte, hatte er Fotos gemacht. Darunter auch eines, wie Zander hinter mir stand. Mit dem linken Arm hielt er mich mit meinem Rücken an seine Brust gedrückt und mit der rechten Hand ließ er Schnee auf mich herab rieseln. Lachend sah ich zu ihm nach oben hinter mir. Unsere Blicke hatten sich auf dem Bild getroffen und man konnte förmlich die Liebe sehen, die zwischen uns anfing aufzublühen.
Ich merkte erst, dass ich weinte, als eine große, salzige Träne auf den Bilderrahmen tropfte. Schnell schob ich das Bild umgedreht in eine Schublade meiner Kommode. Ich wollte das Bild nicht wegschmeißen und auch nicht ihm einfach überlassen. Ich wusste, es war scheinheilig. Auf der einen Seite wollte ich nichts mehr mit Zander zu tun haben, aber auf der anderen Seite konnte ich mich nicht einmal von einem einfachen Bild trennen.
Tief atmend sah ich mich in der kleinen Wohnung um. Zanders Sachen waren alle gepackt und standen neben der Tür. Aber der Geruch blieb einfach kleben. Als hätte sich Zanders Duft in jedes einzelne Stoffstück und jede Fuge in den Möbeln eingesogen. Wie eine Besessen bezog ich das Bett neu, riss alle Stoffbezüge herunter und schmiss sie in die Waschmaschine. Obsessiv fing ich an die gesamte Wohnung zu schrubben. Erst als der Geruch von Putzmitteln, besonders von Bleiche mir die Nase fast verätzte und meine Augen tränten hörte ich auf.
Erschöpft sah ich mich in der Wohnung an, die mehr einem Schauhaus, als einem Zuhause glich. Es wirkte sehr steril. Vor allen Dingen, da an allen Sachen die Bezüge fehlten, die gerade im Trockner darauf warteten, wieder an ihren eigentlichen Platz zu kommen.
Mittlerweile glaubte ich, dass der Geruch mehr in meinem Gehirn anstatt wirklich in der Wohnung steckte. Denn auch jetzt hatte ich das Gefühl Zander noch überall zu riechen, dabei sollte sein Geruch bloß in seinen Sachen an der Haustür stecken.
Draußen war es bereits dunkel geworden. Die kühle Abendluft wehte in die Wohnung herein und ließ mich erschaudern. Ich schloss wieder alle Fenster. Am letzten hielt ich in mich. Noch ein letztes Mal sog ich die frische, klare Luft ein, bevor ich auch das letzte Fenster schloss und mich selbst in Zanders Geruch, der nur in meinem Kopf steckte einhüllte.
*
Am nächsten Morgen versuchte ich einfach alles zu verdrängen. Meine Familie, Zander, Seans Tod einfach alles. Ich hatte keinen richtigen Schlaf finden können, in diesem Zimmer das mich an gemeinsame Stunden mit Zander erinnerte. Obwohl es nicht viele waren, es reichte aus.
Müde schleppte ich mich zur Bibliothek. Ich hatte mich freiwillig gemeldet, um ein paar weitere Schichten zu übernehmen. Offiziell war ich noch entschuldigt durch Ruben. Aber ich wollte so schnell wie möglich wieder mit meinem menschlichen Alltag an der Uni beginnen. Vielleicht würde ich dann alles hinter mir lassen können.
"Was machst du denn hier?", hörte ich plötzlich Jacks Stimme hinter mir. Überrascht sah der junge Mann mich an, während ich weiterhin Bücher einräumte.
"Ich habe es nicht mehr dort ausgehalten", seufzte ich leise. Ich versuchte nicht darüber nachzudenken, was mich wieder zur Uni getrieben hatte.
"Summer hat mir erzählt, das euer Onkel gestorben ist. Dein Verlust tut mir sehr leid", sagte Jack und sah mich dabei mitleidig an.
"Dankeschön, aber es ist alles in Ordnung", lächelte ich ihm zu. Dabei erreichte das Lächeln meine Augen nicht.
"Lüg mich nicht an. Wir sind doch Freunde. Du musst nicht mit mir reden, wenn du das nicht willst, aber du kannst dich trotzdem jederzeit an mich wenden. Lüg mich einfach nicht an", meinte er und sah mir dabei tief in die Augen.
"Ok, es stimmt. Nichts ist in Ordnung, aber das wird es irgendwann wieder sein. Lass uns einfach über etwas anderes reden", schlug ich betrübt vor.
Nickend fing Jack an mir dabei zu helfen die Bücher einzuräumen.
"Weißt du noch das Auslandsjahr, von dem ich dir erzählt habe?"
"Das für Studenten in künstlerischen Fächern, wo man durch ganz Europa reist?", fragte ich nach, erleichtert über den Themenwechsel.
"Ja, ich wurde genommen", freute Jack sich. Ein strahlendes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er war sichtlich stolz auf sich selbst.
"Jack! Das ist ja fantastisch! Ich freue mich sehr für dich. Das wird bestimmt unglaublich", freute ich mich für meinen Freund. Das tat ich wirklich. Jack war ein begnadeter Fotograf. Er würde es noch weit bringen und diese Chance in ganz Europa an verschiedenen Unis noch mehr zu lernen, war einfach nur fantastisch.
"Du weißt, sie nehmen immer noch Bewerbungen an", stupste Jack mir leicht gegen die Schulter, "Aber ich weiß ja, du würdest deinen britischen Schatz niemals alleine hier lassen. Schon gar nicht für ein ganzes Jahr."
"Wir sind nicht mehr-", Kopf schüttelnd brach ich ab, "Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, was wir sind."
"Was ist passiert. Dieser Arsch hat dich doch wohl nicht in dieser schrecklichen Situation alleine gelassen?", entsetzt sah Jack mich an.
"Nein, ich habe ihn alleine gelassen. Ich kann seine Nähe momentan nicht ertragen."
"Sollte man nicht meinen der Psychologiestudent wäre als fester Freund die beste Hilfe in solchen Trauermomenten?", seufzend wand Jack sich wieder dem Regal zu.
Er hatte recht. Eigentlich wäre Zander der perfekte Partner gewesen, nur sein Geruch machte es mir unmöglich ihn mir helfen zu lassen.
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