Kapitel 30
"Ich will, das du dir keine Sorgen machst. Es ist nichts schlimmes, sondern etwas sehr schönes, wenn man ein reges Sexleben mit seinem Gefährten hat", sprach Sean weiter.
"Ich weiß. Es ist mir nur unangenehm, wenn meine Geschwister darüber so reden", gestand ich meinem offiziellen Adoptivonkel ein.
"Aber ich wollte etwas anderes ansprechen. Es wird dir aber wieder unangenehm sein", grinste Sean mich entschuldigend an.
"Weißt du vor dem Krieg gab es die Annahme, dass man so schnell wie möglich Kinder bekommen sollte und am besten so viele wie nur möglich. Das ist nicht mehr so. Wenn du das willst, ist das natürlich ganz deine Sache, aber wenn du das nicht willst, dann lass dich bitte von Zander zu nichts zwingen", fing Sean leise an zu erklären, "Mittlerweile vertreten wir Werwölfe die selbe Ansicht wie die Menschen. Lasst euch Zeit, übereilt nichts und lass dich zu nichts drängen. Eure Lebenserwartungen sind weit höher, als die von den Menschen. Zander und du, ihr habt noch mehrere 100 Jahre Zeit, um Kinder zu bekommen."
"Sean, wir verhüten", unterbrach ich den Werwolf, der in einen Redeschwall überging.
"Oh der Gottin sei dank", stieß Sean erleichtert aus. Eine angenehme Stille breitete sich im Zimmer aus.
"Er behandelt dich doch gut oder?", fragte Sean zurückhaltend.
"Ja, sehr gut. Ich bin wirklich glücklich mit ihm", erzählte ich lächelnd.
"Das ist gut. Weißt du meine Eltern waren auch Gefährten, aber mein Vater war kein guter Mann. Er hat meine Mutter zu Sachen gedrängt, die sie nicht machen wollte. Er hat sie sehr unglücklich gemacht. Und ich mache mir einfach Sorgen, um euch Kinder. Kayden und Connor können sich gegen jeden behaupten, aber du und Lewis. Ihr seid noch so zart und zerbrechlich, aber bitte sag deinem Bruder nicht, dass ich das gesagt habe. Und bei Evie muss ich mehr Gedanken um Summer machen, als um deine Schwester. Ich will nicht dass einer von euch so leben muss, wie meine Mutter", gestand Sean mir.
"Das wird nicht passieren", antwortete ich ihm, um ihn zu beruhigen, "Und wenn doch, dann würde ich es dir sofort erzählen."
"Ach Kleines", murmelte Sean und nahm mich fest in den Arm, "Denk immer daran, was ich dir als Kind schon beigebracht habe."
"Niemals rote und weiße Sachen zusammen waschen?", fragte ich verwirrt.
"Nein", wütend sah Sean mich an, "Das Rudel ist deine Familie. Wir sind dein Blut. Und dem Blut muss man loyal gegenüber sein."
"Das ist einfacher gesagt, als getan", antwortete ich.
"Wenn es dazu kommt, wirst du schon wissen, was zu tun ist. Ich weiß du hasst das Blut, aber dieses Blut hat dir ein Rudel gegeben, eine Familie, Freunde und einen Gefährten. Es ist nicht nur schrecklich ein Werwolf zu sein, meinst du nicht", murmelte Sean.
"Vielleicht hast du recht, aber ich komme mit den ganzen Morden und Verlusten nicht zurecht. Ich kann mich an meine eigenen Eltern nicht einmal erinnern."
"Musst du das denn wirklich? Du erinnerst dich an Ruben, an Harvey, an deine Geschwister und an mich. Reicht das denn nicht?", fragte Sean liebevoll.
Plötzlich blitzten Bilder vor meinem inneren Auge auf. Ich erinnerte mich daran, wie Ruben mir mein erstes Fahrrad gekauft hatte. Kayden und Sean hatten Connor und mir zusammen das Fahrrad fahren auf der Einfahrt vor dem Haus beigebracht. Evie war damals noch nicht bei uns. Sean hatte geweint, als wir es endlich geschafft hatten ohne die Stützräder zu fahren. Als ich das erste Mal meine Liebe zum Malen entdeckt hatte, war Sean derjenige, der mich einmal die Woche zu einem Malkurs ins Dorf fuhr.
"Vielleicht reicht es", lächelte ich ihm zu.
"Ich sollte wohl besser wieder runter gehen. Wahrscheinlich sucht Ruben schon nach mir", grinste Sean mich an.
"Wieso hast du uns damals nicht adoptiert, sondern Ruben?", rutschte es mir da plötzlich raus. Ich hatte mir diese Frage schon sehr lange gestellt. Sean war mehr ein liebevoller Elternteil für mich, wobei Ruben doch sehr gut den strengen Vater spielen konnte.
"Ruben, Harvey und ich haben uns zusammen dazu entschlossen Werwolfkinder zu retten. Harvey hat es zwar nicht so mit Kindern, aber er liebt euch trotzdem, dass weißt du hoffentlich. Ruben und ich wollten immer Kinder haben, aber ohne Partner geht das schlecht. Wir wollten aber auch, dass eure Stellung in der Werwolfgesellschaft niemals angezweifelt wird. Also war es nur das Beste, wenn ein Alpha euch adoptiert und nicht sein Stellvertreter. Aber egal was in den Papieren steht, ihr seid trotzdem auch meine Kinder", Sean drückte mir noch einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und ließ mich dann mit meinen Gedanken alleine.
Ich musste meine Tränen unterdrücken. Ich weinte nicht, weil ich traurig war, sondern weil Sean Worte mich so berührt hatten. Sie zeigten mir vor allen Dingen, was ich all die Jahre übersehen hatte. Ja unter uns Werwölfen gab es immer noch viele Kriege und ja man musste mit Verlusten leben. Aber die Angst vor inneren Schmerzen hatte mich davon abgehalten zu sehen, was für eine wundervolle Familie ich eigentlich hatte. Eine laute, nervige, aber liebevolle Familie. Ich hatte zwei Väter mit Ruben und Sean und einen grummeligen Onkel mit Harvey und ich hatte vier wundervolle Geschwister. Sie würden alles für mich tun. Und ich sollte endlich anfangen die Zeit mit meiner Familie zu genießen, anstatt sie immer auf Abstand zu halten.
Alles in Ordnung mit dir?, hörte ich die besorgte Stimme meines Gefährten in meinem Kopf.
Ja, alles gut. Mach dir keine Gedanken, versuchte ich ihn zu beruhigen.
Ich nahm den Teller mit Abendessen, den Zander mir hochgebracht hatte und nachdem ich etwas gegessen hatte, machte ich mich auf den Weg in die Küche, um den dreckigen Teller wegzuräumen.
Unten angekommen kam ich an Rubens Arbeitszimmer vorbei. Mein Adoptivvater schien ziemlich erschöpft und mit den Nerven am Ende zu sein, denn er lehnte mit den Ellenbogen auf dem Tisch und stützte seufzend seinen Kopf darauf ab.
"Alles in Ordnung?", fragte ich vom Türrahmen aus.
"Ja ja. Nichts um das du dir Sorgen machen müsstest. Aber versprich mir das du in Zukunft vorsichtiger bist", murmelte Ruben. Mit müden Augen sah er mich an. Es schien nicht so, als müsste ich mir um nichts Gedanken machen.
"Was ist los?", fragte ich und kam näher an den Schreibtisch heran. Kurz musterte Ruben mich, als müsste er erst noch herausfinden, ob er mir vertrauen könnte.
"Es läuft nicht so gut bei James", gestand der Alpha, "Es gibt immer noch Wölfe, die ihn nicht als den neuen Alpha akzeptieren und sie haben wohl herausgefunden, dass River und Summer hier sind. Wir müssen also vorsichtiger sein. Aber ich denke, das wird sich alles recht schnell klären. Keiner vom Rudel hat einen fremden Wolf bemerkt, also sind wohl keine von James Feinden hier."
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