Kapitel 15
Gegen Nachmittag kamen die ersten Rudelmitglieder an. Alle wollten mit Ruben über private Anliegen sprechen oder von den Ereignissen des letzten Jahres erzählen. Das Treffen war nichts unglaublich schickes, trotzdem trugen die meisten Männer Hemden und Frauen Kleider. Mich interessierte das immer recht wenig. Ich blieb einfach weiterhin in meinem schwarzen, kurzen Jeansrock, der eine Knopfleiste an der Vorderseite hatte, mit einer schwarzen Strumpfhose darunter . Dazu trug ich ein weißes enges T-Shirt und eine weite graue Strickjacke, die beinahe so lang, wie mein Rock war.
Ich hatte keine Lust auf Smalltalk mit Rudelmitgliedern, außerdem brauchte ich nach den zwei Tagen intensiven Familienkontakt, den ich überhaupt nicht mehr gewohnt war, etwas Abstand zu allen. Ich widmete mich meiner Kunst. Mit meinem Zeichenblock setzte ich mich an mein Fenster und zeichnete den schneebedeckten Wald vor meinem Fenster. Dicke, weiße Flocken rieselten sanft herunter und verwandelten meine Aussicht in ein kleines Winterwunderland. Das Wetter hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Ich konnte abschalten und dachte nicht mehr über unsere Gäste, das Rudeltreffen und Evie mit ihrer Gefährtin nach.
So langsam brach die Dunkelheit herein, was bedeutete, dass Ruben bald das Buffet eröffnen würde. Ich sollte dabei sein. Gegen meinen Willen, noch weiter die Ruhe in meinem Zimmer zu genießen, machte ich mich auf den Weg ins Erdgeschoss. Im ersten Stock angekommen, hörte ich ausnahmsweise mal keine Flüche aus Evies Zimmer dringen. Es war ein gutes Zeichen. Vielleicht hatte Grace doch mehr geholfen, als Sean dachte.
Unten angekommen, wurde ich von verschiedensten Gerüchen überwältigt. So viele verschiedene Wölfe von verschiedenen Rudeln hatte ich schon lange nicht mehr auf einem Platz gerochen. Sofort wurde ich von Connor in Beschlag genommen, so dass ich mich nicht zu sehr auf die Gerüche konzentrieren konnte.
"Da bist du ja, ich wollte gerade hochkommen und dich holen. Ruben möchte anfangen", flüsterte er mir zu. Hektisch zog er mich nach vorne zu Ruben und meinen Brüdern.
"Da wir jetzt vollständig sind, fange ich an", ertönte Rubens dominante Stimme und brachte alle zum verstummen. "Dieses Jahr war ein sehr gutes für uns. Wir konnten vier neue Wölfe in das Rudel aufnehmen, einer davon mein eigener Sohn Lewis. Seit langem kann ich meine Tochter Faith wieder hier begrüßen und wir haben starke, neue Verbündete in Alpha James und Luna Grace gefunden. Außerdem hat meine Tochter Evie ihre Gefährtin in James Tochter Summer gefunden. Da die beiden sich gerade erst gefunden haben, erklärt warum sie jetzt nicht unter uns sind", witzelte unser Adoptivvater, was zu Gegröle im Rudel führte. Das war anscheinend die Ausrede, weswegen die beiden Alphastöchter nicht hier waren. Sie würden zu viel "Spaß" miteinander haben.
"Ich möchte nicht zu lange Reden. Wir sind Wölfe und immer hungrig, deswegen erkläre ich hier mit das Buffet für eröffnet. Bedient euch reichlich und vergesst nicht genügend zu trinken!", rief Ruben enthusiastisch. Mit erhobenem Weinglas prostete er seinem Rudel und dann Alpha James zu bevor einen Schluck trank und damit den imaginären Startschuss für das Rudel gab, essen zu dürfen.
Zusammen mit Lewis ging ich zum Buffet und belud meinen Teller. Sean hatte sich mal wieder mehr als übertroffen. Alles duftete unglaublich gut und ich wusste gar nicht mit was ich beginnen sollte.
*
Die Feier war in vollem Gange. Alle waren ausgelassen, lachten, tranken und tanzten. Die meisten unserer Gäste waren schon ziemlich betrunken und ich war mir nicht ganz sicher, wie wir all diese Werwölfe unterbringen sollten. Denn es war schon zwei Uhr morgens und keiner war mehr in der Lage ein Auto zu fahren. Auch ich war nicht mehr ganz nüchtern. Ausgelassen tanzte ich mit Connor und Kayden. Grace hatte sich anscheinend ein langsames Lied gewünscht. Schnell leerte sich die Tanzfläche, bis nur noch Grace und James, sowie zwei weitere Pärchen eng umschlungen miteinander tanzten.
"Darf ich bitten?", fragte Kayden übertrieben höflich und hielt mir galant seine rechte Hand hin. Lachend nahm ich das Angebot an. Mit meinem Kopf an seiner Brust wiegten wir sanft zur Musik hin und her.
"Du musst öfter vorbeikommen. Ich habe dich vermisst, Erbse", flüsterte mein Bruder mir fürsorglich zu.
"Ich habe dich auch vermisst", lallte ich ihm betrunken ins Ohr.
"Du hattest wohl ein bisschen zu viel", lachte Kayden mich aus. Energisch schüttelte ich den Kopf, woraufhin alles in meinem Blickfeld zu wackeln anfing.
"Vielleicht doch", nuschelte ich müde.
"Das ist in Ordnung. Warte hier auf mich. Ich hole noch eine Flasche Wasser und dann bring ich dich ins Bett", meinte Kayden und setzte mich auf einen Sessel in unserer Nähe.
Nur halb bekam ich mit, dass Kayden von Ruben gerufen wurde, denn mir vielen schon die Augen zu. Ich hätte vielleicht wirklich nicht mit Connor zusammen Kurze trinken sollen. Er war da irgendwie trainierter drin, als ich.
Durch laute Stimmen wurde ich wieder geweckt. Es konnten nur ein paar Minuten vergangen sein, denn es spielte immer noch das selbe Lied, wie zuvor. Mein erster Gedanke war, dass Evie und Summer ihre Streitigkeiten nach unten verlegt hatten, aber dann wurde mir bewusst, dass es Männerstimmen waren.
Verwundert stand ich auf und folgte dem Lärm, der mich in den Eingangsbereich führte. Dort standen Ruben, James, Connor, River und eine fremde Frau, sowie Kayden, der von einem fremden Mann am Hals gewürgt wurde. Schnell wurde mir klar, dass der Fremde und Kayden am Brüllen waren.
"- wieso rieche ich dann meine Gefährtin überall an dir?!", brüllte der Fremde gerade.
"Woher soll ich das wissen?!", antwortete mein Bruder genauso gereizt, wie sein Gegenüber.
"Was ist hier los?", fragte ich verunsichert. In Sekundenschnelle war Connor bei meiner Seite und verdeckte mich, um mich zu schützen.
"Sie!", knurrte da plötzlich der Fremde. Sofort ließ er von Kayden ab und machte sich mit langen Schritten zu mir auf den Weg. Warnend knurrte Connor den Mann an. Dieser knurrte ihn nur noch viel bedrohlicher an.
"Connor, sie ist seine Gefährtin. Er wird ihr nichts tun", versuchte Ruben die ganze Situation aufzulösen.
Immer noch angespannt trat Connor einen Schritt zur Seite, so dass ich mir den Mann das erste Mal richtig ansehen konnte. Vor mir stand ein großer, schlanker Mann. Er hatte durchdringende blaue Augen und blonde Locken, die ihm bis fast zu den Schultern gingen. Die markanten Wangenknochen verliehen seinem Gesicht den Eindruck einer noch ovaleren Form. Und da traf mich das erste Mal sein Geruch. Dieser unverkennbare Geruch, in Verbindung mit seinen Augen bestätigte sich Rubens Verdacht. Vor mir stand wirklich mein Seelengefährte.
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