Kapitel 12

Abends saßen Kayden und ich wieder im Wohnzimmer. Beide waren wir schweigend am Lesen. 

"Euer Vater hat mich hier her geschickt", sprach plötzlich River. An den Türrahmen gelehnt sah er zu uns, "Er meinte ihr macht das jeden Abend."

"Wenn wir beide Zuhause sind, ja", antwortete Kayden, "Das ist unsere kleine Tradition."

Kayden hatte eigentlich seine eigene Wohnung in der nähe seiner Schreinerei. Aber die meiste Zeit blieb er doch einfach hier bei Ruben.

"Schweigend zusammenzusitzen und zu lesen?", fragte River verwirrt nach, als wäre es das seltsamste, das er jemals gesehen hatte.

"Ja. Andere Familien sitzen schweigend zusammen und schauen fern, wir sitzen zusammen und lesen", zuckte ich mit den Schultern.

"Ihr seid noch seltsamer als meine Zwillingsschwester und ich. Seid ihr sicher, dass ihr nicht doch Blutsverwandt seid?", stellte River kritisch fest.

"Ruben hat uns schon testen lassen. Wir haben keine gemeinsamen Verwandten, außer dem Werwolfgen haben wir nichts gemeinsam", antwortete ich.

"Und Gefährten seid ihr keine?", hakte River immer noch verwundert nach.

Angewidert sahen Kayden und ich uns an.

"Sie ist meine kleine Schwester. Was stimmt denn nicht mit dir, du Creap!", stieß Kayden voller Ekel aus. 

Mit erhobenen Händen machte River einen Schritt zurück. 

"Tut mir leid. Ich weiß nicht. Meine Schwestern und ich haben zwar ein gutes Verhältnis, aber so eng war ich nie mit einer von den beiden. Und da habe ich euch beide gesehen und dachte einfach ... Na ja ihr wisst schon. Ich wollte euch nicht wütend machen. Tut mir wirklich leid", stotterte River vor sich hin.

"Ist schon in Ordnung", lachte ich, "Im Dorf wird genau das selbe geredet. Also im Dorf wird viel behauptet, aber oft wird auch behauptet ich würde mit Kayden schlafen und Inzest betreiben, obwohl wir ja überhaupt keine richtigen Geschwister sind. Also ich habe das nicht zum ersten Mal gehört, mach dir deswegen keine Gedanken."

"Ihr seid hier nicht so beliebt, oder?", fragte River nach. Er setzte sich gegenüber von uns auf die zweite Ledercouch.

"Beliebt ist nicht das Problem. Wir sind schon beliebt in einer Weise, weil wir immer viel kaufen. Wir brauchen mehr Essen als eine normale Familie. Aber wir sind den Menschen einfach unheimlich. Ein riesiges Haus, mitten im Nirgendwo, abgeschottet von der Außenwelt, in dem drei Männer wohnen und fünf Kinder aufziehen, mit denen sie nicht verwandt sind. Das ist ihnen nicht geheuer. Sie halten uns für irgendeine Art Kult. Das macht ihnen einfach Angst. Außerdem sorgen sie sich um uns Kinder", versuchte ich das Verhalten der Dorfbewohner zu erklären.

"Und das aus dem Mund des Mädchens, das heute mittag noch dafür gesorgt hat, dass wir einen neuen Metzger brauchen!", lachte Kayden mich aus.

"Hey! Das ist nicht fair. Ich kann doch auch nichts dafür, dass die Verkäuferin so eine Schlange ist. Wäre sie ein bisschen umgänglicher und würde erst anfangen zu lästern, wenn wir ihren Laden schon verlassen haben, wäre das gar kein Problem. Aber sie hat unsere Familie vor Lewis und mir beleidigt. Es war ihre eigene Schuld", rechtfertigte ich mein Verhalten.

"Ist ja gut, Erbse!", lachte Kayden mich aus, "Hätten du und Lewis das nicht heute erledigt, hätten Connor oder ich das nächste Mal dafür gesorgt."

"Erbse?", lachte jetzt auch River los, "Na den Namen merke ich mir auf jeden Fall!"

"Kayden, siehst du was du angerichtet hast? Mein zukünftiger Schwager wird mich nur noch Erbse nennen!", fluchte ich vor mich hin.

"Dann habe ich definitiv was gutes getan! Der Name muss noch sehr lange an dir haften bleiben!", lachte mein Bruder mich aus. Wütend verdrehte ich die Augen.

"Kinder", unterbrach Ruben uns plötzlich, "Habt ihr Connor gesehen? Er reagiert nicht aufs Klopfen an seiner Tür."

Verwirrt schüttelte ich den Kopf.

"Wahrscheinlich ist er schlafen gegangen, er war ziemlich müde", meinte Kayden, "Warum?"

"Damit ich die beiden zukünftigen Stellvertreter von River auch schon vorher kennenlerne und nicht für Rogues halte, kommen sie auch morgen zum Rudeltreffen. Wir brauchen also noch die weiteren Zimmer", erklärte unser Vater.

"Ein zusätzliches ist schon bezogen", antwortete ich, "Aber ich kann das andere noch schnell machen. Connor war wirklich müde. Wir sollten ihn nicht wecken."

Nickend ließ Ruben uns alleine. 

"Das war mein Stichwort", meinte ich und stand auf. Das Buch legte ich zurück ins Regal. Schweigend folgte Kayden mir. Ich wusste, er wollte mir helfen.

"Ich helfe euch auch", rief River und rannte uns hinter, "Immerhin sind es theoretisch meine extra Gäste, nicht eure."

Wortlos überreichte ich Kayden das Bettzeug und River die Handtücher aus dem Schrank im Flur. Die beiden liefen mir zum letzten übrigen Gästezimmer hinter. Sobald die beiden drinnen waren, schloss ich die Tür.

"Wo ist Connor?", fragte ich panisch an Kayden gewandt.

"Ich habe keine Ahnung. Ich dachte du wüsstest es. Er hat nichts gesagt?", antwortete Kayden aufgeregt.

"Er verschwindet doch nie ohne vorher bescheid zu geben!"

"Ganz ruhig, Erbse", beruhigte Kayden mich, "Wir machen das Zimmer fertig und dann schauen wir in seinem Zimmer nach. Wenn er da wirklich nicht ist, dann gehe ich ihn suchen. Wir finden ihn."

So schnell wie es uns möglich war, bereiteten wir das Zimmer vor. Die Zimmer waren nicht nur schalldicht, sondern absorbierten auch Gerüche und hielten sie gefangen. Wir konnten also nicht riechen, ob sich irgendwer im Zimmer befand oder nicht.

Besorgt klopfte ich an Connors Zimmertür. Kurze Zeit später machte ein breit grinsender Connor die Tür auf.

"Na, Erbse. Hast du das weitere Gästezimmer für mich fertig gemacht?", fragte er neckisch.

"Du verdammter Arsch!", fluchte ich und boxte ihm so fest ich konnte gegen den Oberarm, "Wir haben uns Sorgen um dich gemacht!"

"Kleines, du weißt doch, dass du dir keine Sorgen um mich machen musst. Aber ich habe Ruben und James belauscht. Ich wusste, dass Ruben mich das letzte Zimmer auch noch machen lassen würde, aber ihm ist Privatsphäre heilig, also würde er niemals einfach ins Zimmer kommen, wenn ich nicht aufs Klopfen reagiere."

"Du bist trotzdem ein Arsch", fluchte ich ein letztes Mal, bevor ich wütend in mein Zimmer stürmte.

Ich hörte noch hinter mir, wie Kayden und Connor sich über mich lustig machten. Als ich meine Zimmertür hinter mir schloss, roch ich sofort, dass ich nicht allein war.

"Lewis, was machst du denn hier?", fragte ich verwundert, als ich meinen kleinen Bruder in meinem Bett vorfand.

"Evie und Summer streiten sich. Ich wusste nicht mal, dass man die Schalldämpfer übertönen kann, aber die beiden schaffen es mit ihrem Geschrei. Dein Zimmer ist am weitesten von Evies entfernt, also übernachte ich heute bei dir", erklärte Lewis schon halb am Schlafen.

"Wenn du dich fett machst, schubse ich dich raus!", erklärte ich trocken, bevor ich mich nach kurzem Prozedere im Bad zu ihm legte.

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