Kapitel 4 Der Schneckenspucker
Rückblick, 1974
Auf leisen Sohlen schlich Ala durch die leeren Gänge. Die meisten Schüler waren in den Gemeinschaftsräumen oder noch beim Essen. Anders Ala und ihre Brüder.
Gaspar hatte in der heutigen Stunde Kräuterkunde eine unglaubliche Idee gehabt. Vorgestern hatte Filch die Drillinge erwischt, als sie versuchten, eine magische Musikbox in Professor Binns Klassenzimmer zu installieren, die alles was er sagte nachsingen sollte.
Filch hatte sie sofort zu Professor McGonagall geschleift, die sie zum Nachsitzen verdonnert hatte. Zudem hatte er sich bei McGonagall über die drei beschwert und sie als eine „Plage" beschrieben. Da war klar, dass sie ihm das zurückzahlen mussten. Beim Abendessen stand der Plan dann fest.
In ihrem zweiten Jahr in Hogwarts hatten sich die Drillingen bereits einen gewissen Ruf erarbeitet. Sie machten schon den Rumtreibern Konkurrenz, die sich jedoch vom Streiche spielen mehr aufs generelle Regelbrechen verlegt hatten. Erst gestern hatten Black und Potter nachsitzen müssen, da sie sich Nachts im verbotenen Wald herumgetrieben hatten.
Als Ala, Gaspar und Goodwin Filchs Büro erreichten, blieb Goodwin als Wache vor der Tür stehen. Ala und Gaspar betraten kichernd den Raum. Gaspar trug eine kleine Kiste unter dem Arm.
Ala hatte eine große rote Schleife um die Kiste gebunden. Filch würde denken, es wäre ein Geschenk von einer geheimen Verehrerin (wer auch immer das sein sollte). Was er nicht wusste: in der Kiste saß eine schleimspuckende Krötenschnecke, die darauf wartete beim Öffnen sein ganzes Büro mit grünlichen Schleim voll zu spucken.
Diese Schnecke war Alas Meinung nach eines der widerlichsten Geschöpfe. Die Drillinge hatten sie in einem Tümpel im Verbotenen Wald gefunden und mit einiger Anstrengung einfangen könne. Hätte Goodwin nicht vorher im Buch ihres Großvaters „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" das Kapitel über die Schleimspuckende Krötenschnecke sorgfältig durchgelesen, hätte das auch ganz anders ausgehen können.
Schlamm- und Schleimbespritzt waren sie ins Schloss zurückgeschlichen.
Glücklicherweise hatten sie es in ihre Zimmer geschafft, ohne erwischt zu werden.
Gaspar stellte die Kiste vorsichtig auf Filchs Schreibtisch.
„Beeilt euch!" Zischte Goodwin von draußen.
Schnell schlossen sie die Tür wieder als Ala einen Schatten an der Ecke des Ganges bemerkte.
Sie kniff die Augen zusammen. Der Schatten bewegte sich.
„Das ist Mrs. Norris!" Rief sie erschrocken. Tatsächlich, Filchs gruselige Katze kam um die Ecke geschlichen und starrte sie aus leuchteten Augen an. Wenn Mrs. Norris hier war, konnte Filch nicht weit sein.
„Schnell weg hier!" Als wäre ihnen das Monster aus der Kammer des Schreckens persönlich auf den Fersen, rannten sie durch die Gänge von Hogwarts.
Ala wusste nicht genau, wohin sie liefen. Hauptsache so weit von Filchs Büro weg wie nur möglich.
Vor der Bibliothek blieben sie keuchend stehen. Sie sahen sich an. Dann brachen sie in lautes Gelächter aus.
„Ich würde zu gerne Filchs Gesicht sehen, wenn er das Päckchen öffnet." Ala konnte sich vor Lachen kaum aufrecht halten.
Sie alberten weiter herum, als ein lauter, ärgerlicher Schrei durch das Schloss hallte.
„Das ist bestimmt Filch!" Rief Goodwin und schob seine Geschwister in die Bibliothek hinein.
Sie liefen an den zahlreichen Regalen vorbei. Da es schon später am Abend war, saßen nur wenige Schüler an den Tischen. Die meisten waren so in ihre Bücher vertieft, dass sie die Zwillinge überhaupt nicht bemerkten.
Eine Weile setzten sie sich an einen freien Tisch, um zu warten bis die Luft wieder rein war. Sie kicherten über ihren Streich, stellten sich Flichs Reaktion vor und überlegten, wie lange er wohl brauchen würde, um sein Büro zu putzen.
Als sie beschlossen, dass es wieder sicher war, zum Gemeinschaftsraum zurückzukehren, erkannte Ala eine Gestalt in einer dunklen Ecke, die sie gar nicht bemerkt hatten.
Sie wartete, bis ihre Brüder weiter vorausgegangen waren und lief lautlos näher.
Tatsächlich, ihr Cousin Severus saß alleine an einem der hintersten Tische. Er war tief über ein Buch gebeugt, sodass ihm seine langen schwarzen Haare ins Gesicht hingen.
Neben Severus lag ein Stapel Bücher. „Dunkle Zauber und warum sie verboten wurden" lautete der Titel von einem. Ala runzelte die Stirn. Waren solche Bücher überhaupt erlaubt?
Sirius Black und James Potter hatten ihr erzählt, dass Severus sich sehr für dunkle Magie interessierte. Ala hatte das abgestritten und den beiden geraten, sich um ihren eigenen Kram zu kümmern.
Dennoch. Was, wenn sie recht hatten? Dachte sie auf dem Weg zu ihrem Zimmer.
Er kam ihr in letzter Zeit auch distanzierter vor. Ala beschloss, Severus im Auge zu behalten.
Als am nächsten Morgen die Lehrer im Unterricht die Schüler mit ernster Miene fragten, ob irgendjemand wusste, wer Filch dieses Paket gebracht hatte, konnte Ala gerade so eine ernste und unbeteiligte Miene aufsetzen. Das die Schuldigen nicht gefunden wurden, schien Filch noch wütender zu machen. Er schlurfte mit einer Miene durch das Schloss, dass selbst die Geister Abstand von ihm hielten.
Eines von Alas Lieblingsfächern an Hogwarts war Verwandlung. Sie hatte Talent für das Fach, ganz im Gegensatz zu Gaspar, der sich schon mit den einfachsten Verwandlungszaubern schwertat.
Ala setzte sich und schlug ihr Buch auf. Professor McGonagall saß in Gestalt einer Katze auf dem Pult und beobachtete die eintrudelnden Schüler mit strengem Blick.
Ala hatte schon in ihrem ersten Schuljahr beschlossen, selbst ein Animagus werden zu wollen. Dafür strengte sie sich in diesem Fach mehr an als in allen anderen.
„Ich habe völlig vergessen die Hausaufgaben für Geschichte der Zauberei zu machen!" Alas beste Freundin Andrina Everett ließ sich auf den freien Platz neben sie fallen.
„Ich bezweifle, dass das Professor Binns auffallen wird. Du kannst den Aufsatz auch im Unterricht nachher schreiben. Das merkt der sowieso nicht." Der Geist war mit großem Abstand der langweiligste Lehrer den Hogwarts zu bieten hatte.
„Ja, ich denke, etwas anderes bleibt mir nicht übrig."
Ala und Andrina waren seit der ersten Klasse Freundinnen. Sie teilten sich ein Zimmer und hatten sich vom ersten Moment an gut verstanden. Da Andrina Muggelstämmig war, hatte sie den Namen Scamander noch nie gehört und kannte Alas berühmte Verwandtschaft nicht.
Einige Schüler, auch aus anderen Häusern tuschelten oft, wenn die Drillinge vorbeikamen oder fragten sie, nach ihren Großvater aus oder nach ihrem Großonkel, der ein großer Kriegsheld war und über den es eine ganze Seite im Geschichtsbuch gab.
Professor McGonagall verwandelte sich in ihre eigentliche Gestalt und unterbrach die Unterhaltungen der Schüler.
„Guten Morgen. Heute werden sie lernen, einen Knopf in einen Käfer zu verwandeln." Während McGonagall ihnen den Verwandlungszauber erklärte und die Formel beibrachte, hörte Ala leises Lachen aus der Reihe neben sich.
Dort saßen Barnabas Fenharrow und Celesta Madden, zwei Slytherins, die Ala nicht ausstehen konnte. Sie hatten ihre Köpfe zusammengesteckt und tuschelten.
„Mr. Fenharrow, Miss Madden! Gibt es etwas interessantes, dass sie uns vielleicht mitteilen möchten?" Unter McGonagalls strengen Blick verstummten die beiden und setzten sich aufrecht hin.
Ala fand es äußerst ärgerlich, dass sie dieses Schuljahr gerade Verwandlung mit den Slytherins zusammen hatten. Doch davon wollte sie sich ihr Lieblingsfach nicht verderben lassen.
McGonagall teilte jedem Schüler einen großen Knopf aus.
„Wer möchte anfangen?" Stellte McGonagall wie immer ihre rhetorische Frage, denn jedes Mal wartete sie nicht auf Meldungen, sondern suchte die Schüler selbst aus.
Alle folgte gespannt, wie sie zwischen den Reihen umherschritt, bis sie schließlich vor Gaspar stehen bleib.
„Mr. Scamander, wären sie so freundlich?"
Mitleidig beobachtete Ala, wie ihr Bruder nickte. Seinem Blick nach würde er lieber die Kessel nach dem Zaubertrankunterricht putzen als den Verwandlungszauber vor den Augen der ganzen Klasse auszuführen.
Gaspar zeigte mit dem Zauberstab auf den Knopf und sprach die Formel. Mit einem kleinen Knall verwandelte dieser sich.
Gespannt beugte Ala sich vor.
Die Klasse begann zu lachen. Gaspard Knopf hatte nun Käferbeine, die hilflos in der Luft strampelten.
„Nun," meinte Professor McGonagall mit gerunzelter Stirn, „Daran sollten Sie noch arbeiten."
Gaspar nickte geschlagen.
„Bitte üben sie nun alle. Vergessen sie nicht, die Formel möglichst deutlich auszusprechen." Wies McGonagall die Klasse an.
Ala gelang der Zauber problemlos. Als sie den Käfer von allen Seiten betrachtete und nach möglichen Fehlern suchte, hörte sie ein Zischen vom Nachbartisch.
Fenharrow und Madden hatten sich zu Andrina herübergebet, die ihr bestes tat, die beiden zu ignorieren.
„Hey Everett." Zischte Fenharrow, „Ich habe gehört, dein Vater ist gefeuert worden."
„Was muss das für ein Versager sein, der nicht mal in der Muggelwelt einen lächerlichen Job schaffen kann?" Höhnte Madden mit einem fiesen Grinsen.
Ala sah besorgt, wie sich Andrinas Finger fester um ihren Zauberstanb schlossen.
„Und ich habe gehört, dass deine Mutter nicht mal einen Job hat." Schoss Andrina zurück, „Wie unsicher muss man sein, andere zu beleidigen, nur um sich zu beweisen, dass man nicht ein größerer Versager ist?"
Madden gefror das Grinsen. Wut verzerrte ihr Gesicht.
„Wie kannst du es wagen, du Schlammblut!"
Das war zu viel. Diese Beleidigung war an der Schule verboten und Ala konnte es nicht glauben, so etwas aus dem Mund einer Mitschülerin zu hören.
Sie stand so schnell auf, dass der Tisch wackelte.
„Nimm das sofort zurück, Madden!"
„Du hast damit nichts zu tun, Scamander. Ich spreche mit dem Muggel." Celesta sprach das Wort Muggel so abwertend aus, dass Ala kaum noch mitbekam, was sie als nächstes Tat.
Ehe sie es sich versah, hatte sie ihren Zauberstab auf die Slytherin gerichtet.
„Spuck Schnecken!" Ein blitzender Strahl schoss aus ihrem Zauberstab und traf Celesta.
Deren Gesicht färbte sich sofort grün. Dann spuckte sie eine fette, schleimige Schnecke aus.
Die Klasse kreischte. McGonagall, die auf der anderen Seite des Raumes gewesen war, hastete herbei.
„Miss Scamander!" Rief sie entrüstet. Wieder spuckte Celesta eine glibberige Schnecke.
„Bringen Sie Miss Madden in den Krankenflügel, Mr. Fenharrow!"
Barnabas schleifte Celesta aus dem Zimmer, nicht ohne Ala einen bösen Blick zuzuwerfen.
„Und Sie Miss Scamander, Sie kommen mit mir zum Schulleiter, sofort! Für euch anderen ist die Stunde beendet."
Mit dem Gefühl, nichts unrechtes getan zu haben, folgte Ala ihrer Leherin zu Professor Dumbledores Büro.
„Zitroneneis!" rief McGonagall als sie vor dem Wasserspeier standen. Knirschend drehte sich das steinerne Ungetüm. Nun wurde Ala doch etwas nervös. Sie war noch nie im Büro des Schulleiters gewesen.
Professor Dumbledore saß an seinem Schreibtisch. Als sie eintraten, sah er sie lächelnd durch seine Halbmondbrille an.
Ala mochte Professor Dumbledore. Ihm war jeder einzelne Schüler wichtig und er behandelte sie immer freundlich und gütig.
„Ah, Professor McGonagall. Was gibt es denn?"
„Verzeihen Sie die Störung, Professor Dumbledore. Es gab in meinen Unterricht einen gewissen Zwischenfall. Miss Scamander hier hat Miss Madden mit einem Schneckenspuckfluch belegt."
Dumbledore sah zu Ala. Sein Blick war ernst und durchdringend.
„Verstehe. Professor McGonagall, Sie dürfen gehen. Ich werde mich der Sache annehmen."
Professor McGonagall nickte. Sie wirkte ganz froh, dass der Vorfall nicht mehr ihr Problem war.
„Bitte setze dich doch. Zitronenbonbon?" Dumbledore hielt ihr eine Schale Bonbons hin.
„Danke."
„Kannst du mir sagen, warum du die arme Miss Madden mit diesem Fluch belegt hast, Alexandra?"
Ala rutschte unruhig auf den Stuhl herum. Es machte ihr nichts aus, nachzusitzen. Sie wollte nur nicht ihre beste Freundin da hineinziehen. Aber Dumbledore sah so vertrauenserweckend aus.
„Madden hat Andrina als Schlammblut beleidigt." Sagte sie leise.
„Oh, ich verstehe." Dumbledore sah ein wenig besorgt aus, „Also hast du nur deine Freundin verteidigt."
Ala nickte.
„Auch wenn es eine ehrenvolle Sache ist, deine Freunde vor jenen zu verteidigen, die ihnen Unrecht tun, ist es dennoch meine Aufgabe als Schulleiter, dich zumindest nachsitzen zu lassen. Ich denke, ein Nachmittag reicht." Dumbledore zwinkerte ihr zu.
Ala war erleichtert. Als sie sich gerade erheben wollte, richtete Dumbledore nochmal das Wort an sie:
„Ich erkenne sehr viel von Newt und Theseus in dir, Alexandra. Sie sind und waren sehr gerechte Menschen."
Ala wusste nicht, wie gut Dumbledore ihre Familie kannte. Ihr Opa hatte ihr nur erzählt, dass er der größte und mächtigste lebende Zauberer war und dass er ihn nach seiner Schulzeit hin und wieder mal getroffen hatte.
„Danke, Professor." Ala lächelte und verließ sein Büro.
Bis zum Mittagessen hatte sich der Vorfall in der Verwandlungsstunde der Zweitklässler herumgesprochen. Als Ala zum Essen kam, gratuliere ihr sogar James Potter und schüttelte ihr die Hand.
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