28. Mr. und Mr.
Jimin stand am Bordstein und hielt sich an den zwei Fingern fest, die ich frei hatte. Mit den übrigen hielt ich unsere Taschen und versuchte, Taehyung heranzuwinken.
Zwei Tage zuvor waren wir mit dem Honda zum Flughafen gefahren, und Yoongi hatte seinen Freund später zu seinem Auto gebracht. Taehyung bestand darauf, uns abzuholen, und wir alle wussten, warum. Als er neben uns hielt, starrte er stur geradeaus. Er stieg nicht mal aus, um uns mit dem Gepäck zu helfen.
Jimin humpelte zur Beifahrertür und stieg ein, wobei er vorsichtig mit der Körperseite war, auf die er sich meinen Nachnamen hatte tätowieren lassen.
Ich warf die Taschen in den Kofferraum und zog am Türgriff für den Rücksitz. »Äh...« Ich zog noch mal. »Tae, mach die Tür auf.«
»Das werde ich wohl eher nicht tun«, fauchte er, während er sich zu mir umdrehte und wütend anfunkelte.
Er fuhr ein Stückchen vor. Jimin richtete sich auf. »Tae, hör auf damit.«
Taehyung trat voll in die Bremse. »Du hast bei einem deiner bescheierten Kämpfe fast meinen besten Freund ums Leben gebracht, dann schleppst du ihn nach Vegas und heiratest ihn, während ich nicht da bin, sofass ich nicht nur kein Trauzeuge sein, sondern auch noch nicht mal dabei zuschauen kann!«
Ich zog wieder am Türgriff. »Komm schon, Tae. Ich würde ja gern sagen, dass es mir leid tut, aber ich bin jetzt mit der Liebe meines Lebens verheiratet.«
»Die Liebe deines Lebens ist eine Harley!«, keifte Taehyung.
Er fuhr ein Stück wieder.
»Das war einmal!«, flehte ich.
»Taehyung Kim -«, mischte Jimin sich ein und versuchte, autoritär zu klingen, doch Taehyung warf ihm einen derart bösen Blick zu, dass Jimin regelrecht zur Tür zurückwich.
Die Autos hinter uns hupten schon, aber Taehyung war zu wütend, um es auch nur zu bemerken.
»Okay!«, rief ich und hob eine Hand. »Okay. Was wäre denn... wenn wir im Sommer noch mal Hochzeit feiern würden? Mit Anzug, Einladungen und allem drum und dran. Du kannst ihm helfen, alles zu planen. Du kannst neben ihm stehen, den Junggesellenabschied organisieren, was immer du willst.«
»Das ist nicht das Gleiche!«, knurrte Taehyung, aber er wirkte nicht mehr ganz so verbittert. »Aber es ist mal ein Anfang.« Er griff hinter sich und entriegelte die Tür.
Ich stieg schnell ein und hielt meinen Mund, bis wir bei der Wohnung waren.
Yoongi putzte gerade seinen Charger, als wir auf den Parkplatz einbogen. »Hey!« Er strahlte und unarmte erst mich, dann Jimin. »Glückwunsch, ihr beiden.«
»Danke«, sagte Jimin und schien von Taehyungs Wutanfall nich ein wenig mitgenommen.
»Ich schätze, da ist es ganz gut, dass Taehyung und ich schon überlegt haben, uns eine eigene Wohnung zu suchen.«
»Ach, habt ihr das?«, sagte Jimin und sah seinen besten Freund mit schräg gelegtem Kopf an. »Wie es aussieht, waren wir also nicht die Einzigen, die auf eigene Faust Entscheidungen getroffen haben.«
»Wir wollten aber vorher noch mit euch arüber reden«, meinte Taehyung defensiv.
»Das hat keine Eile«, sagte ich, »aber ich könnte Hilfe brauchen, um heute noch Jimins restliche Sachen hierher zu holen.«
»Na kalr. Brazil ist auch gerade zurückgekommen. Ich werde ihm sagen, dass wir seinen Truck brauchen.«
Jimins Blick wanderte zwischen uns hin und her. »Wollen wir es ihm sagen?«
Taehyung grinste spöttisch. »Das wird sich bei dem fetten Klunker an deinem Finger wohl schwer verheimlichen lassen.«
Ich schaute finster. »Willst du etwa nicht, dass es jemand erfährt?«
»Also, nein, das ist es nicht. Aber wir haben nun mal heimlich geheiratet, Baby. Die Leute werden sich das Maul zerreißen.«
»Du bist jetzt Mr. Jungkook Jeon, also brauchg dich das einen Dreck kümmern«, erwiderte ich.
Jimin lächelte mich an und schaute dann auf seinen Ring. »Das bin ich. Da sollte ich wohl langsam anfangen, die Familie würdig zu repräsentieren.«
»Ach du Scheiße. Wir müssen es auch Dad sagen.«
Jimin wurde blass. »Müssen wir?«
Taehyung lachte. »Du verlangst schon eine Menge von ihm. Eins nach dem anderen, Kook, du meine Güte.«
Ich schnaubte nur, denn ich verübelte ihm nich, dass er mich am Flughafen erst nicht hatte einsteigen lassen.
Jimin erwartete eine Antwort von mir.
Ich zuckte mit den Schultern. »Es muss ja nicht gleich heute sein, aber ziemlich bald, okay? Ich will nicht, dass er es von jemand anderem erfährt.«
Er nickte. »Verstehe ich. Lass uns noch das Wochenende, um die ersten Tage als Frischverheiratete zu genießen, bevor wir die ganze Welt Anteil haben lassen.«
Ich grinste und holte unser Gepäck aus dem Kofferraum des Hondas. »Abgemacht. Aber da wäre noch eine Sache.«
»Und zwar?«
»Können wir in den ersten Tagen ein Auto aussuchen? Ich meine mich zu erinnern, dass ich dir eins versprochen habe.«
»Wirklich?« Er strahlte.
»Such dir eine Farbe aus, Baby.«
Jimin sprang mir auf den Arm und bedeckte mein Gesicht mit Küssen.
»Oh Gott, jetzt hört schon auf, ihr beiden«, stöhnte Taehyung. Jimin rutschte zurück auf den Boden, wo Taehyung ihn sofort am Handgelenk packte. »Lass uns reingehen. Ich will dein Tattoo sehen.«
Die zwei eilten die Treppe hinauf und ließen Yoongi und mich mit dem Gepäck zurück. Ich half ihm mit Taehyungs zahlreichen schweren Taschen und nahm auch meine und Jimins Sachen.
Voll beladen kamen wir in die Wohnung und waren froh, dass sie uns zumindest die Tür offen gelassen hatten.
Jimin lag auf der Couch, mit aufgeknöpfter, heruntergezogener Jeans. Er sah an sich runter, während Taehyung die zarten Linien des schwarzen Schriftzugs auf Jimins Haut begutachtete.
Taehyung schaute zu Yoongi hoch, der schwitzend und mit rotem Gesicht dastand. »Ich bin so froh, dass wir nicht verrückt sind, Baby.«
»Ich auch«, meinte Yoongi. »Und ich hoffe, du wolltest das alles hier oben haben, weil ich es nicht noch mal zum Auto runterschleppe.«
»Nein, nein, musst du nicht. Danke.« Er lächelte Yoongi an und wandte sich dann wieder Jimins Tätowierung zu.
Yoongi verschwand schnaufend in sein Zimmer und kam sogleich mit zwei Flaschen Wein wieder heraus.
»Was wird das denn?«, fragte Jimin.
»Eure Hochzeitsparty«, sagte Yoongi grinsend.
•••
Jimin fuhr ganz langsam in eine Parklücke und schaute mehrmals auf beide Seiten. Er hatte sich einen Tag vorher diesen nagelneuen silbernen Toyota Camry ausgesucht. Bei den wenigen Malen, dich uch ihn bisher dazu gebracht hatte, sich hinters Steuer zu setzten, war er gefahren, als hätten wir heimlich einen fremden Lamborghini ausgeliehen.
Nach zweimaligem Bremsen schaltete er die Automatik endlich auf Parken und stellte den Motor ab.
»Wir müssen und eine Parkplatte besorgen«, sagte er und kontrollierte noch mal den Abstand auf seiner Seite.
»Ja, Kitten. Ich kümmere mich drum«, versicherte ich ihm jetzt schon zum vieren Mal.
Ich fragte mich, ob ich nicht noch eine Woche hätte warten sollen, bevor wir uns auch noch mit einem neuen Auto stressten. Wir wussten beide, dass die Gerüchtekückd des College die Neuigkeit von unserer Ehe ausgeschlachtet und auch einen oder zwei erfundene Skandale hinzugefügt haben würde.
Aus dem grauen Frühlingshimmel fielen ein paar Tropfen, als wir uns auf den Weg über den Campus zum Unterricht machten. Ich zog mir meine rote Baseballcap tief in die Stirn, und Jimin spannte seinen Schirm auf. Im Vorbeigehen starrten wir beide auf Keaton Hall. Rundherum waren gelbe Plastikbänder gespannt, und die Ziegel über allen Fenstern waren rußgeschwärzg. Ich legte den Arm um Jimin und versuchte, nicht daran zu denken, was hier passiert war.
Yoongi hatte gehört, dass Jackson verhaftet worden war. Ich hatte Jimin nichts davon erzählt, weil ich fürchtete, als Nächster dran zu sein. Er brauchte sich nicht unnötig Sorgen zu machen.
Zum einen überlegte ich mir, dass die Neuigkeiten über den Brand unerwünschte Aufmerksamkeit von Jimins Ringfinger lenken würde, zum anderen würde die Neuigkeit von unserer Hochzeit auch eine willkommende Ablenkung von der schrecklichen Tatsache sein, dass wir einige Kommilitonen auf so furchtbare Weise verloren hatten.
Wie ich es erwartet hatte, gratulierte uns meine Fraternitykumpeln und die Jungs aus dem Footballteam, sobald wir die Cafeteria betreten hatten, zu unserer Hochzeit.
»Habt ihr auch von dem Feuer gehört?«, fragte Jungwoo.
»Ein bisschen was«, murmelte Jimin und fühlte sich sichtlich unbehaglich.
»Ich habe gehört, Studenten sollten dort unten eine Party gefeiert haben. Und dass sie sich schon das ganze Jahr über heimlich in Kellern getroffen haben.«
»Ach ja?«, fragte ich. Aus dem Augenwinkel merkte ich, dass Jimin mich ansah, aber ich bemühte mich, keinen allzu erleichterten Eindruck zu machen. Wenn das dem Stand der Ermittlung entsprach, war ich vielleicht aus dem Schneider.
Den Rest des Tages über wurde man entweder angestarrt oder beklückwünscht. Erstmals hielten mich zwischen den Veranstaltungen keine andere Typen oder Mädchen an, die wissen wollten, was ich am Wochenende vorhätte. Sie musterten mich nur im Vorübergehen, als sei es undenkbar, einen verheirateten Mann anzumachen. Das war mal eine angenehme Erfahrung.
So verlief mein Tag eigentlich ganz gut, und ich fragte mich, ob Jimin das Gleiche von sich behaupten konnte. Sogar meine Psychologieprofessorin schenkte mir ein kleines Lächeln und ein anerkennendes Nicken, nachdem sie meine Antwort auf die Frage gehört hatte, was denn an diesem Gerücht dran sei.
Nach der letzten Stunde traf ich Jimin bei unserem Camry, und warfen unsere Taschen auf den Rücksitz. »War's so schlimm wie du befürchtet hast?«
»Ja«, schnaubte er.
»Dann ist wohl heute kein guter Tag, um es meinem Dad mitzuteilen, was?«
»Nein, aber wir sollten es trotzdem tun. Du hast recht, ich will auch nicht, dass er es von jemand anderem erfährt.«
Seine Antwort erstaunte mich, aber ich sagte nichts mehr dazu. Erst wollte er mich überreden zu fahren, aber ich weigerte mich, weil ich wollte, dass er sich daran gewöhnte.
Die Fahrt vom Campus zu Dad dauerte nicht lange - aber länger als wenn ich hinterm Steuer gesessen hätte. Jimin beachtete alle Verkehrsregeln. Vor allem weil er fürchtete, angehalten zu werden und dann aus Versehen dem Cop seinen gefälschten Ausweis zu geben.
Unsere Kleinstadt wirkte im Vorbeifahren irgendwie verändert. Aber vielleicht war auch nur ich ein anderer. Ich war mir nicht sicher, ob das Verheiratetsein mich entspannter - wenn nicht gar cooler - machte oder ob ich einfach nur endlich wohl in meiner Haut fühlte. Ich war jetzt in einer Situation, in der ich mir nichts mehr beweisen musste, weil der eine Mensch, der mich vollkommen akzeptierte, mein bester Freund, nun ein Fixpunkt in meinem Leben war.
Es schien, als hätte ich eine Aufgabe vollbracht, ein Hindernis überwunden. Ich musste an meine Mutter denken, und an die Worte, die sie vor fast einem ganzen Leben zu mir gesagt hatte. Da dämmerte es mir: Sie hatte mir aufgetragen, mich nicht abzufinden, sondern für den Menschen zu kämpfen, den ich liebte. Und ich hatte getan, was sie von mir erwartet hatte.
Ich holte tief Luft ud legte eine Hand auf Jimins Knie.
»Was ist denn?«, fragte er.
»Was soll sein?«
»Du schaust so.«
Sein Blick ging zwischen der Straße ubd mir hin und her, und er wirkte ausgesprochen neugierig. Ich stellte mir vor, dass mein Gesicht einen anderen Ausdurck angenommen haben musste, aber ich wollte jetzt nicht davon anfangen.
»Ich bin einfach nur glücklich, Baby.«
Jimin lachte leise. »Ich auch.«
Ich war zugegebenermaßen ein bisschen nervös, dass ich meinem Vater gleich von unserem ereignisreichen Trip nach Vegas erzählen sollte. Und zwar nicht, weil ich fürchtete, er würde sauer sein. Den Grund hätte ich gar nicht benennen können, aber die Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten immer heftiger, je näher wir Dads Haus kamen.
Jimin fuhr in die Kieseinfahrt, die vom Regen aufgeweicht war, und parkte neben dem Haus.
»Was glaubst du, wird er sagen?«, fragte er.
»Keine Ahnung. Aber er wird sich freuen, das weiß ich.«
»Glaubst du?«, fragte Jimin und griff nach meiner Hand.
Ich drückte seine Finger. »Ich weiß es.«
Bevor wir die Haustür erreicht hatten, kam Dad auf die Veranda heraus.
»Ach, hallo, Kinder!«, sagte er lächelnd. Seine Augen strahlten. »Ich wusste gar nicht, wer da kommt. Hast du dir ein neues Auto angeschafft, Jimin? Es ist hübsch.«
»Hallo, Donghae!« Jimin lächelte. »Das hat Jungkook gekauft.«
»Es gehört uns«, sagte ich und nahm meine Kappe ab. »Wir dachten, wir schauen damit mal bei dir vorbei.«
»Das freut mich... freut mich wirklich. Ich glaube, wir kriegen bald wieder Regen.«
»Sieht danach aus«, meinte ich und hatte Mühe, mich auf den Small Talk zu konzentrieren. Aber eigentlich war ich gar nicht so angespannt, sondern eher voller Vorfreude, meinem Vater die Neuigkeit mitteilen zu können.
Dad merkte schon, dass irgendwas nicht stimmte. »Hattet ihr schöne Ferien?«
»Es war... interessant.« Jimin lehnte sich an mich.
»Ach?«
»Wir waren verreist, Dad. Sind für paar Tage nach Vegas gefahren. Wir haben uns entschieden, äh... uns entschieden zu heiraten.«
Dad schwieg ein paar Sekunden lang, und dann suchten seine Augen nach Jimins linker Hand. Sobald er den Beweis gefunden hatte, schaute er ster Jimin, dann mich an.
»Dad?«, fragte ich und war verwundert über seine ausdruckslose Miene.
Da wurden die Augen meines Vaters feucht und seine Mundwinkeln wanderten langsam nach oben. Er breitete die Arme aus und umarmte mich und Jimin gleichzeitig.
Grinsend spähte Jimin zu mir herüber und ich zwinkerte ihm zu.
»Ich frage mich, was Mom sagen würde, wenn sie jetzt hier wäre«, meldete ich mich zu Wort.
Dad ließ uns los und hatte jetzt Freudentränen im Gesicht.
»Sie würde sagen, gut gemacht, mein Sohn.« Er schaute wieder Jimin an. »Sie würde sich bei dir bedanken, weil du ihrem Jungen etwas zurückgegeben hast, das er verloren hat, als er sie verlor.«
»Meinst du?«, fragte Jimin und wischte sich über die Augen. Dads Gefühlsausbruch hatte ihn sichtlich ergriffen.
Er umarmte und drückte uns lachend. »Wollen wir wetten?«
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