27. Feuer und Eis
Man konnte dem Rauch jetzt nicht mehr entrinnen. Egal, wo ich mich befand, jeder noch so flache Atemzug brannte heiß in meiner Lunge.
Keuchend beugte ich mich vor und stützte meine Hände auf die Knie. Mein Orientierungssinn war eingeschränkt - zum einen durch die Dunkelheit, zum anderen durch die Furcht, meinen Freund und meinen Bruder nicht rechtzeitig zu finden. Ich war mir nicht einmal mehr sicher, ob ich selbst noch hinausfand.
Zwischen zwei Hustanfällen hörte ich ein Klopfen aus dem benachbarten Raum.
»Hilfe! Hilft mir denn keiner?!«
Das war Jimin. Neue Entschlossenheit erfasste mich und ich stürzte tastend durch die Dunkelheit in Richtung seiner Stimme. Meine Hände berührten eine Wand, dann fühlte ich eine Tür. Abgeschlossen. »Kitten?«, brüllte ich und riss an der Tür.
Jimins Stimme wurde schriller, was mich dazu brachte, ein paar Schritte Anlauf zu nehmen und so lange gegen die Tür zu treten, bis sie aufsprang.
Jimin stand auf einem Tisch unter einem Fenster ind schlug so verzweifelt mit den Händen gegen das Glas, dass er nicht einmal bemerkt zu haben schien, dass ich im Raum stand.
»Kitten?«, rief ich hustend.
»Jungkook!«, schrie er, sprang vom Tisch und fiel in meine Arme.
Ich umfasste sein Gesicht. »Wo ist Kai?«
»Er ist den anderen gefolgt!« Seine Stimme zitterte und Tränen liefen ihm übers Gesicht. »Ich habe versucht, ihn zu überreden, mit mir zu kommen, aber er hat sich geweigert!«
Ich schaute den Flur entlang. Das Feuer kam immer näher und fraß sich durch das abgedeckte Mobiliar, das entlang der Wände aufgestapelt stand.
Jimin verschlug es bei dem Anblick den Atem, dann hustete er. Ich verzog das Gesicht und fragte mich, wo zur Hölle Kai sein mochte. Falls er sich am anderen Ende dieses Flurs befand, konnte er nicht entkommen. Ein Schluzer stieg in meiner Kehle hoch, aber der Blick in Jimins verängstigtes Gesicht, drängte ihn zurück.
»Ich bringe uns hier raus, Kitten.« In einer raschen Bewegung presste ich meine Lippen auf seine, bevor ich auf den Tisch stieg, den er unter das Fenster geschoben hatte.
Ich riss an dem Fenster und meine Muskeln zitterten, als ich mit aller Kraft daran zog. Das verdammte Ding klemmte.
»Geh zurück, Jimin! Ich schlag das Glas ein!«
Jimin machte, am ganzen Leib zitternd, einen Schritt zurück. Ich holte so weit wie möglich aus und stöhnte auf, als ich meine Faust in dss Glas rammte. Es zersprang und ich streckte sofort die Hand nach Jimin aus.
»Komm her!«, schrie ich.
Die Hitze des Feuers hatte schon den ganzen Raum erfüllt. Von schierer Angst getrieben packte ich Jimin an einem Arm, zog ihn zu mir heraf und schob ihn nach draußen.
Er kniete am Boden, als ich herausstieh und half mir aufzustehen. Von der anderen Seite des Gebäides waren Sirenen zu hören. Auf den Mauern der angrenzenden Häuser tanzten die blauen und roten Lichter der Feuerwehrautos und Polizeiwagen.
Jimin mit mir ziehend rannte ich zu einer Gruppe Leute auf der Vorderdeite des Keaton. Wir scannten auf der Suche nach Kai jedes der rußverschmierten Gesichter. Die ganze Zeit über schrie ich seinen Namen. Mit jedem Ruf wurde meine Stimme verzweifelter. Er war nicht unter ihnen. Ich checkte mein Handy in der Hoffnung, er hätte angerufen. Doch auch das war nicht der Fall, also stopte ich es wütend in meine Hosentasche.
Praktisch hoffnungslos schlug ich die Hand vor den Mund und wusste nicht, was ich noch tun sollte. Mein Bruder hatte sich in dem brennenden Gebäude verlaufen. Dass er nicht draußen war, ließ nur einen Schluss zu.
»KAI!«, brüllte ich erneut und reckte den Hals, um die Menge zu überblicken.
Diejenigen, die entkommen waren, umarmten sich weinend hinter den Einsatzfahrzeugen. Entsetzt konnte man beobachten, wie Löschzüge ihren Wasserstrahl auf die Fenster richteten. Dann drangen Feuerwehrmänner ins Gebäude ein und zogen die Schläuche mit sich.
»Er ist nicht rausgekommen«, flüsterte ich. »Er ist nicht rausgekommen, Kitten.« Tränen liefen mir über die Wangen und ich ließ mich auf die Knie fallen.
Jimin kauerte sich neben mich und hielt mich in seinen Armen.
»Kai ist schlau, Kook. Er ist rausgekommen. Er muss einen anderen Weg gefunden haben.«
Ich vergrub mein Gesicht in Jimins Schoß unf umklammerte sein Shirt mit beiden Händen.
•••
Eine Stunde verstrich. Das Schreien und Heulen der Überlebenden un der Umstehenden vor dem Gebäude war abgeebbt und hatte einer unheimlichen Stille Platz gemacht. Die Feuerwehrleute hatten nur zwei Überlebende hinausgetragen, dann aber niemandem mehr helfen können.
Wieder eine halbe Stunde später wurden nur noch Tote geborgen. Jedes Mal, wenn jemand aus dem brennenden Haus gebracht wurde, hielt ich den Atem an. Man versuchte niemand mehr zu reanimieren, sondern legte die Leichen nur neben die anderen Opfer und deckte sie zu. Es waren so viele.
»Jungkook?«
Jackson stand neben und. Ich stand auf und zog Jimin mit hoch.
»Ich bin froh zu sehen, dass ihr es geschafft habt«, sagte Jackson zuerst, sah uns dann aber erschrocken an. »Wo ist Kai?«
Ich antwortete nicht.
Unserer Blicke richteten sich wieder auf die verrußten Mauern von Keaton Hall. Immer noch quollen schwarze Rauchwolken aus dem Fenster. Jimin drückte sein Gesicht an meine Brust und krallte seine kleinen Fäuste in mein T-Shirt.
Es war ein Albtraum, und ich konnte einfach nur vor mich hin starren.
»Ich muss... ich muss Dad anrufen«, sagte ich mit finsterer Miene.
»Vielleicht solltest du damit noch warten, Jungkook. Wir wissen ja noch gar nichts«, meinte Jimin.
Meine Lungen brannten genauso wie meine Augen. Die Tränen, die mir in die Augen traten und über die Wangen liefen, ließen die Zahlen auf dem Handy verschwimmen. »Das ist so verdammt ungerecht. Er hätte niemals herkommen dürfen.«
»Es war ein Unglück, Jungkook. Du konntest nicht ahnen, dass so etwas passieren würde«, sagte Jimin und berührte meine Wange.
Ich verzog das Gesicht und kniff die Augen zu. Ich würde meinen Vater anrufen müssen und ihm sagen, dass Kai sich noch in einem brennenden Gebäude befand und dass das meine Schuld war. Ich wusste nicht, ob meine Familie einen weiteren Verlust ertragen könnte. Kai hatte bei meinem Dad gewohnt, während er versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, und die beiden standen sich besonders nahe.
Ich hielt den Atem an, als ich die Ziffernn eintippte und mir die Reaktion meines Vaters ausmalte. Das Handy fühlte sich in meiner Hand so kalt an, daher zog ich instinktiv Jimin an mich. Selbst wenn er es noch nicht gemerkt hatte, musste ihm eiskalt sein.
Statt der Zahlen erschien ein Name auf dem Display und ich riss ungläubig die Augen auf. Das war ein eingehender Anruf.
»Kai?«
»Bist du okay?«, schrie Kai mir mit panischer Stimme ins Ohr.
Ich grinste erstaunt, während ich Jimin ansah. »Es ist Kai!«
Jimin schnappte nach Luft und drückte meinen Arm.
»Wo bist du?«, fragte ich und blickte um mich.
»Ich bin beim Wohnheim, du Penner! Wo du mir gesagt hast, dass wir uns treffen! Warum bist du nicht da?«
»Wie meinst du das, du bist beim Wohnheim? Ich bin in einer Sekunde da, rühre dich bloß nicht von der Stelle!«
Ich sprintete los und zog Jimin hinter mir her. Als wir das Studentenwohnheim erreicht hatten, husteten und keuchten wir beide.
Kai kam die Stufen heruntergesprungen und stürzte sich auf uns.
»Heilige, Brüderchen! Ich dachte, ihr wärt geröstet worden!«, rief er und drücke uns fest.
»Du Scheißkerl!«, rief uch und stieß ihn zurück. »Ich dachte du wärst verdammt noch mal tot! Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass die Feuerwehrleute deinen verkohlten Kadaver aus dem Keaton schleppen!«
Einen Moment lang sah ich Kai sprachlos an, dann umarmte ich ihn wieder. Dabei streckte ich einen Arm aus, bis ich Jimins Jacke zu fassen bekam und ihn mit in meine Arme schließen konnte. Erst nach einer ganzen Weile ließ ich Kai wieder los.
Er sah Jimin schuldbewusst an. »Tut mir leid, Jimin. Ich bin in Panik geraten.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nur froh, dass dir nichts passiert ist.«
»Mir? Wahrscheinlich wäre ich tot sogar besser dran gewesen, wenn Jungkook mich ohne dich aus dem Gebäude hätte kommen sehen. Ich habe versucht, dich wiederzufinden, nachdem du weggerannt bist. Aber dann hab ich mich verlaufen und musste einen anderen Weg nach draußen finden. Ich bin außen die Mauer entlanggelaufen und habe nach dem Fenster gesucht, aber dabei bin ich auf ein paar Cops gestoßen, die mich aufgehalten haben. Da bin ich fast ausgeflippt!«, erklärte er und fuhr sich mit der Hand über den Kopf.
Ich strich Jimin mit meinen Daumen über die Wange und zog dann mein T-Shirt hoch, um mir den Ruß vom Gesicht zu wischen. »Lasst und hier verschwinden.«
Nachdem ich meinen Bruder noch mal umarmt hatte, machte er sich auf den Weg zu seinem Wagen und wir gingen zu Taehyungs Honda.
Während der ganzen Fahrt hielten wir uns fest an der Hand.
»Du hast mir das Leben gerettet«, sagte er leise.
Ich runzelte die Stirn. »Ohne dich wäre ich da nicht weggegangen.«
•••
In der Wohnung nahmen wir beide eine lange Dusche, danach goss ich jedem von uns mit immer noch zitterden Händen ein Glas Bourbon ein.
Ich hörte Jimin den Flur entlangtapsen, dann fiel er wie benommen aufs Bett.
»Hier.« Ich hielt ihm ein volles Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit hin. »Das wird dir helfen, zur Ruhe zu kommen.«
»Ich bin nicht müde.« Er schüttelte den Kopf.
Ich streckte ihm das Glas immer noch hin. Er mochte zwar zwischen Gangster in Las Vegas aufgewachsen sein, aber wir hatten gerade den Tod gesehen - und zwar vielfach - und waren ihm nur knapp Not selbst entronnen. »Versuch doch, din bisschen zu schlafen, Kitten.«
»Ich habe fast Angst, meine Augen zu schließen«, sagte er, nahm endlich das Glas und stürzte seinen Inhalt hinunter.
Ich nahm ihm das Glas wieder ab, stellte ds auf den Nachttisch und setzte mich neben ihn aufs Bett. So schwiegen wir eine Weile und sannen über die letzten Stunden nach. Es war geradezu irreal.
»Viele Menschen sind heute Abend gestorben«, sagte ich.
»Ich weiß.«
»Kai und ich sind beim Rauslaufen einer Gruppe begegnet. Ich frage mich, ob sie es wohl geschafft haben...«
Jimins Hände begannen zu zittern, also tröstete ich ihn auf die einzige Weise, die mir einfiel. Ich hielt ihn in meinen Armen.
Schließlich entspannte er sich an meiner Brust und seufzte noch einmal. Sein Atem wurde gleichmäßiger und er schmiegte seine Wange noch enger an mich. Zum ersten Mal, seit wir wieder zusammen waren, fühlte ich mich seiner absolut sicher, als ob die Dinge wieder so wären wie damals vor Vegas.
»Jungkook?«
Ich senkte das Kinn und flüsterte in sein Haar. »Was denn, Baby?«
Unsere Handys klingelten gleichzeitig und er ging schon an seines, während er mir meins gab.
»Hallo?«
»Jungkook? Bist du okay, Mann?«
»Ja, Kumpel. Wir sind okay?«
»Mit geht es gut, Tae. Uns beiden geht es gut«, beruhigte Jimin Taehyung.
»Mom und Dad flippen fast aus. Wir sehen es gerade in den Nachrichten. Ich hab ihnen nicht gesagt, dass du dort gewesen bist. - Was?« Yoongi schien sich von Handy wegzudrehen, um mit seinen Eltern zu antworten. »Nein, Mom. Ich rede gerade mit ihm! Ihm geht's gut! Sie sind in der seohnung! Also«, fuhr er fort, »was zum Teufel ist da passiert?«
»Verdammte Laternen. Jackson wollte kein grelles Licht, um weniger Aufnerksamkeit zu erregen und nicht aufzugliegen. Eine davon hat die ganze Hütte in Brand gesteckt... Es ist schrecklich, Yoongs. Viele Leute sind draufgegangen.«
Yoongi holte tief Luft. »Irgendjemand, den wie kennen?«
»Weiß ich noch nicht?«
»Ich bin froh, dass es dir gut geht, Mann, so froh.«
Jimin beschrieb Taehyung die schrecklichen Momente, als er durch die Dunkelheit irrte und versuchte, nach draußen zu gelangen.
Ich zuckte richtig zusammen, als er erzählte, wie er seine Fingernägel unter den Fensterrahmen gegraben hatte, um es irgendwie aufzukriegen.
»Tae, bitte reis nicht vorzeitig an. Uns geht es gut. Wir sind okay. Du kannst mich am Freitag umarmen. Ich hab dich auch lieb. Macht es euch noch schön.«
Ich presste das Handy fester an mein Ohr. »Unarm lieber deinen Mann, Yoongs. Er klingt ganz schön mitgenommen.«
Yoongi seufzte. »Ich bin einfach...« Er seufzte wieder.
»Ich weiß, Mann.«
»Ich häng an dir, Mann. Du bist für mich das, was einem Bruder am Nächsten kommt.«
»Und ich händ an dir, verdammt. Bis bald.«
Nachdem Jimin und ich aufgelegt hatten, saßen wir eine Weile schweigend da. Dann lehnte ich mich in die Kissen zurück und zog Jimin an meine Brust.
»Ist bei Taehyung alles okay?«
»Es war ein Schock für ihn, aber das wird schon wieder.«
»Ich bin froh, dass sie nicht hier waren.«
Ich spürte, wie Jimin die Zähne zusammenbiss, und verfluchte mich innerlich dafür, dass ich ihm noch mehr schreckliche Gedanken eingegeben hatte.
»Ich auch«, sagte er schaudernd.
»Es tut mir leid. Du hast heute Abend so viel durchgemacht.«
»Du auch, Kook.«
Ich musste wieder daran denken, wie es gewesen war, in der Dunkelheit nach Jimin zu suchen und nicht zu wissen, ob ich ihn finden würde; dann hatte ich die Tür eingetreten und endlich sein Gesicht gesehen.
»Ich kriege es nicht oft mit der Angst zu tun«, gab ich zu.
»Ich hatte Angst an dem ersten Morgen, als ich aufwachte und du weg warst. Ich hatte Angst, als du mich nach Vegas verlassen hast. Ich hatte Angst, als ich dachte, ich müsste Dad sagen, dass Kai in dem Gebäude gestorben wäre. Aber als ich dich in diesem Keller hinter den Flammen sah... Da hatte ich entsetzliche Angst. Und noch nie in meinem Leben war ich mir einer Sache so sicher. Ich ging nicht zum Ausgang, sondern kämpfte mich zu dem Raum vor, in dem ich dich vermutete, und da warst du. Nichts anderes zählte. Ich wusste nicht, ob wir es schaffen würden, ich wollte einfach nur bei dir sein, was auch immer das bedeutete. Das Einzige, wovor ich mich wirklich fürchte, ist ein Leben ihne dich, Kitten.«
Jimin küsste mich zärtlich. Als wir unsere Lippen voneinander lösten, lächelte er. »Du hast nichts zu befürchten. Das mit uns währt ewig.«
Ich seufzte. »Ich würde alles noch mal genauso machen, ich würde keine Sekunde missen wollen, um jetzt so hier mit dir zusammen zu sein.«
Er holte tief Luft und ich küsste ihn sanft auf die Stirn.
»Das ist es«, flüsterte ich.
»Was?«
»Der Moment. Wenn ich dir beim Schlafen zusehe... dieser friedliche Ausdruck in deinem Gesicht. Das hatte ich seit dem Tod meiner Mutter nicht mehr gespürt, aber jetzt kann ich es wieder fühlen.« Jetzt holte ich tief Luft und zog ihn noch enger an mich. »Ich wusste in der Sekunde, als wir und zum ersten Mal begegnet sind, dass du etwas an dir hattest, das ich brauchte. Aber es war gar nichts an dir. Es warst du selbst.«
Jimin lächelte müde und schmiegte sein Gesicht wieder an meine Brust. »Das sind wir, Kook. Nichts ergibt Sinn, wenn wir nicht zusammen sind. Hast du das schon bemerkt.«
»Bemerkt? Das erzählst ich dir schon eit einem Jahr!«, scherzte ich. »Bettgeschichten, Kämpfe, Trennung, Taemin, Vegas... sogar Feuer... unsere Beziehung kann nichts etwas anhaben.«
Er hob den Kopf und sah mir fest in die Augen. Ich konnte sehen, wie er einen Plan fasste. Zum ersten Mal machte ich mir keine Sorgen darüber, wohin sein nächster Schritt führen würde, denn ich wusste aus tiefster Überzeugung, welche Richtung auch immer er einschlug, wir würden diesen Weg gemeinsam gehen.
»Vegas?«, fragte er.
Zwischen meinen Brauen bildete sich eine Falte. »Ja?«
»Hast du schon mal dran gedacht, noch mal hinzufliegen?«
Ich sah ihn ungläubig an. »Ich glaube, für mich wäre das keine gute Idee.«
»Und wenn wir nur für eine Nacht hinfliegen?«
Verwirrt sah ich mich im dunklen Zimmer um. »Für eine Nacht?«
»Heirate mich«, stieß er hervor. Ich hatte die Worte gehört, aber es dauerte eine Sekunde, bis ich sie begriff.
Ich verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. Er sagte das sicher nur aus Spaß, aber wenn es ihm half, sich abzulenken, dann war ich gerne bereit, mitzuspielen.
»Wann?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wir können morgen einen Flug buchen. Es sind ja Ferien. Ich habe nichts vor, und du?«
»Ich steige auf deinen Bluff ein«, antwortete ich und griff wieder nach meinem Handy. Jimin hob das Kinn und machte ein entschlossenes Gesicht. »American Airlines«, sagte ich und war gespannt auf seine Reaktion, doch er blinzelte nicht mal.
»American Airlines, was kann ich für Sie tun?«
»Ich brauche zwei Tickets nach Vegas, bitte. Für morgen.«
Die Dame recherchierte einen Hinflug und fragte dann, wie lange wir bleiben wollten.
»Hmmm...« Ich wartete darauf, dass Jimin einen Rückzieher machte, doch das tat er nicht. »Zwei Tage. Hin- und Rückflug. Was immer Sie haben.«
Übers ganze Gesicht strahlend lehnte er sein Kinn wieder an meine Brust und wartete darauf, dass ich zu Ende telefonierte.
Die Dame fragte, wie ich bezahlen wollte, also bat ich Jimin, mir meine Brieftasche rüberzureichen. Spätestens an diesem Punkt rechnete ich damit, dass er loslachen und mir sagen würde, ich solle auflegen. Aber stattdessen zog er bereitwillig meine Kreditkarte aus dem Portemonnaie und gab es mir.
Ich sagte meine Kreditkartennummer an und schaute zwischendurch immer wieder zu Jimin. Er lauschte nur amüsiert. Ich nannte noch das Ablaufdatum der Karte und dachte, dass ich im Begriff war, zwei Flugtickets zu kaufen, die wir wahrscheinlich nicht nutzen würden. Jimin besaß wirklich ein unglaubliches Pokerface. »Äh, ja, Ma'am. Wir holen sie dann direkt am Schalter ab. Ich danke Ihnen.«
Ich gab Jimin das Handy zurück und er legte es auf den Nachttisch.
»Du hast mich gerade gebeten, dich zu heiraten«, sagte ich und erwartete immer noch, dass er zugab, es nicht ernst gemeint zu haben.
»Ich weiß.«
»Das war jetzt gerade ernst, weißt du. Ich habe zwei Flugtickets nach Vegas für morgen Mittag gebucht. Das bedeutet, wir heiraten morgen Abend.«
»Danke.«
Ich kniff die Augen ein bisschen zusammen. »Dann wirst du, wenn der Unterricht am Montag wieder beginnt, bereits Mr. Jeon sein.«
»Oh«, sagte er und ließ seinen Blick schweifen.
Ich hob eine Augenbraue. »Irgendwelche Zweifel?«
»Da werde ich nächste Woche eine Menge Papierkram zu erledigen haben.«
Ich nickte langsam und war vorsichtig hoffnungsvoll. »Du wirst mich mirgen wirklich heiraten?«
Er grinste. »Mhm.«
»Ist das dein Ernst?«
»Absolut.«
»Verdammt, ich liebe dich!« Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und küsste ihn heftig. »Ich liebe dich so sehr, Kitten!« Ich küsste ihn noch mal und noch mal. Seine Lippen schafften es kaum, meine Küsse zu erwiedern.
»Erinnere dich auch noch in fünfzieg Jahren daran, wenn ich dir beim Poker immer noch das Fell über die Ohren ziehe.«
Er kicherte.
»Wenn das sechzig oder siebzig Jahre mit dir bedeutet, Baby... Dann spiel so gemein, wie du nur kannst.«
»Das wirst du noch bereuen.«
»Ich wette, nicht.«
Aus seinem süßen Lächeln wirde die Miene des selbstbewussten Jimin Park, den ich am Pokertisch in Vegas gesehen hatte, als er diese Profispieler abgefertigt hatte.
»Traust du dir so viel zu, dass du das polierte Bike da draußen setzt?«
»Ich würde alles setzten, was ich besitze, Kitten.«
Er streckte mit seine Hand hin und ich nahm sie ohne zögern, schüttelte sie und führte sie dann an meinen Mund, um meine Lippen zärtlich darauf zu drücken.
»Jimin Jeon«, sagte ich und konnte nicht aufhören zu lächeln.
Er umarmte mich und drückte mich ganz fest. »Jungkook und Jimin Jeon. Klingt richtig hübsch.«
»Ein hübscher Ring würde auch noch dazugehören«, meinte ich und machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Um Ringe kümmern wir uns später. Ich habe dich ja praktisch damit überfallen.«
»Äh...« Ich verstummte wieder und dachte an die Schachtel in der Nachttischschublade. Ob es überhaupt eine gute Idee wäre, ihm ihn zu geben? Vor ein paar Wochen oder sogar Tagen wäre er ausgerastet, aber darüber waren wir inzwischen hinweg. Hoffte ich zumindest.
»Was denn?«
»Flipp nicht aus, ja? Also, um die Angelegenheit habe ich mich schon gekümmert.«
»Um welche Angelegenheit?«
Ich schaute zur Zimmerdecke hoch und seufzte, weil mir mein Fehler erst zu spät bewusst wurde. »Du wirst doch ausflippen.«
»Jungkook...«
Ich streckte die Hand nach der Schublade aus und tastete darin herum.
Jimin verzog das Gesicht und pustete sich eine feuchte Strähne aus der Stirn. »Wie? Hast du Kondome gekauft?«
Ich lachte auf. »Nein, Kitten.« Ich schob meine Hand noch tiefer in die Schublade. Endlich berührte ich das schon vertraute Schächtelchen. Ich beobachtete Jimins Gesicht, während ich es aus dem Versteck holte.
Jimin schaute zu, wie ich die Samtschachtel auf meine Brust legte und die Arme hinter den Kopf verschränkte.
»Was ist das?«
»Wonach sieht es denn aus?«
»Okay, lass mich die Frage anders stellen: Wann hsst du das besorgt?
Ich holte tief Luft. »Vor einer Weile.«
»Kook...«
»Ich habe ihn zufällig entdeckt und wusste, es gibt nur einen Ort, an den er gehört... an deinen perfekten Finger.«
»Wann genau.«
»Spielt das eine Rolle?«
»Darf ich ihn sehen?« Er lächelte, und seine grauen Augen strahlten.
Seine unerwartete Reaktion ließ auch mich grinsen. »Mach sie auf.«
Jimin berührte die Schachtel mit einem Finger, öffnete den goldenen Verschluss mit beiden Händen und hob dann langsam den Deckel an. Er riss die Augen auf und machte die Schachtel schnell wieder zu.
»Jungkook!«, rief er erschrocken.
»Ich wusste, du würdest ausflippen!«, sagte ich und legte meine Hände um ihn.
»Bist du verrückt?« Er schloss die Augen.
»Ich wusste es. Ich wusste, was du denken würdest, aber ich konnte nicht anders. Es war der einzige Richtige. Und ich hatte recht! Ich habe seither keinen mehr gesehen, der so perfekt wäre!« Innerlich krümmte ich mich und hoffte, er würde sich nicht daran festbeißen, dass ich gerade zugegeben hatte, wie oft ich mir Ringe angesehen hatte.
Er schluf die Augen wieder auf und löste seine Hände von der Schachtel. Dann probierte er es noch mal und hob langsam den Deckel. Vorsichtig nahm er den Ring aus dem Schlitz.
»Der ist... mein Gott, er ist umwerfend«, flüsterte er, während ich seine linke Hand nahm.
»Darf ich ihn dir anstecken?«, fragte ich und sah ihn an. Nachdem er genickt hatte, presste ich die Lippen zusammen und streifte ihm den silbernen Ring auf den Finger, wo ich ihn noch ein, zwei Sekunden festhielt. »Jetzt ist er umwerfend.«
Wir starrten beide auf seine Hand. Endlich ar das Prachtstück dort, wo es hingehörte.
»Dafür hättest du ein Auto in bar kaufen können«, sagte er leise, als ob er in der Gegenwart des Ringes flüstern müsse.
Ich hob seinen Ringfinger an meine Lippen und küsste die Haut unmittelbar vor seinem Knöchel. »Millionenmal habe ich mir vorgestellt, wie er an deiner Hand aussehen würde. Jetzt ist er dort...«
»Wie?« Er lächelte und wartete wohl darauf, dass ich den Gedanken zu Ende führte.
»Ich dachte, ich müsste noch fünf Jahre durchstehen, bis ich das erleben dürfte.«
»Ich wollte es genauso wie du. Ich habe nur einfach dieses phänomene Pokerface«, sagte er und küsste mich.
Wie gerne hätte ich ihn ausgezogen, bis er nur noch meinen Ring an seinem Körper gehabt hätte, aber ich lehnte mich zurück in die Kissen und ließ ihn an meiner Brudt ruhen. Es war nur schwer möglich, die Schrecken dieser Nacht irgendwie zu überwinden, aber wir waren auf einen guten Weg.
•••
Ich rieche das Ende 🌝
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