19. Dad taucht auf

Freitag. Der Tag der Date Party. Drei Tage nachdem Jimin erst über die neue Couch gelächelt und sich Minuten später wegen meiner Tattoos Whiskey eingeschenkt hatte.

Die zwei besten Freunde waren unterwegs und ich saß auf den Stufen vor der Wohnung und wartete darauf, dass Toto einen Haufen machte.
Aus Gründen, die ich selbst nicht kannte, waren meine Nerven zum Zerreißen gespannt. Ich hatte mir schon ein paar Schluck Whiskey genehmigt, um irgendwie zur Ruhe zu kommen. Es hatt nicht funktioniert.
Ich starrte auf mein Handgelenk und hoffte, dass dieses omniöse Gefühl nur blinder Alarm war. Kaum hatte ich Toto zugerufen, sich gefälligst zu beeilen, weil es draußen so verdammt kalt war, hockte er sich auch schon hin und erledigte sein Geschäft.

»Das wurde aber auch Zeit, kleiner Mann!« Ich hob ihn hoch und trug ihn wieder rein.
»Hab gerade den Blumenladen angerufen. Oder besser: die Blumenläden. Der erste hatte nicht genug«, sagte Yoongi.
Ich lächelte. »Die zwei werden ausrasten. Hast du dir versichern lassen, dass sie liefern, bevor die beiden nach Hause kommen?«
»Klar.«
»Was, wenn sie früher zurück sind?«
»Das wird dicke reichen.«
Ich nickte
»Hey«, sagte Yoongi mit einem schiefen Lächeln. »Bist du nervös wegen heute Abend?«
»Nein«, antwortete ich finster.
»Bist du doch, du Weichei! Du bist nervös wegen der Date Night!«
»Red keinen Scheiß!« Ich verschwand in meinem Zimmer.
Mein schwarzes Hemd hing schon gebügelt bereit. Es war nichts Besonderes - eines der zwei Button-down-Hemden, die ich besaß.
Es würde meine erste Date Party sein, und ich würde dss erste Mal mit meinem Freund hingehen. Und dich hatte der Knoten in meinem Magen einen anderen Grund. Einen, den ich nicht zu fassen bekam. Als drohe in unmittelbarer Zukunft irgendwas schreckliches.

Entnervt kehrte ich in die Küche zurück und schenkte mir noch einen Schluck Whiskey ein. Es klingelte an der Tür, und als ich aufschaute, lief Yoongi schon aus seinem Zimmer zur Tür, mit nichts als einem Handtuch um die Hüften.
»Ich hätte doch auch gehen können.«
»Schon, aber dann hättest du aufhören müssen, in deinen Jim Beam zu weinen«, brummte er und machte auf. Ein kleiner Mann mit zwei Sträußen, die größer waren als er selbst, stand draußen.
»Äh, ja... hier lang, Kumpel.« Yoongi machte die Tür ganz auf.

Zehn Minuten später sah die Wohnung langsam so aus, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich war auf die Idee gekommen, Jimin vor der Party Blumen zu schenken, aber ein Strauß wäre nicht genug gewesen.

Wenn ein Lieferant ging, erschien auch schon der nächste und so weiter. Erst als jede verfügbare Fläche in der Wohnung mit mindestens zwei oder drei pompösen Bouquets aus roten, pinkfarbenen, gelben und weißen Rosen geschmückt war, gaben Yoongi und ich uns zufrieden.

Schnell nahm ich noch eine Dusche, rasierte mich und schlüpfte in eine Jeans, als ich vom Parkplatz schon das Motorengeräusch des Hobda hörte. Kurz nachdem es verstummt war, stieß Taehyung, gefolgt von Jimin die Wohnungstür auf.
Sie reagierten sofort auf das Blumenmeer. Yoongi und ich grinsten wie die Idioten, während die beiden vor Freunde quiekten.
Yoongi sah sich stolz un. »Wir wollten euch Blumen kaufen, aber keiner von uns hielt einen Strauß für ausreichend.«
Jimin fiel mir um den Hals. »Jungd, ihr seid einfach... umwerfend. Danke.«
Ich schlug ihm auf den Po und ließ meine Hand auf der sanften Kurve am Ende seines Oberschenkels liegen. »Dreißig Minuten bis zur Party, Kitten.«

Die zwei zogen sich in Yoongis Zimmer um, während wir warteten. Ich brauchte gerade mal fünf Minuten, um mein Hemd zuzuknöpfen, einen Gürtel zu finden, Socken und Schuhe anzuziehen. Bei den zwei besten Freunde dauerte es irgendwie länger.

Ungeduldig klopfte Yoongi an die Tür. Die Party war jetzt schon fünfzehn Minuten im Gange.
»Zeit zum Aufbrechen, die Herren«, rief er.
Taehyung kam in einer schwarzen Anzughose, schwarzen Lackschuhen, einem weißem Hemd; wobei die ersten paar Knöpfe offen waren, und einem schwarzen Sakko. Dazu trug er ein schwarzes Bandana. Yoongi pfiff anerkennend, und Taehyung lächelte strahlend.

»Wo bleibt er?«, fragte ich.
»Jimin hat noch ein kleines Problem mit seinen Schuhen, aber er wird jeden Moment kommen«, erklärte Taehyung.
»Spann mich nicht so auf die Folter, Kitten!«, rief ich.
Die Tür quietschte, und dann kam Jimin heraus, während er noch an seinem schwarzem Oberteil zupfte. Seine Haare hatte er zu einem Seitenscheitel gekämmt. Das Oberteil, dass er trug, war aus Seid und man sah durch den V-Ausschnitt seine Haut.
Und nicht zu vergessen seine Oberschenkeln in der schwarzen Jeans.

Taehyung stieß mich mit dem Ellbogen an und ich blinzelte.
»Du meine Fresse!«
»Bist du bereit, auszuflippen?«, fragte Taehyung.
»Ich flippe nicht aus - er sieht irre aus.«
Jimin lächelte spitzbübisch und drehte sich dann langsam um, damit ich seinen wohlgeformten Hintern sah.
»Okay, jetzt flippe ich doch aus«, sagte ich, fing auf ihn zu und zog ihn aus Yoongis Blickfeld.
»Gefällt es dir nicht?«, fragte er.
»Du brauchst was zum Drüberziehen.« Ich lief zur Garderobe und warf ihm hastig eine Jacke über die Schultern.
»Die kann er aber nicht den ganzen Abend anlassen«, scherzte Taehyung.
»Du siehst toll aus, Jimin«, stellte Yoongi fest, um sich quasi für mein Benehmen zu entschuldigen.
»Das tust du«, sagte ich und überlegte verzweifelt, wie ich mich verständlich machen sollte, ohnen einen Streit anzufangen. »Du siehst unglaublich aus... aber du kannst das nicht tragen, dein Oberteil ist... wow, deine Beinde sind... dein Oberteil ist zu tief geschnitten, und es ist nicht mal ein Oberteil. Es verdeckt nichts!«
»Das ist absichtlich so gemacht«, sagte er lächelnd. Wenigstens war er nicht angepisst.

»Müsst ihr euch andauernd so quälen?«, fragte Yoongi genervt.
»Hast du etwas ohne so einen Ausschnitt?«, fragte ich.
Jimin sah an sich runter. »Man sieht nicht viel vom V-Ausschnitt.«
»Kitten«, jammerte ich, »ich will dich nicht verärgern, aber so kann ich dich nicht ins Haus meiner Fraternity mitnehmen. Dann bin ich nach fünf Minuten in eine Schlägerei verwickelt.«
Er reckte sich zu mir hoch und küsste mich auf den Mund.
»Ich vertraue auf deine Selbstbeherrschung.«
»Das wird ein fürchterlicher Abend«, stöhnte ich.
»Das wird ein phantastischer Abend«, meinte Taehyung gekränkt.

»Denk doch einfach daran, wie schnell es später auszuziehen sein wird«, sagte Jimin. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um mich auf den Hals zu küssen.
Ich starrte an die Decke und versuchte, mich von seinen vollen Lippen, nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. »Genau hier liegt das Problem. Jeder andere Typ wird das Gleiche denken.«
»Aber du bist der Einzige, der es ausprobieren darf«, zwitscherte er. Als ich darauf nicht antworte, lehnte er sich zurück, um mir in die Augen zu sehen. »Möchtest du wirklich, dass ich mich umhiehe?«
Ich betrachtete sein Gesicht und dann alles andere an ihm, dann atmete ich geräuschvoll aus. »Du siehst hinreißend aus, egal, was du trägst. Also sollte ich mich wohl besser daran gewöhnen, oder?« Jimin zuckte mit den Schultern, und ich schüttelte den Kopf. »Alles klar, wir sind spät dran. Lasst uns gehen.«

•••

Ich hatte meinen Arm um Jimins Taille gelegt, während wir über den Rasen zum Haus der Sigma Tau gingen. Er zitterte vor Kälte, also ging ich, so schnell ich konnte. Sobald wir die dicke doppelflügelige Tür passiert hatten, steckte ich mir eine Kippe an, um etwas zu dem für Fraternitypartys so typischen Dunst beizutragen. Die Bässe der Bosen im Untergeschoss vibrierten unter unseren Füßen wie ein Herzschlag.

Nachdem Yoongi und ich uns um die Jacken der Jungs gekümmert hatten, führte ich Jimin in die Küche. Taehyung und Yoongi folgten uns. Dort standen wir, jeder mit einem Bier in der Hand, und hörten Jay Gruber und Brad Pierce über meinen letzten Kampf diskutierten. Jungwoo zupfte an Brads Hemd herum und langweilte sich sichtlich.

»Alter, du lässt dir den Spitznamen deines Freundes ins Handgelenk tätowieren? Was zum Teufel hat dich denn da bloß geritten?«, fragte Brad.
Ich drehte meine Hand so, dass Jimins Spitzname sichtbar wurde. »Ich bin verrückt nach ihm.«, erklärte ich und schaute Jimin an.
»Du kennst ihn doch kaum«, schnaubte Jungwoo.
»Ich kenne ihn.«
Im Augenwinkel sah ich Yoongi und Taehyung Richtung Treppe gehen, also nahm ich Jimins Hand und folgte ihnen.
Leider kamen Brad und Jungwoo auf die gleiche Idee. In einer Reihe stiegen wir die Treppe in den Keller hinunter, wobei die Musik mit jeder Stufe lauter wurde.

Als ich die letzte Stufe nahm, begann der DJ einen langsamen Song. Ohne Zögern zog ich Jimin auf die Tanzfläche, für die man alles Mobiliar an die Seite geschoben hatte.
Jimins Kopf schmiegte sich perfekt in meine Halsbeuge.
»Ich bin froh, dass ich noch nie auf einer diesen Partys war«, flüsterte ich ihm ins Ohr. »Es fühlt sich richtig an, das nur mit die zu machen.«
Jimin drückte seine Wange an meine Brust und grub die Finger in meine Schultern.
»In diesem Outfit starren dich alle an«, sagte ich. »Irgendwie ist es auch cool... mit dem Jungen zusammen zu ein, den jeder haben will.«
Jimin lehbte sich zurück und ließ mal wieder seine Augen rollen. »Die wollen mich nicht. Die möchten nur wissen, warum du mich willst. Und überhaupt bedaure ich jeden, der sich Hoffnungen macht. Denn ich bin hoffnungslos und rettungslos in dich verliebt.«
Wie konnte er sich das fragen? »Weißt du, warum ich dich so sehr will? Mir war nicht klar, wie verloren ich war, bevor du mich gefunden hast. Mir war nicht klar, wie einsam ich war, bevor du die erste Nacht in meinem Bett verbracht hast. Du bist das Einzige, was ich jemals richtig gemacht habe. Du bist, worauf ich immer gewartet habe, Kitten.«

Jimin streckte die Arme aus, um mein Gesicht in seine Hände zu nehmen, und ich schlang die Arme um ihn und hob ihn hoch. Unsere Lippen tragen sich, und ich versuchte ihm in diesem Kuss stumm zu vermitteln, wie sehr ich ihn liebte. Mit Worten allein konnte ich das niemals zum Ausdruck bringen.

Mach ein paar Songs und einem feindseligen, aber auch unterhaltsamen kleinen Zusammenstoß zwischen Taehyung und Jungwoo, fand ich es an der Zeit, wieder nach oben zu gehen.
»Komm, Kitten. Ich brauch 'ne Kippe.«

Jimin folgte mir nach oben. Ich holte noch seine Jacke, bevor wir den Balkon ansteuerten. In dem Moment, als wir hinaustraten, hielt ich inne. Ebenso wie Jimin und Taemin und der Kerl, den er gerade befummelte.
Taemin kam als Erster in Bewegung - er zog die Hand aus der Hose des Typen hervor.
»Jimin«, keuchte er überrascht und atemlos.
»Hey, Taemin«, erwiederte Jimin und verbiss sich das Lachen.
»Wie, äh... wie geht's dir so?«
Er lächelte höflich. »Sehr gut. Und selbst?«
»Äh«, er sah seine Begleitung an, »Jimin, das ist Mark. Mark... Jimin.«
»Jimin Jimin?«, fragte der Typ.
Taemin nickte und fühlte sich sichtlich unwohl. Mark schüttelte mit angewiedertem Gesicht Jimins Hand und musterte dann mich, als habe er soeben den Feind erblickt. »Schön dich kennenzulernen... oder wie auch immer.«
»Mark«, warnte Taemin ihn.

Ich lachte kurz auf und öffnete dann die Türen, damit die beiden reingehen konnten. Taemin schnappte Marks Hand und verzog sich mit ihm ins Haus.
»Das war... eigenartig«, sagte Jimin kopfschüttelnd und verschränkte die Arme. Er schaute über die Brüstung zu den wenigen Paaren hinunter, die dort dem Winterwind trotzten.
»Wenigstens hat er damit aufgehört, dich um jeden Preis zurückerobern zu wollen«, meinte ich lächelnd.
»Ich glaube, er wollte mich nicht so sehr zurück-, sondern vor allem von dir weg haben.«
»Einmal hat er einer meiner Kerle nach Hause gebracht. Seither tut er so, als würde er jeden Frischsemester retten, den ich flachgelegt habe.«
Jimin warf mir einen strengen Blick zu. »Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, wie sehr ich diesen Ausdruck hasse.«
»Tut mir leid.« Ich zog ihn an mich. Dann zündete ich mir eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und drehte mein Handgelenk. Die kunstvollen, aber kräftigen schwarzen Linien ergaben zusammen das Wort Kitten. »Ist doch seltsam, dass dieses Tattoo nicht nur meine neue Lieblingstätowierung ist, sondern dass es mir schon allein ein gutes Gefühl gibt, zu wissen, es ist da.«
»Ganz schön seltsam«, sagte Jimin. Ich warf ihm einen fragenden Blick zu, und er lächelte. »Ich mache nur Spaß. Und ich verstehe es zwar nicht, aber es ist süß... auf eine für Jungkook Jeon typischen Art.«
»Wenn es sich schon so gut anfühlt, das auf meinem Arm zu haben, dann kann ich mir kaum vorstellen, wie es sein wird, einen Ring an deinen Finger zu bekommen.«
»Jungkook...«
»In vier oder fünf Jahren vielleicht«, meinte ich und wand mich innerlich, weil ich so weit gegangen war.

Jimin holte tief Luft. »Wir müssen langsamer machen. Viel, viel langsamer.«
»Jetzt fang nicht davon an, Kitten.«
»Wenn wir in dem Tempo weitermachen, laufe ich vor meinem Examen barfuß. Gut, dass ich keine Frau bin, sonst wäre ich noch schwanger geworden. Ich bin nich nicht bereit dazu, mit dir zusammenzuziehen, ich bin noch nicht bereit für einen Ring, und ich bin ganz sicher noch nicht bereit, eine Familie zu gründen.«
Ich fasste ihn sanft bei den Schultern. »Das ist jetzt aber nicht die 'Ich will auch andere Leute daten'- Ansage, oder? Denn ich habe nicht vor, dich zu teilen. Das kommt verdammt noch mal überhaupt nicht infrage.«
»Ich will überhaupt niemand anderen«, sagte er rasch.

Ich entspannte mich, ließ seine Schultern los und stützte mich auf das Balkongeländer. »Was willst du dann damit sagen?«, fragte ich und fürchtete mich vor seiner Antwort.
»Ich will damit sagen, dass wir langsamer machen müssen. Nichts anderes.«
Ich nickte unglücklich.
Jimin berührte mich am Arm. »Sei nicht sauer.«
»Es kommt mir vor, als würden wir immer einen Schritt vor und zwei zurück machen, Kitten. Jedes Mal, wenn ich denke, wir seien uns einig, lässt du mich vor eine Wand laufen. Ich kapiere das nicht... die meisten anderen bearbeiten ihre Freunde, damit sie es ernst meinen, damit sie über ihre Gefühle reden, damit sie den nächsten Schritt machen...«
»Ich dachte, wir seien uns darüber einig, dass ich nicht wie die 'meisten anderen' bin?«
Frustriert ließ ich den Kopf hängen. »Ich bin das Rätseln leid. Wo führt das deiner Meinung nach hin, Jimin?«
Er drückte seine Lippen an mein Hemd. »Wenn ich mir meine Zukunft vorstelle, sehe ich dich.«

Ich legte den Arm um ihn und zog ihn an mich. Bei seinen Worten entspannten sich sofort alle Muskeln in meinem Körper. Wir sahen den nächtlichen Wolken nach, die über einen schwarzen, sternenlosen Himmel zogen. Das Gelächter und Geplauder der Leute unter uns zauberte ein Lächeln auf Jimins Gesicht. Ich beobachtete dieselben Partybesucher wie er, während sie sich zusammendrängten und von der Straße ins Haus liefen. Zum ersten Mal an diesem Tag begann die drohende Vorahnung, die ich gespürt hatte, zu schwinden.

•••

»Jimin! Da bist du ja! Ich habe dich schon überall gesucht!«, rief Taehyung und kam nach draußen gestürmt. Er hielt sein Handy hoch. »Ich habe eben einen Anruf von meinem Vater bekommen. Chiron hat ihn gestern Abend angerufen.«
Jimin verzog das Gesicht. »Chiron? Warum sollte er ihn anrufen?«
Taehyung hob die Hände. »Deine Mutter hat dauernd wieder aufgelegt.«
»Was wollte er?«
Taehyung presste die Lippen zusammen. »Wissen, wo du bist.«
»Er hat es ihm aber nicht gesagt, oder?«
Taehyung machte ein unglückliches Gesicht. »Er ist immerhin dein Vater, Jimin. Dad meinte, er habe das Recht, es zu wissen.«
»Dann wird er hierherkommen«, sagte Jimin mit wachsender Panik in der Stimme. »Er wird kommen, Tae!«
»Ich weiß! Es tut mir so leid!«, Taehyung versuchte, ihn tröstend zu marmen, doch Jimin machte sich von ihm los und schlug die Hände vors Gesicht.

Ich hatte keine Ahnung, was da gerade vor sich ging, aber ich berührte Jimins Schulter. »Er wird dir kein Leid zufügen, Kitten. Das lasse ich nicht zu.«
»Er wird einen Weg finden«, sagte Taehyung und sah Jimin traurig an. »Das macht er immer.«
»Ich muss hier weg.« Jimin zog die Jacke enger um sich und riss an den Griffen der Balkontür. Er war zu aufgeregt, um die Riegel erst nach unten zu drücken, bevor sich die Türen aufziehen ließen. Als schon Tränen über seine Wangen liefen, legte ich meine Hände über seine. Ich half ihm beim Öffnen, und er schaute zu mir hoch. Ich war mir nicht sicher, ob seine Wangen vor Scham oder Kälte gerötet waren, aber ich wollte ihm unbedingt helfen.

Den Arm um Jimin gelegt, gingen wir die Treppen hinunter, durchquerten das Haus und schoben uns durch die Menge bis vor die Eingangstür. Jimin lief schnell und wollte anscheinend unbedingt in die sichere Wohnung zurück. Ich hatte bisher nur die Lobeshymne auf den Pokerspieler Chiron Park aus dem Mund meines Vaters gehört. Als ich Jimin jetzt wie ein verängstigten kleinen Jungen davonlaufen sah, verspürte ich Hass auf jede Minute, die meine Familie mit Ehrfurcht vor ihm vergeudet hatte.

Im Gehen packte Taehyung Jimin plötzlich an der Jacke.
»Jimin!«, flüsterte er und zeigte auf eine kleine Gruppe.
Die hatte sich um einen älteren, schmuddeligen Mann gebildet. Er war unrasiert und verdammt schmutzig. Mit einem kleinen Foto in der Hand deutete er auf das Haus. Die Pärchen nickten und diskutierten untereinander über das Bild.

Jimin stürmte auf den Mann zu und riss ihm das Foto aus der Hand. »Was zum Teufel treibst du hier?«
Ich blickte auf das Bild in seiner Hand. Er konnte darauf nicht älter als fünfzehn sein, mager, mit unscheinbaren Haaren und dunklen Schatten um die Augen. Er musste in elender Verfassung gewesen sein. Kein Wunder, dass er weggewollt hatte.

Die drei Paare, die dort standen, wichennzurück. Ich starrte drohend in ihre erstaunten Gesichter und wartete darauf, dass der Kerl antwortete. Es war dieser verdammte Chiron Park. Ich erkannte ihn an den unverwechselbar stechenden Augen in seiner verlebten Visage.

Yoongi und Taehyung hatten sich links und rechts neben Jimin postiert. Ich legte ihm von hinten die Hände auf die Schultern.
Chiron musterte Jimins Outfit und schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Also, also Mochi. Da würden ja die Mädchen von Las Vegas vor Neid erblassen...«
»Halt die Klappe. Halt bloß die Klappe, Chiron. Dreh dich einfach um«, er zeigte hinter ihn, »und hau wieder dorthin ab, wo du hergeommen bist. Ich will dich hier nicht haben.«
»Das kann ich nicht, Mochi. Ich brauche deine Hilfe.«
»Wie wär's mal mit 'ner neuen Ansage?«, ätzte Taehyung.

Chiron sah ihn aus halb zusammengekniffenen Augen böse an, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Jimin.
»Du siehst ja echt scharf aud. Bist groß geworden. Auf der Straße hätte ich dich nicht mehr erkannt.«
Jimin seufzte. »Was willst du?«
Er hob die Hände und zuckte mit den Schultern. »Wie's scheint, hab ich mich ein bisschen in die Bredouille gebracht, Kindchen. Dein alter Vater braucht ein bisschen Kohle.«
Jimins ganzer Körper war angespannt. »Wie viel?«
»Es ist gut für mich gelaufen, richtig gut. Irgendwann musste ich mir nur ein bisschen was leihen, um über die Runden zu kommen, und... na, du weißt schon.«
»Ich weiß«, fuhr Jimin ihn an. »Wie viel brauchst du?«
»Fünfundzwanzig.«
»Verdamnte Kacke, Chiron, fünfundzwanzig was? Hunderter? Wenn du dich im Anschluss endlich wieder verpisst... besorg ich dir das sofort.«, sagte ich.
»Er meint Tausender«, stellte Jimin mit kalter Stimme klar.

Chiron musterte mich von oben bis unten. »Wer ist der Clown?«
Ich riss die Augen auf und beugte mich instinktiv zu meinem Gegner vor. Das Einzige, was mich zurückhielt, war Jimins zierliche Gestalt zwischen uns und die Tatsache, dass dieser ekelhafter Wicht sein Vater war. »Jetzt wird mir klar, warum sich ein kluger Bursche wie du so runtergewirtschaftet hat, dass er seinem Teenagersohn um ein Taschengeld anbetteln muss.«
Bevor Chiron darauf antworten konnte, hatte Jimin schon sein Handy hervorgeholt. »Wem schuldest du es diesmal, Chiron?«
Chiron kratzte sich den Kopf mit dem fettigen, ergrauten Haar. »Also, das ist eine witzige Gesichte, Mochi-«
»Wem?«, schrie Jimin.
»Benny.«
Jimin wich gegen mich zurück. »Benny? Du schuldest es Benny? Was zum Teufel hast du...« Er schwieg kurz. »So viel Geld besitz ich nicht, Chiron.«
Er grinste. »Irgendwas sagt mir aber, dass du es hast.«
»Hab ich nicht! Diesmal hast du es geschafft, was? Klar, du würdest keine Ruhe geben, bis man dich mal aus dem Weg räumt!«

Er trat von einem Fuß auf den anderen und das schmierige Grinsen war von seinem Gesicht verschwunden. »Wie viel hast du?«
»Elftausend. Ich habe auf ein Auto gespart.«
Taehyungs Blick schoss zu Jimin. »Wo hast du elftausend Dollar her, Jimin?«
»Von Jungkooks' Kämpfen.«
Ich zog ihn an seinen Schultern, bis er sich zu mir umdrehte.
»Du hast an meinen Kämpfen elftausend verdient? Wann hast du denn gewettet?«
»Jackson und ich hatten eine Vereinabrung«, sagte er lässig.

Plötzlich war wieder Leben in Chirons Augen. »Das kannst du an einem Wochenende verdoppeln, Mochi. Bis Sonntag kannst du mir die fünfundzwanzig besorgen, und dann hetzt mir Benny seine Schläger nicht auf den Hals.«
»Dann bin ich pleite, Chiron. Ich muss für die Uni zahlen.« Jimin köang eine Spur traurig.
»Ach, das hast du in Nullkommanichts wieder zusammen«, winkte er mit seiner Hand ab.
»Wann musst du liefern?«, fragte Jimin.
»Montag früh. Na ja... genau genommen Mitternacht« erwiederte er leichtfertig.
»Du musst ihm keinen verdammten Penny geben, Kitten«, sagte ich.

Chiron packte Jimin am Handgelenk. »Das ist das Mindeste, was du für mich tun kannst! Ohne dich säße ich gar nicht in dieser Scheiße!«
Taehyung schlug seine Hand weg und stieß ihn zurück.
»Wag es bloß nicht, wieder mit dem verdammten Mist anzufangen, Chiron! Er hat dich nicht gezwungen, dir Geld von Benny zu leihen!«
Chiron starrte Jimin hasserfüllt an. Diese Bosheit in seinen Augen machte alles, was er mit ihm als sein Sohn verband, zunichte. »Wenn es ihn nicht gäbe, hätte ich meine eigene Kohle. Du hast mir alles weggenommen, Jimin. Ich habe nichts mehr!«

Jimin verbiss sich ein Schluchzen. »Ich werde Benny bis Sonntag dein Geld besorgen. Aber wenn ich das getan habe, will ich, dass du mich verdammt noch mal zufrieden lässt. Ich mache das kein zweites Mal, Chiron. Von jetzt an bist du auf dich gestellt, hast du das kapiert? Bleib. Mir. Vom. Hals.«
Er presste die Lippen aufeinander und nickte. »Ganz wie du willst, Mochi.«

Jimin drehte sich um und ging Richtung Auto.
Taehyung seufzte. »Koffer packen, Jungs, wir fahren nach Vegas.« Er maschierte ebenfalls zum Charger, nur Yoongi und ich blieben wie angewurzelt zurück.
»Wartet mal. Was war das?« Yoongs sah mich an. »Das Las Vegas Vegas? Das in Nevada?«
»Sieht ganz danach aus«, sagte ich und vergrub die Hände in meine Taschen.
»Wir buchen jetzt einfach Flüge nach Vegas?« Yoongi schien immer noch Mühe zu haben, die Situation zu begreifen.
»Exakt.«

Yoongi ging zum Wagen, öffnete Taehyung und Jimin die Tür an der Beifahrerseite, um sie einsteigen zu lassen, und knallte sie mit ausdrucksloser Miene wieder zu. »Ich war noch nie in Vegas.«
Ich grinste schelmisch. »Dann ist es jetzt wohl an der Zeit für dein erstes Mal.«

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