13. Porzellan
Jimin brauchte nicht lange im Bad. Offensichtlich konnte er gar nicht schnell genug aus der Wohnung kommen. Ich versuchte, mich davon nicht runterziehen zu lassen. Schließlich flippte Jimin auch sonst meist aus, wenn irgendwas Wichtiges anstand.
Die Wohnungstür schlug zu, kurz danach hörte man Taehyung vom Parkplatz fahren. Wieder mal erschien mir die Wohnung gleichzeitig zu voll und zu leer. Ich hasste es, ohne Jimin hier zu sein, und fragte mich, was ich mit mir angefangen hatte, bevor wir uns kannten.
Da fiel mir eine kleine Plastiktüte ein, die ich vor ein paar Tagen in der Drogerie abgeholt hatte. Ich hatte ein paar Schnappschüsse von Jimin und mir abziehen lassen.
Jetzt war auf den weißen Wänden endlich ein bisschen Farbe. Gerade als ich das letzte Foto aufgehängt hatte, klopfte Yoongi.
»Hey, Mann.«
»Was?«
»Wir haben einen Arsch voll zu tun.«
»Weiß ich.«
•••
Wir fuhren mehr oder weniger schweigend zu Brazils Wohnung. Der machte uns die Tür auf und hielt mindestens zwei Dutzend Ballons in der Hand. Die langen silbernen Schnüre daran wehten ihm ins Gesicht, und er wedelte sie weg und pustete welche von seinen Lippen.
»Ich habe mich schon gefragt, ob ihr das Ganze abgeblasen habt, Jungs. Gruver bringt die Torte und den Alk.«
Wir gingen an ihm vorbei ins vordere Zimmer. Die Wände sahen nicht viel anders aus als bei uns, aber entweder hatten sie das Apartment möbeliert gemietet oder ihre Couch von der Heilsarmee bekommen.
Brazil berichtete weiter: »Ich habe ein paar Freshmen eingeteilt, um Essen zu besorgen und Mileys geile Boxen zu holen. Eines der Mädels von Sigma Kappa hat eine Lichterorgel, die wir ausleihen können - keine Sorge, ich habe sie nicht eingeladen. Hab gesagt, das sei für eine Party nächstes Wochenende. Das sollte alles sein.«
»Gut«, sagte Yoongi. »Taehyung würde auch kotzen, wenn sie hier auftauchte und wir mit einer Horde Sororitymädels zu Gange wäre.«
Brazil grinste. »Die einzigen Mädchen werden die Freundinnen der Jungs aus der Mannschaft sein. Ich glaube, Jimin wird begeistert sein.«
Ich lächelte und sah Brazil zu, wie er die Ballons an der Decke verteilte und die langen Schnüre herabhängen ließ.
»Das glaube ich auch. Yoongs?«
»Ja?«
»Ruf Taemin erst in letzter Minute an. Dann haben wir ihn zwar eingeladen, aber wenigstens hängt er dann nicht die ganze Zeit hier herum.«
»Verstanden.«
Brazil holte hörbar Luft. »Hilfst du mir, die Möbel zusammenzurücken, Kook?«
»Klar«, antwortete ich und folgte ihm ins Nebenzimmer. Es war die Küche samt Essplatz, und entlang der Wände waren schon Stühle aufgereiht. Auf der Küchentheke standen ein Satz sauberer Shotgläser und eine ungeöffnete Flasche Patrón.
Yoongi blieb wie angewurzelt stehen und starrte den Tequila an. »Das ist aber nicht für Jimin, oder?«
Brazil grinste so, dass seine weißen Zähne den perfekten Kontrast zu seiner olivfarbenen Haut bildete. »Äh... doch. Das ist Tradition. Wenn das Footballteam ihm eine Party schmeißt, dann kriegt er Taembehandlung.«
»Du kannst ihn doch nicht so viele Shots trinken lassen«, rief Yoongi. »Jungkook. Sag du es ihm.«
Brazil hob die Hände. »Ich zwinge ihn zu gar nichts. Aber für jeden Shot kriegt er einen Zwanziger. Das ist unser Geschenk für ihn.« Sein Grinsen schwand, als er Yoongis finstere Miene bemerkte.
»Euer Geschenk ist eine Alkoholvergiftung?«
Ich nickte langsam. »Wir werden ja sehen, ob er einen Geburtstagsshot für zwanzig Mäuse will, Yoongs. Da ist doch nichts dabei.«
Wir rückten den Esstisch zur Seite und halfen dann den Freshmen, das Essen und die Boxen reinzutragen. Eine Freundin von einem der Jungs begann, Raumspray in der Wohnung zu versprühen.
»Nikki! Lass den Scheiß!«
Sie stützte eine Hand in die Hüfte. »Wenn ihr Jungs nicht so stinken würdet, müsste ich das nicht. Aber zehn verschwitzte Typen in einer Wohnung fangen ziemlich schnell an zu müffeln! Ihr wollt doch nicht, dass er hier reinkommt und es riecht wie in einer Umkleide, oder?«
»Sie hat recht«, sagte ich. »Und apropos, ich muss zurückfahren und duschen. Man sieht sich in einer halben Stunde.«
Yoongi wischte sich den Schweiß von der Stirn und nickte. Dann holte er sein Handy und die Autoschlüssel aus der Tasche.
Schnell schrieb er eine Nachricht an Taehyung. Sekunden später meldete sich sein Handy. »Supersuper. Sie sind voll im Zeitplan.«
»Ein gutes Zeichen.«
Wir beeilten uns zurück zu unserer Wohnung. Eine Viertelstunde später war ich geduscht, rasiert und umgezogen. Yoongi brauchte auch nicht viel länger, aber ich schaute trotzdem dauernd auf die Uhr.
»Komm mal runter!« Yoongi knöpfte sich sein Hemd zu. »Sie sind noch beim Shoppen.«
Von draußen war lautes Motorengeräusch zu hören, eine Autotür wurde zugeschlagen, und dann hörte man Schritte auf der Treppe.
Ich öffnete die Tür und strahlte. »Gutes Timing.«
Kai grinste und hielt mir eine mittelgroße Schachtel, mit Löchern in den Seiten und einem Deckel, hin. »Er hat gefressen, gesoffen, geschissen. Also sollte er für eine Weile durchhalten.«
»Du bist der Wahnsinn, Kai. Danke.« Ich schaute an ihm vorbei und sah meinen Vater hinterm Steuer seines Pick-up sitzen. Er winkte, und ich winkte zurück.
Kai hob den Deckel ein Stück an und grinste. »Schön brav sein, kleiner Mann. Ich bin mir sicher, wir sehen uns wieder.«
Der Welpe schlug beim Wedeln mit dem Schwanz gehen den Karton. Ich machte den Deckel wieder zu und trug ihn rein.
»Oh Mann. Warum ausgerechnet in mein Zimmer?«, jammerte Yoongi.
»Falls Kitten in mein Zimmer kommt, bevor ich soweit bin.« Ich zog mein Handy aus der Tasche und wählte Jimins Nummer. Es klingelte einmal, zweimal.
»Hallo?«
»Abendessenszeit! Wohin zum Teufel seid ihr beiden eigentlich durchgebrannt?«
»Wir haben uns ein bisschen verwöhnen lassen. Du und Yoongi, ihr konntet doch auch essen, bevor es uns gab. Also bin ich mir sicher, dass ihr das schon hinkriegen werdet.«
»Ja klar, aber wir machen uns eben Sorgen um euch.«
»Keine Sorge, uns geht's gut.«
Ich hörte an seiner Stimme, wie er lächelte.
Taehyung stand wohl unmittelbar neben Jimin. »Sag ihm, dass ich dich in null Komms nichts zurückbringe. Ich muss nur noch bei Brazil vorbei und ein paar Notizen für Yoongi abholen, dann fahren wir direkt nach Hause.«
»Hast du das gehört?«, fragte Jimin.
»Ja. Bis gleich also, Kitten.«
Ich legte auf und lief hinter Yoongi her zum Charger. Ohne genau zu wissen, warum, war ich nervös.
»Hast du den Idioten angerufen?«
Yoongi nickte und legte den Gang ein. »Als du unter der Dusche warst.«
»Kommt er?«
»Später. Er war nicht begeistert von der späten Benachrichtigung, aber als ich ihn daran erinnerte, dass wir verschieben mussten, weil er sein großes Maul nicht hatte halten können, da konnte er nicht mehr viel dagegen sagen.«
Ich lächelte. Taemin ging mir schon immer ziemlich auf den Zeiger. Ihn nicht einzuladen, das hätte Jimin missfallen, also war ich über meinen Schatten gesprungen, und Yoongi hatte ihm Bescheid gegeben.
»Besauf dich nicht und vertrimm ihn dann«, warnte Yoongi.
»Kann ich nicht versprechen. Vielleicht im Park da drüben wo Jimin es nicht sieht.« Ich zeigte auf die Grünfläche.
Wir liefen um die Ecke von Brazils Apartmenthaus, und ich klopfte. Nichts.
»Wir sind's! Macht auf.«
Die Tür ging auf, und da stand Chris Jenks mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht. Er schwankte hin und her, anscheinend schon betrunken. Er war der einzige Mensch, den ich noch weniger mochte als Taemin. Es gab keine Beweise - aber das Gerücht, Jenks habe mal bei einer Frat-Party einem Mädchen was in ihren Drink getan. Die meisten glaubten das, denn es war für ihn die einzige Möglichkeit, jemanden flachzulegen. Aber weil es ihm niemand auf den Kopf zugesagt hatte, versuchte ich zumindest, ihn im Auge zu behalten.
Ich warf Yoongi einen finsteren Blick zu, der beschwichtigend die Arme hob. Anscheinend hatte er auch nicht gewusst, dass Jenks da sein würde.
Ich schaute auf meine Uhr, und dann warteten wir im Dunkeln, mit Dutzenden Silberfäden vor dem Gesicht. Alle standen so dicht gedrängt im Wohnzimmer und warteten auf Jimin, dass die kleinste Bewegung alle ins Wanken brachte.
Es klopfte ein paarmal, und wir erstarrten. Ich hatte damit gerechnet, dass Taehyung als Erster reinkäme, aber nichts passierte. Manche flüsterten, andere machten Pscht.
Als es noch mal energisch klopfte, sprang Brazil endlich zur Tür und riss sie weit auf. Taehyung und Jimin standen davor.
»HAPPY BIRTHDAY!«, brüllten wir im Chor.
Jimin riss die Augen auf, dann lächelte er und schlug sich die Hand vor den Mund. Taehyung schob ihn herein, und alle umringten ihn.
Als ich mich zu Jimin durcharbeitete, teilte sich die Menge. Er sah phantastisch aus, in seinen hellen, engen Jeans und dem weißen T-Shirt, was er reingesteckt hatte. Ich nahm sein strahlendes Gesicht in meine Hände und presste die Lippen auf seine Stirn.
»Happy Birthday, Kitten.«
»Der ist doch erst morgen«, sagte er und lächelte uns alle an.
»Also, nachdem du es gesteckt bekommen hast, mussten wir in letzter Minute umdisponieren, um dich doch noch zu überraschen. Überrascht?«
»Sehr!«
Hoseok drängelte sich durch, um ihm zu gratulieren, und Taehyung stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Gut, dass ich dich dazu bringen konnte, mitzukommen, sonst hättest du heute Abend ganz schön mies ausgesehen!«
»Du siehst klasse aus!«, stellte ich fest und musterte ihn demonstrativ von oben bis unten. Klasse war jetzt nicht gerade der poetische Ausdruck, den ich hätte verwenden können, aber ich wollte es auch nicht übertreiben.
Brazil umarmte Jimin kumpelhaft herzlich. »Und ich hoffe, du weißt, dass Taehyungs Geschichte, von wegen, Brazil ist mir nicht geheuer, nur ein Trick war, um dich hier herzukriegen.«
Taehyung lachte. »Hat doch funktioniert, oder?«
Jimin schüttelte den Kopf. Er grinste und machte immer noch große Augen vor lauter Staunen. Dann beugte er sich zu Taehyung und flüsterte ihm irgendwas zu. Taehyung flüsterte zurück. Ich würde ihn später fragen, um was es da gegangen war.
Brazil drehte die Anlage voll auf, und alle kreischten. »Komm her, Jimin!«, rief er und ging in die Küche. Er nahm die Tequilaflasche von der Anrichte und stellte sich damit vor die aufgereihten Shotgläser. »Happy Birthday vom Footballteam, Babyboy«, meinte er lächelnd und füllte jedes Glas mit Tequila. »So feiern wir Geburtstag: Du wirst neunzehn, also bekommst du neunzehn Shots. Du kannst sie selbst trinken oder verschenken, aber je mehr du trinkst, desto mehr bekommst du von denen hier.« Er fächelte eine Handvoll Zwanziger auf.
»Oh mein Gott!«, quietschte Jimin. Seine Augen leuchteten beim Anblick von so viel Grün.
»Trink sie aus, Kitten!«, rief ich.
Jimin sah Brazil misstrauisch an. »Für jeden Shot, den ich trinke, kriege ich einen Zwanziger?«
»Ganz genau, Leichtgewicht. Und wenn ich dein Gewicht so abschätze, dann denke ich, wir werden am Ende des Abends nicht mehr als sechzig Bucks verloren haben.«
»Überleg dir das lieber noch mal, Brazil«, sagte Jimin. Er hob das erste Glas an den Mund, ließ den Rand von einem Mundwinkel in die Mitte seiner Lippen rollen, legte den Kopf in den Nacken, um es zu leeren, rollte es bis zum anderen Mundwinkel und ließ es von dort in seine andere Hand fallen.
Noch nie hatte ich etwas gesehen, das so sexy war.
»Ach du Scheiße!«, rief ich erregt.
»Das ist aber wirklich Verschwendung, Brazil«, meinte Jimin und wischte sich den Mund ab. »Du solltest eher Cuervo ausschenken, keinen Patrón.«
Das verschlagene Grinsen in Brazils Gesicht verblasste. Er schüttelte den Kopf und zuckte mit den Achseln. »Dann mal ran. Ich habe hier die Geldbörse von zwölf Footballspielern, die behaupten, du würdest keine zehn schaffen.«
Seine Augen wurden schmal. »Sagen wir, ich kriege das Doppelte, wenn ich fünfzehn schaffe, und sonst geh ich komplett leer aus.«
Ich musste grinsen, und gleichzeitig fragte ich mich, wie ich mich in Gottes Namen anständig benehmen sollte, wenn er sich weiterhin aufführte wie eine abgebrühte Nutte aus Vegas.
Das war so was von scharf.
»Boah!«, rief Yoongi. »Du darfst dich an deinem Geburtstag nicht krankenhausreif trinken, Jimin!«
»Er schafft das«, sagte Taehyung und schaute Brazil an.
»Vierzig Bucks pro Shot?«, fragte Brazil verunsichert.
»Hast du etwa Angst?«, fragte Jimin.
»Verdammt noch mal, nein! Ich gebe dir zwanzig pro Shot, und wenn du fünfzehn schaffst, verdopple ich deine Gesamtsumme.«
Er kippte das nächste Glas. »So feiern die Leute aus Kansas Geburtstag.«
Die Musik war laut, und ich tanzte mit Jimin zu jedem Stück, bei dem er tanzen wollte. Die ganze Wohnung war voll mit lächelnden Collegekids, alle mit einem Bier in der einen und einem Shotglas in der anderen Hand. Gelegentlich eilte Jimin sich an, um einen weiteren Shot zu kippen, doch danach kehrte er mit mir wieder zu der improvisierten Tanzfläche im Wohnzimmer zurück.
Die Geburtstagsmagie musste mir gewogen sein, denn gerade als Jimin schon ganz gut beschwipst war, fing ein langsamer Song an. Eines meiner Lieblingsstücke. Ich ging mit meinen Lippen ganz nah an sein Ohr, um ihm vorzusingen, und lehnte mich an den wichtigstens Stellen zurück, damit er verstand, dass der Text mir aus der Seele sprach. Das kriegt er wahrscheinlich nicht so mit, aber er hielt mich nicht davon ab, es wenigstens zu versuchen.
Ich ließ ihn hintenüber sinken, und er ließ die Arme fallen, sodas sie fast den Boden berührten. Dabei lachte er laut. Dann richteten wir uns wieder auf und schaukelten vor und zurück. Er schlang die Arme um meinen Hals und seufzte. Er roch geradezu absurd gut.
»Wenn ich schon bei den zweistelligen Shots bin, darfst du so was nicht mehr machen.« Er kicherte.
»Habe ich dir schon gesagt, wie unglaublich du heute Abend aussiehst?«
Er schüttelte den Kopf, umarmte mich und lehnte den Kopf an meiner Schulter. Ich drückte ihn an mich und vergrub das Gesicht an seinem Hals. In dieser Situation, schweigend, glücklich und die Tatsache ignorierend, dass wir eigentlich nur gute Freunde sein sollten, hätte ich nirgendwo anders sein wollen.
Da ging die Tür auf und Jimin ließ mich abrupt los. »Taemin!«, kreischte er und lief auf ihn zu, um ihn zu umarmen.
Er küsste Jimin auf den Mund, und ich wurde durch jemanden, der sich wie ein König fühlte, zu einem Beinahe-Mörder.
Taemin hob Jimins Hand, lächelte und sagte irgendwas über dieses alberne Armband.
»Hey«, meldete Taehyung sich laut in mein Ohr. Obwohl er deutlich lauter sprach als sonst, konnte niemand außer mir ihn hören.
»Hey«, antwortete ich und starrte unverwandt auf Taemin und Jimin.
»Bleib cool. Yoongi hat gesagt, Taemin kommt nur kurz vorbei. Er hat morgen Früh irgendwas vor, deshalb kann er nicht lange bleiben.«
»Ach ja?«
»Ja, also reiß dich zusammen. Hol tief Luft. Bevor du dich versiehst, wird er wieder weg sein.«
Jimin zog Taemin in die Küche, nahm sich das nächste Shotglas vor, leerte es und knallte es verkehrt herum auf die Theke, wie bei den fünf Malen davor. Brazil reichte ihm einen weiteren Zwanziger, und er tanzte zurück ins Wohnzimmer.
Ohne zu zögern, schnappte ich ihn mir, und wir tanzten mit Taehyung und Yoongi.
Plötzlich schlug Yoongi ihm auf den Po. »Eins!«
Taehyung besorgte den zweiten Klaps, und dann machten auf einmal alle mit.
Vor der Nummer neunzehn rieb ich mir die Hände und er glaubte, ich würde ordentlich zuschlagen. »Ich bin dran!«
Er rieb sich das Hinterteil. »Sei nett! Mein Hintern tut schon weh!«
Ich amüsierte mich ordentlich, während ich weit ausholte und die Hand weit über Schulterhöhe hob. Jimin schloss die Augen und blinzelte dann ängstlich. Ich bremste meine Hand knapp vor seinem Po und verpasste ihm nur einen zärtlichen Klaps.
»Neunzehn!«, brüllte ich.
Die Gäste jubelten, und Taehyung begann eine beschwipste Version von 'Happy Birthday'. An der Stelle, wo man den Namen einsetzte, sangen alle 'Kitten'. Und das machte mich schon ein wenig stolz.
Wieder erklang ein langsamer Song, aber diesmal zog Taemin ihn zum Tanzen in die Mitte des Zimmers. Er sah aus wie ein Roboter mit zwei linken Füßen, steif und unbeholfen.
Ich versuchte, nicht hinzusehen, aber bevor das Lied zu Ende war, verzogen die beiden sich auf den Flur. Mein Blick kreuzte sich mit Taehyungs. Er lächelte, zwinkerte mir zu und schüttelte den Kopf. Stumm warnte er mich auf diese Weise davor, eine Dummheit zu begehen.
Er hatte recht. Jimin war keine fünf Minuten mit Taemin alleine, bevor er ihn zur Wohnungstür begleitete.
Der unbehagliche, verlegene Ausdruck in seinem Gesicht verriet mir, dass Taemin versucht hatte, die paar Minuten besonders unvergesslich zu gestalten.
Taemin küsste ihn auf die Wange, dann schloss Jimin die Tür hinter ihm.
»Grandpa ist weg!«, brüllte ich und zog Jimin in die Mitte des Wohnzimmers. »Zeit, die Party zu starten!«
Alle brachen in Jubel aus.
»Einen Moment noch... ich hab hier einen Zeitplan einzuhalten«, meinte Jimin und ging in die Küche. Dort kippte er den nächsten Shot.
Als ich sah, wie viele Gläser noch voll waren, nahm ich mir das letzte in der Reihe und trank es aus. Jimin nahm ein weiteres, und ich tat es ihm gleich.
»Noch sieben, Jimin«, verkündete Brazil und gab ihm zwei weitere Scheine.
Die nächste Stunde verbrachten wir mit tanzen, lachen und Geplauder. Jimin lächelte permanent, und ich musste ihn die ganze Zeit über ansehen.
Manchmal meinte ich, ihn dabei zu ertappen, wie er mich musterte, und ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn wir erst wieder in meiner Wohnung wären.
Jimin ließ sich für die nächsten paar Shots Zeit, aber nachdem er den zehnten erledigt hatte, war er in mieser Verfassung. Er tanzte mit Taehyung kichernd auf der Couch, doch dann verlor er das Gleichgewicht.
Ich fing ihn gerade noch rechtzeitig auf.
»Du hast es allen gezeigt«, meinte ich. »Du hast mehr gegrunken, als wir das je bei so manchen Kerlen gesehen haben. Ich erlöse dich.«
»Den Teufel wirst du tun«, sagte er lallend. »Auf mich warten sechshundert Bucks auf dem Boden dieses Schnapsglases. Und du bist der Letzte, der mir erzählen will, dass ich für Geld keine extremen Sachen machen soll.«
»Falls du so knapp bei Kasse bist, Kitten...«
»Werde ich mich sicher nichts von dir leihen«, fauchte er.
»Ich wollte dir auch nur vorschlagen, das Armband zu verpfänden«, meinte ich lächelnd.
Er schlug mir auf den Arm, aber im selben Augenblick begann Taehyung, den Countdown bis Mitternacht runterzuzählen. Als die Zeiger der Wanduhr auf zwölf standen, brachen wir alle in Jubel aus.
Noch nie im Leben hatte ich mir so sehr gewünscht, einen Jungen zu küssen.
Taehyung und Yoongi kamen mir zuvor, indem er ihn jeweils auf eine Wange küsste. Ich hob ihn hoch und wirbelte ihn herum.
»Happy Birthday, Kitten«, sagte ich und gab mir alle Mühe, meine Lippen nicht auf seine zu pressen.
Jeder auf der Party wusste, was er mit Taemin auf dem Flur gemacht hatte. Da wäre es ziemlich mies von mir gewesen, ihn vor den anderen bloßzustellen.
Er betrachtete mich aus seinen großen grauen Augen, und ich schmolz praktisch unter seinem Blick.
»Shot!«, rief er plötzlich und taumelte in die Küche. Sein Ausruf hatte mich erschreckt und mir den Lärm und die Action rund herum wieder ins Bewusstsein gebracht.
»Du siehst total fertig aus, Jimin. Ich glaube, es ist an der Zeit, für heute Schluss zu machen«, meinte Brazil, als er an die Theke trat.
»Ich bin doch kein Drückeberger«, gab er zurück. »Ich will meine Kohle sehen.«
Ich trat neben ihn, als Brazil je einen Zwanziger unter die letzten beiden Gläser schob. Dann rief er nach seinen Teamkollegen: »Er trink das! Ich brauche noch mal fünfzehn!«
Sie stöhnten alle und verdrehten die Augen. Doch sie holten ihre Geldbörsen raus, um einen Stapel aus Zwanzigern hinter dem letzten Glas zu erreichen.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich fünfzig Mäuse bei einer Fünfzehn-Shots-Wette gegen Jimin verlieren könnte«, jammerte Chris.
»Darauf kannst du einen lassen, Jenks.« Jimin nahm in jede Hand ein Glas.
Er kippte sie beide nacheinander, dann hielt er inne.
»Kitten?«, fragte ich und machte noch einen Schritt auf ihn zu.
Er hob einen Finger, und Brazil feixte. »Das verliert er.«
»Nein, wird er nicht«, mischte sich Taehyung ein. »Tief durchatmen, Jimin.«
Er schloss die Augen, atmete tief ein und griff sich das letzte Glas von der Theke.
»Gütiger Gott, Jimin! Du wirst noch an einer Alkoholvergiftung verrecken!«, schrie Yoongi.
»Er packt das«, beruhigte Taehyung ihn.
Jimin legte den Kopf in den Nacken und ließ sich den Tequila die Kehele hinunterrinnen. Hinter uns brach die ganze Partygesellschaft in Pfeifen und Johlen aus, während Brazil ihm den Packen Scheine aushändigte.
»Danke«, sagte er stolz und stopfte sich das Geld in den Bund seiner Hose.
So was wie ihn hatte ich noch nie im Leben gesehen. »Du bist gerade unglaublich sexy«, flüsterte ich ihm ins Ohr, während wir ins Wohnzimmer gingen.
Er legte den Arm um mich, wahrscheinlich, damit der Tequila sich setzte.
»Bist du wirklich okay?«
Er wollte 'Mir geht's gut' sagen, aber die Worte kamen nicht mehr über seine Lippen.
»Du musst ihn dazu bringen, dass er kotzt, Kook. Damit etwas vom Alkohol aus seinem Körper kommt.«
»Mein Gott, Yoongs. Lass ihn in Ruhe. Ihm geht's gut«, sagte Taehyung ärgerlich
Yoongi machte ein böses Gesicht. »Ich versuche nur zu verhindern, dass etwas wirklich Schlimmes passiert.«
»Jimin? Bist du okay?«, fragte Taehyung.
Jimin gelang ein Lächeln, aber er sah aus, als würde er gleich einschlafen.
Taehyung sah Yoongi an. »Wenn das Zeug durch seinen Organismus durch ist, wird er schon wieder nüchtern. Das ist nicht sein erstes Rodeo. Also beruhige dich mal.«
»Unfassbar«, sagte Yoongi. »Jungkook?«
Ich berührte mit meiner Wange Jimins Stirn. »Kitten? Willst du auf Nummer sicher gehen und kotzen?«
»Nein«, entgegnete er. »Ich will tanzen.« Er schlang die Arme noch enger um mich.
Ich sah zu Yoongi und zuckte mit den Achseln. »Solange er bei Bewusstsein ist und sich bewegt...«
Verärgert schob Yoongi sich durch die Menge auf der Tanzfläche und verschwand aus meinem Blickfeld. Taehuyng schnalzte mit der Zunge, verdrehte die Augen und folgte ihm.
Jimin presste sich an mich. Obwohl es ein schneller Song war, tanzten wir langsam in der Raummitte, während die anderen um uns herumhüpften und die Arme schwenkten.
Blaue, violette und grüne Lichter tanzten über den Boden und die Wände. Das blaue Licht reflektierte auf Jimins Gesicht, und ich musste mich wegen den Alkohols, den ich getrunken hatte, wirklich konzentrieren, um ihn nicht einfach zu küssen.
•••
Als die Party ein paar Stunden später langsam ausklang, waren Jimin und ich immer noch auf der Tanzfläche. Er war ein bisschen nüchterner, nachdem ich ihn mit ein paar Crackern und Käse gefüttert hatte. Einmal versuchte er, mit Taehyung zu irgendeinem albernen Popsong zu tanzen, aber ansonsten befand er sich in meinen Armen und hatte die Hände in meinem Nacken verschränkte.
Der Großteil der Gäste war entweder gegangen oder irgendwo in der Wohnung eingepennt. Das Hickhack zwischen Yoongi und Taehyung wurde immer heftiger.
»Falls du mit mir fahren willst, ich gehe jetzt«, kündigte Yoongi und maschierte zur Tür.
»Ich bin noch nicht bereit zu gehen«, murmelte Jimin mit halb geschlossenen Augen.
»Ich denke, der Abend ist gelaufen. Lass uns nach Hause fahren.« Als ich einen Schritt in Richtung Tür machte, rührte Jimin sich nicht. Er starrte auf den Boden und sah ein bisschen grünlich aus.
»Du musst kotzen, oder?«
Er schaute mit seinen halb geschlossenen Augen zu mir hoch. »Es wäre jetzt an der Zeit.«
Er schwankte ein paarmal hin und her, bevor ich ihn in meinen Armen auffing.
»Jungkook Jeon, du bist irgendwie sexy, wenn du dich nicht gerade wie eine Nutte benimmst«, grinste er, wobei sich sein Mund in verschiedenen Richtungen verzog.
»Äh... danke«, antwortete ich und schob ihn so zurecht, dass ich ihn besser halten konnte.
Jimin strich mit der Handfläche über meine Wange. »Weißt du was, Mr. Jeon?«
»Was, Baby?«
Sein Gesicht wurde ernst. »In einem anderen Leben könnte ich dich lieben.«
Ich musterte ihn kurz und blickte in seine Augen. Er war zwar betrunken, aber einen Moment lang kam es mir nicht falsch vor zu glauben, dass er es wirklich so meinte.
»Ich könnte dich schon in diesem lieben.«
Er neigte den Kopf und drückte seine Lippen gegen meinen Mundwinkel. Er hatte mich küssen wollen, aber meine Lippen verfehlt. Erst wich er zurück, dann fiel sein Kopf gegen meine Schulter.
Ich blickte mich um, und alle, die noch wach waren, wirkten wie erstarrt und schockiert.
Ohne ein weiteres Wort trug ich ihn aus der Wohnung zum Charger, wo Taehyung schon mit verschränkten Armen stand.
Yoongi zeigte auf Jimin. »Sie ihn dir an! Er ist dein bester Freund, und da lässt du ihn so etwas verrückt Gefährliches machen! Du hast ihn sogar noch ermutigt!«
Taehyung zeigte auf sich selbst. »Ich kenne ihn, Yoongs! Ich habe ihn für Geld schon ganz andere Dinge tun sehen!«
Ich warf ihm einen fragenden Blick zu.
»Shots. Ich habe ihn für Geld schon mehr Shots kippen gesehen«, verbesserte er sich. »Du weißt genau, was ich meine.«
»Hör dir bloß mal zu!«, keifte Yoongi. »Du bist Jimin den weiten Weg von Kansas hierher gefolgt, damit er nicht in Schwierigkeiten kommt. Und jetzt sieh ihn dir an! Er hat gefährlich viel Alkohol im Blut und ist bewusstlos! Mit so einem Verhalten solltest du nicht einverstanden sein!«
Taehyung kniff die Augen zusammen. »Oh! Vielen Dank für die öffentliche Belehrung in puncto anständiges Verhalten am College, Mr. 18-jähriger-Frat-Boy-mit-11-Milliarden-'fester'-Freunde-auf-dem-Kerbholz!« Er benutzte die Finger, um bei 'fester' Anführungszeichen in die Luft zu malen.
Yoongi fiel die Kinnlade runter. »Steig in den Scheißwagen. Du bist ein gemeiner Säufer.«
Taehyung lachte. »Du hast mich noch nicht gemein erlebt, Muttersöhnchen!«
»Ich habe dir gesagt, lass es!«
»Am Arsch! Und das will ich dir auch nicht zweimal sagen müssen!«
»Du Bastard!«
Taehyung wurde blass. »Bring. Mich. Heim.«
»Liebend gern, wenn du die Güte hättest, in das verfickte Auto zu steigen!« Die letzen vier Worte brüllte Yoongi. Sein Gesicht war rot, und die Adern an seinem Hals traten hervor.
Taehyung öffnete die Tür und stieg auf den Rücksitz. Ich half ihm, Jimin neben sich zu betten. Dann ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen.
Die Heimfahrt war kurz, und alle schwiegen. Nachdem Yoongi geparkt und den Motor abgestellt hatte, klettere ich rasch aus dem Wagen und klappte meine Rückenlehne vor.
Jimins Kopf lehnte an Taehyungs Schulter. Die Stirnfransen waren ihm vor das Gesicht gefallen. Ich zog Jimin heraus und legte ihn mir über die Schulter. Taehyung kam schnell hinterher, ging direkt zu seinem Wagen und holte die Schlüssel aus seiner Hosentasche.
»Tae«, sagte Yoongi, und an der brüchigen Stimme konnte man bereits sein Bedauern hören.
Taehyung stieg ein, knallte Yoongi die Tür vor der Nase zu und setzte zurück.
Ich hatte Jimins Po über der Schulter, seine Arme hingen an meinem Rücken herab.
»Er wird doch wegen Jimin zurückkommen, oder?«, fragte Yoongi mich mit verzweifelter Miene.
Jimin stöhnte, dann krampfte sein Körper sich zusammen.
Dieses schreckliche Stöhnen und Würgen, das immer zum Erbrechen gehörte, war zu hören, danach ein platschendes Geräusch. Die Rückseite meiner Beine fühlte sich nass an.
»Sag mir, dass er das nicht getan hat«, sagte ich erstarrt.
Yoongi beugte sich kurz hinter mich und richtete sich wieder auf. »Er hat.«
Ich sprang, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf und trieb Yoongi an, der noch nach dem Wohnungsschlüssel suchte. Endlich schloss er auf, und ich raste ins Badezimmer.
Jimin beugte sich über die Toilette und leerte literweise seinen Magen. Seine Haarsträhnen klebten ihm im Gesicht.
Jimin krampfte sich wieder zusammen. Ich befeuchtete einen Waschlappen aus dem Wäscheschrank im Flur und presste ihn gegen seine Stirn. Er lehnte sich an die Badewanne und stöhnte. Sanft wischte ich ihm mit dem nassen Lappen übers Gesicht und versuchte dann, ganz still zu halten, als er seinen Kopf an meine Schulter lehnte.
»Kommst du klar?«, fragte ich.
Er runzelte die Stirn und würgte, wobei er die Lippen gerade so lange geschlossen hielt, bis sein Kopf sich wieder über der Kloschüssel befand. Er würgte wieder, und noch mehr Flüssigkeit platschte in die Schüssel.
Jimin war so zierlich, dass mir die Menge Flüssigkeit, die er erbrach, abnorm vorkam. Langsam machte ich mir regelrecht Sorgen.
Ich krabbelte aus dem Bad und kam mit zwei Handtüchern, einem Laken, drei Decken und vier Kissen zurück. Jimin stöhnte zitternd über der Toilette. Ich machte aus dem Bettzeug eine Art Lager und wartete. Wahrscheinlich würden wir den Rest der Nacht in diesem Winkel des Badezimmers verbringen.
Yoogni tauchte im Türrahmen auf. »Soll ich... jemand rufen?«
»Noch nicht. Ich werde auf ihn aufpassen.«
»Mir geht's gut«, sagte Jimin. »Davon kriege ich doch keine Alkoholvergiftung.«
Yoongi sah besorgt drein. »Das ist so was von bescheuert. Und nichts anderes.«
»Hey, kümmer du dich um, äh... sein äh...«
»Geschenk?«, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Genau.«
»Hab ich schon«, sagte er, sichtlich genervt.
»Danke, Mann.«
Jimin ließ sich gegen die Badewanne fallen, und ich wischte ihm erneut das Gesicht ab. Yoongi machte einen frischen Waschlappen nass und warf ihn mir zu.
»Danke.«
»Schrei, wenn du mich brauchst«, meinte er. »Ich werde sowieso wach im Bett liegen und versuchen, mir was einfallen zu lassen, damit Tae mir verzeiht.«
Ich entspannte mich, so gut es mit dem Rücken an die Badewanne gelehnt ging, und zog Jimin in meine Arme. Er seufzte und schmiegte sich an mich. Obwohl er von oben bis unten vollgekotzz war, gab es keinen Ort, an dem ich jetzt lieber gewesen wäre als so nah bei ihm. In meinem Kopf hallten seine Worte auf der Party wieder.
In einem anderen Leben könnte ich dich lieben.
Jimin lag wach und elend in meinen Armen und war darauf angewiesen, dass ich mich um ihn kümmerte. In diesem Moment erkannte ich, dass meine Gefühle für ihn viel stärker waren, als ich gedacht hatte. Irgendwann zwischen dem Moment, als wir uns kennengelernt hatten, und jetzt, wo ich ihn auf dem Badezimmerboden im Arm hielt, musste ich mich in ihn verliebt haben.
Jimin seufzte und legte dann seinen Kopf in meinen Schoß. Ich deckte ihn noch gewissenhaft zu, dann erlaubte ich auch mir einzudösen.
»Kook?«, flüsterte er.
»Jaa?«
Er antwortete nicht. Sein Atem wurde gleichmäßiger, und sein Kopf auf meinen Beinen wurde noch ein bisschen schwerer. Das kalte Porzellan an meinem Rücken und die harten Fließen unter meinem Hintern waren brutal, aber ich wagte nicht, mich zu rühren. Er hatte es bequem und würde so liegen bleiben. Nachdem ich ihm zwanzig Minuten lang beim Atmen zugesehen hatte, wurden meine schmerzenden Körperteile taub und die Augen fielen mir zu.
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