~12~

         ~Sonntag~

Die ganze Woche hatten Nishinoya und ich geschrieben um uns für den Tag vorzubereiten. In der Schule hingehen haben wir uns stattdessen die ganze Zeit kaum angesehen, irgendwie merkwürdig.
Tooru dagegen hatte mich bestimmt jeden Abend seit ich bei ihm zu Besuch kurz angerufen um sicher zu gehen, dass mit mir alles in Ordnung war.

Grade ging ich zum Bahnhof, an dem ich mich mit Nishinoya treffen wollte. Der Himmel war strahlend blau. Nicht eine Wolke zeichnete sich an ihm. Meine blonden Haare hatte ich wie immer offen, dennoch hatte ich sie etwas mit Haarspray fixiert, damit sie den ganzen Tag über gut aussehen würden.
Sonst trug ich nur ein hellblaues, knielanges Kleid. Erst wollte ich etwas anderes tragen, doch Yuna mit der ich während ich mich fertig machte einen Videoanruf führte, hatte mich überzeugt.
Über meiner Schulter hing eine kleine Schwarze Tasche in der sich nur mein Handy und mein Geldbeutel befand.

Als ich auf den Bahnsteig trat, konnte ich den Jungen schon von weitem sehen. Er saß auf einer der Bänke, hatte die Augen geschlossen und schien dabei zu entspannen. Auch wenn er nicht in der Schule war, trug er auch heute ein weißes Tshirt mit einer schwarzen Jacke. Es war sein Style, zwar etwas schlicht, aber dennoch fand ich, dass es sehr gut zu ihm passte.

Ich ging auf ihn zu. Direkt neben ihm blieb ich stehen, doch er regierte nicht.

*Er scheint mich wohl nicht zu bemerken.*

„Hallo", begrüßte ich ihn und setzte ein leichtes Lächeln auf.
Der Junge schlug seine Augen auf. Sein warmes braun kam zum Vorschein. Als er mich sah, schien es fast so als hätte es ihm die Sprache verschlagen. Stumm blickte er mich mit leicht offenem Mund und großen Augen an.

„Nishonoya? Alles in Ordnung?", legte ich fragend den Kopf schief, während ich zu ihm runter schaute.

„Was? Äh ja...ja, alles bestens", stammelte er verlegen, was mich leise kichern ließ. Obwohl er sich leicht wegdrehte, konnte ich deutlich den leichten Rotschimmer erkennen der sich um seine Nase schlich.

*Der hat sich bestimmt noch nie allein mit einem Mädchen getroffen, irgendwie ist er schon süß*, dachte ich mir und fand es mal eine sehr willkommene Abwechslung, da ich sonst immer mit Tooru unterwegs war, dem die Frauen sonst immer kreischend hinterher liefen. Vorallem ich bekam neben ihm immer sehr böse Blicke ab, da sie Angst hatten ich würde ihn ihnen wegnehmen.

Als unser Zug kam, stiegen wir ein. Wir mussten fast eine Stunde fahren und in der redeten wir fast gar nicht miteinander.
Innerlich seufzend hatte ich mich irgendwann zum Fenster gedreht und sah die Landschaft draußen an.
*Wer hätte gedacht, dass der größte Schreihals des Volleyballteams in der Nähe eines Mädchens so ruhig sein könnte*, dachte ich während ich immer wieder zu meinem Gegenüber sah. Der allerdings bemerkte nichts, da er ebenso wie ich aus dem Fenster schaute.

*Ob er die Landschaft wohl auch so schön findet oder macht er es um mich nicht anschauen zu müssen?*

Als wir nach einer Stunde am Freizeitpark angekommen waren, redeten wir immer noch nicht mehr als das nötigste miteinander. An der Kasse bezahlten wir unseren Eintritt und betraten den Park.

„Wo wollen wir als erstes hin?", fragte ich den braunhaarigen Jungen.

Er lächelte leicht.
„Ich lad dich ein, also überlass ich auch dir wo wir hingehen."

*Wird Zeit ihn zu testen.*

Ich schlug den Plan auf und zeigte auf die mit Abstand schlimmste Achterbahn des ganzen Parks. Es war eine Bahn die mehr kopfüber fuhr als normal und 6 Loopings hatte.

„Da will ich hin."

Ich hatte gehofft, dass er versuchte es mir auszureden, doch zu meinem bedauern grinste er, nahm mich am Handgelenk und zog mich mit sich.

*Was?! Als ob er sowas mag! Scheiße!*, fluchte ich innerlich als ich hinter Nishinoya herlief. Ich hatte selber unglaubliche Angst vor Achterbahnen die sich überschlugen. Nervös stand ich ein paar Minuten später neben Nishinoya in der Schlange, die nicht gerade kurz war.
*Wahrscheinlich fährt auch kein halbwegs normaler Mensch mit so einem Ding.*

Nishinoya der neben mir stand kam dafür aus dem Grinsen gar nicht mehr raus.
*Der is doch völlig geistesgestört, wie kann man sich auf sowas nur so freuen?!*
Nur schwer gelang es mir meine Angst zu unterdrücken.

Als wir dran waren, setzten wir uns auf einen der Sitze.

*Nicht heulen Lea, bloß nicht heulen!*

Die Bügel schlossen sich. Schnell machte ich die Augen zu, um so wenig wie möglich mitzubekommen. Ruckartig wurde ich von rechts nach links und von links nach rechts in den Sitz gedrückt. Jedes Mal wenn es überkopf ging hatte ich das Gefühl mich zu übergeben.

Mit wackeligen Knien stieg ich aus.
*Das mach ich nie wieder...*

„Woah war das cool, wollen wir nochmal fahren?", grinste mich der hyperaktive Zwerg an, der seit wir hier waren plötzlich jede Scheu vor mir verloren zu haben schien.

„Lass uns lieber was anderes fahren, zweimal hintereinander das gleiche ist doch langweilig", versuchte ich schnell einen Ausweg zu suchen ohne als kompletter Schisser dazustehen.

„Hast recht, was sagst du dazu?".
Er deutete auf das Fahrgeschäft daneben. Es bestand aus zwei Käfigen, die gegenüber von einander angebracht waren. Einer von ihnen war immer oben, einer unten und das wechselte in rasender Geschwindigkeit.

*Der Typ will mich echt umbringen!*

„Äh...ja."

Bevor ich überhaupt fertig sprechen konnte, hatte der Junge mich schon an der Hand mit sich gezogen. Und schneller als ich es ihm irgendwie ausreden konnte, befand ich mich schon im inneren des Käfigs. Am liebsten wäre ich schreiend wieder raus gesprungen, doch der Bügel hielt mich zurück.

Nishinoya dagegen grinste als wäre er der glücklichste Mensch auf Erden.

Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, wurde das Fahrgestell nach oben gerissen. Wieder machte ich die Augen zu. Ich hoffte dass es schnell vorbei war und ich möglichst wenig mitbekam.

Als der Käfig wieder stand öffnete ich die Augen, in der Hoffnung endlich aussteigen zu können, doch hätte ich gewusst wie es wirklich ausaah, hätte ich sie lieber geschlossen gehalten.
Unter mir war nichts. Der Erdboden war bestimmt 40 bis 50 Meter von uns entfernt.

„Ist das nicht schön hier oben", ertönte neben mir eine fröhliche Stimme.

„Ja, ganz toll", murmelte ich. *Wenn ich doch nur keine Höhenangst hätte.*

„Sag mal ist wirklich alles ok?". Ich sah im Augenwinkel wie der Junge besorgt zu mir rüber blickte.

„Ja, ich hab nur ein wenig Höhenangst, aber halb so schlimm", zwang ich mich zu einem Lächeln, auch wenn mir grad eher zum heulen zu mute wäre.

Aufmunternd lächelte er mich an. Sanft legte er seine warme Hand auf meine und obwohl er kleiner war als ich, verdeckte seine Hand meine komplett.

„Ich hab mal gehört, wenn man Angst hat, hilft es die Hand einer anderen Person zu halten".

Es war fast als hätte er recht. Meine Angst war für einen Moment verschwunden, dafür breitete sich ein anderes Gefühl in mir aus. Etwas vollkommen neues. Ein kribbeln, das sich von meiner linken Hand bis in meinen Bauch zog.

*Was ist denn jetzt los?*

Ohne drüber nachzudenken löste ich meine Hand von dem schweren Gurt, der mich in den Sitz drückte. Ich ließ sie vollkommen mit der von Nishinoya verschmelzen.

Nishinoya POV:

Mein Herz klopfte wie wild als sie ihr kleine, zärtliche Hand in meine legte. Es fühlte sich an als würde sie mir gerade ihr ganzes Vertrauen schenken. Am liebsten hätte ich die Blonde zu mir gezogen und sie nie mehr los gelassen.

Im nächsten Moment setzte sich das Fahrgeschäft wieder in Bewegung.
Lea schrie erschrocken auf. Panisch klammerte sie sich fest in meinen rechten Arm. Ihr Griff war so fest, dass ich das Gefühl hatte ich würde sofort das bluten anfangen an diesen Stellen, doch gleichzeitig kribbelte jede Berührung.
Ich lehnte mich mit Absicht noch etwas mehr zu ihr rüber um ihr näher zu sein. Auch wenn ich wusste, dass Lea neben mir grade Todesangst hatte, waren ihre Berührungen für mich das schönste Gefühl seit langem.

*Am liebsten würde ich, dass es für immer so bleibt.*

POV Lea:

Erst als wir ausstiegen, ließ ich Nishinoya's arm los, den ich wohl ziemlich gequetscht hatte, auf seiner Haut zierten zumindest deutliche rote Abdrücke.

„Tut mir leid", murmelte ich, doch wie so oft grinste er. „Ach ist doch nicht schlimm, das geht gleich wieder weg. Gehts dir denn wieder besser?"

„Ja, danke."

„Ich hab genau das richtige für jetzt."
Er zog mich mit sich. Ahnungslos lief ich mit und betete, dass er mich nicht gleich in die nächste Höllenfahrt schliff.

Nach dem ich dem Kleineren ewig nachgelaufen war, blieb er vor einem Slushy stand stehen.

„Such dir eins aus, Ich lad dich ein."

„Danke", lächelte ich und entschied mich für einen blauen. Mein Begleiter nahm einen mit Cola. Nebeneinander setzten wir uns auf eine der vielen Bänke und schlürften an unserem Getränk.

„Sag mal, wie kam es eigentlich, dass du in den Basketballclub gegangen bist und nicht in den Volleyballclub, nachdem du so gut bist". Seine Frage klang ehrlich interessiert, weshalb ich auch beschloss sie ihm ehrlich zu beantworten.

„Nur weil man in etwas gut ist, heißt es nicht automatisch, dass man es mag und ich mochte Volleyball noch nie gerne, es hatte mir zwar Spaß gemacht ab und zu mit Tooru und Iwaizumi zu spielen, aber das war's dann auch schon wieder. Basketball spiel ich wahrscheinlich nur wegen meiner Größe und weil Yuna mich überzeugt hat beizutreten."

„Verstehe, dann spielst du Basketball also auch nicht so gerne."

„Doch, aber es gibt bestimmt noch etwas was ich lieber mag, bloß was weiß ich selber nicht. Jetzt erzähl mal lieber wie du zum Volleyball gekommen bist."

Lächelnd schloss er die Augen.
„Volleyball war schon seit ich denken kann mein Lieblingssport. Vorallem die Position des Libero mochte ich immer sehr, nicht nur weil ich sie selbst mit meiner Größe gut spielen kann, sondern weil es das beste Gefühl ist einen Ball zu kriegen, bei dem niemand mehr gedacht hätte, das da noch jemand rankommen würde."

Während er so erzählte, ertappte ich mich, wie ich begann zu lächeln. Noch nie hatte ich den Jungen so aus seinem Herzen sprechen gehört.

*Volleyball bedeutet ihm wohl wirklich alles.*

Wenn ich so nachdachte, hatte ich es schon immer auf dem Spielfeld gesehen, er gab immer sein bestes und dachte nicht daran aufzugeben. Dennoch nahm er sich Fehler die während eines Spieles passierten sehr zu Herzen und trainierte so eifrig um besser zu werden, dass er fast schon eine Motivation für einen selber war ihm zuzuschauen.

„Ich bewundere dich wirklich."

Sofort lief er leicht rot an. Ich dagegen stockte.

*Scheiße, hab ich das wirklich laut gesagt?!*

„Ich meine auf Volleyball und deinen Ehrgeiz bezogen."

„Da...Dankeschön", antwortete er verlegen, dennoch konnte ich das leichte Lächeln, das sich auf seine Lippen zierte kaum übersehen.

Ein Tropfen traf auf meine Hand. Noch einer und noch einer. Ich sah hoch in den Himmel. Ohne dass einer von uns es bemerkt hatte, hatte sich der Himmel über uns plötzlich zu gezogen. Auch Nishinoya hatte es mitbekommen und streckte seine Handfläche aus, während er in den Himmel schaute.

„Wir sollten uns einen Unterstand suchen", sagte er. Ich nickte und lief neben ihm her. Innerhalb von Sekunden wurden die kleinen Tröpfchen riesige Wassertropfen, die auf uns niederprasselten.

„Schnell, lass uns unter den Baum stellen", rief er mir durch den lauten Regen zu. Der Braunhaarige packte mich an der Hand und zog mich mit sich. Schnaufend kamen wir unter der Buche an.

„Was ein Mistwetter", brummte der Junge, während er hektisch seinen Kopf hin und her schüttelte als wäre er ein Hund.

Zitternd rieb ich mir über die Arme und nickte.

„Hier, nimm die", er hatte seine schwarze Jacke ausgezogen und hielt sie mir hin.
„Nein, das kann ich nicht annehmen, sonst frierst du."

Er lächelte mir zu.

„Das ist schon ok, jetzt nimm schon."

Erst jetzt fiel mir auf, dass seine sonst so perfekt Stehenden Haare platt auf seinen Kopf geklatscht waren vom Regen.

*Jetzt ist er bestimmt nochmal 5 cm kleiner*, grinste ich in Gedanken, ließ mir aber nichts anmerken.

Ich nahm das Kleidungsstück das er mir immer noch hinhielt an mich und zog die Jacke über mein Kleid. Zwar half sie etwas doch das Zittern verschwand nicht.

„Vielleicht wird es so gleich besser". Nishinoya kam auf mich zu. Sanft zog er mich in eine leichte Umarmung. Sofort breitete sich eine Wärme in meinem ganzen Körper aus. Mein Herz begann schneller zu schlagen, während mein Magen flau wurde.

„Ist dir schon wärmer?"

„Ja, sehr. Danke."

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