.ೃ࿐ Juni 🌞🌞🌞


Das war eine Katastrophe. Ich steckte mitten im schlimmsten Prüfungsstress und in meinem Kopf herrschte Ausnahmezustand. Aber nicht wegen der Uni, sondern wegen allem anderen.

Wie zur Hölle sollte ich auch nur eine vernünftige Arbeit abgeben, wenn sich alles, woran ich denken konnte, um Beomgyu drehte? Klar, das Video war scheiße, jedoch war es ganz offenbar nichts, womit sie mich ebenfalls hineinziehen wollten. Also ging es nur darum, ihn fertigzumachen. Beomgyu noch mehr unter Druck zu setzen, noch weiter zu isolieren.

Und er tat genau, was sie wollten.

Okay, nein, das war unfair, schließlich hatte ich keine Ahnung, was geschehen würde, wenn er es nicht täte. Womöglich würden sie sich dann noch schlimmere Grausamkeiten einfallen lassen. Andererseits – einfach so kampflos aufgeben? Und wenn wir beide gemeinsam es meldeten? Nicht, dass ich ihm den Vorschlag nicht schon gemacht hätte, aber er ignorierte nach wie vor alle Nachrichten von mir. So wie er mir in der Uni auch weiterhin auswich. Jetzt nicht einmal mehr unauffällig, sondern ganz direkt. Mitunter drehte er sogar im Flur um und nahm einen anderen Weg, wenn ich ihm entgegenkam. Am Spind traf ich ihn auch nicht mehr, offenbar hatte er meine Zeiten sehr gut im Kopf.

Bevor ich also endgültig durchdrehen würde, war ich gewillt, wenigstens noch einmal das Gespräch zu suchen. Wir konnten uns doch auch nicht für immer ausweichen. Außerdem würde ich jede verdammte scheiß Prüfung verhauen, wenn ich das auf diese Weise noch länger mit mir herumschleppte.

Mit diesen Gedanken im Kopf, lief ich also den ganzen Tag durch das Gebäude, immer auf den Moment gefasst, wo er auftauchte. Dann würde ich ihn mir schnappen und dann würde er mit mir reden müssen, ob er wollte oder nicht. Kein schöner Plan, aber ein Plan.

Leider ging er nicht auf. Denn als ich ihn an diesem Tag endlich entdeckte, war es wieder einmal einem Auflauf geschuldet, der sich so plötzlich zusammenrottete wie ein Flashmob. Nicht mal den Anfang hatte ich mitbekommen, sah nur, wie sich die Menschentraube auf den Treppen unter- und oberhalb des Plateaus bildete und da ich von oben kam, konnte ich auch sofort sehen, wer im Mittelpunkt stand.

Beomgyu natürlich und mit ihm, wieder einmal Sangwoo. Es gab lautstarkes Geschrei, Beleidigungen flogen hin und her und wann immer Sangwoo ihn packen wollte, wich Beomgyu aus, stieß ihn weg, schlug nach ihm, trat sogar nach ihm. Wehrhaft war er allemal.

Ich zwängte mich durch die Menschenmenge, durch die Schaulustigen, die schon wieder mit gezückten Handys lauerten, um nur ja nichts zu verpassen, da wurde die Rangelei wilder. Sie prallten zweimal gegen das Geländer, sodass sich der scheppernde Ton in alle Richtungen fortsetzte. Einige Studenten sprangen ängstlich zur Seite, wahrscheinlich, um nicht aus Versehen in die Schlägerei zu geraten, und das war vermutlich auch das Verhängnisvolle an der ganzen Situation.

Wieder wand sich Beomgyu in Sangwoos Griff, drehte sich dabei fast komplett herum und kam damit auch frei. Doch sein Angreifer setzte sofort nach und weil er ihn nicht ordentlich zu packen bekam, gab er ihm einen Tritt. Wahrscheinlich, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und zu Boden zu befördern. Allerdings stand Beomgyu da bereits haarscharf an der Treppenkante. Es war etwas, das sich anfühlte, als würde man es in Zeitlupe beobachten oder bereits Sekunden vorher wissen, was als nächstes geschieht.

Der erschrockene Ausdruck auf Beomgyus Gesicht. Das hilflose Rudern seiner Arme. Das panische Rufen in der Menge. Und dann kippte er einfach hintenüber und war – weg.

Nein, natürlich war er nicht weg, aber es wirkte so. Da war niemand, der seinen Fall bremste, niemand, der in den Weg trat. Es schien eher, als würden sie zurückweichen, während Beomgyu mit einem Aufschrei die Treppe hinabstürzte.

Einige Mädchen kreischten erschrocken, Sangwoo stand für Sekunden stocksteif, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und nach oben davonjagte. Zu weit von mir entfernt, als dass ich ihn hätte packen können. Außerdem wollte ich in die andere Richtung, denn ganz gleich, was passiert war, jeder hatte schließlich gesehen, dass es Sangwoo gewesen war.

Ich zwängte mich rabiat durch die Leute, die zurückgeblieben waren, unschlüssig, ob es noch was zu sehen gab oder es besser wäre zu verschwinden. Bis ich am Treppenabsatz ankam, sah ich zum Glück, dass Beomgyu aufrecht saß und war einigermaßen erleichtert. Aber er hatte den linken Arm an seine Brust gepresst und sein Gesicht war totenbleich.

„Beomgyu!" Er reagierte gar nicht richtig auf mich, sah nicht mal hoch, sondern zog nur die Beine weiter an den Körper.

„Hast du ...?" Ich ging vor ihm in die Hocke. „Bist du verletzt? Wo? Kannst du ... Kannst du aufstehen? Kannst du laufen?"

Er nickte schwach, wimmerte leise, schüttelte dann den Kopf.

„Mein Arm ...", war alles, was zu verstehen war.

Verdammte Scheiße! Ich schnappte mir seinen Rucksack, der zwei Stufen über ihm liegengeblieben war, trat an seine rechte Seite und fasste seinen Arm.

„Okay, komm. Soll ich dir helfen? Denkst du es-"

„Nicht anfassen!", jammerte er, versuchte gleichzeitig allein aufzustehen, schaffte es aber doch nicht ganz ohne Unterstützung. Als er stand, zog ich meine Hand zurück, blieb aber dicht neben ihm, weil er immer noch weiß wie die Wand war und leicht schwankte. Zumindest blutete er nicht, das war doch gut, oder nicht?

„Wir gehen ins Sekretariat, komm", murmelte ich, legte eine Hand in seinen Rücken und spürte, wie er sich sofort versteifte. „Beomgyu ..."

„Nicht anfassen", hauchte er wieder, wimmerte aber gleich darauf leise.

„Schon gut, ich fass dich nicht an. Ich ... gehe nur mit, okay? Ich denke, du musst ins Krankenhaus. Und ..."

Mit einem kümmerlichen Stöhnen sank Beomgyu gegen die Wand und lehnte den Kopf an das Mauerwerk.

„Beomgyu ..."

„Ich glaube mein Arm ist gebrochen", flüsterte er mit geschlossenen Augen, blinzelte nun und sah mich an. Schwach nickte ich.

„Darf ich dir helfen?"

Dieses Mal nickte er.

„Darf ich dich auch anfassen?" Auf ein weiteres, stummes Nicken, raunte ich schlicht „okay", legte dann behutsam einen Arm um seine Mitte und half ihm die restliche Treppe hinab. Ob von den Gaffern jetzt wieder jemand das Handy gezückt hatte und womöglich filmte, war mir scheißegal.

Zusammen erreichten wir das Sekretariat. ich übergab Beomgyu in die sorgsamen Hände einer der Angestellten, die sofort aufgesprungen war und zu uns kam. Ein Krankenwagen wurde gerufen und man zitierte mich herein, um zu erfahren, was passiert war. Von Beomgyu fing ich dafür nur einen panischen Blick auf. Ich nickte ihm kaum sichtbar zu, mir war ja klar, dass er nicht wollte, dass ich erzählte, was wirklich geschehen war. Entsprechend beschränkte ich meine Angaben dazu, wie ich ihn gefunden hatte und blieb dabei, dass ich nicht gesehen hätte, was davor passiert wäre.

Bis sie mich entließen, war Beomgyu längst weg.

Zuhause haderte ich mit mir, ob ich einfach gegen Abend bei ihm zuhause vorbeisehen sollte. Aber die jüngsten Erfahrungen hielten mich davon ab. Immerhin hatte er mich mehr oder weniger hinausgeworfen und solange wir das nicht geklärt hatten, wollte ich kein Öl ins Feuer gießen.

Also traf ich Beomgyu erst wieder am nächsten Tag in der Uni, sah ihn zunächst nur von Weitem, wie er durch die Flure huschte, offenbar mit einem Gipsarm. Es dauerte bis zum Nachmittag, bis ich ihn tatsächlich in einem verwaisten Hörsaal erwischte, wo er sich einarmig damit abmühte, sein Zeug zu verstauen, während alle anderen wohl schon gegangen waren.

„Hey." Ich blieb gleich hinter der halbgeöffneten Tür stehen und als Beomgyu aufsah, nickte ich ihm zu.

„Alles klar soweit?" Ich wies auf seinen Arm. „Kann ich dir vielleicht helfen."

„Nein." Beomgyu wiegelte ab. „Ist zum Glück nur der Linke. Macht mich langsamer, aber sonst geht's." Er seufzte, hielt beim Einpacken inne und sah auf. „Und danke, dass du nichts gesagt hast."

„Klar." Langsam kam ich ein Stück näher. „Und ... wie geht's dir? Ich weiß, das ist eine blöde Frage, aber ..."

Zum ersten Mal lächelte er jetzt schwach. „Ist okay, wirklich. Der Arzt meinte es wäre gebrochen, aber nichts kompliziertes. Wird schon wieder."

Still nickte ich dazu, weil ich gar nicht wusste, was ich sagen sollte, verfolgte dabei, wie er weiter seine Sachen einpackte und griff dann überrascht nach seinem eingegipsten Arm.

Das ... „Entschuldige ...", murmelte ich, weil er sofort zusammenzuckte, schob aber zeitgleich den Ärmel ein Stück höher. Das konnte doch nicht wahr sein. „Sie haben dich schon wieder erwischt?"

Dumme Frage. Loser prangte in großen schwarzen Lettern auf seinem Gips.

„Herrgott nochmal, Beomgyu! Wie lange willst du das noch hinnehmen? Weiter stillhalten, nichts sagen."

Er riss sich los. „Das Semester ist so gut wie rum. Noch ein paar Tage, dann ist die Hälfte dieser Idioten verschwunden. Ich will einen Neuanfang, verstehst du? Und für nächstes Jahr kann ich das erreichen, aber nicht mit einem Ruf als weinerlicher Schwächling, der ständig petzt."

„Das verstehe ich", hielt ich dagegen, „aber-"

„Lass es gut sein, Yeonjun", fiel mir Beomgyu ins Wort. „Warum mischst du dich ständig ein?"

„Weil ..."

Es reichte. Genug mit Stillhalten, Warten, Angst haben.

„Hast du es immer noch nicht kapiert?", raunte ich dumpf. Einen Moment lang sah ich ihn an, griff mir schließlich ohne ein weiteres Wort das Stiftemäppchen, das immer noch da lag, kramte einen roten Marker heraus und packte seinen Gipsarm. Unter Beomgyus empörten Schnauben malte ich fettes, rotes V über das S und betrachtete kurz mein Werk.

Lover. In mir tobten so viele unterschiedliche Gefühle, dass ich es einfach nicht länger ertragen konnte. Dieses Chaos musste endlich ein Ende haben. Schweigend legte ich den Stift weg, sah auf und traf seinen ungläubigen Blick.

Ich sah auch noch, wie er ansetzte, etwas zu sagen, also umfasste ich nun sein Gesicht, beugte mich zu ihm und presste meinen Mund auf seinen. Kein Wort.

Mein Herz stand still.

Und wummerte bereits im nächsten Moment wie verrückt weiter. So schlimm, dass mir ganz schwindlig wurde, noch mehr, als ich spürte, wie sich Beomgyus Lippen unter dem Druck öffneten. Mein Gott. Das Blut rauschte in meinen Ohren.

Ich bemerkte auch, wie sich seine Finger in meine Seite gruben, schob meine Zungenspitze an seinen Zähnen vorbei und hörte ihn zeitgleich leise seufzen. Das war Aufforderung genug für mich. Behutsam küsste ich ihn, nicht wild oder gierig, sondern sanft und fast zurückhaltend. Doch als ich mich von ihm löste, war ich dennoch atemlos.

Beomgyu sagte immer noch nichts, starrte mich nur an, mit riesigen dunklen Augen, die Wangen gerötet.

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