.ೃ࿐ Januar ❄️❄️
Pünktlich stand ich am Samstag vor Beomgyus Türe und dieses Mal kam er auch sofort herausgehuscht. Er wirkte gut gelaunt, fast aufgedreht und natürlich wollte er mir immer noch nicht sagen, wohin wir eigentlich gingen. Dafür lotste er mich dann kreuz und quer durch die Stadt, bis wir vor einer kleinen Bar standen.
„Ah, wir wollen uns sinnlos betrinken und uns möglichst vor allen blamieren?", mutmaßte ich stichelnd.
Beomgyu zuckte die Schultern, seine Augenbrauen hoben sich und er betrachtete mich mit funkelndem Blick. „So was ähnliches", sagte er dann, steuerte nun nicht die Bar an, sondern bog dahinter in die Seitenstraße ein, wo wir durch eine unscheinbare Tür in das Innere des Gebäudes schlüpften.
„Wird das irgendwas Illegales?", fragte ich misstrauisch.
Vor mir kicherte Beomgyu. „Hast du etwa Angst?"
„Ich würde es nicht direkt Angst nennen", sagte ich. „Aber wenn du-"
Mittendrin brach ich ab, denn es ging durch eine weitere Tür und wir standen in einem schwach beleuchteten Theatersaal, ähnlich einem kleinen Kinos. Der Vorhang der Bühne war geöffnet, ein paar Leute standen herum, andere saßen auf der Kante der Bühne. Durch das Klappen der Tür waren wir auch gleich entdeckt worden und eine junge Frau, die mit baumelnden Beinen auf dem Rand der Bühne hockte, winkte wild in unsere Richtung.
„Hey! Guckt mal. Cookie ist hier. Wie schön, dass du kommen konntest."
Cookie?
Beomgyu winkte ebenfalls, lief voraus, begrüßte ein paar der Leute mit einer raschen Umarmung, bevor er mich am Ärmel näher heranzog.
„Und ich habe jemanden mitgebracht. Yeonjun", stellte er mich vor und wies gleich auf die ganze Runde, die uns neugierig musterte. „Die beste Improschauspieltruppe, die du jemals sehen wirst."
Impro... Oh nein, bitte nicht! Mir wurde ganz anders.
„Improtheater?", murmelte ich unruhig.
Er sah mich an und grinste. „Nur eine Probe, mach dir keine Sorgen."
„Ich mache mir keine Sorgen. Ich ... mache sowas gar nicht."
Da drehte sich Beomgyu zu mir um. „Ach, jetzt komm schon. Sei mutig, sei offen für was neues."
Das Problem war nicht, dass ich nicht offen für neues gewesen wäre. Ich war nur grundsätzlich kein Typ, der gerne Kopf voraus in unbekanntes Gewässer sprang. Gerade aber schleppte mich Beomgyu einfach auf die Bühne, mitten hinein zwischen die wildfremden Leute, die sich alle durcheinander vorstellten, sodass ich bereits verwirrt war, als die letzte junge Frau mich anlächelte.
„Na, alle Namen gemerkt?"
„Jein."
Sie lachte und zwinkerte mir zu. „Immerhin nicht in Panik verstummt, das ist ausbaufähig. Erstes Mal, nehme ich an?"
Ich nickte, wollte gerade erklären, dass ich nicht vorhatte mitzumachen, aber da hatte sie sich schon abgewandt.
„Okay Leute", Jina – ihr Name war Jina – klatschte in die Hände. Das ist Yeonjuns erstes Mal, also zeigen wir ihm etwas. Einverstanden?"
Alle nickten, ich wurde in die erste Reihe beordert, durfte mich setzen. Neben mir fiel ein Kerl in den Sitz, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte.
„Vier Personen", rief er. Die Anwesenden sprachen sich ab und zurück blieb Beomgyu mit zwei weiteren Männern und einer Frau.
„Batman ..."
Beomgyu meldete sich kichernd.
„... und ein Bankangestellter ...", noch ein Mann trat vor.
„... unterhalten sich in der Umkleide des Schwimmbads. Batmans Badehose wurde geklaut. Zwei weitere Gäste kommen hinzu und hinterfragen seine geistige Gesundheit."
Oh mein Gott. Ich rutschte tiefer in den Sitz, hatte das Gefühl, dass der Fremdschämfaktor schon begann, bevor überhaupt ein Wort gesagt worden war, aber Beomgyu kannte offenbar diesbezüglich keine Scheu. Er kramte in einer Kiste, setzte eine Augenmaske auf, die wohl eher eine schwarze Katze darstellte, als Batman und angelte ein schwarzes Vampircape hervor. Dieses legte er sich aber nicht um die Schultern, sondern schlang es um seine Hüften. So stellte er sich mitten auf die Bühne, Haltung und Miene sprachen für unfassbare Empörung, während der zweite Mann pfeifend herbeispazierte und ihn mit „oh, guten Tag Batman, Sie hier?", begrüßte. Da allein die Katzenmaske vollkommen lächerlich war, musste ich jetzt schon lachen, auf der Bühne nahm die Szene derweil ihren Lauf.
Es war nur ein kurzer Eindruck, fünf, sicher nicht mal zehn Minuten und entgegen meiner Annahme, dass ich vor Scham lieber im Erdboden versinken wollte, vergaß ich meine Bedenken und musste mehrmals laut lachen. Sie waren wirklich gut. Nachdem Batman seine Badehose endlich wiederhatte, verneigten sich alle vier und Beomgyu nahm die Katzenmaske wieder ab. Er grinste, winkte mich heran und ich hievte mich aus dem Stuhl.
„Versuch es – einmal. Mir zuliebe", sagte er, während er mir die Hand reichte und mich auf die Bühne zog.
„Ich weiß doch gar nicht, wie das geht."
Beomgyu grinste. „Du haust einfach raus, was gerade in deinem Kopf ist. Es gibt kein falsch und richtig."
Das klang einfach, aber das war es gewiss nicht. „Ich werde so grottig sein und alles vermasseln."
„Das geht doch gar nicht", widersprach er kichernd. „Einfach nicht nachdenken. Fühlen", seine Hand legte sich auf meine Brust, „und handeln. Okay?"
„Okay." Ich nickte, aber mein Herz wummerte gerade wie verrückt.
„Gut. Also was Einfaches für euch beide. Gefühlsreplay." Jina erklärte kurz, was das bedeutet, dass ein und dieselbe Szene unter dem Aspekt verschiedener Gefühle dargestellt werden sollte und steckte dann den Kopf mit den anderen zusammen.
„Ihr fahrt von einer Party nach Hause", sagte wieder der Kerl, der wohl als Regisseur fungierte. „Gefühl?"
„Wütend", rief uns jemand zu und während Beomgyu nur nickte, jagte mein Puls noch weiter in die Höhe.
„Weißt du, das war wirklich das allerletzte!", fuhr mich Beomgyu wie aus dem Nichts an. Wir hockten auf einer Kiste, was wohl unser improvisiertes Auto war und da er beleidigt die Arme verschränkt hatte, musste ich „fahren". Fuck.
„Ich weiß überhaupt nicht, warum du jetzt so sauer bist", murmelte ich kleinlaut und kam mir dabei so unsäglich dumm vor, dass ich mich am liebsten rückwärts von der Kiste hätte fallen lassen. Aber Beomgyu machte es mir echt einfach. Er brach eine Schimpftirade vom Zaun, wurde dabei so rot im Gesicht, dass ich tatsächlich alles verpatze, weil ich so lachen musste und dann schimpfte er erst recht wie ein Rohrspatz, wie ich es wagen könnte und ob ich das wohl witzig fände.
Die anderen grölten und klatschten und auch wenn ich nicht wirklich viel zu der Szene beigetragen hatte, wurden wir beide gelobt.
„Zweites Gefühl?", fragte der Regisseur.
„Verliebt!", rief jemand.
Mir rutschte das Herz in die Hose.
Wieder „fuhr" ich, aber jetzt hatte Beomgyu den Kopf auf meine Schulter gelegt und ich hörte die anderen schon kichern, bevor überhaupt ein Wort gefallen war.
„Das war der schönste Tag meines Lebens", flüsterte er, klammerte sich dabei auch noch an meinen Arm und seufzte leise.
Mist verdammter und warum klang das gerade so gar nicht gespielt oder bildete ich mir das nur ein? Und wie – zur Hölle! – sollte ich darauf reagieren?! Den Kopf an seinen lehnen, irgendwas Schnulziges säuseln? Meine Güte, konnte sich nicht einfach das große Loch auftun, in dem ich versinken konnte? Da ich immer noch kein Wort gesagt hatte, drückte Beomgyu unauffällig meinen Arm, als stumme Aufforderung, zu reagieren. Was hatte er gesagt, einfach raushauen, ohne nachzudenken? Ich schloss für einen Moment die Augen.
„Dann lass uns das wiederholen." Meine Stimme zitterte und seltsamerweise verspürte ich nicht den geringsten Drang, in hysterisches Gelächter auszubrechen, obwohl es doch so unsäglich peinlich war. Denn da war noch etwas anderes und es wühlte sich gerade massiv durch mein Herz.
„Mit dir? Jederzeit." Er hob den Kopf, sah mich an und sein glitzernder Blick verwirrte mich derart, dass ich schon wieder kein Wort herausbrachte. Stattdessen leckte ich mir über die Lippen, mein Mund fühlte sich plötzlich so trocken an.
„Schatz, wenn du beim Fahren nicht auf die Straße guckst, wirst du uns beide umbringen", raunte Beomgyu und ich riss mit einem rauen „Shit!" den Kopf wieder herum.
Alle lachten. Mir war so unerträglich heiß.
„Oder du hältst an."
Was? Wieder ruckte mein Kopf herum und ich sah ihn an. „Jetzt?"
„Auf der Stelle", schnurrte Beomgyu, also trat ich auf die imaginäre Bremse.
Gleich darauf warf er sich mit so viel Schwung in meine Arme, dass ich ihn automatisch umklammerte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und plötzlich war er mir so nah, dass ich seinen Atem auf den Lippen spüren konnte.
Er verharrte genau so, drei Sekunden, vier, seine Hand schob sich auf meinen Hals und mein Herzschlag stolperte gerade so dahin.
Die Szene wurde von einem begeistert klatschendem Publikum abgebrochen und Beomgyu wich ein Stück zurück. Amüsiert betrachtete er mich, seine Hand ruhte immer noch auf meinem Hals.
„Du hast nicht wirklich geglaubt, dass ich das tun würde, oder?", murmelte er.
„Was?", krächzte ich. Weniger um die Frage zu konkretisieren, als überhaupt zu begreifen, was hier gerade geschah.
Aber er antwortete ohnehin nicht, lachte nur leise und rutschte wieder auf seinen Platz auf der Kiste.
„Schatz, das nächste Mal fahr ich", sagte er dabei und stieg aus. Ich hingegen saß immer noch völlig bedröppelt auf der Kiste und wusste nicht so recht wohin mit mir. Dass die anderen auf die Bühne kamen und mir lachend auf die Schulter klopften, mir zu meinem ersten Mal gratulierten, half da nur bedingt.
In meinem Kopf war nur noch Chaos und jedes Mal, wenn Beomgyu mich ansah, wurde es noch schlimmer.
Nach dem Ausflug in die Theaterwelt, machten wir noch einen Abstecher in eine Bar und ich wollte wissen, was ihn an dieser Art Kunst eigentlich so sehr faszinierte.
Beomgyu überlegte nicht lange. „Anfangs war es erschreckend", sagte er. „Zu verstehen, dass jeder Zuschauer wusste, dass alles, was ich sagte, nur von mir stammte, dass es meine Gedanken waren. Aber es ist auch befreiend. Ich würde sagen, das Improtheater hat mich selbstbewusster gemacht. Ich habe viel über mich gelernt und weiß genau, was ich will und was mir gut tut. Das schafft auch Konflikte, das ist mir bewusst, dennoch hat es mich auch ein Stück weit glücklicher gemacht." Er sah mich an und wieder einmal fehlten mir die Worte.
Auf dieser Ebene war er mir weit voraus und ich beneidete ihn etwas dafür.
„Aber wir halten fest", er grinste und für einen Moment legte sich seine Hand auf meinen Arm. „Wir müssen gar nicht dieselben Interessen teilen und können trotzdem Spaß haben."
Still nickte ich. „Ich würde mich gerne wieder mit dir treffen", platzte es dann aus mir heraus.
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