.ೃ࿐ August 🌞🌞🌞
Den halben Nachmittag hatte ich mehr oder weniger damit verbracht, Beomgyu zu beobachten, der wieder im Strandcafé arbeitete. Dabei musste ich auch noch konzentriert gegenüber dem Gequatsche meiner Freunde sein und mir möglichst nicht anmerken lassen, dass meine Aufmerksamkeit heute nicht ihnen galt. Dreimal war ich schon Eis holen gewesen, wenn ich jetzt nochmal ging, würden sie mich vermutlich alle für bekloppt halten. Dabei war gerade Jaeho in der Strandbar aufgetaucht.
Der stand jetzt schon geschlagene zehn Minuten am Tresen und ich wusste nicht, ob er einfach nur auf eine Bestellung wartete oder doch meinen kleinen Frosch beobachtete. Immerhin, Beomgyu schien ihn auch bemerkt zu haben und wich ihm aus, wo es nur ging. Trotzdem machte mich das unruhig.
„Ich hab Hunger", maulte Soobin gerade in meinem Rücken. „Wollen wir nicht zusammenpacken und uns unten am Hafen eine Pizza gönnen?"
„Bin ich dafür", murmelte Taehyun, räkelte sich dabei zufrieden auf Jiaes Beinen und bewegte sich sonst nicht, während Jiae mit den Fingern durch seine Haare kämmte.
„Pizza klingt gut." Kai stieß mir einen Ellenbogen in die Rippen. „Was sagst du?"
„Ja ...", raunte ich abwesend, drehte mich dann um und wandte mich an Soobin. „Seit wann hat Jaeho dieses Boot?"
„Was? Welches Boot?" Selbst Taehyun rappelte sich jetzt auf. „Und wie kommst du überhaupt darauf?"
„Na dieses Boot." Ich wies auf das Boot, das am Ende des Stegs angelegt hatte und von welchem Partymusik herüberschallte. Mindesten fünf oder sechs Leute tummelten sich darauf.
„Keine Ahnung." Soobin reckte den Hals. „Gehört doch sicher nicht ihm, sondern seinem Vater, oder Leihgabe für die Kanzlei. Kann man sich dann ein Wochenende lang nehmen oder so."
Das war gut möglich. Mir gefiel dennoch nicht, dass Jaeho mit dem Ding hier eins auf dicke Hose machte und seine idiotischen Freunde, die sowieso überall immer nur Party witterten, damit herumschipperten. Wenn er wenigstens irgendwo wäre, nur nicht hier.
Aber vorübergehend lenkte mich die Pizzadiskussion wieder ab und da ich wusste, dass Beomgyu heute ohnehin keine Zeit hatte, schloss ich mich meiner Clique an. Wir packten zusammen und weil ich krampfhaft überlegte, wie ich mich von Beomgyu verabschieden konnte, ohne wieder vor aller Augen in die Bar zu rennen, geriet das Boot wieder in meinen Fokus. Jaeho war nämlich weg. Dafür tappte Beomgyu gerade mit einer großen Styroporbox, vermutlich randvoll mit Getränken, über den Steg in Richtung des Boots. Ich sah auch, wie er am Ende des Stegs stehenblieb, offenbar mit Jaeho diskutierte und schließlich, weil ihm keiner die Box abnahm, damit an Bord kletterte.
Mit einem mulmigen Gefühl verfolgte ich das, schulterte dabei mein Zeug, dass ich zusammengepackt hatte und starrte immer noch auf das Boot, welches just in diesem Moment den Motor anwarf und ablegte.
Immer noch wurde diskutiert, womöglich auch gestritten. Beomgyu trat zwei Schritte zurück und im selben Moment stieß ihm jemand mit beiden Händen vor die Brust.
„Nein!" Das war ein Albtraum. „Nein, nein, nein! Nicht! Er kann nicht schwimmen!!"
Während mein Zeug zu Boden fiel und ich losrannte, streifte mich Soobin am Arm. „Yeonjun!" Aber ich stoppte nicht. „Was tust du? Du ...!"
Der Rest verblasste in der rasenden Panik, die mich gerade überrollte.
„Cookie!", brüllte ich, aber niemand nahm Notiz von mir. All mein Schreien und Rufen war vergebens. Der Rest ging so schnell und dauerte zugleich Ewigkeiten. Bilder, wie Momentaufnahmen in meinem Kopf. Schwimmen. Tauchen. Beomgyu, leblos in meinen Armen, leblos im Sand. Heiße Tränen auf eiskalter Haut.
Ich weinte immer noch, als Sanitäter die Trage in den Krankenwagen hievten, als jemand – war das Yoonah? – ein Handtuch um meine Schultern schlang. Das Einzige, das in meinem Kopf noch existierte war: Ich musste zu ihm.
„Welches Krankenhaus?" Ich streifte das Handtuch ab und kam schwankend auf die Beine. „In welches Krankenhaus bringen sie ihn? Ich muss da hin."
Keiner meiner Freunde antwortete mir.
„Gib mir die Autoschlüssel", murmelte Soobin nur. „Ich fahre dich."
Ich hatte keine Ahnung, wie lang ich im Krankenhaus wartete. Eine weitere Ewigkeit wohl. Lange genug auf alle Fälle, dass Schwestern und Ärzte kamen und gingen. Beomgyus Mom war bei ihm und ich hockte auf dem Flur – immer noch. Gut möglich, ich hatte mich gar nicht bewegt, seit irgendwer mich hier hergebracht hatte.
Soobin – war auch nicht mehr da, aber ich wusste nicht, wann er gegangen war, was er gesagt hatte. Er oder Yoonah. Ich hatte auch nicht mitbekommen wann Taehyun und Jiae gegangen waren. Oder Kai. Der hatte wohl am längsten neben mir ausgeharrt, aber nun war ich allein.
Schließlich öffnete sich die Tür, ich sah hin und traf den überraschten Blick von Beomgyus Mutter.
„Yeonjun", murmelte sie. „Du bist ja immer noch da."
Wo sollte ich sonst sein? Es gab keinen Ort wo ich sonst sein wollte. „Ist er ...", meine Stimme war brüchig. „Ist er okay?" Rasch strich ich mit der Zunge über meine Lippen, aber das spröde Gefühl blieb. Auch mein Mund fühlte sich komplett ausgetrocknet an, rau und wund. Als hätte ich Unmengen von Salzwasser verschluckt.
Oder geschrien. Geweint.
Vielleicht hatte ich das.
„Komm", sagte sie nur, winkte mich heran und schob mich durch die Tür, als ich zu ihr trottete.
„Er schläft", flüsterte sie außerdem. „Aber ich bin sicher, er freut sich, wenn er aufwacht und sieht, dass du hier bist."
Still nickte ich dazu, plumpste beinahe auf den Stuhl, in den sie mich drückte und saß dann da, starr vor Angst immer noch, verlegen gleichermaßen, während ich ihn anstarrte und versuchte, alles andere auszublenden. Die Monitore, das Krankenbett, oder dass er so bleich und verloren aussah. Blumen standen auf dem Wagen neben seinem Bett. Ein kleiner Bär saß außerdem dort. Ich hatte nichts dergleichen, um ihn aufzumuntern. Ich hatte nur ...
Etwas drückte meine Finger.
Hatte ich seine Hand genommen, ohne es zu bemerken? Jetzt blickte ich erschrocken hinab und stellte fest, dass seine Hand in meiner leicht zuckte. Er war nicht wach, aber vielleicht merkte er ja, dass jemand hier war. Ich?
Bei diesem Gedanken brach ich unvermittelt in Tränen aus und wusste nicht mal wie so. Aber ich weinte, schniefte und es war unsäglich peinlich. Erst recht, als seine Mutter zu mir trat und mich umarmte. Sie tröstete mich, dabei war es ihr Junge, der da im Bett lag, der ...
Mit Gewalt würgte ich den Gedanken ab, ich wollte mir nicht ausmalen, was hätte passieren können. Die Bilder würden mich ohnehin verfolgen und mir Albträume verursachen.
„Yeonjun? Es ist okay, hm? Es geht ihm gut. Dank dir." Sie drückte mich fester, rieb über meinen Rücken. „Dank dir. Weißt du das?"
Aber ich konnte nicht aufhören zu weinen.
Später, viel später, als meinen Tränen endlich versiegt waren und ich mich etwas beruhigt hatte, saß sie immer noch neben mir, hielt seine Hand und streichelte mit der anderen über meinen Rücken.
„Ich wusste es immer", flüsterte sie dabei. „Er ... spricht nicht darüber." Fast klang es ein wenig traurig. „Zumindest nicht mit mir, aber ... eine Mutter spürt das, denke ich. Und ... ich weiß, wie sehr er dich mag. Er ist wie ausgewechselt seit ..."
Sie sah mich an und als ich ihren Blick traf, begriff ich auch, dass sie tatsächlich alles wusste. Sie wusste, dass wir mehr waren, als einfach nur Freunde und schon wieder begann ich zu heulen. Da wurde ich ein weiteres Mal umarmt und gedrückt.
„Ist gut", hörte ich sie in meine Haare murmeln. „Es ist alles gut. Es ist schön, dass er jemanden wie dich gefunden hat." Ihre Hände umfassten mein Gesicht, sie strich mir behutsam die Tränen von den Wangen und nickte aufmunternd. Eine Geste, die ich mir von meiner eigenen Mutter gewünscht hätte, stattdessen bekam ich sie von einer Frau, die mich gar nicht kannte.
„Ich geh mir einen Kaffee holen", sagte sie jetzt, stand auf und drückte dabei meine Schulter. „Und du passt so lange auf ihn auf, okay?"
Stumm nickte ich, wartete, bis sie den Raum verlassen hatte, bevor ich zitternd durchatmete. Ich wusste schon, warum sie mich mit ihm alleingelassen hatte. Angespannt stieß ich die Luft aus, stand auf und beugte mich über ihn.
„Hey Fröschlein", murmelte ich dumpf. „Ich bin da, hm?" Vorsichtig tupfte mein Mund auf seine Lippen. „Ich werde immer da sein, okay?"
Kurz vor Ende der Besuchszeit kam Soobin zurück und mit ihm drängte auch der Rest durch die Tür. Sie hatten Blumen dabei und einen Ballon und ein Plüschi und ... standen alle ziemlich dumm am Fußende des Krankenbettes herum, neben dem ich immer noch hockte.
Beomgyu war mittlerweile munter und auch wenn er noch ziemlich blass um die Nase war, schien er ganz aufgeweckt. Jetzt allerdings sah er mit großen Augen von einem zum anderen, bedankte sich artig, lächelte schief, bevor er sich leicht in meine Richtung neigte.
„Ich kenn die doch alle gar nicht!", raunte er mir zu und ich musste grinsen.
Klar. Ich richtete mich auf und drehte mich halb um. „Soobin, Yoonah, Taehyun, Jiae und Kai – meine Freunde", stellte ich sie vor und alle grinsten dümmlich. Naja, bis auf die beiden Mädchen, die kamen herangehuscht, drückten ihn, kicherten dabei und flüsterten ihm Worte zu, die ich nicht verstand. Jetzt hatte Beomgyu immerhin ordentlich Farbe im Gesicht, auch wenn er sonst verlegen die Hände rang und kein Wort sagte.
Ich fing dafür einen Blick von Soobin auf und der sprach Bände. Da war dieses tiefe Stirnrunzeln, diese grüblerisch zusammengezogenen Augenbrauen, sodass ich mich rasch wieder abwandte. Nein, auf keinen Fall wollte ich mich im Moment erklären. Aber dass es Zeit wurde, für ein offenes Gespräch zwischen uns allen, war mir auch klar.
Zu viel war passiert.
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