Kapitel 7
Die Dielen knarrten, bis Jannik die Türschwelle überschritt und die Küche betrat, so dass sein Mitbewohner Tobias ihn bereits mit einem neugierigen Blick musterte und schließlich an ihm vorbei in den Flur blickte.
„Allein?", fragte er und zog die Augenbrauen hoch, „Hattest du nicht gestern eine Verabredung?"
Jannik grummelte etwas Unverständliches und machte sich am Kaffeeautomaten zu schaffen. Er konzentrierte sich vollkommen darauf, mehrere Lot mit Kaffee zu füllen und in die Filtertüte zu schütten, konnte jedoch das belustigte Necken von Tobias nicht überhören.
"Hast du etwa einen Korb bekommen?"
Nur kurz spielte Jannik mit dem Gedanken, sich damit herauszureden, dass sein Date alles andere als ansprechend gewesen war, entschied sich jedoch dagegen, denn es kam ihm unfair gegenüber Bea vor. Er begnügte sich daher damit zu erwidern:
"Ich will das Ganze noch ein wenig auskosten. In Genuss schwelgen. Weißt du, was ich meine?"
Er schaltete die Kaffeemaschine an und drehte sich um, so dass er seinen Kumpel direkt ansehen konnte, der sich in seinen Stuhl gefläzt hatte, die Beine gemütlich auf dem Tisch abgelegt, und ein Käsebrot verspeiste.
„Wir treffen uns noch mal."
Der Blick, mit dem Tobias ihn bedachte, war erst ungläubig, dann zog ein Grinsen über sein Gesicht, als er mit leichter Schadenfreude konstatierte:
"Sie hat dir einen Korb gegeben." Dann brach er in ein wieherndes Lachen aus.
„Quatsch!", bestritt Jannik entschieden, denn genaugenommen war es so nicht gewesen, er hatte durchaus den Eindruck gehabt, dass Bea eigentlich nicht abgeneigt gewesen wäre, wenn es nur nicht Sonntagabend gewesen wäre. Es wurmte ihn, dass sein Kumpel das mitbekommen musste. Im Nachhinein wäre es ihm lieber gewesen, er hätte darauf verzichtet, von seinen Abendplänen zu berichten. Aber wer hätte auch damit rechnen können, dass der Abend nicht so endete, wie er sich das gedacht hatte?
Tobias biss von seinem Brot ab und äußerte sich kauend und damit etwas unverständlich:
„Du hast noch nie etwas anbrennen lassen und das Gerede vom den Genuss auskosten..." – er ließ sich den Ausdruck förmlich auf der Zunge zergehen - "...nehme ich dir nicht ab."
„Halt's Maul, wenn du nicht weißt, wovon du redest!", parierte Jannik verärgert und behielt wohlweislich für sich, dass ihn an Bea weit mehr als nur eine schnelle Nummer interessierte, denn er hatte unter seinen Kommilitonen einen Ruf zu verlieren.
Der Kaffeeautomat gurgelte und dampfte und strahlte dann den verlockenden Duft aus, der entsteht, wenn Kaffee frisch gekocht ist. Jannik nutzte die Gelegenheit, Tobias den Rücken zuzuwenden, streckte sich, um sich einen Becher aus dem Schrank zu angeln und schenkte sich dann von dem bitteren Gebräu ein, ohne es mit Milch oder Zucker abzumildern. Er hatte Beas Brief für einen Vorwand gehalten, um sich mit ihm zu verabreden und eingedenk der Erinnerungsbilder von ihr, die er aufzurufen vermocht hatte, war er nicht abgeneigt gewesen.
Von seinen Gedanken abgelenkt trank er zu rasch von seinem Kaffee und verbrannte sich daraufhin die Zunge. „Scheiße, ist das heiß!", fluchte er und presste unwillkürlich die Hand an den Mund, ohne mehr zu erreichen als ein kurzes Pausieren des schmerzhaften Brennens, amüsiert beobachtet durch Tobias, der es sich nicht nehmen ließ, ungeachtet Janniks Widerspruch hinzuzufügen:
"Das wäre dann wohl das erste Mal, stimmt's oder habe ich recht?"
Genervt über Tobias Frotzeleien wandte Jannik sich um und fand nur mit Mühe zu einem leichten Tonfall, der seinen Ärger mit chauvihafter Arroganz überspielte.
"Die Frau, die mir widersteht, muss erst noch geboren werden."
„Das ist der Jan, den ich kenne!", lobte Tobias mit einem breiten Grinsen im Gesicht und hob seine Handfläche zum Abschlagen.
Und noch während sich ihre Hände mit einem lauten Klatschen trafen und Jannik Tobias zuliebe einen großspurigen Gesichtsausdruck aufsetzte, glitten seine Gedanken zum gestrigen Abend, als er zurück in sein Zimmer ging. Es war ihm schon nach den ersten paar Minuten klar geworden, dass dieses Treffen nicht den Verlauf seiner üblichen Verabredungen nehmen würde. Weder hing sie mit verklärtem Gesichtsausdruck an seinen Lippen noch quittierte sie alle seine Kommentare mit neckisch zur Seite geneigtem Kopf und einem perlenden Lachen, das völlige Übereinstimmung heuchelte. Stattdessen hatten ihre lachenden Augen nichts als Freude darüber gezeigt, jemanden mit gleichen Interessen gefunden zu haben.
Mit Ausnahme ein bis zwei kleiner doppeldeutigen Gesten hatte sie in keinster Weise versucht gehabt, ihn für sie zu interessieren. Ja, lange Zeit schien es geradezu so, als wäre es ihr wirklich nur um den Austausch über den Film gegangen und Jannik fragte sich unwillkürlich, ob es nicht gerade diese ungewohnte Herausforderung war, die Bea für ihn anziehend machte. Wobei er sie beileibe nicht unattraktiv fand, mit ihren rotbraunen Haaren, die ihr nur an den Seiten von ein paar Spangen gehalten in natürlichen Locken bis zur Schulter fielen, und den aristokratischen Gesichtszügen einer hohen Stirn, schmalen Nase und sanft geschwungenen Lippen.
Mit dem Becher, in dem der Kaffee inzwischen nur noch lauwarm war, in der einen Hand, ließ er sich in seinen Stuhl vor dem PC fallen und angelte mit der anderen Hand nach seinem Handy. Bea hatte sich noch immer nicht bei ihm gemeldet, Jannik runzelte die Stirn und tat seine Enttäuschung als verletzte Eitelkeit ab. Während er darauf wartete, dass der Computer endlich hochfuhr, schlug er sich mit dem Gedanken herum, dass es ihr womöglich tatsächlich einzig und allein um den Gesprächsaustausch zu dem Film gegangen war und sie nun einen Tag später in Bezug auf den weiteren Verlauf des Abends ihre Meinung geändert hatte und kein Interesse mehr an einem weiteren Treffen hatte. Dies bedrückte ihn mehr als er wahrhaben wollte. Gereizt starrte er auf das Display seines Handys und knurrte zwischen zusammengebissenen Zähnen:
"Schreib sie einfach an, Mann!"
Aber ein innerer Widerstand hinderte ihn daran, denn normalerweise war er es, der die Fragen nach einem weiteren Treffen erhielt und nicht selten ließ er diese unbeantwortet, bis die Frauen irgendwann aufgaben und ihn in Ruhe ließen.
Obwohl der Computer schließlich auffordernd die letztformulierte Seite seiner Doktorarbeit präsentierte, konnte sich Jannik nicht darauf konzentrieren, den Text fortzusetzen. Hippelig fuhren seine Finger über die Tasten seines Handys und scrollten von einem Filmchen zum nächsten, riefen ein Foto nach dem anderen auf und verharrten schließlich ungewollt auf Beas Whats App-Profil, einem majestätischen, schneebedeckten Bergrücken. Der bisherige Chat mit ihr zur Festlegung des gestrigen Treffens war schnörkellos und zweckorientiert gewesen und hatte nichts von Beas vielseitigen Interessen preisgegeben, von denen er sich gestern hatte überzeugen können, er endete mit seinem lässig hingeschriebenem „See u". Und dann tippten seine Finger wie von selbst:
"War schön gestern Abend. Fortsetzung am Samstag?"
Er drückte schnell auf Senden, damit er es sich nicht noch einmal anders überlegen konnte, stieß die angehaltene Luft aus und drehte sich mit dem Schwung der in Schach gehaltenen Emotionen mit dem Schreibtischstuhl mehrmals um die eigene Achse. Wenn seine Freunde wüssten, dass er einer Frau hinterherliefe – die Reaktion konnte sich Jannik lebhaft vorstellen, denn in seinem Kreis war er als Aufreißer bekannt. Obwohl es ihm eigentlich fern lag, Frauen auf ihre körperlichen Reize zu reduzieren, konnte er sich meist nicht zurück halten, irgendwelche Bettgeschichten zum Besten zu geben, was ihn in den Augen seiner Clique zu einem machohaften Frauenheld machte. Der erneute Blick auf das Display offenbarte ihm, dass Bea gerade online war, was den Takt seines Herzens sogleich höher schlagen ließ und ungeduldig wartete er darauf, dass statt des schreibt eine Antwort erschien.
Mit einem leisen „Pling" erschien schließlich eine Nachricht:
"Fand ich auch. :) Samstag geht leider nicht, vielleicht Donnerstag? Muss jetzt wieder arbeiten, melde mich. LG, Bea."
Ein erfreutes Lächeln bereitete sich auf Janniks Gesicht aus und er schickte sofort den passenden Smiley hinterher. Und dann hieß es Warten...
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